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Wirtschaft

Mit diesen Strategien soll der Hamburger Hafen zukunftsfähig werden

Autorenprofilbild von Olaf Preuß
Von Olaf PreußWirtschaftsreporter
Veröffentlicht am 26.01.2021Lesedauer: 5 Minuten
Blick in den Hamburger Hafen. Deutschlands größter Seehafen braucht eine neue Entwicklungsstrategie
Blick in den Hamburger Hafen. Deutschlands größter Seehafen braucht eine neue EntwicklungsstrategieQuelle: Getty Images/Westend61

Um erfolgreich zu bleiben, braucht der Hamburger Hafen neue Ideen und Geschäftsmodelle. Wasserstoff und Digitalisierung bieten dem größten deutschen Seehafen große Chancen – sofern die Stadtgesellschaft Innovationen zulässt.

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Während der 1860er-Jahre begann Hamburg damit, seinen Hafen als offenen Tidehafen weiter auszubauen. Der damalige Wasserbaudirektor Johannes Dalmann hatte sich mit diesem Konzept durchgesetzt, nach einem langen und erbitterten Streit unter den Fachleuten in der Hansestadt und gegen das Konzept von London, damals der größte Seehafen der Welt. Der Hafen der britischen Hauptstadt war zu dieser Zeit längst als Dockhafen angelegt, mit einem komplexen System von Schleusen, um die Schiffe an den Kais von den Gezeiten abzuschirmen.

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Hamburg hingegen entschied sich für ein offenes System mit entsprechender Anpassung an die Tide. Das brachte der maritimen Wirtschaft in der Hansestadt einen – mit Unterbrechungen – Aufschwung von fast 150 Jahren Dauer. London aber verlor seine Bedeutung als Seehafen mit seinen unflexiblen Docks durch die wachsenden Schiffsgrößen fast komplett. Seit dem Beginn der Containerschifffahrt spielt die Stadt im Überseeverkehr keine Rolle mehr.

Wasserstoff und Digitalisierung – die Chancen des Hamburger Hafens

Einen Innovator vom Schlage Dalmanns bräuchte der Hamburger Hafen heute dringendwie seit Jahrzehnten nicht. Denn der Güterumschlag stagniert bereits seit der Finanzmarktkrise von 2009 an. Neue Strategien und Geschäftsmodelle müssen her. Der Einstieg in eine Wasserstoffwirtschaft könnte ein Schlüssel dafür sein.

Die Wirtschaftsbehörde – geführt von Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos) – gab am Freitag gemeinsam mit der Umweltbehörde und mit Unternehmen bekannt, am Standort des stillgelegten Kohlekraftwerks Moorburg eine Anlage zur Elektrolyse von Wasserstoff errichten zu wollen. Mit einer Leistung von zunächst 100 Megawatt wäre es eine der stärksten der Welt. Dort soll im industriellen Maßstab „grüner“ Wasserstoff erzeugt werden, mit Strom aus norddeutschen Windparks, als gespeicherte Energie, als ökologischer Rohstoff für die chemische oder die Stahlindustrie.

Seit seinem Amtsantritt macht sich Westhagemann für den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft in Hamburg und Norddeutschland stark. Im November 2018 war der frühere, langjährige Siemens-Manager Wirtschaftssenator geworden. „Grünen“ Wasserstoff sieht er als unverzichtbar für die Fortsetzung der Energiewende im Norden an, und zudem für die ökologische Modernisierung von Industrie und Logistik.

Hamburg, Deutschlands größter Seehafen, könnte ein Zentrum bei der Erzeugung und Nutzung, aber auch für den Import und Export von Wasserstoff werden, der mithilfe von Windkraft, Solarstrom oder Erdwärme erzeugt wird.

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Doch nicht nur deshalb war es eine wichtige Woche für die Zukunft des Hamburger Hafens. Am Dienstag hatte die Handelskammer zu diesem Thema ein umfangreiches Strategiepapier vorgelegt. Relevant ist diese Analyse, weil sie die Schwächen des maritimen Güterumschlags in der Hansestadt kritisch benennt – vor allem aber, weil sich die städtische Wirtschaft in dem Papier auch klar für eine umfassende Modernisierung des Hafens ausspricht.

Der wichtigste Erfolgsfaktor soll künftig nicht mehr allein die Menge der umgeschlagenen Güter sein, sondern die Wertschöpfung für die Hamburger Wirtschaft insgesamt. Die Ansiedlung, die Innovationen und die Produktion hafennaher Unternehmen sollen dabei eine zentrale Rolle spielen.

Auch die fortschreitende Digitalisierung des Hafenumschlags, mehr Automatisierung, Transparenz und Effizienz, sollen das Geschäft voranbringen, an den Kaikanten, auf den Terminals und beim Weitertransport der Güter auf Straße, Schiene und Binnenschiff. Die internationale Logistikbranche wird darauf schauen, was Hamburg dabei zu bieten hat. Wenn es die Eindämmung der Pandemie zulässt, will die Hansestadt im Oktober den diesjährigen ITS-Weltkongress für intelligente Transportsysteme ausrichten.

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Einen Wert für den Hafen kann das Strategiepapier der Handelskammer aber nur entwickeln, wenn die Chancen tatsächlich realisiert werden, die darin stecken. Hafen und Stadt leben seit Jahrhunderten in einem klugen Verhältnis von Geben und Nehmen. Für den Bau der Speicherstadt wurden am Ende des 19. Jahrhunderts Wohnquartiere auf dem Grasbrook abgerissen und andernorts in der Stadt neu aufgebaut.

Nach der Jahrtausendwende holte sich die Stadt den größten Teil des östlichen Hafengebietes zurück, der für den Güterumschlag nicht mehr gebraucht wurde. Seither wächst dort die Hafencity. Die Elbphilharmonie steht auf dem Fundament eines früheren Hafenspeichers.

Um diese Entwicklung fortzusetzen, wäre es konsequent, die noch verbliebenen Hafenanlagen aus dem östlichen Hafenteil heraus in die Mitte und den Westen zu verlagern. Auf den freiwerdenden Flächen könnte dann mit einer größeren Hafencity der „Sprung über die Elbe“ nach Wilhelmsburg und Harburg vollendet werden. Zugleich müssten die Flächen im Hafen und am Hafenrand – auch am Erweiterungsgebiet Moorburg – genutzt werden, um den Hafen, die Industrie, die Energiewirtschaft in der Stadt zu erneuern.

Die wichtigste Voraussetzung dafür sind allerdings nicht Konzepte, sondern der Gestaltungswille der Stadtgesellschaft. Die weitverbreitete Nachlässigkeit gegenüber dem Hafen steht im Kontrast zu der Bedeutung, die er für den Wohlstand der Hamburger Bürger weiterhin hat. Umweltverbände machten das Hafenkonzept der Handelskammer in der Presse und in sozialen Medien nieder, noch bevor es die Kammer überhaupt veröffentlicht hatte.

Die letzten Entscheider, die historisch bedeutende Weichenstellungen für den Hafen unternommen haben, waren Ende der 1960er-Jahre der damalige Wirtschaftssenator Helmuth Kern (SPD) – er trieb in der Hafenwirtschaft den Umstieg auf die Containerlogistik voran – und in den 1990er-Jahren der Erste Bürgermeister Henning Voscherau (SPD) als „Erfinder“ der Hafencity.

In jüngerer Zeit war die Debatte um die Entwicklung des Hafens erlahmt, in gegenseitigen Vorwürfen zwischen Senat und Hafenwirtschaft, Umweltverbänden und Hafenverwaltung. Dabei sind nicht Konkurrenten wie Rotterdam oder die Wendungen der Globalisierung das größte Risiko für den Hamburger Hafen. Gefährlich für dessen Zukunft ist vor allem der Mangel an Erneuerungskraft und Wagemut in der Stadt.

Dieser Text ist aus der WELT AM SONNTAG. Wir liefern sie Ihnen gerne regelmäßig nach Hause.

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Quelle: Welt am Sonntag