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Hamburg Flugzeugbau

Auf den Rumpf kommt es an

Wirtschaftsreporter
André Walter, Chef des neuen Tochterunternehmens Airbus Aerostructures (ASA), in der Flugzeugwerft in Hamburg André Walter, Chef des neuen Tochterunternehmens Airbus Aerostructures (ASA), in der Flugzeugwerft in Hamburg
André Walter, Chef des neuen Tochterunternehmens Airbus Aerostructures (ASA), in der Flugzeugwerft in Hamburg
Quelle: Bertold Fabricius
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Airbus will in Deutschland mit neuer Struktur stark wachsen. Rumpfteile fertigt nun das Tochterunternehmen ASA, in das der Konzern zunächst 1,2 Milliarden Euro investiert – auch für das Flugzeug der Zukunft.

Rumpfteile stehen in der Montagehalle von Airbus nebeneinander, ein jedes eingerahmt von einer Arbeitsbühne. Von außen sehen die Hecksektionen für die Flugzeugmodelle Airbus A320 und A321 mit ihrer grünen Grundierung sehr ähnlich aus. Den Unterschied macht vor allem der Innenausbau. Einmal am Tag hebt ein Deckenkran jede Sektion eine Box weiter und damit einen Schritt im Fertigungsprozess voran. Nach jeweils zehn Tagen ist die Elektrik, die Hydraulik und die Dämmung eines Rumpfteils fertig eingebaut, die Fenster installiert, dann geht es in die jeweilige Endmontage. Dort werden unter anderem die Sitze installiert und die Großbauteile zu einem kompletten Flugzeug zusammengefügt. „Von November an wird die Fertigungsrate bei den Modellen der A320-Familie gesteigert und damit auch die Zahl der Hecksektionen“, sagt Andreas Dorstewitz, Leiter der Ausrüstungsmontage in der Halle 260 auf der Airbus-Flugzeugwerft Finkenwerder in Hamburg, dem weltweit drittgrößten Standort des zivilen Flugzeugbaus. „Dann werden die Sektionen alle elf Stunden um eine Station weiterbewegt, anstelle von 14 Stunden, wie derzeit.“

Airbus, der weltweit führende Hersteller von Zivilflugzeugen, will die Folgen der Pandemie hinter sich lassen. Das europäische Unternehmen mit Hauptsitz in Toulouse fährt vor allem die Fertigung von Maschinen der A320-Familie wieder hoch, mit den Modellen A321 und A320, vereinzelt auch noch mit der A319. Diese Maschinen mit einem Mittelgang sind das Fundament des Konzerns – auch deshalb, weil die A320-Familie vom Kurzstreckenflugzeug bis zum Langstreckenflieger A321XLR mit 8700 Kilometern Reichweite mittlerweile ein großes Nutzungsspektrum abdeckt. Vor der Pandemie fertigte Airbus im Monat 63 Maschinen der A320-Familie, derzeit sind es 55. Anfang 2024 sollen es 65 Maschinen sein, für das Jahr 2025 sind 75 Maschinen im Monat geplant. Die meisten dieser Jets kommen aus Hamburg.

Um den Hochlauf realisieren zu können, hat Airbus nach einem langen Kampf mit den Arbeitnehmern zum 1. Juli ein neues Tochterunternehmen für die Fertigung von Rumpfsektionen gegründet. Es heißt Airbus Aerostructures (ASA) und fasst Produktionen auf Finkenwerder, an den Standorten in Bremen, Nordenham zusammen sowie Mitarbeiter aus Augsburg und Varel. Von den zunächst rund 8500 ASA-Mitarbeitern zählen allein rund 4300 zum Standort Hamburg. Insgesamt arbeiten auf Finkenwerder derzeit rund 15.000 Menschen für Airbus, das Unternehmen ist der größte industrielle Arbeitgeber der Stadt.

„Der Luftfahrtmarkt hat stark wieder angezogen“, sagt in einem Konferenzraum in einem Haus nahe der Halle 260 André Walter, einer der beiden Chefs des zivilen Flugzeugbaus von Airbus in Deutschland. Zum 1. Juli hat der vormalige Leiter des Standorts Finkenwerder die Führung der neu gegründeten ASA übernommen. Das Tochterunternehmen, für das es mit dem Namen Airbus Atlantic auch ein Pendant in Frankreich gibt, hat für den Konzern große strategische Bedeutung. „Wir steigern nicht nur die Produktion unserer Flugzeuge, wir arbeiten auch am emissionsfreien Flugzeug für die Zukunft“, sagt Walter. „Der Rumpf zählt dabei für Airbus zum Kerngeschäft. Bei ASA haben wir nun die deutschen Werke mit der gleichen Produktionslogik zusammengeführt.“

Das war nicht immer so. Im Jahr 2009 waren Teile der Rumpffertigung aus Kostengründen zum damals neu gegründeten Tochterunternehmen Premium Aerotec nach Augsburg ausgelagert worden. Im Zuge der Neuausrichtung wollte Airbus Premium Aerotec eigentlich aufspalten und teilweise verkaufen. Nach hartem Ringen mit der Gewerkschaft IG Metall und mit den Betriebsräten in Deutschland bleiben nun letztlich alle Standorte von Premium Aerotec im Konzern, die Arbeitsplätze werden größtenteils in ASA integriert.

Sereinfertigung von Hecksektionen für Flugzeuge der A320-Familiebei Airbus in Hamburg
Sereinfertigung von Hecksektionen für Flugzeuge der A320-Familiebei Airbus in Hamburg
Quelle: Bertold Fabricius

Walter sieht einen großen Nachholbedarf bei der Modernisierung der weltweiten Flotte von Passagierjets: „Nur rund 18 Prozent aller kommerziellen Passagierflugzeuge fliegen heutzutage mit der sparsamsten und effizientesten Antriebstechnologie, mehr als 80 Prozent stellen also das Potenzial für die Erneuerung dar.“ Würde man die komplette Welt-Flugzeugflotte mit modernsten Antrieben ausstatten, ließe sich der Ausstoß von Treibhausgasen im Flugverkehr um ein Viertel reduzieren. Getrieben werde die Erneuerung der Flugzeugbestände aber nicht in erster Linie von der Sorge um das Klima – sondern vor allem von den hohen Kerosinkosten, die mit modernen Maschinen erheblich gesenkt werden könnten.

Rund 1,2 Milliarde Euro werde ASA in den kommenden drei Jahren in den Ausbau und in die Modernisierung seiner Fertigung investieren – und dabei auch wieder eine Reihe neuer Arbeitsplätze schaffen. Bis zum Jahr 2025 soll die Zahl der Mitarbeiter bei ASA an allen deutschen Standorten von derzeit rund 8400 auf mehr als 10.000 steigen. Allein für den Standort Hamburg suche man bis zur Mitte des kommenden Jahres 800 bis 1000 zusätzliche Mitarbeiter. Allerdings hatten im Rahmen des Rationalisierungsprogramms „Odyssee“ allein in Hamburg seit Beginn der Pandemie auch mehr als 1000 Mitarbeiter Airbus verlassen. „Wir sind insgesamt stark wieder in die Mitarbeiterwerbung eingestiegen“, sagt Walter. „Dabei können wir nicht einfach fertig qualifizierte Mitarbeiter vom Arbeitsmarkt zu uns holen. Neue Mitarbeiter müssen bei uns zunächst eine Qualifikation und Zulassung für den Flugzeugbau erwerben.“ Den Rahmen dafür gebe das Luftfahrt-Bundesamt vor.

Bei der Werbung um hoch qualifizierte Arbeitnehmer steht Airbus in Konkurrenz zu etlichen anderen Industrieunternehmen allein in Hamburg. Der Konzern setzt auf die Anziehungskraft seines großen Ziels, „das emissionsfreie Fliegen Wirklichkeit werden zu lassen“, sagt Walter. Derzeit verfolge Airbus dabei drei technologische Pfade: die Verbrennung von Wasserstoff aus regenerativer Erzeugung in Turbinen anstelle von Kerosin, die Kombination von Direktverbrennung und Wasserstoff-Brennstoffzellen in Hybridantrieben für künftige Flugzeuge und die sogenannten Sustainable Aviation Fuels (SAF), die vor allem auch auf biogenen Rohstoffen basieren. Beim neuen Langstreckenjet A321XLR baut Airbus erstmals einen zusätzlichen Tank in den Rumpf ein. Die Tanks für Passagierflugzeuge sitzen üblicherweise in den Tragflächen. Auch für die Flugzeuge der Zukunft, die mit Wasserstoff oder synthetischem Kerosin betrieben werden, brauche man neue Konstruktionen für die Tanks: „Bei all dem“, sagte Walter, „wird die Fertigung von Rumpfteilen für uns eine Schlüsselrolle spielen.“

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