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Meinung Wolfgang Peiner

„Der Bedeutungsverlust sollte Hamburg aufrütteln“

Der Hafen als Kulisse – das lieben die Hamburger und die Besucher der Stadt. Aber bleibt er auch eine Triebfeder hanseatischer Wirtschaftsmacht? Der Hafen als Kulisse – das lieben die Hamburger und die Besucher der Stadt. Aber bleibt er auch eine Triebfeder hanseatischer Wirtschaftsmacht?
Der Hafen als Kulisse – das lieben die Hamburger und die Besucher der Stadt. Aber bleibt er auch eine Triebfeder hanseatischer Wirtschaftsmacht?
Quelle: Getty Images/Westend61; Maja Hitij/dpa
Der Hamburger Hafen kränkelt, wie auch die in der vergangenen Woche vorgelegten Umschlagszahlen zeigen. In einem Gastbeitrag zur Zukunft Hamburgs rät nun der frühere Hamburger Finanzsenator Wolfgang Peiner zu einer Neuausrichtung. Der Senat müsse handeln.

Das Thema „Zukunft des Hafens“ ist in der Diskussion aktuell nach vorn gerückt, nicht zuletzt durch die Auseinandersetzung über Abriss und Neubau der Köhlbrandbrücke. Aber das Thema ist weiter gefasst – beantwortet werden muss die Frage, welche strategische Zukunft der Hafen und welche Bedeutung er damit künftig für Hamburg hat.

Bereits in der Präambel unserer Verfassung wird dem Hafen eine herausragende Bedeutung gegeben: „Die Freie und Hansestadt Hamburg hat als Welthafenstadt eine ihr durch Geschichte und Lage zugewiesene Aufgabe gegenüber dem deutschen Volke zu erfüllen“. Trifft das noch zu? Traf es jemals in dieser Bedeutung zu? Ist der Hafen „Deutschlands Tor zur Welt“ – oder nur ein Tor neben anderen? Ist der „Welthafen“ die Aufgabe, die Hamburg für Deutschland hat?

Wolfgang Peiner Finanzsenator a.D. ehemaliger Bürgerschaftsabgeordneter sitzt am 25.02.2014 im Rathaus in Hamburg bei der Veranstaltung "Prägende Köpfe. Für Hamburg". Foto: Maja Hitij/dpa ++
Von 2001 bis 2006 war Wolfgang Peiner Finanzsenator der Hansestadt Hamburg
Quelle: picture alliance / dpa

Bei der Beantwortung hilft ein Blick zurück. Der Hafen spielte für die Entwicklung Hamburgs ohne Zweifel eine zentrale Rolle; viele der Güter, die in Deutschland der Versorgung der Bevölkerung dienten, Material für die Industrie und der Import von Kolonialwaren liefen über Hamburg. Aber schon früh wurde erkannt: Durchfuhrhandel brachte nur Speditionsgewinne mit geringer Wertschöpfung – interessanter für die Schaffung von Wohlstand waren die Reedereien, der Handel und die Industrie.

Hamburger Reeder bauten große Flotten auf, deren „Heimathafen“ Hamburg war. Eine zunehmend wichtige Rolle spielte der Überseehandel – Warenkenntnis und persönliche Beziehungen bildeten die Grundlage für den Erfolg. Auch der Warenverkehr – Import und Export – lief über den Hafen. Hamburg wurde früh Industriestadt, von Bier, Zucker und „Kattun“, also Textilien, zu Werften, die später Weltgeltung bekamen. Die Rohstoffe und die gefertigten Produkte brauchten den Hafen. Auslandsbanken und Versicherungen mit Sitz in Hamburg sicherten das Geschäft ab. Hamburg war so „Welthandelsstadt“ geworden, nicht nur Welthafenstadt.

Das Geschäft hat sich nach dem 2. Weltkrieg dramatisch verändert: die Reedereien sind heute global tätig; sie werden aus Hamburg gesteuert, aber benötigen Hamburg nicht als Hauptanlaufpunkt. Das gleiche gilt für die global tätigen Kaufleute wie etwa die Neumann Coffee Group, Helm oder Mabanaft. Sie nutzen Hamburg als Zentrale – aber kaum noch den Hafen. Auch für die Stadt als „Maritimes Zentrum“ ist heute kein Hafen mehr zwingend erforderlich, denn die wertschöpfenden Tätigkeiten liegen heute nicht im Umschlag, sondern in der Dienstleistung für die Schifffahrt: Versicherungen, Anwälte, Klassifizierung, Technische Entwicklung. Das alles kann (weit) von der Küste entfernt angeboten werden. Was London und New York können, sollte Hamburg auch können, wenn auch auf kleinerem Niveau.

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Für die lokale Industrie hat der Hafen für Beschaffung und Export seine Bedeutung behalten, aber seine „Kernkompetenz“, die Werften, sind längst nach Asien abgewandert. Auch die Verkehrs-Situation hat sich verändert: Die „Road and Belt“ Initiative Chinas will den Schienenweg nach Europa ausbauen. Neue Häfen im Mittelmeer und neue Zugstrecken kürzen den Transportweg zum traditionellen Hamburger Hinterland ab. Der Feederverkehr in die Ostsee wird durch Direktverbindungen der Reedereien in die Ostsee ersetzt.

Was ist also das Zwischenergebnis? Der Hafen, aber vor allem Handel, Schifffahrt und Werftindustrie, haben Hamburgs starke Stellung in Deutschland und für Deutschland begründet. Der Hafen war und ist für wichtige Bereiche eher „Mittel zum Zweck“ gewesen; für sich allein aber nicht Quelle des Wohlstandes. Der Hamburger Hafen nimmt damit in seiner Bedeutung für Deutschland ab. Die am vergangenen Mittwoch vorgelegten Halbjahreszahlen, die ein Minus im Container-Umschlag von 11,7 Prozent ausweisen, unterstreichen das. Rotterdam und Antwerpen stehen viel besser da. Vermutlich reicht in der Zukunft ein leistungsfähiger Regionalhafen, um die Bedürfnisse Hamburgs zu befriedigen.

Was folgt daraus: Wir wissen heute, dass Hamburg seit den 1970er Jahren im Wettbewerb der Metropolen an Bedeutung und Wettbewerbskraft verliert. Wolfgang Michalski beschreibt es in seinem Buch „Hamburg: Erfolge und Erfahrungen in der globalisierten Welt“ prägnant: „Aus Hamburg – der führenden Handels- und Hafenplatz des europäischen Kontinents – wurde die Metropolregion Hamburg: das pulsierende Wirtschaftszentrum im Norden Europas“. Dieser relative Verlust an Bedeutung sollte die Stadt aufrütteln.

Wir erleben in der Welt einen dramatischen Strukturwandel; dem muß sich jede Region stellen. Wer zu lange im „Gestern“ verharrt, schiebt notwendige Anpassungsprozesse vor sich her. Nordrhein-Westfalen hing zu lange der Bergmannsromantik an – bis es fast zu spät für den Umbruch war. Hamburg sollte das vermeiden, auch wenn „Deiner Schiffe Mastenwald...“ uns immer wieder berührt.

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Hamburg muss sein Selbstverständnis überdenken und sich ehrgeizige Ziele setzen: Welche Rolle will die Stadt für Deutschland übernehmen? Will Hamburg auf Augenhöhe mit den wichtigen Metropolen sein? Will Hamburg – und wenn ja auf welchen Feldern – Spitzenrollen einnehmen? An wichtigen Beiträgen für die Zukunft der Stadt mangelt es nicht: Die Senatsdrucksache „Metropole Hamburg – Wachsende Stadt“ aus den Jahren 2002 und 2003, der Appell von Klaus von Dohnanyi, Willfried Maier und mir „In Sorge um Hamburg“ 2014, das Konzept „Hamburg 2040“ der Handelskammer, die Ergebnisse des Hamburg Convent, die mahnenden Beiträge von Henning Vöpel und seinen WeltWirtschaftinstitut – eines eint die Beiträge: Die Sorge von Wirtschaft und Zivilgesellschaft um die künftige Entwicklung der Stadt.

Der Hafen als Umschlagshafen wird nicht die Basis für den Neustart sein; sein Flächenpotenzial könnte es schon. Ein Plan für die Zukunft macht aber nur Sinn, wenn Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Städtebau miteinander vernetzt sind. Dann erst können die Ressourcen definiert und eingesetzt werden.Wenn der Plan vorliegt, könnte in der Präambel der Verfassung der „Welthafen“ durch eine neue Aufgabe Hamburgs für Deutschland ersetzt werden.

Wer muss diesen Prozess vorantreiben? Da kann ich nur Bürgermeister Paul Nevermann aus dem Jahr 1961 zitieren: „Der Senat sieht jedenfalls die sich ändernde Welt und wird sich initiativ darauf einstellen. Ihm wird die große Aufgabe zufallen, die vielfältigen Möglichkeiten zu koordinieren.“

Der Autor: Als Wirtschaftsprüfer und Speditionskaufmann kam Wolfgang Peiner in die Politik, von 1978 bis 1984 war er für die CDU Mitglied der Bürgerschaft. Dann wechselte der heute 79-Jährige als Vorstandsvorsitzender der Gothaer Versicherungen in die Wirtschaft, bis er von 2001 unter Bürgermeister Ole von Beust für fünf Jahre als Senator die Finanzbehörde leitete.

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