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Nordrhein-Westfalen Wilma Elles

„Es reicht nicht, Ausländerin und blond zu sein“

Ohne ein Wort Türkisch zu verstehen, wurde eine Deutsche zur Hauptdarstellerin in einer türkischen Fernsehserie. Mittlerweile ist Wilma Elles ein Star – nur in ihrer Heimat kennen sie die wenigsten.

Nicht einmal zehn Minuten dauert es in der Hotellobby, da kommt ein Junge mit seinem Smartphone in der Hand auf sie zu. „Are you Wilma?“, fragt er schüchtern, setzt sich aber direkt neben Wilma Elles aufs Sofa und will ein Selfie mit ihr. Die große, blonde Deutsche ist ein Star in der Türkei – und auch in Katar, wo der Junge und die beiden Mädchen herkommen, die ebenfalls den Moment mit Elles festhalten wollen. „Nice to meet you“, sagen sie.

Wilma Elles kommt aus Köln – dort würde es vermutlich länger dauern, bis sie in der Öffentlichkeit angesprochen wird. Seit sie in der türkischen Erfolgsserie „Öyle bir geçer zaman ki“ („Wie die Zeit vergeht“) mitspielte, reißen sich die türkischen Regisseure um die 28-Jährige – und die Klatschpresse ist voll mit Bildern von ihr.

Aktuell ranken sich die News um ihren Babybauch: Elles und ihr türkischer Verlobter erwarten im Sommer Zwillinge. Auch die Hochzeit steht an – sie soll so glamourös werden wie die von Angelina Jolie und Brad Pitt, sagt ihre Managerin.

Wenn Elles selbst ihre Geschichte erzählt, lässt sie sich wenig über ihr Privatleben und ihren Erfolg aus. Die Schauspielerin gibt die Bodenständige, die als eine von fünf Geschwistern immer wusste, dass sich nicht alles nur um sie dreht.

Plötzlich kam der Anruf zum Casting

Ihren eigenen Kopf hatte sie aber: Seit ihrer Kindheit wollte Elles Schauspielerin werden. „Ich habe immer gesagt: Alle wollen nach Hollywood, ich will nach Bollywood.“ Ihre Eltern hielten nicht viel von der Idee der Tochter – auch deshalb studierte Elles erst mal, eigentlich wollte sie Indologie, wählte dann aber Islamwissenschaft und Politik an der Uni Köln. Nebenbei drehte sie 50 Kurzfilme, spielte in 20 Theaterstücken mit, trat in Kinofilmen auf. „Und dann kam – mir nichts, dir nichts – ein Anruf: ,Kannst du noch mal ein Casting machen?‘“

In Deutschland ist es recht gesetzt. Alles geht seinen Gang. Aber hier ist überall Veränderung, ein Boom. Immer gibt es Neues, das passt mir gut.
Wilma Elles, Schauspielerin

Dafür lernte Elles über Nacht drei Seiten Text auf Türkisch auswendig – ohne auch nur ein Wort der Sprache zu verstehen – und flog zum Vorsprechen nach Istanbul. „Dass ich den Text so schnell gelernt hatte, überzeugte alle“, sagt sie. Eine Woche nach der Zusage zog Elles in die Millionenmetropole am Bosporus. Das war 2010. Mittlerweile geht ihr nicht nur „çok sagol“, „Vielen Dank“ auf Türkisch, ganz natürlich über die Lippen.

„Ich war wie der Fisch im Wasser, Istanbul ist eine so vielseitige Stadt!“, sagt Elles. „In Deutschland ist es recht gesetzt. Alles geht seinen Gang. Aber hier ist überall Veränderung, ein Boom. Immer gibt es Neues, das passt mir gut.“ In der Türkei lebt Elles im Wunderland – so zumindest titelt der Sender RTL II, auf dem erst kürzlich eine zweiteilige Dokumentation über die Schauspielerin zu sehen war.

„Ich singe, morde, spinne Intrigen“

Im türkischen Fernsehen tritt Elles zurzeit in einer historisch-politischen Krimiserie auf. In „Filinta“ ist sie zugleich Tochter des deutschen Reichskanzlers, die berühmteste Sängerin Europas und eine Agentin. „Das ist eine Traumrolle für mich: Ich singe, morde, spinne Intrigen und darf auch noch schwanger sein – das wurde mit in die Rolle eingebaut“, sagt sie. Türkische Serien seien nicht vergleichbar mit deutschen Soaps, eher mit einer Produktion wie „Tatort“. Die Schauspielerei hat ihr zu Werbeverträgen verholfen, Elles modelt auf der Fashion Week und hat eine eigene Modekollektion.

Trotz ihres Erfolgs ist Elles nicht abgehoben. „Das ist für mich selbstverständlich.“ In ihrem Freundeskreis seien schließlich viele Künstler – und Berühmtsein ganz normal. „Außerdem habe ich so hart dafür gearbeitet. Denn natürlich reicht es nicht, Ausländerin und blond zu sein.“

dpa

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