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Reise Ungeziefer im Hotel

Hotelgäste sollten überall die Schuhe ausklopfen

Nicht immer müssen Zimmer völlig insektenfrei sein, urteilten deutsche Richter. Das gilt etwa, wenn Kakerlaken typisch für die Fauna sind. Mit welchen Tieren kann man im Ausland noch fest rechnen?
Reiseredakteurin

Es ist vor allem ihre große Widerstandskraft, die sie vielen Deutschen so unheimlich macht – die Kakerlaken. Sie krabbeln nicht nur schnell, sondern sie können auch fliegen, sie halten Schläge gut aus, und sie sind gegen chemische Keulen resistent.

Selbst wenn sie unter dem festen Tritt eines intoleranten Hotelgastes das Zeitliche segnen, können es ihre Nachkommen – als Ei getarnt und an der Schuhsohle klebend – vom fernen Urlaubsort bis nach Deutschland schaffen, wo der Kakerlaken-Kreislauf von vorn beginnt.

Wer als Reisender solche Mitbringsel partout nicht im Gepäck haben will, dem bleibt in letzter Konsequenz nichts anderes übrig, als zu Hause zu bleiben. Denn die Tatsache, dass es Länder gibt, wo Kakerlaken so verbreitet sind wie Fliegen in Deutschland, wird inzwischen auch von vielen Veranstaltern nicht mehr geleugnet.

Im Gegenteil: Um Beschwerden von Urlaubern zuvorzukommen, legen sie in betroffenen Hotels Flyer aus und stellen Insektenspray bereit.

Touristen auf Kammerjägertour

Das wiederum erklärt vielleicht auch die veränderte Haltung deutscher Gerichte zum Thema Ungeziefer im Hotelzimmer. So bekommen Reisende, die wegen Kakerlaken oder Ameisen auf eine Minderung des Reisepreises klagen, nicht mehr automatisch Recht vor deutschen Gerichten.

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Ist die Zahl der im Zimmer vorgefundenen Tiere begrenzt, so dass den Gästen eine kleine Kammerjägertour zuzumuten ist, kann eine solche Klage durchaus erfolglos bleiben. Nach Ansicht des Bonner Amtsgerichts stellten beispielsweise zehn Kakerlaken in einem Hotelzimmer auf Gran Canaria keinen Reisemangel dar (Az.: 4 C 470/95).

Vor diesem Hintergrund haben wir in Zusammenarbeit mit dem Forschungsinstitut und Naturmuseum Senckenberg beliebte Urlaubsregionen der Deutschen daraufhin „abgeklopft“, wo welche Insekten, Reptilien und Vögel zur „typischen Fauna gehören“, die der Reisende gegebenenfalls „hinzunehmen hat“, wie die Richter in ihrer Urteilsbegründung meinten. Und die zudem ähnlich gesellig wie Kakerlaken sind, das heißt, Hotelgästen gern mal auf den Balkon, ins Bad oder Bett folgen:

Ungiftig: Riesenkrabbenspinnen

Wo Kakerlaken leben, muss auch immer mit ihren Jägern gerechnet werden, den Riesenkrabbenspinnen (z. B. Heteropoda venatoria). Sie lieben tropische und subtropische Gefilde.

Weltweit gibt es mehr als 1000 Arten, wobei die Heteropoda maxima mit einer Beinspannweite von bis zu 30 Zentimetern die größte ist. In Bananenkisten versteckt, schaffte es die ein oder andere Riesenkrabbenspinne bereits nach Deutschland.

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Zwei besonders prächtige Exemplare hat das Frankfurter Senckenberg Naturmuseum in seinen Vitrinen. Sie wurden auf einer Expedition in Laos gefunden.

Peter Jäger, Leiter der Arachnologie in Frankfurt, rät Reisenden, die in Laos, Vietnam, Thailand, Malaysia, Australien oder Neuseeland eine Riesenkrabbenspinne im Hotelzimmer entdecken, nicht panisch zu reagieren: „Riesenkrabbenspinnen beißen nicht, und sie sind auch nicht giftig.“

Flink: Spinnenassel

Auch die Spinnenassel (Scutigera coleoptrata) nimmt es mit Schädlingen auf. Weinbauern in Süddeutschland, die vor 40 Jahren auf die ersten nach Deutschland eingeschleppten Spinnenasseln stießen, haben sich inzwischen mit ihnen arrangiert – wenn sie denn außerhalb der Häuser jagen.

Ein Zeichen dafür, dass die Spinnenasseln die heimische, respektive die Hotelzimmerschwelle überschritten haben (während hierzulande vor allem Süddeutschland betroffen ist, kommen Spinnenasseln südlich der Alpen praktisch überall vor), sind ausgehöhlte Insektenkörper. Da die nachtaktiven Spinnenasseln auf ihren stelzenartigen Beinen bis zu fünfzig Zentimeter in der Sekunde zurücklegen können, sind selbst die flinken Kakerlaken nicht vor ihnen sicher.

Oder anders gesagt: Hotelgäste, die nicht nach Spinnenasseln suchen (sie verstecken sich gern hinter Bilderrahmen), werden sie tagsüber ohnehin nicht sehen und aufgrund ihrer Schnelligkeit wohl auch nachts kaum auf sie treten.

Es sei denn, die bis zu zehn Zentimeter langen Krabbeltiere haben sich im Schuh versteckt. In diesem Fall: Ruhe bewahren, ihr Biss ist zwar schmerzhaft, aber nicht tödlich.

Hungrig: Zitterspinne

Ähnlich wie die Riesenkrabbenspinne und die Spinnenassel ist die Zitterspinne (Crossopriza lyoni) – hat man sie denn ungewollt aus dem Urlaub mit nach Hause gebracht –, eine unkomplizierte Spezies, die Menschen nichts zu Leide tut. Fernab jeglicher menschlicher Aktivitäten wartet die Zitterspinne unter der Zimmerdecke baumelnd vielmehr darauf, Mücken und Schaben den Garaus zu machen.

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Prinzipiell kann Crossopriza in allen warmen Ländern leben, wobei Peter Jäger sie besonders häufig in Vietnam und Laos sah. „Wer sie im Hotelzimmer findet, sollte einfach wegsehen. Im schlimmsten Fall ist eine Zitterspinne unansehnlich, und im besten Fall fängt sie die Moskitos im Zimmer.“

Laut: Singzikade

Singzikaden gibt es fast überall in warmen Gefilden. Und gelegentlich sind die Populationen so groß, dass Reisende schon mal Videos von „ihren“ Hotel-Zikaden-Bäumen im Internet hochladen. Stehen diese vor dem eigenen Zimmer, können die Urlaubsnächte zur Tortur werden.

Auf Reisemangel zu klagen, dürfte dennoch aussichtlos sein. Die Insekten, die es weltweit auf 40.000 Arten bringen, gehören fast überall zur „typischen Fauna“.

Die größte Art, die Rundkopfzikade, ist beispielsweise in Indonesien weit verbreitet. Wer nach Bali reist, sollte sich also besser vorher erkundigen, ob die Hotelanlage Heimstatt der Rundkopfzikade ist.

Noch ein Tipp für die USA: 2030 wird Washington wieder von Millionen Mitgliedern der Gattung Magicicada septemdecem heimgesucht. Schon seit Jahrhunderten kriecht die Brood II genannte Population alle 17 Jahre aus ihren Erdlöchern in rund 50 Zentimetern Tiefe, um sich lautstark zu paaren.

Wenn Millionen Zikaden loslegen, bringen sie es nach einem Bericht der Zeitschrift „National Geographic“ leicht auf 100 Dezibel, was einem landenden Propellerflugzeug nahe kommt. Und 2030 wird nach 17 Jahren Schlaf die nächste Brood-II-Population rund um Washington aus der Erde kriechen.

Das ist zwar noch lange hin, aber in den USA leben sieben Zikaden-Arten, von denen vier einen 13-Jahre-Lebenszyklus und drei einen 17-Jahre-Lebenszyklus haben.

Wer also ganz sicher gehen will, aus dem Amerika-Urlaub keine Singzikaden-Larven mit nach Hause zu bringen, sollte ihnen großräumig und mit Hilfe der Website magicicada.org – sie verfolgt das Treiben der Zikaden auf amerikanischem Boden – aus dem Wege gehen.

Umstritten: Gecko

Der im Mittelmeerraum besonders häufig vorkommende gemeine Gecko (Tarentola mauritanica) ist wie alle Eidechsen ein Kaltblüter, der die Wärme braucht, um sich bewegen und jagen zu können. Deutschland wird seine Heimat deshalb wohl niemals sein.

Dennoch sollten ihn Spanien-Reisende nicht gewähren lassen, wenn er sich in ihr Hotelzimmer verirrt hat. Vor allem auf der iberischen Halbinsel ist der Insektenfresser nicht gelitten, da ihm nachgesagt wird, mit seinen Exkrementen Lebensmittel zu verderben.

Stechend: Skorpion

Euscorpius italicus – der Gattungsname des Skorpions sagt schon einiges über sein Verbreitungsgebiet in Europa aus: nämlich Italien. Inzwischen hat er die Grenzen des Landes allerdings in alle Richtungen überschritten, aus eigener Kraft oder – wenn es sich um Länder nördlich der Alpen handelt – als blinder Passagier.

Ein solcher hatte es erst im Oktober 2013 bis in die Badewanne eines Landshuter Hotels geschafft, wo er von der Polizei in Gewahrsam genommen wurde. Vorsicht ist tatsächlich angebracht, denn wie seine großen Verwandten hat auch der fünf Zentimeter kleine Euscorpius italicus einen giftigen Stachel, dessen Wirkung beim Menschen einem Wespenstich vergleichbar ist.

Mittlerweile ist der Euscorpius italicus im Süden Europas, von Frankreich bis an die Ostküste des Schwarzen Meeres (einschließlich des WM-Austragungsortes Sotschi) so verbreitet, dass Reisende die alte Safari-Regel beherzigen sollten: Schuhwerk gründlich ausklopfen, bevor man reinschlüpft.

Lästig: Rosakakadu

Wer den australischen Kontinent bereist, weiß, dass er dort immer mit den giftigsten, bissigsten, heimtückischsten Vertretern all jener Tierarten rechnen muss, dem der Mensch besser freiwillig aus dem Weg geht. Und aus der Fluglinie! Denn der in riesigen Scharen Australiens Landschaften heimsuchende Rosakakadu (Eolophus roseicapilla) ist ebenfalls kein angenehmer Zimmergenosse.

Es sei denn, er sitzt im Käfig. Krakeelen wird er dort zwar auch, aber er kann zumindest nicht an den Möbel herumknabbern. Und weil ihm auch Appetit auf Kabel und Leitungen nachgesagt wird, sollten nicht nur die Terrassentüren des Urlaubsdomizils, sondern auch die Fenster des Mietwagens immer fest geschlossen sein.

Imposant: Blattschneiderameise

Etwa 12.000 Tonnen toxische Köder werden in Brasilien pro Jahr im Kampf gegen die Blattschneiderameise (Atta spec.) ausgelegt, in der Hoffnung, die weitere Ausbreitung dieses Baumschädlings zu verhindern.

Ausrotten lassen sich die hochspezialisierten Insekten ohnehin nicht. Vielmehr werden sie immer dann als Beispiel bemüht, wenn es darum geht, welche Tierarten eine Apokalypse, etwa einen Atomkrieg, wohl überleben würden.

Um es kurz zu machen: Egal, in welche Region oder Stadt oder Hotelanlage es Brasilien-Reisende verschlägt, die Blattschneiderameise ist bereits da.

Doch anders als die ursprünglich in Argentinien beheimatete und mittlerweile fast weltweit anzutreffende Rote Feuerameise (Solenopsis invicta) ist die Blattschneiderameise für Menschen ungefährlich.

Verrückt: Ameisen

Seit etwa einem Jahr führt die Rote Feuerarmeise (Solenopsis invicta), an deren Bissen in den Vereinigten Staaten bereits mehrere Menschen starben, nicht mehr die Hitliste der am meisten gefürchteten Insektenarten Amerikas an. Diese zweifelhafte Ehre wird nun der „rasberry crazy ant“ (“gelbbraune, verrückte Ameise“) zuteil, wie die Nylanderia fulvanar wegen ihrer Farbe und ihren unregelmäßigen Bewegungsmustern genannt wird.

Denn die ein bis drei Millimeter kurzen Insekten legen ihre Nester bevorzugt in der Nähe von Kabeln an. Es dauert dann meist nicht lange, bis sie die Ummantelungen anknabbern und Kurzschlüsse hervorrufen. Sterben sie nach einem Stromschlag, setzen sie eine aggressive Chemikalie frei, die zu weiteren Schäden führt.

Nach einer Studie der Universität Texas A&M Kingsville sollen die „crazy ants“ 2012 Elektroschäden von 145 Millionen Dollar verursacht haben.

Und die besondere Perfidie: Die Ameisen besiedeln nicht nur Klimageräte, Kühlschränke und Fernseher, ergo Elektrogeräte, die selten als Mitbringsel im Koffer von USA-Reisenden landen, sondern auch Handys und Notebooks. So ist es nur noch eine Frage der Zeit, wann die „rasberry crazy ant“ es auch nach Europa geschafft hat.

Possierlich: Leguan

Die Leguan-Gattung Anolis oder auf Deutsch „Saumfinger“ ist auf fast allen karibischen Inseln, im Süden der USA und in Mexiko heimisch. Etwas rarer macht sich nur der Dactyloa gorgonae, eine leuchtend blaue Echsenart, die einzig auf der kolumbianischen Insel Gorgona heimisch ist.

Der Rotkehlanolis (Anolis carolinensis), dessen Vorfahre vermutlich in Kuba lebte, ist wegen seiner Fähigkeit, die Augen unabhängig voneinander zu bewegen und seine Farbe zu wechseln, bei Züchtern und Einheimischen besonders beliebt.

Reisende, die ihre Terrasse nicht mit den bis zu 20 Zentimter langen Echsen (Kopf-Schwanz-Länge) teilen wollen und das Hotelpersonal um Abhilfe bitten, dürften denn auch kaum auf Verständnis stoßen.

Ein Tipp: Die Tiere sind ausgesprochene Sonnenanbeter und schätzen es nicht, wenn Terrassen und Balkone beschattet sind. Dann suchen sie sich freiwillig einen neuen Platz.

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