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Panorama „Anne Will“

Kubicki vergaloppiert sich bei Steuer und Folter

Anne Will diskutierte nach dem Hoeneß-Prozess das Pro und Contra der strafbefreienden Selbstanzeige. Muss noch brutaler auf Daten zugegriffen werden? SPD-Mann Nils Schmid überraschte in der Runde.

Eine Woche nachdem Uli Hoeneß wegen Steuerhinterziehung zu einer Haftstrafe verurteilt wurde, folgte in Anne Wills Talkrunde am späten Mittwochabend die Nachlese und ein Blick in die Zukunft. War das Urteil gerecht? Wäre es auch gerecht gewesen, wenn Hoeneß durch eine korrekt abgewickelte Selbstanzeige straffrei geblieben wäre? Und wie soll man zukünftig mit geständigen Steuerbetrügern umgehen?

Er sei kein Sozialschmarotzer, behauptete Hoeneß letzte Woche vor Gericht und verwies dabei auf die 50 Millionen Euro Steuer, die er regulär zahlte und auf Spenden in Millionenhöhe. Angesichts der schließlich ermittelten Summe von 28,5 Millionen Euro, die er dem Fiskus vorenthielt, relativierten sich diese Zahlen jedoch schnell.

Für Wills Redaktion Grund genug, die Formulierung nun aufzugreifen und gegen ihn zu verwenden: "Keine Gnade für Sozialschmarotzer – Härtere Gesetze gegen Steuerhinterzieher?" lautete der Titel der Sendung.

In der Runde saßen sich die zwei üblichen Talkshow-Verdächtigen Sahra Wagenknecht und Wolfgang Kubicki gegenüber aber glücklicherweise auch zwei weitere Gäste, von denen man noch nicht jede These bereits nach Wills Fragestellung auswendig hätte herunterbeten können.

Dass mit Nils Schmid, SPD-Finanzminister von Baden-Württemberg, ein Politiker erstmals bei Will Platz nehmen durfte, war offensichtlich so ungewöhnlich, dass es der Gastgeberin eine extra Erwähnung wert war.

„Was wollen wir?“

Nachdem sich Kubicki und Wagenknecht ihre obligatorischen Scharmützel geliefert hatten, war es Schmid, der sehr sachlich und differenziert die Pros und Contras für das Instrument der straffreien Selbstanzeige veranschaulichte. Mit zunächst eher plakativen Slogans wie "Was wollen wir? Volle Kassen oder volle Gefängnisse?", sorgte er dabei geschickt für Aufmerksamkeit, um dann plausibel auszuführen, warum eine Brücke in die Steuerehrlichkeit sinnvoll sein kann und wie sich Steuerhinterziehung als ein Dauerdelikt von anderen Straftaten unterscheidet.

Schmid übernahm im Verlauf der Sendung zunehmend die Funktion, Wagenknecht und Kubicki zu neutralisieren, in dem er deren Standpunkte versachlichte. So stimmte er Kubicki, der als Anwalt selbst zahlreiche Selbstanzeigen für seine Klienten betreut, zu, dass mit dem Instrumentarium der Selbstanzeige Einnahmen generiert werden können, die sonst verloren wären. Alleine in Baden-Württemberg seien so im letzten Jahr 500 Millionen Euro Mehreinnahmen gewonnen worden.

Gleichzeitig kam er der Parteichefin der Linken entgegen, die eine Strafmilderung für eine Selbstanzeige für gut hieß, eine Strafbefreiung aber strikt ablehnte, weil das nur ein Instrument für Wohlhabende sei und sich der kleine Mann nicht von Delikten freikaufen könne. Schmid forderte, dass der Verjährungszeitraum in allen Fällen auf mindestens zehn Jahre verlängert und der Zuschlag für die Nachentrichtung von Steuern deutlich höher werden müsse.

Selbstanzeige – ein "ambivalentes Instrument"

Der vierte Gast in der Runde war Rainer Hank. Der Journalist der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" wies ebenfalls sehr unaufgeregt darauf hin, dass die Alternative zur Selbstanzeige, die er als "ambivalentes Instrument" bezeichnete, ein noch brutaleres Zugreifen auf die Daten der Menschen wäre, woraufhin die Methode des Staates diskutiert wurde, CDs mit illegal beschafften Daten über Steuerhinterzieher zu kaufen.

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Der Staat bediene sich zur Bekämpfung von Kriminalität selbst kriminellen Mitteln, kritisierte Hank scharf. Das sei unsittlich. Und um den souveränen Schmid endlich einmal aus der Reserve zu locken, provozierte auch Kubicki in eine ähnliche Richtung und warf die Frage auf, ob die Verkäufer der illegal beschafften Daten ihre Einnahmen eigentlich versteuern würden? Er habe etwas dagegen, dass Geld ausgegeben würde, um andere kriminelle Machenschaften zu unterstützen.

Anschließend vergaloppierte er sich dann noch gründlich, als er den Druck, den gekaufte Daten auf potentielle Steuerbetrüger ausüben, damit kommentierte, dass man ja auch gegen Folter sei. Schmid reagierte darauf nur mit Kopfschütteln.

Angst vor ernsten Konsequenzen

Gegen Ende versuchte Will noch weitere Themenfelder anzuschneiden, die den Rahmen der Sendung etwas arg strapazierten und die aufgrund der fortlaufenden Zeit nur noch dürftig abgehandelt werden konnten. Was die spektakulären Fälle um Hoeneß oder Alice Schwarzer in Kubickis Kanzlei auslösen würden, wollte sie wissen. "Die Furcht, dass eine Selbstanzeige misslingen kann und dass sie publik wird", so der FDP-Politiker. Und Schmidt ergänzte, dass solch spektakuläre Fälle stets eine Welle von Selbstanzeigen nach sich ziehen würden. Die Angst vor ernsten Konsequenzen sei letztlich größer als die vor Reputationsschäden.

Während Wagenknecht noch bemüht war, die Steuergestaltungsmöglichkeiten von Großkonzernen zu thematisieren, lenkte Will die Debatte auf Steuerverschwendungen des Staates und fand damit ein offenes Ohr bei Hank, der Steuerverschwendung als das Pendant zur Steuerhinterziehung bezeichnete: "Man muss auch über Amoral des Staates reden. Wir haben Steuereinnahmen auf Rekordniveau, und es ist kein Naturgesetz, dass Ausgaben des Staates immer darüber hinaus wachsen müssen." Er forderte mehr direkte Demokratie und Gestaltungsmöglichkeiten für die Bürger.

Ob Uli Hoeneß nun ein Sozialschmarotzer ist oder nicht, konnte die Runde abschließend nicht klären. Sie war sich jedoch einig darin, dass es kein Kavaliersdelikt sei, die Allgemeinheit um solche Summen zu prellen.

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