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Kriminalität Prozess in Bielefeld

Bewährungsstrafe für 15-Jährigen nach Messertod auf Schulhof

Eine tödliche Auseinandersetzung auf einem Schulhof wurde vor dem Landgericht Bielefeld verhandelt Eine tödliche Auseinandersetzung auf einem Schulhof wurde vor dem Landgericht Bielefeld verhandelt
Eine tödliche Auseinandersetzung auf einem Schulhof wurde vor dem Landgericht Bielefeld verhandelt
Quelle: dpa
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Überraschendes Urteil in einem Prozess, der in Nordrhein-Westfalen Schlagzeilen machte: Ein heute 16-Jähriger hatte beim Streit auf einem Schulhof einen 26-jährigen Mann mit dem Messer tödlich verletzt. Vorgeworfen wurde ihm Totschlag, doch stattdessen kam der Angeklagte auf Bewährung frei.

Ein Jugendlicher, der einen 26-Jährigen bei einem Streit auf einem Schulgelände in Bielefeld mit einem Messer tödlich verletzt hat, ist zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr verurteilt worden.

Der zur Tatzeit 15-Jährige wurde am Montag nach Jugendstrafrecht wegen Beteiligung an einer Schlägerei verurteilt – nicht wegen Totschlags. Das sagte ein Sprecher des Landgerichts Bielefeld. Zuvor hatte Radio Bielefeld über das Urteil berichtet, aber auch örtliche Zeitungen wie „Westfalen Blatt“ und „Neue Westfälische“, die das Urteil als „überraschend“ bewerteten.

Der Vorfall ereignete sich im Mai 2022. Auf dem Schulhof, beziehungsweise dem angrenzenden Sportplatz der Plaßschule in Bielefeld-Schildesche hatte es am frühen Abend zunächst einen Streit zwischen zwei Gruppen von Jugendlichen gegeben. Einem von ihm sei die Lage „zu brenzlig“ geworden. Er habe dann seinen Vater telefonisch gebeten, ihn abzuholen, schilderte der Gerichtssprecher den Fall.

Der Vater habe dann drei Verwandte geschickt – allesamt Erwachsene, die laut lokalen Medien mehrheitlich irakischer Abstammung sind. Unter ihnen war auch das spätere Todesopfer, ein junger, nicht vorbestrafter Mann, dessen Frau zu dem Zeitpunkt ein Kind erwartete. Alle anderen Jugendlichen flohen den Angaben zufolge, nur der 15-Jährige sei zurückgeblieben.

Drei Männer kreisten den 15-Jährigen ein

Der heute 16-Jährige – laut „Neuer Westfälischer“ (NW) ist er niederländisch-serbischer Herkunft – hatte sich dem Gerichtssprecher zufolge mehrere Meter weit zurückgezogen, bis er mit dem Rücken zu einer Hauswand gestanden habe. Die drei Männer hätten ihn eingekreist. Einer der Männer sei mit erhobener Hand auf ihn zugetreten, hatte der Angeklagte in dem Verfahren laut Sprecher ausgesagt. Er habe sich bedroht gefühlt und angenommen, der Mann – das spätere Todesopfer – habe einen Stein in der Hand.

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Das Gericht ging davon aus, dass der Jugendliche die Lage falsch einschätzte und glaubte, sich in Notwehr verteidigen zu müssen. Laut der NW sei dies, juristisch gesehen, ein sogenannter „Erlaubnistatbestandsirrtum“: Der Angeklagte gehe fälschlicherweise von einer Notwehrsituation aus und setze sich deshalb zur Wehr. Dass er sich dabei in der Einschätzung der Lage geirrt habe, dürfe ihm später nicht zum Nachteil ausgelegt werden.

Und so nahm das Unglück seinen Lauf: Der 15-Jährige stach dem 26-Jährigen mit seinem Messer direkt ins Herz, dieser verblutete noch am Tatort. Dessen 16 Jahre alter Verwandter, der die Tat offenbar noch verhindern wollte, wurde ebenfalls durch Messerschnitte schwer verletzt.

Staatsanwaltschaft forderte sechs Jahre Haft

Das Gericht hielt dem Angeklagten nach eigenen Angaben zugute, dass die Situation offenbar objektiv bedrohlich wirkte. Sowohl eine vorsätzliche als auch eine fahrlässige Tötungstat schloss die Kammer aus. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Jugendstrafe von sechs Jahren wegen Totschlags gefordert.

Am Rande des mehrwöchigen Prozesses kam es zu emotionalen Szenen. Die Familie des Opfers etwa habe sich wiederholt lautstark geäußert, in ihren Zeugenaussagen jedoch „wenig glaubhaft“ gewirkt, zitiert die „Neue Westfälische“ den Gerichtssprecher. Medial ebenfalls negativ ausgelegt wurde der Familie, dass ein Verwandter, der in den Zeugenstand sollte, ein Messer mitführte. Der Prozess fand unter Polizeischutz statt, wie die „Bild“-Zeitung berichtet, weil es Drohungen gegen den Angeklagten und dessen Familie gab.

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Am Ende blieb jedoch nur der Tatvorwurf der „Beteiligung an einer Schlägerei“ für den inzwischen 16-Jährigen übrig. Weil er seit seiner Festnahme am 6. Mai 2020 in Untersuchungshaft gesessen hatte, konnte er nach dem Urteil das Gericht in Freiheit verlassen. Die Verhandlung war wegen des jugendlichen Alters des Angeklagten unter Ausschluss der Öffentlichkeit erfolgt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, beide Seiten können Berufung einlegen.

Hinweis der Redaktion: Der Text wurde nach der Veröffentlichung mit weiteren Details ergänzt. Präzisiert haben wir unter anderem, dass der Streit außerhalb der Schulzeit und auf einem angrenzenden Sportplatz des Schulgeländes stattfand.

krott mit dpa

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