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Der Konzern ist Roland Kochs letzte Großbaustelle

Wirtschaftskorrespondent
Kurz nach seinem Wechsel aus der Politik auf den Chefsessel des Mannheimer Bilfinger-Konzerns wurde Roland Koch noch belächelt. Inzwischen loben Analysten und Konkurrenten den umgeschulten Manager. Kurz nach seinem Wechsel aus der Politik auf den Chefsessel des Mannheimer Bilfinger-Konzerns wurde Roland Koch noch belächelt. Inzwischen loben Analysten und Konkurrenten den umgeschulten Manager.
Kurz nach seinem Wechsel aus der Politik auf den Chefsessel des Mannheimer Bilfinger-Konzerns wurde Roland Koch noch belächelt. Inzwischen loben Analysten und Konkurrenten den umge...schulten Manager.
Quelle: picture-alliance/Boris Roessler
Der ehemalige hessische Ministerpräsident baut als Vorstandschef seinen Konzern kräftig um. Doch bevor Bilfinger sein Geld vor allem im Service verdient, feiert der Neu-Manager in Katar.
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Roland Koch guckt genau hin. Mit scharfem Blick inspiziert der Vorstandsvorsitzende von Bilfinger den Boden um sich herum. „Ich bin hier weit gelaufen, um eine schiefe Fuge zu finden“, schwärmt der Manager. Und weit bedeutet in diesem Fall mehrere Kilometer.

Denn Koch steht inmitten von Barwa City, einem Wohngebiet am Rande von Doha, der Hauptstadt von Katar. Bilfinger hat hier in den vergangenen fünf Jahren mit zeitweise mehr als 10.000 Arbeitern 128 Gebäude mit insgesamt 5.968 Wohnungen gebaut, die ab sofort bezugsfertig sind. Das Auftragsvolumen: rund eine Milliarde Euro.

„Das ist deutsche Bau- und Ingenieurkunst“, sagt Koch bei seinem Bauabnahme-Besuch und sein Gesichtsausdruck verrät Stolz. Ähnliche Momente wird er in den kommenden Jahren wohl nicht mehr erleben. Denn Bilfinger schrumpft sein Baugeschäft auf ein Minimum zusammen. Barwa City war eins der letzten großen Milliardenprojekte.

Gerade noch rund zehn Prozent des Umsatzes sollen beim M-Dax-Konzern aus Mannheim künftig mit Hoch- und Tiefbau erzielt werden. „Das Unternehmen bekommt eine neue Identität“, sagt Koch, der das Wort „Baukonzern“ ab sofort aus seinem Wortschatz gestrichen hat.

„Berger“ ist aus dem Namen verschwunden

Diese Metamorphose sollen auch die Umbenennung von Bilfinger Berger in Bilfinger und das neue Firmenlogo mit zwei ineinander verschlungenen Möbiusbändern verdeutlichen. „Wir sind ein ingenieurgetriebener Dienstleitungskonzern“, beschreibt der zum Wirtschaftsboss gewordene Ex-Spitzen-Politiker die neue Ausrichtung. Er wolle technische Lösungen und menschliche Dienstleistungen zusammenführen.

Zum Beispiel bei der Wartung von Kraftwerken und Raffinerien, bei der Beratung, technischen Planung und Entwicklung von Industrieparks oder als Gebäudemanager inklusive Catering und Wäscheservice. Gebaut wird nur noch in Ausnahmefällen, immer dann wenn es technologisch höchst anspruchsvoll wird und nicht mehr jeder Konkurrent mithalten kann – zum Beispiel bei der Erweiterung der U-Bahn in Berlin.

Wir behalten die Kompetenz zum Bauen“, versichert Koch. Prägend für das Unternehmen werde in Zukunft aber das margenstarke Servicegeschäft. „Wir reduzieren damit die Regionalrisiken“, sagt Koch.

Davon schleppt sein Unternehmen derzeit noch einige mit sich herum. In Köln zum Beispiel sind die Umstände des Einsturzes des Stadtarchivs beim Bau der U-Bahn im Jahr 2009 nach wie vor ungeklärt.

Und in Katar gibt es Ärger um den „Doha-Expressway“. Bilfinger und die Baubehörde Ashgal streiten um zusätzlich entstandene Baukosten, nachdem die Fertigstellung des Straßenstücks weit länger gedauert hat als geplant. Allein für die Autobahn muss Bilfinger derzeit 80 Millionen Euro Risikovorsorge in der Bilanz vorhalten.

Die Kollegen ziehen mit

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Kochs Untergebene reagieren auf die Pläne mit Verständnis, aber auch mit Wehmut. Harald Jeitler etwa, Bauleiter des Mega-Projekts Barwa City, lebt für seinen Job. 15 Mal ist er bereits umgezogen, um für einige Jahre Großprojekte in Südostasien, Amerika oder im Nahen Osten zu betreuen.

„Die Strategie ist grundsätzlich richtig“, sagt der Österreicher. Dass sein Ingenieursherz allerdings anders als sein Verstand tickt, verraten seine enthusiastischen Erzählungen über die einzelnen Bauphasen von Barwa City. Zum Beispiel über die schwierige Materialversorgung – der Wüstenstaat Katar muss nahezu alles importieren. Oder über die Baustellen-Logistik mit zeitweise 10.000 Arbeitern aus 33 Nationen, die noch dazu eine Rundumversorgung brauchten von der Unterkunft über Essen und Trinken bis hin zur Heimreise.

Und schließlich über die Verhandlungen mit den lokalen Baubehörden. „Die wollen nicht englisch sprechen“, sagt Jeitler. „Deshalb sind wir immer mit unseren arabischen Kollegen angetreten, und nicht treudeutsch. Dann ging es auch schneller mit den Genehmigungen.“

Die Bedeutung von schnell ist allerdings relativ. Zwar geht es in der Golfregion vergleichsweise gemütlich zu. Nicht umsonst lautet ein arabisches Sprichwort „Ihr habt die Uhren, wir haben die Zeit“. Geduldsproben wie in Deutschland fallen bei Bauprojekten allerdings nur sehr selten an.

Ein halbes Jahr bis zum Baubeginn

Der Vorlauf bei Barwa City zum Beispiel betrug gerade mal ein halbes Jahr für Planung, Ausschreibung und Genehmigung. „Großprojekte sind hier gewollt“, sagt Joachim Enenkel, der im Bilfinger-Vorstand für das Baugeschäft zuständig ist. Szenen wie es sie hierzulande rund um den Baubeginn von Stuttgart 21 gegeben hat, hält er in vielen Ländern für undenkbar.

„Es gibt zwar auch Bürgerproteste in China, Indien oder Brasilien. Da geht es aber meist um Projekte, die in Deutschland niemals gestartet würden.“ Mit anderen Worten: Die deutschen Baufirmen unterstützen nicht jede Phantasie von Staatschefs und Regionalfürsten. „Wir achten streng auf unser Image“, versichert Enenkel.

Auch in Deutschland. So hat sich Bilfinger nicht an der Ausschreibung für den Großflughafen Berlin-Brandenburg (BBI) beteiligt. Sehr zum Ärger des Landes – und zum Wohl des Unternehmens, wie sich angesichts der Verschiebungen des Eröffnungsdatums zeigt. „Oft wissen Behörden nicht, was sie tun“, sagt Enenkel diplomatisch. Ein Blick in die Unterlagen habe schon genügt, um sich zurückzuziehen.

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Mangelhafte Ausschreibungen sind für ihn aber nicht das einzige Manko auf dem deutschen Baumarkt. Enenkel kritisiert auch die Preisfixierung der Bauherren. „Der Preis zählt in Deutschland mehr als die Kompetenz.“ Deswegen gebe es auch so häufig Probleme mit Baustellen in Deutschland, sei es dass die weit länger dauern als geplant oder sei es dass grobe Mängel auftreten. „In Deutschland darf eben jeder ran.“

Lohnende Projekte am Golf

Und so strebt Bilfinger noch stärker ins Ausland. Die Golfregion mit Staaten wie Saudi-Arabien und Bahrain, Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten oder Oman und Kuwait spielt dabei eine gewichtige Rolle. „Die Präsenz in der Region soll deutlich ausgebaut werden“, sagt Roland Koch, von gut 90 Millionen Euro Leistung im Jahr 2011 auf über 300 Millionen Euro in den kommenden Jahren.

Dabei helfen wird der im Frühjahr realisierte Zukauf des Technologiedienstleisters Tebodin, der in der Region stark vertreten ist und unter anderem den Aufbau des milliardenschwere Industriegebiets Kizad in Abu Dhabi als Berater und Entwickler betreut. Sieben Milliarden Dollar steckt die Regierung des Emirats in der ersten Stufe in das Projekt, zu dem auch ein riesiger Tiefwasserhafen gehört.

145 Millionen Euro hat Bilfinger für die Übernahme von Tebodin bezahlt. Und es ist nicht der einzige Kauf: Rund 500 Millionen Euro hat Bilfinger binnen 18 Monaten für Übernahmen ausgegeben, weitere sollen folgen. „Wir schauen uns eine ganze Reihe von weiteren Projekten an“, sagt Koch, der vor seinem Start bei Bilfinger ein Managementseminar in den USA besucht hat, um sich auf seine Aufgabe vorzubereiten.

Rund eine Milliarde Euro kann er noch ausgeben, um das Profil des Konzerns in seinem Sinne weiter zu schärfen. Zudem will er die weltweit rund 500 Einzelfirmen von Bilfinger zu einem engeren Netzwerk verbinden, auch indem sie den Konzernnamen vorangestellt bekommen.

Management-Seminar in den USA

Sein Kurs scheint anzukommen: Schlug dem früheren hessischen Ministerpräsidenten anfangs noch Skepsis entgegen, erntet er nun Lob von Analysten und aus der Branche. „Koch macht das gut“, sagt ein Manager-Kollege aus der Bauindustrie. Tatsächlich habe er der Versuchung widerstanden, sich schnell und öffentlichkeitswirksam profilieren zu wollen.

Stattdessen lernte er den Konzern bei einer ausgiebigen Besichtigungstour rund um die Welt kennen. Barwa City hat er dabei natürlich auch besucht. „Wer da nicht stolz drauf ist, der ist nicht aus diesem Leben.“

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