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Wirtschaft Kalte Progression

Das Steuerversprechen der Koalition ist wenig wert

Die kalte Progression belastet Bürger quer durch alle Gehaltsstufen, zeigt eine Studie des DIW aus diesem Jahr Die kalte Progression belastet Bürger quer durch alle Gehaltsstufen, zeigt eine Studie des DIW aus diesem Jahr
Die kalte Progression belastet Bürger quer durch alle Gehaltsstufen, zeigt eine Studie des DIW aus diesem Jahr
Quelle: Infografik Die Welt
SPD und Union behaupten, dass es mit ihnen keine Steuererhöhungen geben wird. Doch neue Zahlen belegen, dass die Deutschen bis 2017 mit etwa 17,5 Milliarden Euro zusätzlich belastet werden.

Die Union hat sich in den vergangenen Tagen häufig selbst auf die Schulter geklopft. In den Koalitionsverhandlungen mit der SPD sei man in der Finanzpolitik klar als Sieger hervorgegangen. Höhere Steuern kommen – anders als von Sozialdemokraten gewollt – nicht, gratuliert sich Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) selbst.

Doch auch wenn die Steuersätze nicht steigen sollten – auf die Steuerzahler kommen in den nächsten vier Jahren trotzdem Mehrbelastungen in zweistelliger Milliardenhöhe zu. Schuld daran ist die so genannte kalte Progression. Nach Berechnungen des Bundesfinanzministeriums müssen die Steuerzahler allein im Jahr 2017 wegen der kalten Progression acht Milliarden Euro mehr Steuern zahlen als heute.

Über die gesamte Legislaturperiode gerechnet nimmt der Staat 17,5 Milliarden Euro zusätzlich ein. Dies geht aus einer Antwort des Finanzministeriums auf eine Anfrage der Linkspartei hervor, die der „Welt“ vorliegt.

Von kalter Progression spricht man, wenn Einkommens- und Lohnerhöhungen lediglich die Inflation ausgleichen. Im Extremfall kann die kalte Progression sogar dazu führen, dass ein Steuerzahler unterm Strich trotz Lohnerhöhung real weniger Geld in der Tasche hat, weil sein Gehaltszuwachs vom höheren Steuertarif und der Inflation aufgefressen wird – während der Staat sich über Mehreinnahmen freuen darf.

„Heimliche Steuererhöhung“ bringen Staat Milliarden

Im Jahr 2014 wird die kalte Progression laut Finanzministerium nur moderat zuschlagen. Zwar beläuft sich der Effekt im kommenden Jahr bereits auf 2,4 Milliarden Euro. Weil aber der Grundfreibetrag Anfang des Jahres angehoben wird, vermindert sich die Last auf 770 Millionen Euro.

Dann aber schlagen die so genannten „heimlichen Steuererhöhungen“ zu: 2015 nimmt der Staat 3,2 Milliarden Euro mehr ein, 2016 sind es 5,6 Milliarden Euro, 2017 knapp über acht Milliarden Euro. Das Finanzministerium geht zwar davon aus, dass der Grundfreibetrag von 2015 bis 2017 weiter steigen wird. Da dies aber noch nicht feststeht, wird es auch nicht berücksichtigt.

Viele Ökonomen fordern bereits seit langem eine Abminderung der kalten Progression. Schwarz-Gelb wollte in der vergangenen Wahlperiode den Effekt auch abmindern, scheiterte aber an der Opposition im Bundesrat. Rot-Grün wollte eine Entlastung nur mittragen, wenn der Schritt über höhere Steuern für Spitzenverdiener gegenfinanziert wird.

„Die Verwirklichung hätte die Bundesländer Milliarden Euro gekostet, die an anderer Stelle schmerzlich gefehlt hätten“, sagt SPD-Bundestagsfraktionsvize Joachim Poß.

Kalte Progression nicht mehr im Koalitionsvertrag

Auch in ihren Koalitionsverhandlungen fanden Union und SPD keinen Kompromiss – weshalb von der Abschaffung der kalten Progression im Vertrag nun überhaupt keine Rede mehr ist. Einig wurden sich Union und SPD nur darin, keine Steuern erhöhen zu wollen.

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Doch auch das stellt SPD-Fraktionsvize Poß bereits in Frage: „Es könnte sehr schnell etwas gegen die kalte Progression getan werden, wenn es eine tragfähige Gegenfinanzierung gäbe: CDU und CSU müssten lediglich ihre ideologische Blockade einer entsprechenden Anhebung des Einkommensteuer-Spitzensatzes aufgeben“, sagte Poß.

Er wurde noch konkreter: „Abbau der kalten Progression gegen einen höheren Spitzensteuersatz für sehr Einkommensstarke – das wäre ein Schritt hin zu mehr steuerlicher Gerechtigkeit bereits zu Beginn der neuen Legislaturperiode.“

Diese Forderung widerspricht allerdings dem, was Union und SPD in ihren Koalitionsvertrag geschrieben haben. Die Auseinandersetzung deutet an: Auch wenn Schwarz-Rot in den nächsten vier Jahren die Steuern offiziell nicht erhöhen will – die Diskussionen um höhere Steuern gehen weiter.

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