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Wirtschaft IW-Studie

Deindustrialisierung gefährdet den Wohlstand

Ressortleiter Wirtschaft, Finanzen, Immobilien
In den Schwellenländern Asiens ist der Anteil der verarbeitenden Industrie deutlich höher als in Europa In den Schwellenländern Asiens ist der Anteil der verarbeitenden Industrie deutlich höher als in Europa
In den Schwellenländern Asiens ist der Anteil der verarbeitenden Industrie deutlich höher als in Europa
Quelle: Infografik Die Welt
Die europäische Industrie verliert derzeit enorm an Wettbewerbsfähigkeit. Das Institut der deutschen Wirtschaft schlägt nun Alarm: Wachstum, Arbeitsplätze und Lebensstandard sind gefährdet.

Der Verlust an Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie im Vergleich zu den Schwellenländern gefährdet den hohen Lebensstandard auf dem Kontinent. Zu diesem Ergebnis kommt eine breit angelegte Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) im Auftrag des europäischen Arbeitgeberverbandes Business Europe.

Europa brauche eine starke und innovative Industrie und damit verbundene Dienstleistungen, um international wettbewerbsfähig zu bleiben. „Europa muss deshalb seine Firmen in deren Bemühen unterstützen, ihren Marktanteil in der globalen Wirtschaft zu erhöhen“, schreibt das IW in dem Papier, das der „Welt“ vorliegt.

Ansonsten werde es auf dem Kontinent kein höheres Wachstum und damit weniger Arbeitsplätze geben.

Die Aussichten klingen gespenstisch. Wenn die Deindustrialisierung der vergangenen Jahrzehnte anhielte, wäre es um viele Jobs und hohe Einkommen geschehen, heißt das auf den Punkt gebracht.

In dem 162 Seiten langen Papier, das am Dienstag EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und Parlamentspräsident Martin Schulz vorgestellt werden soll, fordern die Autoren einen „Industrial Compact“, zu Deutsch: einen Industrievertrag, eine Art Rahmenvertrag. Dieser Industrial Compact soll eine Rundumstrategie enthalten, mit der Europa seine Wettbewerbsfähigkeit zurückgewinnen kann.

Nur schöne Worte?

Die EU-Kommission habe zwar das richtige Ziel ausgegeben, den Anteil der Industrie an der Wirtschaftsleistung der EU von derzeit gut 15 auf 20 Prozent im Jahr 2020 zu steigern, schreibt das IW. Mehr als schöne Worte aber scheinen das für die Autoren bislang nicht zu sein.

Denn sie schreiben: „Aber um dieses ambitionierte Ziel zu erreichen, müssen Europas Regierungschefs schnell die Engpässe beseitigen, die Europas Wettbewerbsfähigkeit unterminieren.“ Der Beginn der anstehenden neuen Brüsseler Legislaturperiode sei eine einzigartige Gelegenheit, um die Elemente einer umfassenden Industrie-Strategie zu erarbeiten.

Die Studie belässt es nicht bei oberflächlichen Worten. Konkret weist sie auf die Schwachstellen aus ihrer Sicht hin: Überregulierung sowie Abgaben und Steuern auf Arbeit und Umwelt machen den Firmen das Leben schwer. „Die EU muss ihren Ansatz in der Energie- und Klimapolitik überdenken, um den Abfluss von Investitionen zu stoppen“, heißt es da.

Der nur sehr begrenzte Fortschritt in den internationalen Klimaverhandlungen sowie die amerikanische Energierevolution dank Schiefergas sollten Anlass genug zum Überdenken der eigenen Strategie sein. Auch fordern die Wissenschaftler, die Verhandlungen mit den USA über eine Freihandelszone nicht zu ruinieren. Diese Freihandelszone hätte das Potenzial, als Sprungbrett für Unternehmen zu dienen.

32 Euro Wertschöpfung

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Die Zahlen sprechen Bände. Und sie mahnen die Verantwortlichen. Zwischen 2009 und 2010 kamen gut 65 Prozent aller Forschungs- und Entwicklungsausgaben aus der Industrie. 2012 waren 14,4 Prozent aller Beschäftigten in der Industrie beschäftigt, aber gut 17 Prozent der Gehaltssumme kamen aus diesem Bereich.

Eine Stunde Industriearbeit schaffe 32 Euro an Wertschöpfung. Damit liege die Produktivität im Durchschnitt über 15 Prozent jedes anderen Sektors. Und noch deutlicher: In Staaten mit einer überdurchschnittlich spezialisierten Industrie war das Wirtschaftswachstum seit dem Jahr 2000 mit 149 Prozent deutlich stärker als in eher unterentwickelten Ländern mit 35 Prozent.

Das gilt in kleinerem Ausmaß auch in der EU, in der die industrieorientierten Mitglieder um 43 Prozent, der Rest aber nur um 38 Prozent wuchs. „Eine Renaissance der Industrie hätte also eine bedeutende soziale Dimension“, heißt es in der Studie.

Die zunehmende Deindustrialisierung und die gestiegene der Bedeutung der Finanzbranche gelten als ein Grund für die Euro-Krise. 1970 betrug der Anteil der Produktion an der Wertschöpfung der heutigen EU rund 27 Prozent, heute liegt er bei knapp 16 Prozent.

Die USA – Auslöser der Finanzkrise – registrieren eine ähnliche Entwicklung. Besonders eklatant: Während die asiatischen Schwellenländer ihren Anteil an der Weltproduktion um18 Prozent aufstockten, verlor die EU fünf Prozent, die anderen Industrieländer büßten 17 Prozent ein.

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