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Deutsche Lehrer-Bildung „besorgniserregend schlecht“

Wirtschaftsreporterin
Ein Report von McKinsey und dem Stifterverband sieht keine Fortschritte bei der Lehrerausbildung. Guter und durchsetzungsstarker Nachwuchs meidet das Lehramt. Aber es gibt auch Lichtblicke.

Worum geht es

Die besten Schüler werden in Deutschland selten Lehrer. Selbstbewusster und durchsetzungsstarker Nachwuchs, der an den Schulen besonders gebraucht würde, ist gerade dort deutlich unterrepräsentiert. Das ist ein Ergebnis eines aktuellen Bildungsreports, den der Stifterverband und die Unternehmensberatung McKinsey heute veröffentlicht haben.

Danach gehört der Lehrerberuf zwar zu den Top 5 der angesehensten Berufe in Deutschland. 83 Prozent der befragten Schüler mit sehr gutem oder gutem Notendurchschnitt können sich aber nicht vorstellen, Lehrer zu werden. Sie vermissen vor allem attraktive Aufstiegsmöglichkeiten und vielfältige Chancen auf dem Arbeitsmarkt.

Im „Hochschul-Bildungs-Report 2020“, der im vergangenen Jahr erstmals erschien, hat McKinsey gemeinsam mit dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft eine Art Agenda 2020 für Deutschlands Hochschulen formuliert. Sechs Themenfelder haben die Autoren ausgemacht, die aus Sicht der Wirtschaft besonders verbesserungswürdig sind, darunter die Chancengerechtigkeit der Bildung, die Steigerung der Absolventenzahlen in technischen und naturwissenschaftlichen Fächern und die Lehrerbildung.

Weniger junge Männer in der Lehramtsausbildung

Bei der Ausbildung der Lehrer verzeichnet die Studie im vergangenen Jahr keine Fortschritte, im Gegenteil. „Besorgniserregend schlecht schneidet die Lehrer-Bildung ab“, sagte der stellvertretende Generalsekretär des Stifterverbandes, Volker Meyer-Guckel, bei der Vorstellung des Reports in Berlin: „Es haben sich noch weniger junge Männer für ein Grundschullehramtsstudium eingeschrieben, und die Betreuung im Studium hat sich aus Sicht der Lehramtsstudierenden gegenüber dem Vorjahr noch einmal verschlechtert.“ So ging der Anteil junger Männer, die für das Lehramt an Grundschulen studieren, im Jahr 2012 bundesweit von 15,9 auf 15,4 Prozent zurück.

Besonders heikel scheint, wie angehende Lehrer ihre eigenen Kompetenzen einschätzen. In einer repräsentativen Befragung unter Abiturienten nannten lediglich 16 Prozent der am Lehrerberuf Interessierten Selbstvertrauen als persönliche Stärke. Nur 13 Prozent hielten sich für durchsetzungsfähig – die große Mehrheit dürfte also im künftigen Schulalltag Probleme bekommen. Immerhin 47 Prozent der potenziellen künftigen Lehrer glauben von sich, sie könnten gut mit Kindern und Jugendlichen umgehen. 43 Prozent halten Empathie, 31 Prozent „gut erklären können“ für eine ihrer Stärken.

Offensichtlich ist der Lehrerberuf für selbstbewusste junge Leute, die eine Karriere anstreben, nur wenig attraktiv. Vier von fünf Abiturienten geben an, dass gute Aufstiegschancen ein „eher“ oder „sehr“ wichtiges Kriterium für ihre Berufswahl seien. Doch nur 28 Prozent sehen solche Chancen auch im Lehrerberuf. Einmal im Schuldienst angekommen, scheint das Interesse für den Aufstieg bisher in der Tat gering. In einer Befragung von Allensbach gaben vor einiger Zeit 78 Prozent aller deutschen Lehrer an, sie seien an der Übernahme einer Schulleiterstelle nicht interessiert. Als Grund nannten sie unter anderem den hohen Anteil von Verwaltungstätigkeit.

Chancengerechtigkeit verbessert sich

In ihrem Report machen der Stifterverband und McKinsey Vorschläge, um Arbeitsumfeld und Karrierewege im Lehramt zu verbessern. So fordern sie unter anderem die Einführung von Schul- oder Unterrichtsassistenten und eine leistungsorientiertere Vergütung. Um schon in der Ausbildung mehr Praxisbezug zu haben, sollten Hochschulen analog zu den Universitätskliniken universitätseigene Schulen einrichten. Alternativ könnten die Hochschulen zur Ausbildung ihrer Studenten mit ausgewählten „Campusschulen“ kooperieren.

Ein weiterer Schwerpunkt, so die Autoren des „Hochschul-Bildungs-Reports“, müsse die Fortbildung von Lehrern sein. Über Instrumente wie Mentoring, Coaching, Hospitationen und Feedbackgespräche müssten auch Schulen eine systematische Personalentwicklung aufbauen.

Fortschritte attestiert der Report bei der Chancengerechtigkeit der deutschen Hochschulbildung. So schrieben sich deutlich mehr sogenannte Bildungsinländer, das sind Ausländer mit einem deutschen Schulabschluss, an deutschen Hochschulen ein. Trotz der landesweit sinkenden Zahl von Studienanfängern stieg die Zahl der Bildungsinländer unter den Erstsemestern im Jahr 2012 auf 15.900. Das waren 4,6 Prozent mehr als im Vorjahr.

BAföG-Wohnpauschale reicht oftmals nicht aus

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Ein Problem gerade für Studierende aus finanzschwachen Elternhäusern seien aber nach wie vor die hohen Mietkosten, sagte McKinsey-Direktor Jürgen Schröder. Studierende mit BAföG-Anspruch erhielten – egal, wo sie wohnten – eine Wohnpauschale von 224 Euro im Monat. „Für ein Studium in Exzellenzstädten mit Mieten von im Schnitt über 300 Euro im Monat reicht das nicht aus“, so Schröder. Er forderte, die Wohnpauschale in einen regional angepassten BAföG-Wohnsatz umzuwandeln. Schließlich seien acht der neun Städte mit Exzellenzuniversitäten unter den Top 20 der teuersten Studentenstädte Deutschlands.

Im Bereich der MINT-Bildung, also der Absolventen in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik, fordern der Stifterverband und McKinsey eine Fokussierung der Förderprogramme auf vier Fächergruppen: Maschinenbau, Elektrotechnik, Bauingenieurwesen und Informatik. Absolventen dieser Fächer würden von den Unternehmen besonders gesucht.

Und gerade hier seien die Abbrecherzahlen besonders hoch. So kommen etwa im Maschinenbau auf einen Arbeitssuchenden 5,7 offene Stellen. Nur 17 Prozent der Studierenden sind weiblich. Jeder zweite Studierende bricht sein Studium ab. Ganz anders sieht es im MINT-Fach Biologie aus. Dort kommen auf eine offene Stelle mehr als zwei Arbeitslose. 61 Prozent der Studierenden sind weiblich. Und die Abbruchquote liegt bei lediglich 20 Prozent. „Es geht nicht um mehr Geld für die Förderung, sondern um den bestmöglichen Einsatz der vorhandenen Mittel“, sagte McKinsey-Direktor Schröder.

Der Stifterverband ist ein wichtiger Geldgeber für die deutsche Wissenschaft. Er ist Treuhänder für Hunderte von Stiftungen und sammelt bei Konzernen, Mittelständlern und Privatpersonen Millionen, um damit Stiftungsprofessuren und Forschungsprogramme zu finanzieren. McKinsey & Company ist eine weltweit tätige Unternehmens- und Strategieberatung.

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