WELTGo!
Journalismus neu erleben und produktiver werden
Ihr Assistent Journalismus neu erleben und produktiver werden
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Wirtschaft
  3. Teures Benzin: Kartellamts-Studie setzt Tankstellen unter Druck

Wirtschaft Teures Benzin

Kartellamts-Studie setzt Tankstellen unter Druck

Korrespondent
Oligopol auf dem Benzinmarkt: Das Kartellamt kritisiert die Marktmacht der großen Ölkonzerne Oligopol auf dem Benzinmarkt: Das Kartellamt kritisiert die Marktmacht der großen Ölkonzerne
Oligopol auf dem Benzinmarkt: Das Kartellamt kritisiert die Marktmacht der großen Ölkonzerne
Quelle: pa/dpa/Martin Gerten, Frank May, Kay Nietfeld, Martin Schutt, Patrick Seeger, Nestor Bachmann
Das Kartellamt macht mit seiner Benzinmarkt-Studie die Ölkonzerne nervös. Denn Politiker und Autoklubs fordern schon schärfere Gesetze.

Erst am Donnerstag wird das Bundeskartellamt in Bonn die neue Sektoruntersuchung zum deutschen Benzinmarkt vorstellen – und schon jetzt wird heftig über die Folgen diskutiert. Dazu haben die Kartellwächter ihren Teil selbst beigetragen, schließlich sind schon am Wochenende Teile des Berichts aus dem Amtsgebäude am Rheinufer nach draußen gedrungen.

Wesentliche Erkenntnis darin: Die Autofahrer sehen sich in Deutschland an den Tankstellen der Marktmacht eines Oligopols aus Aral, Shell, Esso, Total und Jet gegenüber. Diese fünf Ölkonzerne stehen für mehr als 70 Prozent der Marktanteile im Benzinverkauf. Ihnen aber direkte Preisabsprachen nachzuweisen, dürfte dem Kartellamt auch in dieser Untersuchung nicht gelingen.

Dennoch fordern Politiker und Automobilklubs schon jetzt schärfere Gesetze gegen das Preisgebaren der Tankstellenbetreiber. Lichtblick in der Untersuchung sind die freien Tankstellen: Sie werden als Korrektiv für den Wettbewerb bezeichnet.

„Wir freuen uns natürlich, wenn nun amtlich festgestellt wird, dass wir ein belebendes Element im Wettbewerb am Tankstellenmarkt sind“, sagte Axel Graf Bülow, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes freier Tankstellen. Preisabsprachen unter den Tankstellen gibt es seiner Meinung nach nicht. Dennoch rechnet der Verbandsmanager mit Konsequenzen des Kartellamtsberichts.

Betreffen könnten diese zum Beispiel den Großhandel und die Versorgung der Tankstellen. Im Unterschied zu seinem Vorgänger schlägt der neue Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) moderate Töne an. „Die Bundesregierung wird intensiv erörtern, welche politischen Konsequenzen aus den Ergebnissen zu ziehen sind. Dabei schließe ich eine Verschärfung der rechtlichen Rahmenbedingungen ausdrücklich nicht aus“, sagte Rösler.

Überhöhte Kraftstoffpreise belasteten die Autofahrer genauso wie die Unternehmen, fügte er hinzu. Vorgänger Rainer Brüderle hatte noch eine Zerschlagung der Ölkonzerne in Aussicht gestellt und dafür ein neues Entflechtungsgesetz angekündigt, um die Marktmacht der Tankstellenbetreiber zu brechen.

Die Bundesregierung will das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen novellieren und dabei die Fusionskontrolle, Missbrauchsaufsicht und Bußgeldvorschriften sowie das Verfahren bei Kartellverstößen im Sinne des Verbraucherschutzes verbessern. „Fest steht, dass wir in diesem Sektor einen funktionierenden Wettbewerb brauchen“, sagt ein Sprecher des Wirtschaftsministers.

Ölkonzerne wehren sich gegen Vorwürfe

Der ADAC fordert das Ministerium auf, für mehr Wettbewerb an den Tankstellen zu sorgen. Das Bundeskartellamt bestätige mit dem Bericht die Kritik an der marktbeherrschenden Rolle einiger weniger Tankstellenketten. Die Kraftstoffpreise seien höher als bei einem gut funktionierenden Wettbewerb.

Die oft von den Marktführern Aral oder Shell gestarteten Preiserhöhungen würden von den anderen rasch nachvollzogen. Dagegen ließen sich die Ölkonzerne mit Preissenkungen viel Zeit. Wirtschaftsminister Rösler müsse konkrete Vorschläge für mehr Wettbewerb vorlegen.

Anzeige

Nach Erkenntnissen des Kartellamts unterhalten alle großen Mineralölkonzerne ein weit verzweigtes Beobachtungs- und Meldesystem, um über die Preise der anderen gut informiert zu sein und darauf reagieren zu können.

Wie nicht anders zu erwarten, wehren sich die Ölkonzerne gegen den Vorwurf der Preistreiberei. „Die Preisentwicklung an den deutschen Tankstellen ist eine Folge des Wettbewerbs und nicht einer Absprache“, sagte Klaus Picard, Hauptgeschäftsführer des Mineralölwirtschaftsverbandes. Picard sagte, das Kartellamt bestätige mit der Studie nur das, was die Tankstellenbetreiber offen darlegten.

„Das Kartellamt hat drei Jahre geprüft, Millionen von Daten ausgewertet, jeden Stein dreimal umgedreht“, sagte Picard: „Es hatte den festen Vorsatz, Preisabsprachen nachzuweisen. Das konnte nicht gelingen, weil es keine gibt.“

Was Politik und Behörden überhaupt am Benzinmarkt bewirken können, ist umstritten. Nach Meinung des Berliner Wettbewerbsexperten Hans W. Friederiszick führen politische Eingriffe in den Tankstellenmarkt nicht zu niedrigeren Benzinpreisen.

Die häufigen Preiserhöhungen und Preissenkungen seien zwar anstrengend für Verbraucher und Unternehmen. Die Alternative wären stabilere Preise ohne die starken Zyklen, die dann jedoch höher wären.

Es sei in der wissenschaftlichen Literatur gut belegt, dass diese für den Benzinmarkt typischen Zyklen bei den Tankstellenbetreibern zu geringeren Gewinnen führen würde: Die Margen lägen um 15 bis 20 Prozent niedriger als in einem Tankstellenmarkt mit stabilen Preisen.

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema