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Kartellamt will die Macht der Ölmultis brechen

Korrespondent
Tankstellenbetreiber Tankstellenbetreiber
So verteilt sich die Marktmacht zwischen den großen Ölkonzernen
Quelle: Infografik Welt Online
Die Wettbewerbswächter leiten ein Verfahren gegen die Ölkonzerne ein. Doch ob der erzwungene Wettbewerb der Tankstellen die Benzinpreise senkt, bleibt fraglich.

Die Lösung des Problems liegt nach Ansicht des Kartellamts in Australien: Dort schreibt die Wettbewerbsbehörde den Tankstellen vor, dass sie Preiserhöhungen am Vortag anmelden und den Benzinpreis dann von morgens sechs Uhr an für die nächsten 24 Stunden halten müssen.

„Solch ein Modell sollte sich der deutsche Gesetzgeber intensiv anschauen. Es kann die Grundlage für Gedankenspiele sein, wie die Macht des Oligopols am deutschen Tankstellenmarkt aufzubrechen ist“, sagte der Präsident des Bundeskartellamts, Andreas Mundt. Ziel müsse sein, das Abgucken der Preise unter den fünf marktbeherrschenden Tankstellenketten zu erschweren.

In seiner Behörde in Bonn hatte Mundt gerade eine 300 Seiten lange Untersuchung zum deutschen Tankstellenmarkt präsentiert und musste als Fazit zugeben: „Es finden keine Preisabsprachen statt, daher wird das Kartellamt auch kein Preismissbrauchsverfahren einleiten.“

Konkurrenzbeobachtung gehört in der Marktwirtschaft dazu. Dennnoch sieht die Behörde Handlungsbedarf. Sie will versuchen, Wettbewerb in den Benzinmarkt zu bringen – den es ihrer Meinung nach dort nicht gibt. „Als Schiedsrichter in diesem Markt können wir derzeit nicht direkt etwas gegen die überhöhten Preise unternehmen. Deshalb muss der Gesetzgeber darüber nachdenken, ob die Spielregeln nicht angepasst werden müssen“, sagte Mundt.

Über drei Jahre hinweg sammelte das Kartellamt mehr als drei Millionen Daten und verglich Benzin- und Dieselpreise. Herausgekommen ist seiner Ansicht nach der Beweis dafür, dass der deutsche Tankstellenmarkt von einem Oligopol der Unternehmen Aral/BP, Shell, Esso, Total und Jet beherrscht werde. Sie beherrschen demnach 65 Prozent des Benzin- und Dieselverkaufs in Deutschland.

Aral ist für 45 Prozent der Preiserhöhungen verantwortlich und Shell für 50 Prozent. Die Unternehmen setzen die Preise nach einem immer gleichen Muster herauf, und die anderen Marktteilnehmer folgen unmittelbar danach“, sagte Mundt.

Auf Preiserhöhungen zwischen zwei und elf Cent folge dann ein Abbröckeln der Preise in mehreren kleinen Schritten. Besonders hoch seien die Preise grundsätzlich am Montag, niedrig dagegen am Freitag. „Das ist nichts anderes als die Suche des Oligopols nach dem Gleichgewichtspreis auf einem höheren Niveau“, sagte der Kartellamtschef.

Dies habe zur Folge, dass der Benzinpreis in Deutschland höher sei als notwendig . „Hätten wir andere Wettbewerbsstrukturen, würden Benzin und Diesel niedrigere Preise haben“, sagte Mundt. Wie viel Cent das sein könnten, dazu äußerte er sich jedoch nicht.

Ganz kampflos will die Behörde dieses Treiben aber doch nicht hinnehmen. Mundt kündigte mehrere Maßnahmen an: Bei Fusionen und Übernahmen anderer Tankstellen durch die Mitglieder des Oligopols will das Kartellamt eine „harte Linie“ fahren und dies unterbinden.

Die Ölbranche reagiert verhalten auf den Vorstoß

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Zudem will die Behörde gegen die Behinderung der freien Tankstellen durch die Ölkonzerne vorgehen und dafür gleich vier Verfahren eröffnen. Zuletzt hatten sich unabhängige Tankstellenbetreiber mehrfach darüber beklagt, dass sie ihr Benzin in den Raffinerien teurer einkaufen müssen, als es die Markentankstellen in ihrer Region an der Station verkaufen.

Da aber das Raffineriegeschäft in Deutschland von eben diesen Ölkonzernen beherrscht wird, nimmt sich das Kartellamt nun dieser Fälle an. Auch Absprachen über Veränderungen in den Tankstellennetzen unter den Konzernen ist die Behörde auf der Spur. Ebenso will sie Verfahren einleiten gegen Ölkonzerne, die über so genannte Markenpartnerverträge mit eigentlich unabhängigen Tankstellenbetreibern starken Einfluss auf deren Preisgestaltung nehmen.

Die Ölbranche reagierte verhalten bis beruhigt auf die Ergebnisse der Kartellamtsuntersuchung. Der Mineralölwirtschaftsverband sieht sich darin bestätigt, dass es keine unerlaubten Absprachen am deutschen Tankstellenmarkt gibt. „Mehr noch: Auf diesem Markt mit seinen geringen Ertragsmargen herrscht Konkurrenz“, sagte Klaus Picard, Hauptgeschäftsführer des Lobbyverbands.

Andere Branchenkenner sind enttäuscht von der Behörde. „Durch diese Untersuchung wird nichts in Gang kommen, was am Ende zu niedrigeren Preisen führen wird. Im Gegenteil: Sollte der Benzinmarkt tatsächlich neu reguliert werden, dann ist die Gefahr viel größer, dass sich dauerhaft höhere Preise etablieren werden“, sagte Rainer Wiek, Chefredakteur des Erdöl Informationsdienstes.

Eine Regulierung, wie es sie in Australien oder auch in Österreich gibt, sehen Experten ebenfalls kritisch. So darf in Österreich seit Ende des vergangenen Jahres nur einmal täglich um zwölf Uhr der Benzinpreis angehoben werden. „Dennoch liegt das Margenniveau in Österreich über dem in Deutschland“, sagt Harald Schedl, Energieexperte bei der Beratungsfirma Simon-Kucher. Selbst Angriffe von Billigtankstellen wie den neu eröffneten Aldi-Stationen hätten gegen das Preisniveau bislang nichts ausrichten können.

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