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Wirtschaft Grundstücksmangel

Wohnungssuchenden droht eine gefährliche Preisspirale

Leitender Redakteur Immobilien
In den Großstädten gibt es weniger Neubauten

In Deutschland gibt es weniger Neubauprojekte. Vor allem weniger Wohnungen werden gebaut werden. Ursachen sind mangelndes Bauland in Großstädten und die hohen Auflagen der Behörden.

Quelle: WELT/Christin Brauer

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Projektentwickler in den Ballungszentren werden vorsichtiger. Bauland ist teuer. Das fördert Spekulation. Und die deutsche Bürokratie verschärft die Wohnungsnot noch - durch immer neue Auflagen.

Kaum hat der Bauboom so richtig begonnen, ist er auch schon wieder vorbei. Jedenfalls in den sieben größten Städten der Republik. Das Analyseunternehmen Bulwiengesa stellt in einer aktuellen Projektentwicklerstudie fest: Bauprofis sind in den Ballungszentren eher auf dem Rückzug.

„Der Projektentwicklermarkt in den sieben deutschen Top-Immobilienmärkten stagniert“, hält Bulwiengesa-Vorstand Andreas Schulten fest. „Was die Finanz- und Wirtschaftskrise 2009 nicht erschüttern konnte, bremst nun die Preis- und Kostenspirale der letzten Jahre aus: Das weitere Wachstum der deutschen Großstädte.“

Erstmals sei das Projektvolumen bei Wohnungsneubauten spürbar rückläufig, so Bulwiengesa. Zwar legte das Volumen bei Büros stärker zu. Doch gleiche dieser Zuwachs den Rückgang im Wohnungsbau nicht aus. Bulwiengesa analysiert in seiner jährlichen Studie das Verhalten der größeren Akteure am Wohn- und Gewerbeimmobilienmarkt, die Neubauten von mehr als tausend Quadratmeter Fläche planen und bauen. Kleinere und mittelständische Unternehmen bleiben damit zwar außen vor. Dennoch ließen die Zahlen der „Großen“ Rückschlüsse auf den Gesamtmarkt zu, meint Schulten.

Quelle: Infografik WELT

Spekulation mit Grundstücken nimmt zu

Noch immer sei das gesamte errechnete Projektvolumen allerdings riesig. Fast 27 Millionen Quadratmeter Wohn- und Gewerbeflächen seien in der Entwicklung – in einem Gesamtwert von 180 Milliarden Euro. Doch gebe es nun eben erstmals einen Rückgang um 0,3 Prozent. Gleichzeitig nehme die Spekulation mit Baugrundstücken zu, wobei die Erwerber zunächst abwarten, ob sie Bauland zu einem späteren Zeitpunkt teurer verkaufen könnten, ohne sich die Mühe zu machen, darauf ein Gebäude zu errichten.

Quelle: Infografik WELT

Möglicherweise seien bestimmte Bereiche des Wohnungsmarkts in den Topmetropolen an einem Scheitelpunkt angekommen. „Es wird nicht mehr jede Eigentumswohnung verkauft“, sagte Schulten bei der Vorstellung der Studienergebnisse. Insbesondere im hochpreisigen Segment könne es schon einmal länger dauern, bis eine Immobilie vermarktet ist.

„Das Geschäft wird an manchen Stellen ein wenig brenzlig, weil zu hohe Preise verlangt werden.“ Günstige Wohnungen dagegen seien weiterhin Mangelware. Doch seien die Entwickler auch kaum noch in der Lage, solche Wohnungen zu bauen: „Die Grundstückskosten sind zu hoch, die Baukosten sind zu hoch“, nennt Schulten die Gründe. Hinzu kämen politische und verwaltungstechnische Hindernisse.

Ausgerechnet in Berlin, wo das Einkommensniveau der Bevölkerung keine beliebigen Preissprünge am Immobilienmarkt mittragen kann, würden die Behörden manche Neubauten verzögern. „Berlin wächst nicht mehr, im Gegensatz zu anderen Städten, auch aus politischen Gründen“, meinte Schulten. Als Beispiel nannte er das Grundstück der früheren Reemtsma-Zigarettenfabrik an der Mecklenburgischen Straße. Jahrelang sei die Fläche für den Wohnungsbau bestimmt gewesen.

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Der Investor Wohnkompanie kaufte das Grundstück und begann mit der Entwicklung. Dann jedoch habe der Bezirk immer neue Auflagen gemacht: „eine Dachbegrünung, innenliegende Sonnenflächen, Fahrradständer und eine ausführliche Beteiligung der Bürger im Umfeld“, zählt Schulten auf. „Da kommt dann ein bauwilliges Unternehmen schon mal ins Grübeln und wartet lieber einmal ab.

Wenn dann die Auflagen immer teurer werden und die Wartezeit immer länger, könnte man auch auf die Idee kommen, wieder zu verkaufen“, sagt der Marktexperte. „Oder lieber ein Büro zu bauen.“ Mit Blick auf den Vorwurf der gezielten Wette auf Wertzuwachs sagte Schulten: „Ich frage mich da: Hat hier ein Investor wirklich einfach spekuliert?“

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Rahmenbedingungen haben sich verschlechtert

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Auch andere Projektentwickler und Baufirmen sehen viele Hindernisse, wie eine Umfrage des Bundesverbands freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen ergab. „Fast 60 Prozent unserer befragten Mitgliedsunternehmen geben in der BFW-Konjunkturumfrage an, dass sich die Rahmenbedingungen für den Neubau im vergangenen Jahr weiter verschlechtert haben“, sagte Verbandspräsident Andreas Ibel.

An erster Stelle stehe mit weitem Abstand die fehlende Verfügbarkeit von Baugrundstücken. Aber schon jedes zweite befragte Unternehmen nenne die zeitaufwendige, bürokratische Kommunikation mit den Behörden in Verbindung mit sehr langen Planungs- und Genehmigungsverfahren als Kostentreiber.

Quelle: Infografik WELT

Was das Bauordnungsrecht angehe, sähen inzwischen fast 40 Prozent der Firmen größere Hindernisse bei den energetischen Auflagen. Hinzu kämen allerdings auch steigende Baupreise und Kapazitätsengpässe im Bauhandwerk.

„Trotz der derzeit guten Geschäftslage erwartet die mittelständische Immobilienbranche langfristig sinkende Baufertigstellungszahlen“, stellte Ibel fest. „Wenn die Politik hier keine Gegenimpulse setzt, werden die Baufertigstellungszahlen nach einem kurzen Anstieg auf 300.000 Wohneinheiten in den kommenden Jahren auf 250.000 oder noch darunter zurückgehen.“

Nicht nur die Gemeinden, auch private Eigentümer halten aber offenbar wertvolles Bauland zurück, wie die BFW-Mitgliedsfirmen beobachten. Inzwischen stellten 68 Prozent der befragten Unternehmen fest, dass häufiger mit Grundstücken spekuliert werde. „Etwa 15 bis 20 Prozent der Projekte in der Fertigstellung wurden im Vergleich zum Vorjahr nach hinten geschoben“, ergab die Verbandsumfrage. Wohl auch, um höhere Preise zu erzielen.

In den teuren Lagen der Großstädte könnte sich das allerdings als Fehlspekulation erweisen. Der Verband deutscher Pfandbriefbanken (VDP) jedenfalls rechnet nicht damit, dass sich die dynamische Preisentwicklung bei Wohnimmobilien wie bisher fortsetzen wird. Verbandschef Louis Hagen sagte in Frankfurt: „Wir gehen davon aus, dass sich der Preisanstieg spürbar verlangsamen wird.“

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