WELTGo!
Journalismus neu erleben und produktiver werden
Ihr Assistent Journalismus neu erleben und produktiver werden
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Wirtschaft
  3. Benzinmarkt: Ihren Rekordgewinn wollen Tankstellen in Bezahlautomaten investieren

Wirtschaft Benzinmarkt

Ihren Rekordgewinn wollen Tankstellen in Bezahlautomaten investieren

Korrespondent
Sowohl Konzerne wie Jet als auch freie verbuchten 2018 Rekordgewinne Sowohl Konzerne wie Jet als auch freie verbuchten 2018 Rekordgewinne
Sowohl Konzerne wie Jet als auch freie Tankstellen verbuchten 2018 Rekordgewinne
Quelle: obs/JET Tankstellen Deutschland GmbH
Vor allem mittelständische Tankstellenketten haben im letzten Jahr vom Wassernotstand auf dem Rhein und einem Raffinerieunglück profitiert. Doch weil ihnen das Personal fehlt, wollen viele Stationen jetzt ihr Bezahlmodell umstellen.

Deutschlands Tankstellenpächter haben 2018 deutlich mehr Geld verdient als in früheren Zeiten. Ausgelöst wurde dieses Rekordjahr durch zwei negative Ereignisse, die auch zu Katastrophen hätten führen können: Ein Großbrand in der Raffinerie Bayernoil bei Ingolstadt sowie der Dürresommer mit dem anschließenden Niedrigwasser auf dem Rhein waren Auslöser für eine ungewöhnliche Verknappung des Angebots.

Benzin und Diesel waren in einigen Teilen des Landes zu bestimmten Zeiten nicht in den üblichen Mengen verfügbar. In Städten etwa im Rheinland mussten Tankstellen ihre Zapfsäulen vorübergehend schließen. Die Folge war, dass Autofahrer höhere Benzin- und Dieselpreise zahlen mussten und es auch taten.

„Die Versorgungskrise hat zwar nicht zu kompletten oder flächendeckenden Leerständen geführt. Sie hat aber das Verbraucherverhalten verändert“, sagte Stephan Zieger, Geschäftsführer des Bundesverbands Freier Tankstellen (BFT), bei der Vorstellung einer Branchenstudie. Die Versorgung sei zu jeder Zeit gesichert gewesen. Dazu beigetragen habe auch die Freigabe von Teilen der Ölreserven des Bundes.

„Doch wenn eine Tankstelle trockenfiel, sind die Kunden schnell woandershin gefahren und haben dort getankt“, sagte der Branchenlobbyist. Das übliche Preisvergleichen oder Ausnutzen günstiger Abendzeiten zum Tanken blieb dann aus. „Die Autofahrer waren in der Zeit nicht so preissensibel wie sonst üblich“, sagte Verbandschef Zieger.

Durch das Niedrigwasser konnten Tankschiffe die Öllager entlang des Rheins zeitweise nicht mehr befüllen. Entsprechend aufwendig war der Transport aus anderen Regionen und von Großraffinerien an die Standorte. Diesen Aufwand konnten die Tankstellenbetreiber auf die Preise aufschlagen.

Deutschland auf Platz zwölf beim Benzinverkauf

Einige Mittelständler konnten dabei flexibler reagieren als mancher Ölkonzern. So verfügen etliche dieser Unternehmen über einen Ölhandel und damit eigene Tankfahrzeuge. Diese Tankwagen haben sie zur Versorgung eingesetzt. Die Unternehmer fuhren auch am Wochenende Benzin oder Diesel heran, da das sonst übliche Wochenendfahrverbot für Lkw teilweise aufgehoben worden war.

Die Rekordzahlen gelten für die gesamte Benzinbranche, egal ob freie Tankstellen oder Konzerne wie Aral, Shell oder Jet. Danach lag die Gewinnmarge für Benzin im vergangenen Jahr bei zwölf Cent, das sind fast zwei Cent mehr als im Jahr davor. Beim Diesel waren es elf Cent gegenüber gut neun Cent im Vorjahr. Berechnet wird dies von der britischen Agentur Wood Mackenzie. Sie vergleicht dabei den Verkaufspreis an der Station vor Mehrwertsteuern sowie Energiesteuern mit dem Einkaufspreis im Großhandel. In der genannten Marge sind noch sämtliche Betriebskosten für die Tankstelle wie der Transportaufwand enthalten.

Quelle: Infografik WELT

„Nach Abzug aller Kosten dürften den Gesellschaften als Kraftstoffmarge bis zu zwei Cent pro Liter übrig geblieben sein“, heißt es in der BFT-Studie. In den Vorjahren lag dieser Wert um rund ein Fünftel niedriger. Zur Einordnung hilft diese Zahl: Eine typische mittelgroße Tankstelle verkauft im Jahr rund 3,5 Millionen Liter Kraftstoff. Aus dem Kraftstoffverkauf errechnet sich ein Jahresgewinn von 70.000 Euro.

Im europäischen Vergleich verdienen die deutschen Tankstellenbetreiber damit im unteren Drittel der Länder. Beim Benzinverkauf rangiert Deutschland auf Platz zwölf von 16 ausgewählten Staaten, beim Diesel ist es Position 14. Annähernd doppelt so viel Gewinn machen Benzinstationen in den Ländern Norwegen, Schweiz oder Niederlande.

Quelle: Infografik WELT
Anzeige

Ein Grund für die Wettbewerbssituation in Deutschland ist die vom Bundeskartellamt eingeführte Markttransparenzstelle. Dorthin müssen sämtliche der rund 14.400 hiesigen Stationen ihre Preise in Minutenabständen melden. Dies wiederum ermöglicht jedem Autofahrer über Vergleichsportale im Internet weitgehende Preistransparenz im Tankstellenmarkt.

Nach Aussage der Verbandslobbyisten wollen die BFT-Unternehmen die Rekordeinnahmen des vergangenen Jahres für Zukunftsinvestitionen nutzen. „Viele Tankstellen werden Tankautomaten aufbauen, bei denen der Kunde direkt an der Zapfsäule und nicht mehr im Shop bezahlen kann“, sagte Jochen Vieler aus dem Vorstand des BFT und selbst Unternehmer mit 40 Benzinstationen.

Kein Trinkgeld von den Tankkunden

Als Grund dafür nennt der Mittelständler Schwierigkeiten bei der Personalsuche. „Es ist für uns sehr schwer geworden, Personal zu bekommen“, sagte Vieler. Es sei „nicht sexy“, an einer Tankstelle zu arbeiten. Zudem könne die Belegschaft anders als etwa in der Gastronomie nicht mit Trinkgeld von den Tankkunden rechnen. Laut der Aussage sind der gestiegene Mindestlohn und die damit verbundenen höheren Personalkosten Argumente für Automaten statt Mitarbeiter an den Stationen.

Weiterer Schwerpunkt der Investitionen des Mittelstands sollen Ladesäulen für Elektroautos werden. Allerdings beklagt der Verband eine mangelnde Unterstützung und Förderung durch den Staat. Auch seien die Stromversorger oftmals nicht dazu in der Lage, entsprechende Stromleitungen an die Tankstellen zu verlegen.

Im Unterschied zu vielen anderen europäischen Ländern existiert in Deutschland ein Mittelstand im Tankstellengeschäft. Rund ein Viertel des Marktes entfällt nicht auf große Anbieter wie Aral, Shell, Esso, Total oder Jet. Typisches Beispiel ist die Vereinigung des BFT. In dem Verband sind rund 500 Firmen mit etwa 2400 Standorten organisiert. Darunter sind 400 Betriebe mit lediglich einer einzigen Benzinstation. Durch den gemeinsamen Einkauf im Großhandel können sie mit auskömmlichen Konditionen arbeiten.

Frauen sind ungern an Tankstellen

Für viele Männer sind Tankstellen nicht nur zum Tanken da; sie kaufen hier ein, halten sich gerne hier auf, betrachten den müffelnden Ort fast als Refugium. Bei Frauen ist das ganz anders. Schlecht für die Betreiber.

Quelle: WELT / Lukas Axiopoulos

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema