„Hey Barbie, zusammen werden wir diese Nazis besiegen“, sagt ein Mann in einer pinken Uniform. Er sieht aus wie Matt Damon, hat die sonore Stimme von Matt Damon und verspricht: „Wir werden fantastisch dabei aussehen.“ Der Trailer zu dem imaginären Film „Barbenheimer“ – einer Fusion der Blockbuster „Barbie“ und „Oppenheimer“ – hat im Netz Hunderttausende Fans. Schnelle Schnitte, fantastische Landschaften, die Stimmen und Gesichter der bekannten Schauspieler Margot Robbie und Matt Damon – das Werk hat Zutaten eines Hollywood-Blockbusters und ist fast komplett von Maschinen gemacht.
„Barbenheimer“ illustriert, warum die künstliche Intelligenz eine ganze Branche aufrüttelt. Verlieren Schauspieler ihre Aufträge, wenn der Scan eines Gesichts und die Aufzeichnung einer Stimme ausreichen, um Avatare in KI-Welten zum Leben zu erwecken? Was wird aus Cuttern, Maskenbildnerinnen, Kulissenbauern und vielen mehr, wenn die Technik ihre Jobs mit wenigen Klicks übernehmen kann? Ersetzen ChatGPT & Co. künftig die Arbeit der Drehbuchschreiber? Das sind Fragen, die viele in der Filmbranche derzeit umtreiben.
Erste Antworten kommen in diesen Tagen aus den USA. Nach fünf Monaten Streik hat sich dort die Gewerkschaft der Drehbuchschreiber (Writers Guild of America) gerade mit den großen Filmstudios und Streamingdiensten, von Disney bis Netflix, geeinigt – erstmals auch über den Umgang mit KI. Es ist der Versuch, klare Regeln aufzustellen, für einen schwammigen Bereich, der sich nur schwer regeln lässt. Aufmerksam schauen auch die Filmschaffenden in Deutschland und Europa daher in die USA.
Dort hat die Gewerkschaft eine große Macht. Wer in den USA als Drehbuchautor arbeiten will, muss Mitglied in der Writers Guild sein. Die vertritt insgesamt rund 11.500 Drehbuchautoren, hat Gewerkschaftsstatus und auch ein Streikrecht.
Anders in Deutschland: Hier sind die Drehbuchschreiber größtenteils als Soloselbständige unterwegs, die Werkverträge abschließen. Rund 600 von ihnen sind Mitglied im Deutschen Drehbuchverband (DDV). Der sieht den Abschluss in den USA als richtungsweisend, besonders für den Einsatz künstlicher Intelligenz.
Vertrag legt fest: KI ist keine Person
Konkret versucht die dortige Gewerkschaft ihre Mitglieder vor einer Degradierung durch Technik zu schützen. In dem Vertrag, der von den Mitgliedern bis zum 9. Oktober noch ratifiziert werden muss, wird zunächst festgehalten, dass KI keine Person ist und damit auch kein Autor im Sinne der Definition der Writers Guild sein kann. Sie kann einen menschlichen Autor somit nicht ersetzen und ihm oder ihr auch nicht die Gage streitig machen.
Würde also ein Filmstudio eine KI ein Drehbuch schreiben lassen und einen menschlichen Autor nur mit der Überarbeitung beauftragen, stünde dem Menschen nicht nur die „Überarbeitungsgage“ zu. Er bekäme die gleiche Gage, als hätte er oder sie das Skript komplett selbst geschrieben. Im Abspann des Films würden auch allein die Menschen als Autoren genannt und könnten bei eventuellen Gewinnbeteiligungen und Zweitverwertungen ihre Rechte geltend machen.
Der Vertrag gilt allerdings nur drei Jahre lang und soll alle sechs Monate überprüft werden. Den Studios, die bereits jetzt massiv in künstliche Intelligenz investieren, bleibt also Zeit, die Arbeit der Technik zu perfektionieren.
Drehbuchschreiber aus Deutschland stimmt die Einigung dennoch optimistisch. „Die Writers Guild in den USA hat es geschafft, einen Pflock einzuschlagen“, sagt Jan Herchenröder, Geschäftsführer des Deutschen Drehbuchverbands zu WELT. „Wir müssen schauen, was davon für uns in Europa funktioniert.“ Der Abschluss aus den USA könne Ausgangspunkt für eine Branchenlösung sein. Erste gesetzliche Leitplanken erhoffen sich Urheber von laufenden Verhandlungen der EU über einen AI-Act.
Künstler und Kreative sind gleich von zwei Seiten durch KI tangiert. Einerseits werden die Modelle mit Millionen menschlichen Werken trainiert – von journalistischen Artikeln über Romanfragmente bis hin zu Drehbüchern. Noch ist aber nicht geregelt, wie die Urheber für diese Trainingsdaten honoriert werden. Verwertungsgesellschaften wie die VG Wort setzen sich für pauschale und auch rückwirkende Lizenzierungsmodelle ein.
Andererseits wird KI künftig mehr und mehr im kreativen Prozess zum Einsatz kommen. „In unserer Mitgliedschaft gibt es eine hohe Affinität, mit der Technologie umzugehen“, sagt Herchenröder. „Sie kann durchaus ein interessantes Hilfsinstrument sein, um im Erzählen von komplexen Serien voranzukommen.“ Die Technik aber könne Menschen als Autoren niemals ganz ersetzen. „Menschen bringen die gesellschaftliche Wirklichkeit ein und denken sie weiter, sie fangen Emotionen ein. Das sind schöpferische Prozesse, die Maschinen nicht leisten können.“
Fast-Food-Linien vs. Liebhaber-Linien
Theoretisch denkbar ist das freilich schon. Zumindest dürfte der Druck im Markt der Schreiber steigen, wenn einige von Ihnen KI benutzen und damit schneller liefern und günstiger anbieten können. Denkbar auch, dass sich künftig unterschiedliche Genre in Film und Serien herausbilden. Die Fast-Food-Linien, schnell und mit viel technischer Unterstützung produziert. Und die Liebhaber-Linien für die Anspruchsvollen. Programmkino versus Massenware sozusagen.
Der Geist der KI jedenfalls ist aus der Flasche und wird sich wohl auch im Kreativ-Geschäft nicht mehr einfangen lassen. Für Kathrin Schürmann ist der Abschluss der Writers Guild auch keine dauerhafte Lösung, denn er widerspreche mit seiner künstlichen Preiserhaltung dem Marktprinzip.
Zudem hindere die Einigung Autoren nicht daran, neue Technologien für sich als Wettbewerbsvorteil zu nutzen, sagt die Berliner Rechtsanwältin, die auf IT- und Datenschutzrecht spezialisiert ist. „Warum sollte KI auch nicht als Hilfsmittel eingesetzt werden? Unsere Arbeitswelt wird sich verändern, ähnlich wie zu Zeiten der Industrialisierung – wir können es nicht verhindern, sondern sollten lieber sinnvoll damit umgehen.“
Gemäß dem Abkommen aus den USA könne die Produktionsfirma den Einsatz von KI ablehnen, indem sie dem Autor das Einverständnis bei der Werkschöpfung verweigert, so Schürmann. Das sei auch für europäische Unternehmen eine Option. „Wenn sich das aber dauerhaft als deutlicher Wettbewerbsnachteil herausstellt, werden sich Firmen wohl nicht für ein Verbot entscheiden“, prophezeit die Anwältin.
Der Produzent und Autor von „Barbenheimer“ hat übrigens nur vier Tage für seinen gesamten Film gebraucht. Das jedenfalls behauptet der Mann, der sich Curious Refuge nennt, im YouTube-Chat zu seinem Trailer. Die Kosten dürften sich also in Grenzen gehalten haben – ganz anders als beim echten Barbie-Trailer. Solche Kurzfilme lassen sich die Produktionsgesellschaften in Hollywood meist sechs- bis siebenstellige Beträge kosten.