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Karriere Rollenverteilung

Neue Normalität – Deutsche verdienen doppelt

Finanzredakteur
Frauen verdienen immer noch deutlich weniger

In Deutschland gibt es immer mehr Doppelverdiener. Die Zahl der Haushalte, in denen beide Partner arbeiten, wird weiter stiegen. Dennoch verdienen Frauen im Schnitt rund 21 Prozent weniger als Männer.

Quelle: WELT/ Sebastian Plantholt

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Der Anteil von Doppelverdienern ist zuletzt deutlich gestiegen. Bei zwei Dritteln aller Paare zwischen 50 bis 64 Jahren sind beide Partner erwerbstätig. Die gestiegenen Lebenshaltungskosten sind nur ein Grund für diese Entwicklung.

Gerade in den ländlichen Gebieten Deutschlands waren Doppelverdiener noch vor Kurzem eine seltene Spezies. In Familien gab es eine klare Arbeitsteilung: Der Mann arbeitet, die Frau kümmert sich um Kinder und den Haushalt. Im Westen war die Rollenverteilung stärker ausgeprägt als im Osten, und noch Anfang des 21. Jahrhunderts hatte sich daran wenig geändert. Aber zu den vielen Umbrüchen der deutschen Gesellschaft gehört auch das: Doppelverdiener werden mehr und mehr zur Norm in der Bundesrepublik.

Das lässt sich auch und gerade bei älteren Arbeitnehmern beobachten. Wie eine Berechnung des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) in Wiesbaden zeigt: Demnach hat sich der Anteil von „Zweiverdienern“, wie die Wissenschaftler das Modell nennen, bei Paaren jenseits der 50 in den letzten zwei Jahrzehnten mehr als verdoppelt. Hatten 1997 nur 29 Prozent aller Paare zwischen 50 bis 64 Jahren zwei Erwerbstätige, so ist das heute bei zwei Dritteln (66 Prozent) aller Paare der Fall.

Die Angaben des BiB basieren auf der Definition der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), wonach schon jemand als erwerbstätig gilt, der eine Stunde pro Woche einer bezahlten Arbeit nachgeht. Betrachtet man Arbeitsverhältnisse von mindestens 20 Stunden pro Woche, so zählt jedes zweite Paar zu den Zweiverdienern. Immerhin bei jedem dritten Paar leisten nach der BiB-Auswertung beide Partner 30 oder mehr Arbeitsstunden pro Woche.

Das Statistische Bundesamt (Destatis) beziffert die Zahl der Haushalte in Deutschland auf insgesamt 41 Millionen, 8,2 Millionen davon sind Familien mit Kindern. Gerade bei den jüngeren Familien dominiert bei arbeitenden Frauen die Teilzeitbeschäftigung. Laut Destatis hatten 2017 mehr als zwei Drittel (69 Prozent) der erwerbstätigen Mütter mit minderjährigen Kindern keinen Job mit voller Stundenzahl. Bei den erwerbstätigen Vätern waren nur sechs Prozent teilzeitbschäftigt. Die Familienform der Elternteile spielt bei der Entscheidung eine große Rolle.

So sind alleinerziehenden Mütter nur zu 58 Prozent teilzeitbeschäftigt, also deutlich seltener als Verheiratete oder in einer Partnerschaft Lebende. Beim Hang zur Teilzeitbeschäftigung lassen sich deutliche Unterschiede zwischen Müttern in Ost- und Westdeutschland feststellen: „Während 2017 im Osten 49 Prozent der Mütter mit minderjährigen Kindern in Teilzeit tätig waren, betrug der Anteil im Westen 74 Prozent“, schreiben die Wiesbadener Statistiker.

Die Forscher gehen davon aus, der sich der Trend zum Doppelverdienerhaushalt in Deutschland noch verstärken wird. Vor allem ist es die veränderte Einstellung von Frauen zur Berufstätigkeit, die den Unterschied macht. Noch Ende der Neunzigerjahre lag deren Erwerbstätigenquote bei niedrigen 38 Prozent. Damals waren also kaum mehr als ein Drittel aller Bundesbürgerinnen überhaupt berufstätig.

Bis heute hat sich die Quote beinahe verdoppelt – auf 72 Prozent. Zum Vergleich: Bei Männern kletterte die Erwerbstätigenquote im selben Zeitraum von 58 auf 80 Prozent. Für einen Mann ist es also „normaler“ als für eine Frau, berufstätig zu sein, die Unterschiede sind jedoch nur noch gering und werden immer kleiner.

Quelle: Infografik WELT

Ein Grund für den Zuwachs von Zweiverdienern unter den 50- bis 64-Jährigen ist laut den Forschern aber auch die überproportional gestiegene Erwerbsbeteiligung von Menschen jenseits der Lebensmitte. Sie wurde einerseits durch den Jobboom der vergangenen Jahre erst möglich, und auch die gestiegenen Kosten für Mieten könnten eine Rolle spielen. Manche Paare dürften das Gefühl haben, dass es nicht mehr reicht, wenn nur einer das „Geld nach Hause bringt“.

Andererseits werden Arbeitskräfte aller Altersstufen in Deutschland immer stärker nachgefragt: Berufstätigkeit von Älteren ist in vielen Branchen und Metiers jedoch fast schon eine Notwendigkeit, um Engpässen zu entgehen. Denn in Zeiten des Fachkräftemangels kommen weniger jüngere Arbeitnehmer nach, als ältere aus dem Berufsleben ausscheiden. Die deutsche Erwerbsbevölkerung altert rapide.

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„Im Vergleich zu früher müssen sich immer mehr Paare mit der Frage beschäftigen, wie sie den Übergang in den Ruhestand gestalten wollen und können“, sagt Sozialwissenschaftlerin Laura Konzelmann vom BiB in Wiesbaden.

Quelle: Infografik WELT

Der Anteil älterer Arbeitnehmer an der Erwerbsbevölkerung klettert sukzessive: Schon 2018 war jeder fünfte sozialversicherungspflichtige Beschäftigte in der Bundesrepublik 55 oder älter. Ende der 90er-Jahre galt das nur für jeden zehnten Beschäftigten. Auch die absoluten Zahlen sind deutlich: 6,4 Millionen Menschen zwischen 55 und 64 gehen einer Erwerbstätigkeit nach, 130 Prozent mehr als 1999. Die Gesamtzahl aller Beschäftigten hat seither nur um 22 Prozent zugenommen. Umgekehrt ist Arbeitslosigkeit unter Älteren längst nicht mehr das drückende Problem, das sie vor zehn oder 20 Jahren war.

Zuletzt waren weniger als 800.000 der 55- bis 64-Jährigen als arbeitslos gemeldet, fast 600.000 weniger als Ende des zurückliegenden Jahrhunderts. Auch kann man nicht davon sprechen, dass Ältere bei der Jobsuche schlechtere Karten hätten. Der Anteil der 55- bis 64-Jährigen, die früher als „schwer vermittelbar“ galten, an allen Arbeitslosen liegt konstant bei rund einem Drittel.

Es lässt sich also ein genauso starker Rückgang der Arbeitslosigkeit konstatieren wie in der Breite der Gesellschaft. Ohne ältere Arbeitnehmer, Männer wie Frauen, würde in Deutschland nicht mehr viel laufen.

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