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Kernbrennstäbe bleiben noch jahrelang extrem heiß

Das radioaktive Material muss vor der Lagerung in ein Abklingbecken. Zur Kühlung muss der Wasserspiegel mehrer Meter über den Brennelementen liegen Das radioaktive Material muss vor der Lagerung in ein Abklingbecken. Zur Kühlung muss der Wasserspiegel mehrer Meter über den Brennelementen liegen
Das radioaktive Material muss vor der Lagerung in ein Abklingbecken. Zur Kühlung muss der Wasserspiegel mehrer Meter über den Brennelementen liegen
Quelle: Infografik WELT ONLINE
Das Reaktorunglück in Japan zeigt, wie gefährlich selbst inaktive Brennelemente sind. Vor der Lagerung müssen die Brennstäbe erst in einen „Swimmingpool".

Obwohl infolge des Erdbebens in Japan die Kernreaktion in den Kernreaktoren von Fukushima abgeschaltet wurde, produzieren die inaktiven Brennelemente weiterhin sehr viel Wärme. Werden sie nicht gekühlt, oder fallen sie längere Zeit trocken, werden sie stark beschädigt. Eine Kernschmelze kann einsetzen. Ein Kraftwerk also einfach auszuschalten macht aus Brennstäben noch lange kein ungefährliches Material.

Brennstäbe sind etwa vier Meter lange Röhren mit einem Durchmesser von rund einem Zentimeter. Im Röhrenmaterial selbst ist viel Zirkoniumoxid enthalten. Dieses stellt sicher, dass kein Brennstoff, keine Spaltprodukte und auch keine Neutronen – sie werden für die Kernreaktion in diesen Röhren benötigt – ins Kühlmedium gelangen. Im Inneren ist der Kernbrennstoff in Tablettenform verpackt, also beispielsweise Urandioxid, Plutoniumdioxid oder eine Mischung aus beiden. Die einzelnen Brennstäbe sind bei aktiven Reaktoren und auch danach, wenn sie ausgeschaltet werden, durch Kühlflüssigkeit voneinander getrennt, damit sie nicht überhitzen. Mehr als 230 dieser langen dünnen Brennstäbe sind zu einem Brennelement zusammengefasst – so lassen sie sich leichter transportieren.

Durch die Spaltung der schweren Elemente produzieren die aktiven Brennstäbe Wärme: Bestehen die Brennstofftabletten aus Uran und Plutonium, so entstehen kleinere Atome, die ebenfalls radioaktiv sind und sich in den Brennstäben anreichern. Sie zerfallen zwar nicht in noch kleinere Elemente, geben aber Teile ihrer Kerne ab (Neutronen, Alphateilchen), um Stabilität zu erreichen – und das unabhängig davon, ob der Reaktor läuft oder nicht. Also entstehen diese Spaltprodukte auch nach Abschalten des Reaktors weiter. Dabei wird Wärme frei, die sogenannte Nachzerfallswärme. Und genau diese macht die Entsorgung ausgedienter Brennstäbe so schwierig.

Die Nachzerfallswärme beträgt zwar nach dem Abschalten des Reaktors nur noch zwischen einem Zehntel und einem Zwanzigstel der vorherigen Wärmeproduktion und nimmt dann sehr schnell ab (siehe Grafik). Aber auch das ist insgesamt noch sehr viel Wärme. „Nach zehn Tagen liegt die Nachzerfallswärme noch bei etwa 0,4 Prozent, das sind aber je nach Brennelement und dessen Laufzeit etwa 15 Megawatt – genug, um fast drei moderne Lokomotiven anzutreiben“, erklärt Stephan Struth vom Forschungszentrum Jülich. Und diese Wärme muss abgeführt werden, bevor eine unterirdische Endlagerung möglich ist.

Dazu müssen die Brennstäbe erst einmal „abklingen“ – was in sogenannten Abklingbecken passiert. Jedes der zwölf aktiven Atomkraftwerke Deutschlands besitzt einen solchen tiefen „Swimmingpool“ für alte Brennstäbe. Denn obwohl sich die Nachzerfallswärme so schnell reduziert, können die Brennstäbe nicht einfach aus dem Reaktorkern herausgehoben und im Trockenen gelagert werden: Zunächst muss der Reaktor selbst abkühlen – von rund 300 Grad Celsius auf 20 bis 30 Grad. Danach wird der Deckel des Reaktors abgehoben, und die Brennelemente werden mit einem Kran in das benachbarte Abklingbecken versetzt. Der gesamte Prozess dauert etwa 24 Stunden.

Im Abklingbecken werden die Brennstäbe dann weiterhin gekühlt – mit Wasser. Wasser bietet sich deshalb an, weil es nicht nur kühlt, sondern gleichzeitig die abgegebenen Kernteilchen aufnimmt. Damit keine radioaktiven Partikel und damit keine Strahlung aus dem Becken entweichen, ist über den Brennstäben immer eine mehrere Meter hohe Wasserschicht. Sie schirmt die radioaktiven Teilchen ab. Im Schnitt müssen die Brennstäbe etwa fünf Jahre im Abklingbecken bleiben, bevor sie in eines der drei zentralen Zwischenlager Deutschlands – Ahaus, Gorleben oder Greifswald-Rubenow – transportiert werden.

Diese Zwischenlager sind große oberirdische Hallen aus Stahlbeton mit einer Außenwandstärke von bis zu 70 Zentimetern. Das allein schirmt die ausgedienten Brennstäbe aber noch lange nicht genug ab, weshalb die Stäbe in Spezialbehältern verpackt sind. Diese Behälter dienen auch dem Transport vom Abklingbecken zur Lagerhalle. Viel Wärme dürfen die Brennstäbe dann nicht mehr produzieren: Sie müssen so weit abgeklungen sein, dass in den extrem dichten Behältern keine höhere Temperatur als 400 Grad entsteht.

Der bekannteste Behälter ist der „Castor“ (siehe Schema). Castor steht für „Cask for Storage and Transport of radioactive Materials“ – es ist also ein „Fass für die Lagerung und den Transport radioaktiver Materialien“. Diese Behälter von der GNS Gesellschaft für Nuklear-Service mbH sind zwischen vier und sechs Meter lang, etwa zweieinhalb Meter breit und wiegen über 100 Tonnen. Sie schirmen die gefährliche Strahlung ihres Inhaltes so stark ab, dass davon weniger als ein Millionstel nach außen gelangt. Außerdem leiten sie die erzeugte Nachzerfallswärme ab. „Dazu besitzen die Behälter Kühlrippen zur Oberflächenvergrößerung. Sie können so eine Wärme von 56 Kilowatt abführen, das entspricht ungefähr dem Heizbedarf von fünf Einfamilienhäusern“, sagt Michael Köbl von der GNS-Gruppe.

Ein Castor funktioniert also ähnlich wie ein Heizkörper bei uns zu Hause: Über seine Rippen gibt er Wärme an die Umgebung ab – eben die Nachzerfallswärme der enthaltenen Brennstäbe. Dabei werden die Behälter außen an ihrer Oberfläche höchstens 80 Grad warm, je nach Umgebungstemperatur. Damit ein Castor auch Extremsituationen und Unfälle überstehen kann, muss er sich in zahlreichen Tests beweisen und bei Aufprall, Feuer oder hohem Wasserdruck noch stabil und dicht bleiben.

Auch in den Stahlbetonhallen der zentralen Zwischenlager kommen die Behälter ohne technisch unterstützte Kühlung aus: Die Luft in den großen Hallen reicht aus, um die Wärme abzuführen.

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