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Wissenschaft Fluggeräte

Raketen-Bastler zündet Geschosse auf grüner Wiese

Östlich von Frankfurt schießt ein Konstrukteur Fluggeräte mit 350 km/h in den Himmel. Gebaut hat er die Vehikel in seinem Hobby-Keller.

Millimeterweise schiebt Volker Augustin den Treibsatz in die Raketenhülse und prüft immer wieder den Schwerpunkt des Geschosses. „Feuerwerkskörper fliegen überhaupt nur halbwegs gerade nach oben, weil sie an einem Holzstab kleben“, erklärt der gelernte Programmierer. „Eine Rakete dagegen schießt frei und stabil senkrecht in die Höhe.“

Die Konstruktionsformel für seine Apparaturen hat der 38-Jährige selbst entwickelt. Im Labor seiner Hanauer Wohnung baut Augustin Fluggeräte, die mit 350 Stundenkilometern Richtung Himmel stürmen. 2003 gründete der Familienvater Hessens ersten und bisher einzigen Raketen-Club.

„Es begann eigentlich mit einer Homepage, auf der ich Konstruktionspläne hinterlegte“, erzählt der Hanauer. Mehr als eine Hand voll Aktive sind es bis heute nicht geworden, aber die Internetseite ist inzwischen eine Fundgrube für alle Daniel Düsentriebs dieser Welt. „Berechnet werden muss neben dem Schwerpunkt der Rakete auch ihr Druckpunkt“, erläutert Augustin, „also die Stelle, wo der Schub ansetzt“. In seine Formel fügt er ebenso die Abstände dieser Punkte ein und die Gewichte der Einzelteile. Daraus ergibt sich dann auch das Kaliber der Rakete.

Für Treibsätze nur noch ein deutscher Hersteller

Taumeln, Drehen, Überschlagen, all das muss Augustin seinen Himmelsstürmern abgewöhnen. „In Wahrheit ist es noch komplizierter, aber das kann man ja niemandem erzählen“, grinst der Hanauer. „Wer will schon wissen, dass eine leichte Drehung des Raketenkörpers Rotationsstabilität liefert?“

Die Treibsätze bezieht Augustin vom einzig verbliebenen deutschen Hersteller von Modellraketenmotoren, einem Betrieb in Sachsen. „Nicht selbst mit Schwarzpulver zu experimentieren, gehört zu unseren Regeln“, sagt der 38-Jährige. „Für 1,60 Euro pro Stück riskiert niemand seine Hände.“

Mit dem Treibsatz „Sachsen C63“ sei eine Steighöhe von 300 Metern zu erreichen, berichtet Augustin, während er Schubdüse, Zündkanal und Ausstoßladung prüft, Teile wiegt und sein Feuergeschoss mit Flossen bestückt. „Mit der Formel kann ich die Rakete korrekt gewichten“, sagt Augustin, der zurzeit als Hausmann lebt und in sein Labor nur verschwindet, wenn ihn seine Tochter nicht braucht.

„Die letzten Fragen beantwortet dann der Praxistest.“ Dazu bindet der Raketenbauer seine Konstruktion an eine Schnur und schleudert sie im Kreis. „So zeigt sich das Flugverhalten“, sagt der Hanauer.

Flugsicherung gab das Okay

Augustin startet seine Raketen von einer Wiese am Ortsrand. Vor Jahren hatte der Konstrukteur bei der Stadt nachgefragt, wie weit er mit seinen Raketen in die erdnahe Atmosphäre über Hanau vorstoßen dürfe. „Eigentlich war das ein Fehler“, erinnert er sich. „Natürlich wusste das im Rathaus niemand.“

Hanau leitete die Anfrage nach Langen weiter, die dortige Flugsicherung antwortete. „Bis 300 Meter darf es unangemeldet nach oben gehen“, weiß Augustin nun. Und auch den Mindestabstand von fünf Kilometern zum nächsten Flughafen hält er ein.

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Die Hülle der in Hanau hergestellten Raketen ist aus Balsaholz. Das sei leichter als das bei Fertigbausätzen verwendete Plastik, erklärt der 38-Jährige. „So ist die Rakete schneller und steigt höher.“ Und weil all die Mühe in seinem Keller nicht vergebens sein soll, sammelt Augustin seine Treibsatzträger später wieder ein und recycelt sie. Eine winzige Explosionsladung sprengt am höchsten Punkt die Spitze ab, ein Fallschirm öffnet sich. Bei starkem Wind verwendet Augustin ein Flatterband.

Start geglückt, zurück wird gesegelt

Dann ist es so weit. Augustin trägt die Rakete – es ist die achte von ihm gebaute -, die Rampe nebst selbst konstruierter Startbox auf seine Weltraum-Wiese. Er montiert das Projektil zwischen vier Alustangen, verbindet Treibsatz mit Zünderkabel, prüft den Wind, fackelt nicht lang und bedient die Batteriebox.

Wie der Blitz geht die Rakete ab. Stabil und senkrecht, so wie der Hanauer es berechnet hat, rast das Geschoss in fünf Sekunden rund 200 Meter in den Himmel. Ganz oben entfaltet sich das Flatterband. Mit strahlendem Blick, sein kleiner Traum ist in Erfüllung gegangen, spurtet Augustin der herabsegelnden Rakete entgegen.

dapd

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