Entlang der gesamten norwegischen Küste brüten immer weniger Seevögel. Wie das internationale Forschungsprogramm Seapop (seabird populations) jetzt berichtet, ist die Hauptursache ein „großer Mangel an Nahrung“. Ganz extrem sind die Verhältnisse für die Trottellummen der Vogelkolonien auf den Inseln Røst und Runde: Hier hat der Brutvogelbestand im Vergleich zum Vorjahr um 97 Prozent beziehungsweise 73 Prozent abgenommen. Diese Arte steht bereits auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Vogelarten.
Auch die eigentlich sehr anpassungsfähige Dreizehenmöwe zeigt eine ähnlich negative Entwicklung. Die Forscher haben festgestellt, dass die Seevögel statt der üblichen Jungheringe und Lodde im vergangenen Sommer hauptsächlich die Große Sandnadel (entelurus aequoreus) verfüttert haben; diese Fische seien wegen ihrer lang gestreckten Form für die Küken kaum als Futter geeignet und würden nur in Notzeiten verfüttert.
Zu der Verschiebung in der Nahrungsaufnahme macht die norwegische Zeitschrift „Villmarksliv“ in ihrer Dezemberausgabe eine bedenkenswerte Feststellung. Chefredakteur Dag Kjelsaas schreibt, dass entlang der norwegischen Küste auf riesigen Arealen seismische Sprengungen im Rahmen der Erdöl- und Erdgassuche stattfinden – die mit bis zu 250 Dezibel ablaufen. Seit 1995 sei auf einer Breite von einem halben bis einem Kilometer auf einer Länge von rund 600 000 Kilometern praktisch alles Leben vernichtet worden.
Die Seapop-Studie scheint das zu bestätigen, da Vogelkolonien nahe oder im Inneren von Fjorden, wo weit weniger Sprengungen stattgefunden haben, eine bessere Brutentwicklung aufweisen als diejenigen weit draußen an der Küste. Auch auf Helgoland, Deutschlands großer Vogelinsel, sterben Seevögel aus, weil sie ungenießbare Fische fangen. Die Vogelkundler stehen vor einem Rätsel.