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Friedrich-Rauers-Straße Der neue Platz für die Drogenszene vom Bremer Hauptbahnhof

Die Drogenszene am Bremer Hauptbahnhof soll an einen neuen Ort "gelockt" werden - möglichst in die Friedrich-Rauers-Straße, wo es bereits einen provisorischen Drogenkonsumraum gibt. Kann das gelingen?
15.11.2022, 05:00 Uhr
Lesedauer: 4 Min
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Der neue Platz für die Drogenszene vom Bremer Hauptbahnhof
Von Kristin Hermann

Den wenigsten Bremerinnen und Bremern ist die Friedrich-Rauers-Straße ein Begriff. Einige Hundert Meter vom Hauptbahnhof entfernt, verläuft sie parallel zum Breitenweg, in der Mitte trifft sie auf den Findorff-Tunnel. In den vergangenen Wochen hörte man den Namen der Straße immer häufiger. Schon seit Längerem steht dort ein provisorischer Drogenkonsumraum, in dem Abhängige unter hygienischen und kontrollierten Bedingungen konsumieren können. Ein festes Angebot soll bis spätestens Mitte 2024 ganz in der Nähe entstehen.

Doch weil sich die Zustände am Bahnhof nicht verbessern, soll das provisorische Angebot für Drogenkranke kurzfristig ausgebaut werden, darauf einigte sich Anfang November der Senat (wir berichteten). Die zuständigen Ressorts erhoffen sich davon, die Drogenszene am Bahnhof zu verlagern.

Doch was ist die Friedrich-Rauers-Straße eigentlich für ein Ort? Bis auf ein paar Autos, die dort vorbeifahren, wirkt die Straße größtenteils verlassen, auf direkte Anwohner trifft man hier augenscheinlich kaum. Auf der einen Seite erstreckt sich ein Teil des Güterbahnhofes, auf der anderen befinden sich diverse Gebäude. Einige davon erreicht man nur über den Breitenweg. Schilder an mehreren Türen und Briefkästen verraten: Hier waren bis vor Kurzem Firmen ansässig, die sich mittlerweile einen neuen Standort gesucht haben.

Einige wenige sind noch da. "Wir sehen uns schon länger nach Räumlichkeiten um, da die gesamte Ecke rund um den Bahnhof nicht mehr attraktiv ist", sagt die Mitarbeiterin eines Büros, die weder ihren Namen, noch den ihrer Firma in der Zeitung lesen möchte. "Die Ankündigung, dass die Drogenszene nun noch weiter hier hin verlagert werden soll, hat uns in dieser Entscheidung bestärkt und wir wollen so schnell wie möglich ausziehen."

Übergangswohnheim für geflüchtete Frauen und Kinder aufgelöst

Richtung Findorff-Tunnel herrscht etwas mehr Leben. An der Ecke ist ein Hostel ansässig, den Tunnel nutzen zudem viele Radfahrer. Erste Leser äußerten in Zuschriften gegenüber dem WESER-KURIER ihre Sorge, dass künftig Drogendealer und Süchtige ihren Weg zur Arbeit oder nach Hause kreuzen könnten. Läuft man die Straße weiter hoch, kommt man an einem Islamischen Kulturzentrum vorbei, dessen Eingang sich allerdings ebenfalls am Breitenweg befindet. Im gleichen Gebäude ist der feste Drogenkonsumraum mit weiteren Angeboten geplant. Die Einrichtungen sollen jedoch separate Eingänge bekommen und keine Berührungspunkte miteinander haben, betont die Gesundheitsbehörde.

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Unweit davon waren in einem Hochhaus bis vor Kurzem geflüchtete Frauen und Kinder untergebracht. Diese Tatsache hatten vor allem die Linken kritisiert. Nach Angaben der Sozialbehörde sind die Frauen und Kinder inzwischen ausgezogen, das sei sowieso geplant gewesen. Die Innere Mission richtet dort aktuell eine Unterkunft für Wohnungslose ein, die dort während der kalten Jahreszeit unterkommen sollen. Die ersten Menschen sind am Montag eingezogen, heißt es auf Nachfrage.

Das Hochhaus daneben war ebenfalls lange Anlaufstelle für Obdachlose: Das Jakobushaus kennen viele als sogenanntes Papageienhaus. Pläne für eine alternative Nutzung, etwa aus der Kulturszene, scheiterten in der Vergangenheit, das Gebäude steht seitdem leer.

Behörden halten sich mit konkreter Ausgestaltung bedeckt

Interessant ist für die Behörden vor allem der Teil der Friedrich-Rauers-Straße, an dem sich derzeit der provisorische Drogenkonsumraum befindet. Platz für Erweiterungen wäre dort vorhanden. Bei einer Begehung des Senats Anfang November waren unter anderem zusätzliche Ruheorte in Containern, mehr Betreuungsangebote und Unterstände im Gespräch. Geprüft wird zudem, ob ein Teil der Fahrbahn gesperrt werden kann, damit an der Stelle weniger Verkehr rollt.

Was nun konkret umgesetzt wird, darüber halten sich die Ressorts noch bedeckt. Am Donnerstag gibt es in der Bremischen Bürgerschaft eine Aktuelle Stunde zum Hauptbahnhof. Es ist davon auszugehen, dass in der Debatte weitere Details zur neuen Strategie bekannt gegeben werden.

Kritiker können sich schwer vorstellen, dass insbesondere die unter starkem Konsumdruck leidende Crack-Szene den Weg in die Friedrich-Rauers-Straße auf sich nehmen kann und wird. Der Bahnhofsvorplatz ist fußläufig etwa einen Kilometer entfernt. Dort sind die Möglichkeiten der Geld- und Drogenbeschaffung um ein Vielfaches größer.

Trotz der Distanz zum Bahnhof wird der provisorische Drogenkonsumraum gut angenommen, sagen indes die Betreiber der gemeinnützigen Comeback GmbH. Allein im September hätten rund 130 Süchtige ihren Weg dorthin gefunden, knapp 1000 Konsumvorgänge hätten in dieser Zeit stattgefunden. Darunter seien sehr wohl auch Crack-Süchtige gewesen, sagt Comeback-Leiter Wolfgang Adlhoch. Den Ausweichort in der Friedrich-Rauers-Straße zu vergrößern, hält er für eine Chance, die Gemengelage am Bahnhof zu entzerren. "Momentan sind dort sehr viele Hilfsangebote gebündelt. Ein etwas abgelegenerer Rückzugsort könnte den Süchtigen guttun", sagt er.

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