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Landwirt Peter Wahls will Wärme nicht mehr in die Luft pusten / Mit Strom an die Börse Biogas soll den Radern einheizen

Seit 2006 betreibt Peter Wahls seine Biogas-Anlage bei Rade. Als Erster stieg er in der Gemeinde Schwanewede in das Geschäft mit dem grünen Strom ein. Er hat es nicht bereut. Seine Anlage wirft Gewinn ab. Um sie noch wirtschaftlicher zu machen, geht der Rader neue Wege.
18.07.2013, 05:00 Uhr
Lesedauer: 3 Min
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Von Gabriela Keller

Seit 2006 betreibt Peter Wahls seine Biogas-Anlage bei Rade. Als Erster stieg er in der Gemeinde Schwanewede in das Geschäft mit dem grünen Strom ein. Er hat es nicht bereut. Seine Anlage wirft Gewinn ab. Um sie noch wirtschaftlicher zu machen, geht der Rader neue Wege.

Rade. Würde er heute eine Biogas-Anlage bauen? Peter Wahls’ Antwort ist ein klares "Nein". Der 51-Jährige erklärt auch gleich warum. Hohe Maispreise, eine wenig lukrative Stromvergütung, mehr Auflagen – das seien heute ganz andere Bedingungen als vor sieben Jahren, als er seine Anlage bei Rade in Betrieb nahm. Die erste in der Gemeinde Schwanewede seit Einführung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG).

Damals war Biogas im Aufwind. Inzwischen hat sich das Blatt gewendet. Die Anlagenbauer drehen Däumchen. Kaum ein Landwirt wagt noch einen Neubau. Peter Wahls hat Glück gehabt, er ist 2006 zum richtigen Zeitpunkt eingestiegen. Aus der Not heraus. Der Preis für Weizen, den der Landwirt aus Rade bis dahin auf seinen Feldern angebaut hatte, war zu der Zeit auf Talfahrt. Das neue EEG versprach Geld für grünen Strom aus Biogas. "Das war eine Chance", sagt Wahls rückblickend.

Er hat sie genutzt und es nicht bereut. Seine Anlage wirft seit der Inbetriebnahme im Dezember 2006 Gewinn ab. "Die ersten fünf Jahre waren sehr erfolgreich." Nur in diesem Jahr muss er ein paar Abstriche machen. Reparaturen, die absehbare schlechte Maisernte nach einem verregneten Mai – das wird die Kosten treiben. "Ich werde dieses Jahr wohl mehr Mais zukaufen müssen."

Zu 80 Prozent füttert der Landwirt seine Anlage inmitten der Felder vor Rade mit Mais. Dazu kommen 15 Prozent Grassilage und etwas Futterreste. Der Mais kommt zum größten Teil vom eigenen Feld. 200 Hektar baut Wahls dafür an, 20 Prozent kauft er zu. Alle halbe Stunde werden ein Fermenter und ein Nachgärer mit 600 Kilogramm Substrat gespeist. Über den Tag verteilt landen so rund 30 Tonnen Biomasse in den beiden Behältern mit einem Füllvolumen von jeweils 2200 Kubikmetern. Das Substrat wird auf 40 Grad erhitzt und dabei von Bakterien zersetzt. Es entsteht Biogas. Was nicht vergoren wird wie Faser- und Nährstoffe, kommt in ein Gärreste-Lager und landet später als Dünger auf dem Feld.

Die Anlage mit 750 Kilowatt Nutzleistung erzeugt pro Stunde 340 Kubikmeter Biogas, das je zur Hälfte aus Methan und Kohlendioxid besteht. Drei Blockheizkraftwerke wandeln das Gas in Strom um. "Im Monat produzieren wir 520000 Kilowattstunden Strom."

Den speist Wahls komplett ins öffentliche Netz ein. Dafür bekommt er Geld. Für 20 Jahre sei ihm ein Festpreis garantiert. Dass er 2006 als einer der Pioniere in das Biogas-Geschäft einstieg, zahlt sich für ihn jetzt aus. Von der neuen Vergütungsstruktur sei er nicht betroffen. Auch nicht von den Verschlechterungen beim Bonussystem. "Einige Boni sind gestrichen worden. Aber ich bekomme meinen Bonus noch."

Wärme für das Dorf

Trotzdem sucht der Biogas-Landwirt nach Wegen, seine Anlage noch wirtschaftlicher zu machen. Seit drei Monaten lässt er seinen Strom mit anderen Anlagenbetreibern über einen Händler an der Strombörse anbieten. Dabei geht es nicht darum, die grüne Energie meistbietend loszuwerden. Im Gegenteil: Wahls bekommt Geld dafür, dass er im Ernstfall bei einer drohenden Netzüberlastung keinen Strom einspeisen würde.

Es geht um die Sicherstellung der Netzstabilität. "Mit anderen Biogas-Betreibern stelle ich sicher, dass nicht zu viel Strom im Netz ist, indem wir bei einem drohenden Überangebot unsere Produktion kurzzeitig aussetzen. " Diese Bereitschaft, vorübergehend keinen Strom zu produzieren, werde mit einem lukrativen Leistungspreis honoriert. Für den Fall, dass er seine Anlage tatsächlich stoppen müsste, würde ihm auch noch der Produktionsausfall vergütet. Die Ausschreibung vom Netzbetreiber Tennet für die Dienstleistung erfolgt laut Wahls wöchentlich. "Bislang habe ich jedes Mal einen Zuschlag bekommen."

Nicht nur bei der Stromnutzung geht Wahls neue Wege. Der Rader will künftig auch die Wärme, die seine Biogas-Anlage bei der Vergärung produziert, besser nutzen und damit die Rentabilität seiner Anlage optimieren. Rund 360000 Kilowattstunden Wärme erzeugt die Anlage pro Monat. Nur ein geringer Teil wird zum Heizen eines benachbarten Gewächshauses genutzt. Das meiste, über 300000 Kilowattstunden, wird in die Luft gepustet.

Das soll sich ändern. Fast hätte es im vergangenen Jahr schon geklappt. Die Gemeinde Schwanewede wollte dem Landwirt die Biogas-Wärme zur Beheizung von Freibad, Grundschule und Sporthalle in Neuenkirchen abnehmen. "Das wäre ideal gewesen", sagt Peter Wahls. Die Pläne zerschlugen sich. Verhandlungen mit Grundstückseigentümern, über deren Grund und Boden die Biogas-Leitung führen sollte, scheiterten.

Seit Kurzem hat Wahls ein neues Eisen im Feuer. Wärme für Rade heißt das Projekt. Vor wenigen Wochen haben sieben Rader Bürger eine Genossenschaft aus der Taufe gehoben. Das Ziel: Die Biogasanlage vor der Haustür soll den Dorfbewohnern einheizen. Ein ehrgeiziges Projekt. Der Investitionsbedarf für 4,2 Kilometer Leitung, Hausübergabe-Stationen, Motoren und Steuerungseinheiten ist kein Pappenstil. Wahls schätzt ihn auf "zwei Millionen Euro, abzüglich Förderung 1,5 Millionen".

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