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Erziehung mit und zur Gewalt

Von Haimo L. Handl

Gastkommentare

Die Prügelstrafe wurde bei uns nicht zuletzt angesichts der belasteten Nazi-Vergangenheit abgeschafft. Warum bloß glaubt ein Möbelhaus, nun mit körperlicher Gewalt werben zu müssen.


Die Prügelstrafe, direkte Gewalt als Erziehungsmittel, wurde in den meisten Staaten Europas in den späten 1970ern und frühen 1980ern abgeschafft. In vielen Staaten ist sie nur im Schulbereich verboten. In den USA wird sie in den meisten Staaten noch praktiziert, in Russland ebenso, ganz zu schweigen von der islamischen Sharia, die seit je in der körperlichen Züchtigung das vornehme Recht der Strafe sieht.

Für Deutschland, indirekt für Österreich, als die ehemaligen Nazi-Staaten mit ihrem Nazi-Ungeist, war der Weg zur Ächtung besonders wichtig als logische Konsequenz aus dem Desaster seiner Unwerteentwicklung, die in die Barbarei geführt hatte. Nicht zuletzt die Debatten um die Mündigkeit und ihre Erziehung dazu forderten das ein und erbrachten einen Lerneffekt, eine Verhaltensänderung, die sich auch gesetzlich ausdrückte.

Es gab zwar bei uns immer wieder Debatten um die "g’sunde Watschn", im Großen und Ganzen jedoch herrschte Einmütigkeit hinsichtlich der Ablehnung körperlicher Züchtigung oder Abwertung und Prävention von und vor Gewalt in der Erziehung oder im kollektiven Umgang.

Es sind auch nicht rechtsextreme, neonazistische Wehrsportertüchtigungsgruppen oder sadistische Missetäter, die jetzt mit neuer Gewaltverherrlichung öffentlich auftreten, sondern eine Firma, die größte Möbelhauskette Österreichs, die von Richard Seifert und seiner Frau Gertrude Lutz 1945 gegründete Firma, der heute neben XXXLutz Mömax und Möbelix zugehören, die über ihre Werbeagentur, die große, angesehene Firma Demner, Merlicek & Bergmann, dieses Programm offerieren, vertreten und appellierend einsetzen. Für ihren Firmenzweig Mömax liefern sie eine Kampagne, die offen auf das sadistische Element der körperlichen Züchtigung zurückgreift und es fies mit dem Appell verbindet, sich damit als Individuum auszuweisen.

Dieser Appell erfolgt unter anderem mit einem Gewalt verherrlichenden Vorbild einer Schulszene: Im Stil strenger englischer Schulen, warten Kinder auf dem Gang und hören, wie aus dem Zimmer, in das sie gerufen werden, Schreie ertönen. Sie sehen dann ganz überrascht, dass nicht der geifernd-eifrige Pauker als Züchtiger heraustritt, sondern ein Schulkollege, der maliziös den Kopf nickt, während er den Schlagstock, das Strafinstrument, gekonnt in den Händen hält. Die Stimme aus dem Off sagt: "Du bist anders". Das ist empörend.

Falls der Spott witzig gemeint sein sollte, so ist er ordentlich daneben gegangen. Hier wird direkt auf dumpfe Reste brachialer, brutaler Gewaltbereitschaft als Individualitätsmerkmal gepocht, hier wird vorexerziert, worin sich das Mitglied der heutigen Massengesellschaft unterscheidet, nämlich durch Brutalität, durch Gewalt, durch gewaltsames Durchsetzen.

Hier geht es nicht einfach nur um schlechten Geschmack. Hier geht es um die Umkehrung dessen, was wir nach dem Ende der Barbarei auf die Fahnen geschrieben haben: die Absage an jede Gewaltverherrlichung.

Haimo L. Handl ist Politik- und Kommunikationswissenschafter.