So lebt es sich als professionelle Meerjungfrau am Rhein

Meerjungfrau Alicia am Rheinufer in Geisenheim.
© Lukas Görlach/VRM

Die Faszination hat bereits in der Kindheit begonnen. Vor einem Jahr hat Alicia Barth ihren Traum wahr gemacht und betreibt seither „Mermaiding“.

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Rüdesheim/Geisenheim. Es geht ein Stück durchs Wasser. Um zu dem kleinen Sandstrand an einem Ausläufer des Flusses zu gelangen, werden die Schuhe ausgezogen. Angenehm ist das, bei 34 Grad im Schatten.

Trotz Hitze und Niedrigwasser herrscht wenig Betrieb am Rhein in Geisenheim. Nur ein Paar räkelt sich etwas entfernt am Ufer – im Hintergrund Bäume und Sträucher, die sich glitzernd auf der Wasseroberfläche spiegeln. Die Anwesenheit der beiden kann Alicia Barth längst nicht mehr aus der Ruhe bringen. Im vergangenen Jahr hat sie gelernt, sich nicht um die Meinung anderer zu kümmern.

Heutzutage leben wir in so einer coolen Zeit, in der du wirklich alles sein kannst, was du willst.

AB
Alicia Barth

Das türkisfarbene Oberteil trägt Alicia bereits, als nächstes folgt die mit Muscheln verzierte Krone. Und natürlich die 11,6 Kilogramm schwere Flosse aus Silikon, die die Rüdesheimerin in Handarbeit selbst hergestellt hat. Nur knapp über eine Minute dauert es, bis die Studentin sich vollständig in „Mermaid Alicia“, wie sie sich auf Instagram und TikTok nennt, verwandelt hat.

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Faszination begann in ihrer Kindheit

Eineinhalb Jahre ist es her, dass die 26-Jährige ihre Leidenschaft für die Fabelwesen wiederentdeckt hat. Eine Faszination, die in ihrer Kindheit mit „Arielle – Die kleine Meerjungfrau“, der australischen Teenie-Serie „H20 – Plötzlich Meerjungfrau“ und ihrer Liebe zum Meer begann. Als Kinder hätten sie mit Tauchflossen im Schwimmbad Meerjungfrau gespielt, mit ihrem Bruder duellierte sie sich, wer länger unter Wasser bleiben kann, erinnert sie sich heute. „Es war schon immer irgendwie da, nur habe ich mich in der Schulzeit nicht getraut, das auszuleben. Aber je älter ich werde, desto wichtiger ist es mir, das zu machen, was mich wirklich glücklich macht. Heutzutage leben wir in so einer coolen Zeit, in der du wirklich alles sein kannst, was du willst.“

Meerjungfrau Alicia am Rheinufer in Geisenheim.
Meerjungfrau Alicia am Rheinufer in Geisenheim.
Meerjungfrau Alicia am Rheinufer in Geisenheim.
Meerjungfrau Alicia am Rheinufer in Geisenheim.
Meerjungfrau Alicia am Rheinufer in Geisenheim.
Meerjungfrau Alicia am Rheinufer in Geisenheim.
Meerjungfrau Alicia am Rheinufer in Geisenheim.
Meerjungfrau Alicia am Rheinufer in Geisenheim.
Meerjungfrau Alicia am Rheinufer in Geisenheim.
Meerjungfrau Alicia am Rheinufer in Geisenheim.
Meerjungfrau Alicia am Rheinufer in Geisenheim.
Meerjungfrau Alicia am Rheinufer in Geisenheim.
Meerjungfrau Alicia am Rheinufer in Geisenheim.
Meerjungfrau Alicia am Rheinufer in Geisenheim.
Meerjungfrau Alicia am Rheinufer in Geisenheim.
Meerjungfrau Alicia am Rheinufer in Geisenheim.

Im Mai 2022 begann sie, inspiriert durch soziale Medien, Silikon-BHs für Meerjungfrauen zu basteln und bei Etsy zu verkaufen. Wenige Monate später folgte ein Fotoshooting mit ihrer Freundin Johanna Blum, bei der auch eine schon 2018 gekaufte Stoffflosse erstmals richtig zum Einsatz kam.

Luft anzuhalten, kostete Überwindung

Mit dem Kopf unter Wasser zu gehen und die Luft anzuhalten, all das, was ihr als Kind so leicht gefallen war, sei in dieser Zeit noch eine echte Herausforderung gewesen, sagt Alicia. Das erste Mal mit Flosse habe sie sogar als etwas beängstigend in Erinnerung, fügt sie hinzu. Eine Weile verfolgte sie ihre Leidenschaft ausschließlich mit ihren Bastelarbeiten. „Aber dann habe ich gemerkt, dass das schon ein Teil von mir ist, den ich auch wirklich verfolgen will. Wenn man sich etwas in den Kopf setzt, dann kriegt man das auch hin.“ 

Um mehr Selbstvertrauen zu gewinnen, nahm Alicia gleich zu Beginn an einem Tagesworkshop bei der deutschen Meerjungfrau Katrin Gray alias Mermaid Kat teil.. Sie habe ihr gezeigt, wie man sich mit Atemübungen an Land auf den Tauchgang vorbereiten kann. Und wie es ihr gelingt, ihre größte Angst zu besiegen. Nämlich nicht zu merken, wann sie wieder Luft braucht. An Land im Ruhezustand und unter Anleitung schaffte sie zunächst „nur knapp 20 Sekunden“, später eineinhalb Minuten. Und unter Wasser in Bewegung am Ende sogar 30 Sekunden. „Ich habe wieder Vertrauen in mich gefunden, das ich vorher ein bisschen verloren hatte.“ 

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Von Mermaid Kat hat Alicia auch gelernt, dass der Job der professionellen Meerjungfrau mit einer Aufgabe einhergeht. „Wir Meerjungfrauen sind Botschafter der Meere“, zitiert Alicia die 38-Jährige. Dazu gehört, auf die Problematik von Plastik und sterbenden Korallenriffen aufmerksam zu machen. 

500-Millionen-Dollar-Industrie

Heute hat Alicia, die hauptberuflich ein Pole Dance Studio in Rüdesheim betreibt, ihre Leidenschaft zum Nebenjob gemacht und ist seit dem Frühjahr auf Kindergeburtstagen und Festen unterwegs. Damit ist sie nicht allein. Laut der britischen Tageszeitung „The Guardian“ gibt es allein in den USA knapp 1000 Menschen, die Meerjungfrau als Beruf angeben. In den vergangenen Jahren hat sich die Sportart „Mermaiding“, wie das Meerjungfrauenschwimmen offiziell heißt, zu einer 500-Millionen-Dollar-Industrie entwickelt.

Kein Wunder, denn eine Silikonflosse kostet in der Regel mehr als 2000 Euro. Etwa so viel hat Alicia auch für die Materialien ausgegeben, die sie für ihre eigene Flosse benötigt hat. Mehr als ein halbes Jahr hat es gedauert, zunächst die Formen zu modellieren und anschließend die Flosse zu gießen. Eine etwas nervenaufreibende Zeit, wie sie erzählt. Zwischenzeitlich habe der Gips nämlich mit dem Silikon reagiert und sei an einer Stelle ganz klebrig gewesen. Dann war die Flosse zu kurz. Trotz der Schwierigkeiten ist das Endergebnis wunderschön geworden. Wie eine zweite Haut, wie es bei professionellen Flossenbauern der Fall ist, sitzt Alicias Flosse allerdings nicht. „Die sagen dir natürlich nicht, wie sie das so schön hinbekommen“, sagt sie. „Und es ist total schwierig, sich das alles selbst beizubringen.“ Im Oktober möchte sie einen zweiten Versuch starten.

Die harte Realität

Pünktlich zum Start der Live-Action-Verfilmung von Disneys Arielle hat Netflix im Mai die vierteilige Doku-Reihe „Merpeople“ (Wassermenschen) herausgebracht, die die harte Realität des scheinbar so glamourösen Berufs zeigt. Denn wer es in der Branche zu etwas bringen will, ist enormen Druck ausgesetzt und hat zudem wegen des Chlorwassers regelmäßig mit Augen- und Ohrenentzündungen zu kämpfen, oder droht Gefahr, zu unterkühlen.

Wie hart der Job körperlich und mental werden kann, hat Alicia als Land-Meerjungfrau bislang natürlich nicht erleben müssen. Der Vorstellung, irgendwann Teil einer Wassershow zu sein, ist sie dennoch nicht ganz abgeneigt. Ohne Probleme gelingt es ihr mittlerweile unter Wasser die Augen zu öffnen. Eine Fähigkeit, die sie im Urlaub gelernt hat, um einem kleinen Mädchen mit Trisomie 21 eine Freude zu bereiten. „Eine Meerjungfrau mit Taucherbrille sieht halt echt doof aus“, sagt Alicia und lacht. Aktuell übt sie bei ihrem wöchentlichen Training einen Unterwasser-Rückwärtssalto, ohne sich die Nase zuzuhalten. „Dann kommt halt das ganze Chlorwasser direkt in die Nasennebenhöhlen. Und das brennt unglaublich.“

Die einzige professionelle Meerjungfrau in der Region

Anders als die meisten professionellen Meerjungfrauen hat Alicia sich bewusst gegen einen Künstlernamen entschieden. „Ich bleibe gerne bei meinem Namen und auch bei meinen braunen Haaren und braunen Augen. Einfach, weil ich auch als Meerjungfrau ich bleiben möchte. Ich bin stolz darauf und möchte, dass es ein Teil von mir bleibt.“ Mittlerweile gehöre Mermaiding zu ihr wie das Pole Dancing, dennoch würde sie die Frage, ob sie eine echte Meerjungfrau ist, außerhalb eines gebuchten Auftritts mit Kindern niemals mit Ja beantworten, betont sie. 

Noch ist die Studentin, die dieses Semester ihren Bachelor in Ökotrophologie macht, ihres Wissens nach die einzige professionelle Meerjungfrau in der Region. Alleine schwimmen muss sie trotzdem nicht. Neben Freundin Johanna hat Alicia auch ihren Mann Philipp Barth bereits mit ihrer Leidenschaft angesteckt. Schon jetzt begleitet er sie zu jedem ihrer Auftritte, trägt sie, wenn sie wegen der Flosse nicht mehr laufen kann oder fährt sie im Bollerwagen herum. „Er ist der unterstützendste Mensch, den ich mir je hätte erträumen können“, schwärmt die gebürtige Marienthalerin. Inzwischen hat sich der Fachinformatiker selbst eine Flosse bestellt. „Man erlebt Sachen, die nicht alltäglich sind. Das ist sehr spannend“, sagt Philipp Barth. Ende Juli hat er seine Frau auf das Meervolk-Treffen in Kassel begleitet. Im September geht es für die beiden zum Meerjungfrauen-Camp nach Ägypten. 

Wie bist du zum „Mermaiding“ gekommen?

Das fing schon früh an mit Arielle und ging dann weiter zu „H20-Plötzlich Meerjungfrau“. Ich glaube, mich faszinieren diese magischen Fabelwesen einfach generell. Dazu kommt meine Liebe zum Meer und dass man in eine andere Rolle schlüpfen kann, aber auch irgendwie trotzdem noch man selbst ist. 

Wie unterscheidet sich „Mermaiding“ vom normalen Schwimmen?

Eine Sache, die sich vom normalen Schwimmen unterscheidet, ist, dass die Beine natürlich jetzt zusammen sind. Das heißt, man sollte sich beim normalen Schwimmen schon sicher fühlen, weil man natürlich jetzt noch eine gesteigerte Schwierigkeit hat. Ansonsten macht man beim „Mermaiding“ eher Wellenbewegungen, oft zum Beispiel mit den Armen nach vorne oder mit einem Arm. Man kann die Arme aber auch an der Seite haben. Und dann versucht man quasi eine ganze Körperwelle zu machen, damit man sich durchs Wasser fortbewegen kann.