Zeitungsverleger streiten mit dem SWR – darum geht es

Im Mittelpunkt der Auseinandersetzung: die App „Newszone“ des Südwestrundfunks (SWR).
© picture alliance/dpa/Deutsche Presse-Agentur GmbH

Eine neue App des Senders beschäftigt die Justiz. Doch im Fokus sind auch Auftrag und Finanzierung der Öffentlich-Rechtlichen. Fragen und Antworten zu einem wegweisenden Streit.

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Mainz/Berlin. Seit Monaten beschäftigt ein Streit zwischen mehreren Zeitungsverlagen und dem SWR die Gerichte. Konkreter Anlass ist ein neues App-Angebot des öffentlich-rechtlichen Senders, gegen das die privaten Medienunternehmer vorgehen, weil es gegen geltendes Recht verstoße. Doch im Grunde geht es in der wegweisenden Auseinandersetzung um die Frage, welche Online-Inhalte der öffentlich-rechtliche Rundfunk (ÖRR) überhaupt anbieten darf und was dies für private Anbieter bedeutet. Und damit verknüpft, geht es auch um sehr grundsätzliche Fragen nach der Finanzierung, dem Auftrag und der Aufsicht des ÖRR. 

Worum geht es konkret in dem Streit?

Im Frühjahr 2022 hat der SWR die Nachrichten-App „Newszone“ für eine junge Zielgruppe gestartet, die nach eigenen Angaben „auf einfachen Zugang zu News und starke Individualisierbarkeit“ setzt. Dagegen haben 16 Verlagshäuser aus Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg geklagt, darunter auch die VRM. Der Vorwurf: Das Angebot der App sei zu textlastig, was laut Medienstaatsvertrag ausgeschlossen sei. Denn nach diesem dürfen die Online-Angebote der öffentlich-rechtlichen Sender nicht „presseähnlich“ sein, der Text darf „nicht im Vordergrund“ stehen. Ausnahme: „sendungsbegleitende“ Angebote, bei denen Inhalte aus konkreten Sendungen aufbereitet werden. Zudem sei die App ein eigenständiges Angebot, das medienrechtlich hätte genehmigt werden müssen. 

Insgesamt betrachten die Verleger die App als wettbewerbswidrig. „Solange der SWR solche Angebote verschenken kann, wird privaten Medienunternehmen die Erwerbsgrundlage entzogen“, sagt etwa Joachim Liebler, Geschäftsführer der VRM. Die privaten Häuser müssten „um jeden Euro kämpfen“ und könnten sich nicht „aufgrund staatlich festgesetzter und von allen Haushalten zwangsweise zu zahlender Beiträge finanzieren“.

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Was sagen die Gerichte?

Vor Gericht geht es, wie üblich in solchen Verfahren, um die Ausgestaltung der App an einem konkreten Tag, in dem Fall dem 14. April 2022. Im Oktober 2022 hat das Landgericht Stuttgart den Verlagen Recht gegeben – und deren Antrag auf einstweilige Verfügung gegen die App stattgegeben. Sie sei presseähnlich und hätte eine eigene Genehmigung gebraucht. Während sich die Medienhäuser bestätigt sahen, bedauerte der SWR das Urteil. „Durch unseren gesetzlichen Auftrag sind wir verpflichtet, alle Menschen mit Informationen und Nachrichten zu versorgen – auch junge Menschen“, sagte SWR-Intendant Kai Gniffke, der inzwischen auch ARD-Vorsitzender ist.

Das Oberlandesgericht Stuttgart hob die Entscheidung im Juni 2023 auf. Allerdings führte das Gericht dafür keine inhaltlichen, sondern lediglich formale Gründe an: Vor einem Gerichtsverfahren hätte es erst eine Schlichtung geben müssen. Denn für Streitfälle haben die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und der BDZV (Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger) vor Jahren eine Schlichtungsstelle eingerichtet. 

Was hat die Schlichtung ergeben?

Bei den Schlichtungsgesprächen am 11. September gab es keine Annäherung. Der SWR veröffentlichte danach eine Pressemitteilung, in der das Schlichtungsverfahren als „abgeschlossen“ betrachtet wird. Und in der Intendant Gniffke erklärt, dass man den Verlagshäusern „eine Zusammenarbeit bei Nachrichten für junge Zielgruppen“ vorgeschlagen habe, ihnen „dazu die Hand“ reiche. Beim BDZV rief dies deutliche Kritik hervor. „Aus unserer Sicht handelt es sich bei dieser Pressemitteilung um einen unfreundlichen Akt“, sagte Vorstandsvorsitzender Stefan Hilscher der „FAZ“. Statt wie vereinbart „gemeinsam formulierte Zeilen zu veröffentlichen“, habe der SWR eine Mitteilung herausgebracht, die den Sender in ein „günstiges Licht rückt und Tatsachen verdreht“. Hilscher sprach zudem von „schwammig formulierten Kooperationsideen“. Die Schlichtung ist also nicht nur gescheitert, sondern hat für neuen Streit gesorgt.

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Worum geht es grundsätzlich?

Private Medienhäuser stehen auch aufgrund sinkender Erlöse aus Printerzeugnissen vor der Herausforderung, im digitalen Geschäft mehr Geld zu verdienen. Sie konkurrieren online aber mit öffentlich-rechtlichen Anstalten, die Inhalte kostenlos anbieten können und sich aus Pflichtbeiträgen finanzieren. Hauptkritikpunkt, wie nun bei der App: die „Presseähnlichkeit“ von ÖRR-Angeboten im Internet – und damit ein ungleicher Wettbewerb zum Schaden der Zeitungen. Eine vom BDZV beauftragte Untersuchung ergab im Juni, dass 62 Prozent der befragten Nutzer der öffentlich-rechtlichen Online-Portale „immer oder häufig“ Textangebote aufrufen. Fast 40 Prozent würden demnach digital und gedruckt mehr Presseangebote nutzen, wenn es das öffentlich-rechtliche Angebot in dieser Form nicht gäbe.

Wie geht es weiter vor Gericht?

Die Verlagshäuser haben entschieden, dass sie ins Hauptsacheverfahren gehen, also gegen die „Newszone“-App klagen werden. „Wir gehen davon aus, dass die Auffassung der Vorinstanz auch im Hauptsacheverfahren Bestand haben wird“, sagte der Geschäftsführer des Verbands Südwestdeutscher Zeitungsverleger, Holger Paesler, gegenüber der VRM. Er koordiniert die gemeinsamen Klageanstrengungen der Verlage. Die Medienhäuser sind also zuversichtlich, dass sie wie beim ersten Urteil Recht bekommen.

Wie geht es weiter bei der EU?

Die Verleger wollen den grundsätzlichen Streit um die Internet-Textangebote des ÖRR, dessen Auftrag und Finanzierung nun auch auf EU-Ebene platzieren. Bei der BDZV-Jahrestagung sagte Vorstandsvorsitzender Hilscher kürzlich: „Nach unserem Eindruck wird eine Reparatur dieser Situation dem ÖRR aus eigener Kraft nicht gelingen.“ Ein Blick von außen, durch die EU, könne „wichtige Impulse“ setzen. Darum habe man im BDZV verabredet, „dass wir nun mit der EU-Kommission in ein vertieftes Gespräch gehen, das zu einer Beihilfebeschwerde führen soll“.