Um die Energiewende voranzutreiben, können Investitionen in „schmutzige“ Sektoren sinnvoll sein. Denn die Betreiber von Kohlekraftwerken oder die Hersteller von Baustoffen wie Zement brauchen viel Kapital für ihre Transformation.

Sonja Kimmeskamp, Head of Sustainable Investing, HSBC Global Asset Management (Deutschland) GmbH

Foto: HSBC

Wer in Kohlekraftwerke investiert, investiert in die Energiewende. Nur scheinbar steckt in diesem Satz ein Widerspruch. Es stimmt: Kohlekraftwerke gehören zu den größten CO2-Emittenten, nachhaltig ist an dieser Stromerzeugung nur wenig. Doch gerade deshalb sind Investitionen in Kohlekraftwerke und andere „schmutzige“ Sektoren wichtig. Nur wenn diese Sektoren transformiert werden, sind die Pariser Klimaziele zu erreichen.

Der Finanzbranche kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Banken und Investoren können die nachhaltige Transition vorantreiben. Dafür müssen Kreditgeber, Asset-Manager und eben auch Anleger den Aufbau klimafreundlicher Lösungen konsequent unterstützen. Das kann jedoch nur funktionieren, wenn sich Investoren nicht auf die Sektoren und Unternehmen konzentrieren, die bereits auf einem guten Weg sind. Die Pariser Klimaziele sind nur zu erreichen, wenn sich die CO2-intensiven Sektoren ändern und grüner werden.

„Der notwendige Übergang zur Klimaneutralität wird das Wohlergehen der Menschen verbessern und Europa wettbewerbsfähiger machen“, sagt Frans Timmermans, der für den europäischen „Green Deal“ zuständige Vizepräsident der EU-Kommission, und verweist zugleich auf die besonderen Herausforderungen dieser Transformation. „Es wird jedoch größerer Anstrengungen seitens der Bürger, Sektoren und Regionen erfordern, die stärker auf fossile Brennstoffe angewiesen sind als andere.“

Dort, wo fossile Brennstoffe immer noch eine große Rolle spielen, wird sich entscheiden, ob die Erderwärmung auf 2 Grad Celsius begrenzt werden kann. Unternehmen, die zu den großen CO2-Emittenten gehören, müssen ermutigt und unterstützt werden, die grüne Transition zu vollziehen. Wenn CO2-intensive Sektoren bereit sind, den Weg zur Klimaneutralität mitzugehen, ist der erste entscheidende Schritt getan. Anleger sollten daher im Blick haben, ob Unternehmen sich ein Netto-Null-Ziel gesetzt haben und ob diese Ziele überprüfbar gemessen werden können. Dann bieten gerade diese „schmutzigen“ Sektoren für Anleger große Möglichkeit.

Investitionen in Unternehmen mit Net-to-Null-Zielen können für Anleger zweifach attraktiv sein: Mit ihrem Geld unterstützen sie die grüne Transition und damit den Kampf gegen die Klimakatastrophe. Unternehmen, die sich grün und nachhaltig aufstellen und damit auch für langfristige Herausforderungen gerüstet sind, sind zugleich zukunftsträchtige Unternehmen.

Einen hohen Bedarf an Investitionen gibt es im Bereich der Infrastruktur, wo heute noch die große Masse an CO2 emittiert wird. Das betrifft den Verkehrsbereich sowie die Wasser- und die Energieversorgung. Gesteigert werden müssen vor allem die Investitionen in den Energiesektor, um die Versorgung in großem Umfang auf klimafreundliche Alternativen zu verlagern. Aber auch im Baustoffbereich liegt großes Potential. Allein die Zementherstellung ist laut der Inter-nationalen Energieagentur für 6,9 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Das ist mehr als die Emissionen aller Lastkraftwagen der Welt zusammen, deren Anteil am globalen Gesamtausstoß 6,1 Prozent beträgt.

Der „Green Deal“, den die EU-Kommission ausgerufen hat, wird nur dann ein Erfolg werden, wenn Banken und Anleger konsequent in die grüne Transformation von Unternehmen investieren, die den größten CO2-Hebel haben. Diese Investitionen müssen begleitet werden durch ein regelmäßiges und konsequentes Monitoring, um den Weg der Transformation nicht aus den Augen zu verlieren und nötigenfalls gegensteuern zu können. Doch klar ist: Nur wenn die „schmutzigen“ Sektoren diesen Weg mitgehen, sind die Pariser Klimaziele zu erreichen.

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