Die Hälfte unseres beruflichen Erfolges ist Kommunikation. Und trotzdem wird die Fähigkeit, erfolgreich mit anderen reden zu können, in unserer Jobwelt gnadenlos unterbewertet.
Viele reden in zu langen Sätzen, die auch noch mit Fremdworten und Fachvokabular gespickt sind. Sie pressen zu viele Informationen rein, weil dann „alles drin“ ist, auch wenn es das Publikum in der Detailtiefe nicht interessiert. Und sie halten eine Gliederung mit Zahlen und Buchstaben für einen roten Faden. Das ist dann alles ganz schön kompliziert.
Warum machen das so viele? Antwort: Weil sie glauben, dass dadurch Anspruchsvolles auch wirklich anspruchsvoll wirkt. Gebildet. Immerhin steckt in so einem Vortrag richtig viel Arbeit drin. Das sollen die Leute mal schön merken.
Dabei wollen wir als Publikum, Leser und Zuhörer gar nicht, dass es so anspruchsvoll wie möglich ist. Wir wollen nicht intellektuell an unsere Grenzen geführt werden. Wir wollen uns fühlen, als wären wir Anspruchsvollem locker gewachsen. Und das gelingt, indem Sie Anspruchsvolles in leichter Sprache vermitteln.
Das kommt auch Ihnen sofort zugute:
- Das Publikum ist Ihnen dankbar, dass es versteht, was Sie wollen. Und ein dankbares Publikum stimmt Ihnen lieber zu.
- Ihr Anliegen kommt besser rüber. Sie vermeiden Missverständnisse.
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Leichte Sprache also. Viele scheuen davor zurück. Ein 22-jähriger Marketing-Mitarbeiter einer Bank hat es mir gegenüber jüngst so formuliert: „Die Präsi ist für den Vorstand. Da muss es etwas hochtrabender klingen.“ Das ist ein Irrtum. Stattdessen gilt:
- Der Inhalt richtet sich nach den Interessen und Vorkenntnissen der Empfänger. Gegenüber studierten Juristen können Sie über die Kritik am Mordparagraphen in unserem Strafgesetzbuch anders ausholen als vor einer durchschnittlichen Schulklasse.
- Je komplizierter der Inhalt, desto einfacher die Sprache. Auch gegenüber Fachleuten mit Vorkenntnissen. Weil wir nun mal alle Menschen sind. Und wir Menschen streben das Einfache an. Weil das praktischer ist.
Auch die Halsnasenohrenärztinnen und -ärzte müssen erst noch einmal eine winzige Sekunde nachdenken, wenn sie hören: Sinusitis. „Nasennebenhöhlenentzündung, alles klar.“
Ersparen Sie also den Empfängern Ihrer Botschaften jede unnötige Anstrengung. Zu Ihrem eigenen Vorteil. So geht’s:
A. Lassen Sie unnötige Fremdworte und Fachausdrücke weg
Hier juckt es vielen natürlich sehr unter der Zunge, mit ein paar angeberischen komplizieren Begriffen zu beweisen, dass sie schon einmal eine Schule von innen gesehen haben. Ich sage Ihnen: Cool bleiben. Wenn Sie rhetorisch souverän auftreten, traut man Ihnen alles zu.
Die Uni Hohenheim hat gerade diese Woche bekannt gegeben, wie gut verständlich sich unsere Politikerinnen und Politiker im Bundestag in den vergangenen Monaten ausgedrückt haben. In der Analyse kam zum einen heraus: Der Bundeskanzler schneidet schlecht ab. Zum anderen: Auch die, die mit am besten abschneiden, liefern ein paar Beispiele dafür, wie Sie es besser nicht machen.
So spricht Wirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen von defätistischem Schlechtreden. Hätte er mutloses Schlechtreden gesagt, es hätten ihn alle auf Anhieb verstanden.
Bundesfinanzminister Christian Lindner von der FDP formuliert: Turnaround-Potenzial. Viele werden das verstehen, müssen es aber erst selber mit Leben füllen. Turnaround-Potenzial können Sie greifbar machen, in dem Sie etwa bildhaft beschreiben: „Wir können es schaffen, endlich wieder auf Kurs zu kommen“. Oder wie würden Sie es sagen?
CDU-Chef Friedrich Merz spricht von konsumptiven Ausgaben. Irgendwie können wir alle uns irgendwas drunter vorstellen. Sagen Sie aber: „das, was die Leute von ihrem Geld für Essen, Kino, Kleidung, Urlaub und so weiter ausgeben“, dann haben wir es vor Augen.
Wollen Sie Fachausdrücke unterbringen, um vor Experten zu zeigen, dass auch Sie im Thema sind, dann probieren Sie folgenden Kompromiss:
Sagen Sie: „Und jetzt noch ein paar Worte zum sogenannten rollenden Material, also zu den Zügen und nicht zum Gleisnetz“, verwenden Sie also den Fachbegriff „rollendes Material“ und dann die einfache Variante „Züge“.
B. Subjekt, Prädikat, Objekt. Reden Sie in kurzen Sätzen.
Hier noch ein Beispiel der Uni Hohenheim. Unsere Bundesumweltministerin Steffi Lemke von den Grünen redet wie folgt zu den Abgeordneten und dem deutschen Volk: „Aber ich will dazusagen, dass wir erstens mit vier Milliarden Euro für den natürlichen Klimaschutz eine so große Summe an Finanzmitteln für den Umwelt- und Naturschutz, für den natürlichen Klimaschutz zur Verfügung haben wie noch in keinem BMUV-Haushalt zuvor und wir zweitens im Windenergie-auf-See-Gesetz festgelegt haben, dass ein Anteil aus den Versteigerungen für Offshore-Windkraft dem Meeresnaturschutz zugutekommt, und dass das für dieses Jahr und für das nächste Jahr noch einmal eine Summe von round about 700, 800 Millionen Euro bedeuten wird.“
Was von diesem 81-Wörter-Satz könnten Sie noch einmal für uns alle zusammenfassen? Ich nichts. Machen Sie es besser. Angenommen, Sie wären Steffi Lemke. Sagen Sie es doch so:
„Erstens: Wir haben vier Milliarden Euro für den natürlichen Klimaschutz zur Verfügung. Vier Milliarden. So viel hatten wir dafür noch nie. In keinem Haushalt des Umweltministeriums davor. Zweitens: Ein Teil der Versteigerungen für die Windkraft draußen im Meer kommt dem Meeresnaturschutz zugute. Das haben wir im Windenergie-auf-See-Gesetz festgelegt. Das werden dieses und kommendes Jahr rund 700 bis 800 Millionen Euro sein. Das kommt auf besagte vier Milliarden Euro noch oben drauf. Macht fast fünf Milliarden Euro.“
Das sind nur 76 Worte. Jetzt in neun Sätzen, nicht mehr in einem. Ich unterstelle: Sie wissen jetzt, was los ist.
Trauen Sie sich: Formulieren Sie in Drei- bis Acht-Wort-Sätzen. So wie es etwa der Vorstandschef der Deutschen Telekom Tim Höttges tut. Der führt ein kompliziertes Geschäft auf der halben Welt. Und kommt mit Sätzen aus wie: „Wir verbinden Menschen. 300 Millionen Kundinnen und Kunden. Dafür steht unser T. (…) Wir bleiben uns treu. Zugleich erfinden wir uns immer wieder neu.“
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„Wir verbinden Menschen.“ Subjekt, Prädikat, Objekt. Da kann man folgen. Scheuen Sie deshalb auch nicht davor zurück, Sätze zu schaffen, bei denen sich Ihr alter Deutschlehrer die Haare gerauft hätte. Nämlich grammatikalisch unvollständige Sätze. Wie etwa den Satz: „Nämlich grammatikalisch unvollständige Sätze.“ Ja, wo ist denn da das Verb? Was sollen wir denn von einem Satz ohne Prädikat halten? Antwort: Sehr viel. Weil wir so reden. Weil wir es so gut verstehen!
Wie Introvertierte knifflige Situationen meistern
„Warum sollten wir Sie einstellen?“ Diese Frage macht alle Introvertierten nervös. Wem Eigenwerbung zuwider ist, der sollte schnell auf die Sachebene zurückkehren.
Die beste Antwort lautet deshalb: „Ich kann Ihre Probleme lösen.“ Dieser Satz ermöglicht es dem Bewerber, die Herausforderungen zu erläutern und seine Lösungen zu präsentieren, ohne „Ich bin sehr toll“-Floskeln. Damit zeigt er Expertise und eine strukturierte Herangehensweise. Eine ausgiebige Vorbereitung ist besonders wichtig, weil Introvertierte ihre Argumentation vor allem auf Fakten stützen – und sich durch überraschende Fragen verunsichern lassen.
Während Extrovertierte Meister des Small Talks sind und auf Veranstaltungen leicht neue Menschen kennenlernen, müssen Introvertierte andere Strategien entwickeln. Aber das muss kein Nachteil sein. Kontakte, die im ausführlichen Dialog entstehen, sind meist wertvoller als reihenweise Small-Talk-Bekanntschaften.
Tipp: Verabreden Sie schon vor solchen Terminen Gespräche via E-Mail. Zurückhaltenden fällt es leichter, schriftlich Interesse zu bekunden, als spontan auf jemanden zuzugehen. Lassen Sie sich außerdem von gemeinsamen Bekannten vorstellen, das reduziert die Hemmschwelle.
Schlagfertigkeit und spontane Einfälle zählen nicht zu den Stärken introvertierter Menschen. Deshalb ist es für sie besonders wichtig, sich vom Gesprächspartner nicht überrumpeln zu lassen. Macht dieser zum Beispiel einen konkreten Vorschlag, sollten zurückhaltende Menschen versuchen, Zeit zum Nachdenken zu gewinnen.
Das gelingt am besten, indem sie einige sachliche Nachfragen stellen. Dadurch nehmen Introvertierte nicht nur das Tempo aus dem Gespräch. Gleichzeitig strahlen sie Souveränität aus, weil sie sich von ihrem Gegenüber nicht treiben lassen. Frei nach dem Motto: Wer fragt, der führt.
Introvertierte Menschen bereiten sich auf Sitzungen meist gut vor – und kommen währenddessen häufig trotzdem nicht zu Wort. Je größer die Runde, desto unsichtbarer werden Zurückhaltende.
Zwei Methoden können helfen: Zum einen sollte sich der Introvertierte vorab überlegen, welche Aspekte ihm am wichtigsten sind, und sich fest vornehmen, dazu etwas zu sagen. Zum anderen kann er schon vor dem Treffen Allianzen schmieden. Wer könnte an der Idee interessiert sein? Wer kann die Argumentation stützen? Besonders hilfreich ist es, aus dem Kollegenkreis einen guten Verkäufer zu identifizieren – und ihn vorher auf die eigene Seite ziehen.
C. Gönnen Sie dem Publikum einen reißfesten roten Faden
Weder sollten Sie vorab komplett verraten, worauf es hinausläuft, noch müssen Sie ständig irgendwie kennzeichnen, an welcher Stelle Ihres Vortrags Sie gerade stehen: „Und jetzt Punkt 3 b IV“ bringt oftmals gar nichts. Sofern nicht relevant ist, wie viele Punkte es am Ende werden, merkt sich das eh niemand. Weil es egal ist.
Reden Sie so, dass Ihre Adressaten die ganze Zeit eine Neugier im Kopf und im Bauch verspüren, wie wohl die nächste Information lauten wird. Dazu gehört zum einen, dass Sie Fragen beim Publikum erzeugen, die Sie nicht sofort beantworten (wenn alle sich aufdrängenden Fragen geklärt sind, wird es langweilig), zum anderen sollte die Struktur Ihres Vortrags so intuitiv von Fragen zu Antworten führen, dass das Interesse an den Antworten durchgängig erhalten bleibt. Wird es wirr, vergisst Ihr Publikum, worauf es sich gefreut hat.
Ein reißfester roter Faden wird nicht entlang von Gliederungen gespannt, sondern entlang des Publikumsinteresses. Dann bildet er einen tollen Spannungsbogen. Ein spannender Film braucht auch keine Einteilung in durchnummerierte Kapitel, um uns von Minute eins bis zum Abspann gedanklich am Ball zu halten. Er braucht die perfekte Mischung aus neuen Fragen und wohl dosieren Antworten in den Köpfen von uns, dem Publikum.
D. Verzichten Sie auf Vollständigkeit um der Vollständigkeit willen
Um die Spannung zu halten, verzichten Sie im Zweifel auf Vollständigkeit, die nur Ihnen wichtig ist. Wenn Sie zehn Projekte umgesetzt haben, von denen das Publikum aber ganz offensichtlich nur acht spannend findet, dann lassen Sie die zwei im Zweifel weg. Etwa gegenüber technikbegeisterten Autofans, die wild sind auf die acht neuen Modelle, denen die zwei reinen Umstrukturierungsprojekte im Personalbereich jedoch einerlei sind. Auch wenn besagte zwei Sie am meisten Mühe gekostet haben.
Reden Sie in kurzen Sätzen, mit bodenständigen Formulierungen, am roten Faden entlang mit Mut zur Unvollständigkeit. Dann kann der Bundeskanzler rhetorisch eine Menge von Ihnen lernen.
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