Vermögensverwalter-Ranking „Jetzt entstehen Kaufgelegenheiten“

Die Kursverluste an den Börsen wie der New York Stock Exchange nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine könnten Investoren Kaufgelegenheiten bescheren. Quelle: imago images

Berenberg Chefstratege Bernd Meyer über die Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine auf die Anlagestrategie, Konjunktur, Zinsen und warum Lateinamerika ein Hoffnungsträger wird. Meyer erzielte den ersten Platz im Vermögensverwalter-Ranking der WirtschaftsWoche.

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Bernd Meyer ist seit 2017 Chef-Stratege bei Berenberg Wealth and Asset Management und verantwortlich für Multi-Asset-Strategien und die Vermögensverwaltung. 2022 erreicht Berenberg unter anderem mit dem von ihm gelenkten Fonds Berenberg Variato (ISIN LU1878856043) den ersten Platz im Vermögensverwalter-Ranking der WirtschaftsWoche in der Kategorie Ausgewogen (Depots mit maximal 65 Prozent Aktienanteil).

Am Donnerstag ist Russland in der Ukraine einmarschiert, für viele überraschend. Was haben Sie zu der Zeit gemacht?
Ich habe mir sehr früh ein Bild über die Lage gemacht. Menschlich ist das eine Tragödie, was jetzt passiert. Nach unserem internen „Morningbriefing“ für unsere Kundenberater hatte ich dann viele Kundengespräche, die allerdings teilweise auch schon lange vorher verabredet waren. Dabei ging es natürlich sehr stark um Russland und die Ukraine, die Anleger sind verunsichert und beunruhigt, aber nicht in Panik.

Konnten Sie sie beruhigen oder verkaufen Anleger die Fondsanteile?
Nein, es gibt keine großen Mittelabflüsse. Wir hatten schon vor Wochen besondere Sicherungsinstrumente in unser Portfolio eingesetzt, die genau für den Fall eines tiefen Kursrutsches gemacht sind. Durch sie, durch breite Rohstoffinvestitionen, nicht nur Gold, die wir schon 2021 gekauft haben, oder beispielsweise Anleihen aus China haben wir heute die Verluste abfedern können. Aber auf längere Sicht waren geopolitische Krisen und Kriege immer nur relativ kurze Belastungssituationen für die Börse. Im Vorfeld waren die Kursverluste häufig schlimmer als kurz nach einer Eskalation. Wir sind optimistisch, dass es sich beruhigt – hoffentlich nicht nur an der Börse, sondern auch in der Ukraine selbst.

Lesen Sie auch: Wie tief geht es an der Börse noch?

Es gab ja schon im November Warnungen westlicher Regierungen vor den Risiken eines russischen Angriffs auf die Ukraine. Haben Sie das damals schon ernst genommen?
Wir konnten das nicht so richtig glauben, unser Basisszenario war, dass es nicht zu einem offenen Krieg kommt, sondern Putin mit dem Säbel rasselt, um auf dem internationalen Parkett wahrgenommen zu werden. Und das war wirtschaftlich auch gut für ihn, weil die Rohstoffpreise gestiegen sind und er davon profitiert hatte.

Welche Folgen hat die jetzige Eskalation vor allem für die Konjunktur?
Für den Euroraum ist Russland als Handelspartner doch relativ unbedeutend, nur drei Prozent der Exporte gehen dorthin, nach Polen etwa sind es sieben Prozent. Die Belastung für die Verbraucher und Unternehmen entsteht eher durch die hohen Energiepreise und fallende Aktienkurse die vielleicht den Konsum und das Investitionsverhalten belasten. Wir erwarten, dass der konjunkturelle Schwung, den es durch ein Ende der Omikron-Welle geben sollte, etwas schwächer und um zwei bis drei Monate verzögert wird. Allerdings gilt das nur, wenn Russland nicht noch ein Nato-Mitglied angreifen sollte – man kann momentan nichts so richtig ausschließen. Jedoch haben dies selbst die Sowjets nie getan.

Die Gefahr einer weltweiten Stagflation, also Stagnation mit Inflation durch hohe Energiepreise erwarten Sie nicht?
Nein, die Konjunktur ist unseres Erachtens nach robust genug die Belastungen zu verkraften. Stagflation bleibt jedoch ein Risikoszenario.

Die Sanktionen sind keine Gefahr?
Rohstoffe können sich weiter verteuern, aber die Staaten halten dagegen und versuchen fiskalisch die Belastung durch Entlastungen für die Bürger abzufedern.

Bernd Meyer, Chef-Stratege bei Berenberg Wealth and Asset Management Quelle: PR

Wo finden Sie noch interessante Investments?
Lateinamerika, China und Rohstoffe etwa. In China beschleunigt sich das Kreditwachstum wieder, der sogenannte Kreditimpuls steigt, und das ist ein guter Indikator für eine Konjunkturaufhellung. Lateinamerika dürfte von Russland-Sanktionen profitieren, weil sie viele Rohstoffe liefern können und die Preise steigen.

Ist jetzt die Zeit in Rüstungsaktien wie Lockheed Martin, Hensoldt oder Rheinmetall zu investieren?
Sie mögen aufgrund der aktuellen Entwicklungen attraktiv erscheinen, aber erfüllen unsere grundsätzlichen Nachhaltigkeitsanforderungen in der Regel nicht.

Sind Russlandaktien oder -anleihen als Investment trotz der Sanktionen interessant?
Da gibt es jetzt natürlich erst einmal die Investitionsbeschränkungen. Anders mag es teilweise bei bereits emittierten Anleihen aussehen. Allerdings ist die Frage, ob die Emittenten von Anleihen noch zahlungskräftig oder -willig sind, wenn es Sanktionen gibt. Wir lassen klar die Finger davon.

Sind Zinserhöhungen durch die Europäische Zentralbank jetzt erst einmal vom Tisch trotz der hohen Rohstoffpreise oder gerade deswegen?
Es waren ja vom Markt schon zwei Zinsschritte erwartet worden, aber damit haben wir nicht gerechnet, höchstens mit einem Zinsschritt von 0,25 Prozentpunkten im Dezember. Den halte ich noch immer für möglich, weil die Konjunktur ja nicht so stark leiden sollte.

Das alles wird auch Folgen haben für das Russlandgeschäft deutscher Unternehmen?
Ja, aber das ist nicht wirklich groß. Nur 1,9 Prozent der deutschen Warenexporte gehen nach Russland. Deshalb halten sich die Auswirkungen im Rahmen. Deutsche Aktien sind interessant, sie sind im Vergleich zu den USA günstig bewertet.

Ukrainekrieg, Inflation, Zinsangst: Wie die Sieger des exklusiven Vermögensverwalter-Rankings in turbulenten Märkten Rendite liefern.
von Heike Schwerdtfeger, Hauke Reimer

Ein neuer Kalter Krieg würde die Wirtschaft lähmen.
Letztlich verändert sich nicht so viel. Die Deglobalisierung, wofür ein Kalter Krieg ja auch steht, hat ja schon lange vor Trump angefangen. Trump und die Coronakrise haben die Prozess beschleunigt. Zudem haben viele Unternehmen ihre Produktion aus Schwellenländern wie China zurückgeholt oder verlagert, weil dort die Löhne gestiegen sind. Der globale Handel ist seit 2010 weniger gestiegen als die Weltwirtschaftsleistung. Die Ukraine-Krise ist da jetzt der nächste Treiber dieser Entwicklung.

Russlands Währungsreserven galten sehr lange als hoch, das Land ist kaum verschuldet.
Ja, sie haben jahrelang hohe Reserven durch Rohstoffexporte angehäuft und können Sanktionen zumindest eine Weile gut aushalten. Allerdings ist abgesehen von den Rohstoffen die Wirtschaft nicht stark.

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Was glauben Sie, wann kann sich die Situation an den Börsen beruhigen?
Die Stimmung an der Börse ist schon sehr schlecht, Pessimismus überwiegt. Wann nun der Zeitpunkt ist, um mehr Risiko aufzubauen in Depots, diskutieren wir natürlich kontinuierlich. Bei einem längeren Anlagehorizont dürften jetzt aber durchaus Kaufgelegenheiten entstehen.

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