Abstimmungsniederlage Ein demütigender Autoritätsverlust für May

Theresa May Quelle: AP

Das britische Parlament hat gegen den Brexit-Kurs der Regierung in London gestimmt und Premierministerin Theresa May damit bloßgestellt. Doch die gibt sich unbeirrt.

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Als die Abgeordneten im Unterhaus des Parlaments in London Theresa May ihre nächste schwere Niederlage einbrockten, war sie nicht einmal mehr da. Die britische Premierministerin war nach der Abstimmung über ihren Brexit-Kurs am Donnerstag nicht ins Unterhaus zurückgekehrt, um das Ergebnis abzuwarten. Und so sah die Regierungsbank seltsam leer aus, als bekanntgegeben wurde, dass sich nur 258 Abgeordnete hinter Mays Brexit-Strategie gestellt haben, 303 stimmen dagegen.

Unmittelbare politische Konsequenzen wird das für May nicht haben – die Abstimmung hatte einen vorwiegend symbolischen Charakter. Dennoch könnte sie folgenschwer sein. Denn May wollte einen Sieg bei der Abstimmung dazu nutzen, um der EU zu demonstrieren, dass das Parlament weiter hinter ihrer Forderung nach Änderungen an dem Brexit-Abkommen stehe, das sie vor wenigen Wochen aus Brüssel mit nach Hause gebracht hat.

Jetzt dürfte Brüssel noch weniger daran interessiert sein, auf May zuzugehen. Denn was nützen Verhandlungen mit einer Regierungschefin, die nicht in der Lage ist, das Ergebnis ihrer Verhandlungen zu Hause durchs Parlament zu bekommen.

Die britische Regierungschefin wollte mehr Zeit für die Nachverhandlungen am Brexit-Deal. Gestoppt wird sie zunächst nicht, doch ihre Glaubwürdigkeit schwindet weiter. Am 27. Februar dürfte es zum großen Showdown kommen.

Die blamable Schlappe verdankt May vor allem den Mitgliedern und Unterstützern der „European Research Group“ (ERG), einer extrem euroskeptischen Gruppe innerhalb der konservativen Fraktion. Deren Zahl schwankt und liegt meist bei 50 bis 80 Abgeordneten. Führende Mitglieder dieser Gruppe haben schon im Lauf der Woche durchblicken lassen, dass sie nicht für Mays Antrag stimmen. Denn dieser enthielt einen Verweis auf die Entscheidungen, die das Unterhaus bei einer ähnlichen Abstimmung vor zwei Wochen getroffen hat. Und da stimmte eine Mehrheit der Abgeordneten unter anderem dafür, dass ein No-Deal-Brexit vermieden werden solle. Also ein Brexit, bei dem das Land die EU ohne ein Abkommen verlässt.
Die Brexit-Hardliner bei den Tories lehnen das ab. Einige von ihnen argumentieren, dass London einen möglichen No-Deal-Brexit als Drohkulisse aufrechterhalten müsse, um von Brüssel Zugeständnisse zu erhalten. Und andere streben einen solchen Brexit gar an. Daher enthielten sich bei der Abstimmung am Donnerstag 67 konservative Abgeordnete – und machten so den Weg frei für die Niederlage der Regierung. Fünf Tories gingen noch einen Schritt weiter und stimmten gegen die Regierung.

Mit dieser Niederlage büßt May nicht nur noch mehr von ihrer ohnehin schwer angeschlagenen Autorität ein. Auch ihre Herangehensweise, bei der sie ohne Rücksicht auf Rückschläge an ihrem Brexit-Kurs festhält, erscheint immer auswegloser. Denn May dreht sich im Kreis: Die Abgeordneten haben bereits Mitte Januar in einer entscheidenden Abstimmung mit einer historischen Mehrheit gegen Mays Brexit-Deal gestimmt. Die Regierungschefin gab sich unbeirrt: Wenige Tage später kündigte sie an, sie werde weiter mit der EU über Änderungen am Brexit-Abkommen verhandeln – ganz so, als wäre nichts passiert. Dabei schließen führende EU-Politiker Neuverhandlungen des Scheidungsabkommens seit Monaten kategorisch aus.

May gab nicht auf und erklärte auch vor der Abstimmung über ihren Brexit-Kurs Ende Januar, sie werde sich weiter um Zugeständnisse aus Brüssel bemühen. EU-Verhandlungschef Michel Barnier sagte weiter „non“. Und auch in ihrer Rede diese Woche, die der Abstimmung am Donnerstag vorausging, gab sich May unbeirrt und pochte auf weitere Gespräche mit Brüssel.

Anzeichen dafür, dass Theresa May ihren Kurs jetzt ändern könnte, gibt es vorerst keine. Mays Amtssitz in der Downing Street gab in einer Erklärung am Donnerstagabend Labour die Schuld am Debakel. Labour-Chef Jeremy Corbyn setze „parteipolitische Überlegungen vor das nationale Interesse“, hieß es darin. Damit mache er ein „No Deal“-Szenario wahrscheinlicher. Und: Die Regierung werde sich weiter um Zugeständnisse von der EU bemühen.

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