Zuckergehalt in Limonaden Lemonaid nutzt Image als Zuckerrebell für neuen PR-Stunt

Lemonaid darf seine Getränke immer noch „Limonade“ nennen – muss allerdings die Abweichung im Zuckergehalt kenntlich machen. Quelle: PR

Der Streit zwischen dem Getränke-Hersteller und der Lebensmittelbuch-Kommission um den Zuckergehalt in Limonaden geht in eine neue Runde. Die Limo-Flaschen tragen nun einen Warnhinweis vor zu wenig Zucker.

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Die schwarz-weißen Aufkleber mit der Aufschrift „Achtung, wenig Zucker“ auf den bunten Lemonaid-Flaschen erinnern stark an die Warnhinweise auf Zigaretten-Schachteln – oder gar an Todesanzeigen in der Zeitung. Sie sind das Ergebnis einer weiteren Eskalationsstufe im Streit um den Zuckergehalt in Limonaden zwischen dem Getränkehersteller Lemonaid und der Lebensmittelbuch-Kommission.

Zuletzt hatte es eigentlich so ausgesehen, dass der Limonadenhersteller aufatmen könnte, denn die Mindestzuckergrenze für Limonaden wurde Anfang Februar gekippt. Damals hatte der Fachausschuss der deutschen Lebensmittelbuch-Kommission (DLMBK) in einer Tagung „einstimmig beschlossen, den Mindestzuckergehalt von Limonaden zu streichen und statt dessen einen üblichen Gesamtzuckergehalt von sieben Gramm pro 100 Milliliter oder mehr zu beschreiben“, so das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) damals. Lemonaid war im Vorfeld von den Verbraucherschutzbehörden der Städte Hamburg und Bonn abgemahnt worden, dass ihre Getränke zu wenig Zucker beinhalteten, um sich Limonade nennen zu dürfen.

Grundsätzlich bedeutet das, dass Lemonaid seine Getränke immer noch „Limonade“ nennen darf – allerdings muss das Unternehmen die Abweichung kenntlich machen, so nun der Vorschlag der Deutschen Lebensmittel-Kommission. Und das missfällt offenbar.

Lemonaid-Gründer Paul Bethke lässt in einer Pressemitteilung verlauten: „Dass wir einen Warnhinweis anbringen müssen, weil unsere Limonaden „zu gesund“ sind, widerspricht jeder Intuition. Es sollten doch die Hersteller, die überzuckerte Getränke vermarkten, abgestraft werden. Nicht umgekehrt. Für uns würde es bedeuten, dass wir Millionen neue Flaschen anschaffen müssten – und das in der Corona-Krise.“ Denn die Flaschen von Lemonaid tragen kein Etikett, sondern die Angaben sind direkt auf die Mehrwegflasche gedruckt.

Mit einer neuen Aktion versucht Lemonaid dagegen Widerstand zu leisten – und wahrscheinlich PR-technisch für neues Aufsehen zu sorgen. So hatte das Unternehmen bereits vor dem Landwirtschaftsministerium eine „Zuckerpuppe“ mit dem Antlitz von Ministerin Julia Klöckner in Berlin aufgestellt. Nun also Warnschilder, die an diejenigen auf Zigaretten-Packungen erinnern und eine abstoßende Wirkung entfalten sollen. Zuletzt hatte auch Ritter Sport versucht, die Werbetrommel für seine neue Schokolade zu rühren, indem der Schokoladenhersteller die Gesetzeslage strenger auslegte als deutsche Behörden. Ritter Sport hatte verlauten lassen, dass ihre neue Schokolade mit Zucker aus Kakaosaft sich nicht als solche bezeichnen dürfte. Das stellte sich später allerdings als Fake News heraus.

Gleichzeitig wendet sich Lemonaid offensichtlich auch schriftlich an die Deutsche Lebensmittelbuch-Kommission, wie aus der Pressemitteilung hervorgeht. In diesem Schreiben legen sie noch einmal ihre Argumente vor. Demnach wurde der Warnhinweis die Verbraucher und Verbraucherinnen verwirren, den Erwartungen dieser widersprechen und „im eklatanten Gegensatz zum gesellschaftlich gewünschten Ziel der Zuckerreduktion in Lebensmitteln stehen“.

Ernährungs- und Landwirtschaftsministerin Klöckner setzt sich eigentlich für eine Zuckerreduzierungsstrategie ein und hatte in dieser Hinsicht zuletzt bei der Behörde auch Druck gemacht. Dabei kann sie keinen direkten Einfluss auf Definitionen und Bezeichnungen von Lebensmitteln nehmen. Dieses Mandat liegt bei der Lebensmittelbuch-Kommission. Ob sich das Ministerium nun wieder einschalten wird, bleibt abzuwarten.

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