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Launige Lyrik Late Night mit Monika Rinck im Pumpenhaus

Welches ist das privateste Körperteil?

Münster

Nur einen Tag nachdem sie in Berlin mit dem Kleist-Preis ausgezeichnet worden ist, trat die Lyrikerin Monika Rinck (seit dem Wintersemester Poetikdozentin am Germanistischen Institut der Universität) in einer zweistündigen „Lyrik Late Night“ im Pumpenhaus auf.

Isabell Steinböck

Herzlich lachende Lyriker sind nicht oft anzutreffen: Monika Rinck in der Lyrik Late Night im Pumpenhaus.
Herzlich lachende Lyriker sind nicht oft anzutreffen: Monika Rinck in der Lyrik Late Night im Pumpenhaus. Foto: is

„Wo die Prophylaxe versagt, entspringt der Quell der Häme.“ Monika Rinck spricht über Helme als Schutzmechanismen. Seelenhelm, Talisman, Symbole oder die „Bereitschaft, sich nicht in andere hineinzuversetzen,“ werden in ihrer Streitschrift „Risiko und Idiotie“ zur „Ideologie von Schutz und Schutzlosigkeit“. Welches ist das privateste Körperteil? Das Gesicht oder das Geschlecht? Fragt die Dichterin augenzwinkernd. Das Gesicht – zumindest werde es leichter erkannt . . .

Die Dichterin nimmt durch ihre humorvoll-assoziativen Wortspiele für sich ein. Sie schlägt den Bogen von Borderline zu Border Collie und arbeitet sich gedanklich weiter über die Sauce Béarnaise bis hin zu Steak Frites. Oder sie macht eine hässliche Pflanze zur Erlösergestalt, die auch nicht wirklich helfen kann: „Riesen sind wir, deutungslos, auf der Suche nach dem besten Hermeneutiker der Welt.“ Hysterische Riesen, die sich gegenseitig die Köpfe aussaugten – „Echt? Meiner kommt mir irgendwie viel leerer vor.“

Überraschend unprätentiös und sympathisch lebensnah wirkt die in Berlin lebende Künstlerin in ihrer Lesung, eine Sprachakrobatin, die Philosophen und Schriftsteller zitiert oder Ausflüge in die Mythologie macht, um das Kulturgut auf eigenwillige Weise in ihre Texte einzubinden. Da wird die Welt schon mal auf den Kopf gestellt, bis einem schwindelig wird: „Inzwischen wissen wir allerdings, dass weder das Weib noch der Mann / einen Penis besitzen. Kalifornischen Wissenschaftlern sei Dank.“

Auch Rincks Gedichte oszillieren zwischen bodenständigem, existenziellem Realismus und Poesie eines „magisch flattrigen Denkens“. Da erscheint das Leid als Teich, „weil das Leid von Fischen durchschossen / in einer Mulde liegt und faulig riecht“. Das Gelingen eines Soufflés scheitert am „voranalytischen Herumliegenlassen“ der Zutaten; ein menschlicher Körper wird zum „Protokoll des Lebens“. „Kommt jetzt der Götterbote Herpes? – Nein, jetzt nicht, aber bald.“