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Von Teggel- und Fastabenden

Wenn sich die Nachbarn piesacken

Tecklenburg

Käbbelt und piesackt man sich an den Teggelabenden. Früher war das so. Heute sind sie eher harmonische Veranstaltungen der Nachbarschaften.

Dr. Christof Spannhoff

Die damalige Bauersprache wird im ersten Band des „Alphabetischen Handbuchs der besondern Rechte und Gewohnheiten des Hochstifts Osnabrück“ von Johann Aegidius Klöntrup aus dem Jahr 1800 genau beschrieben.
Die damalige Bauersprache wird im ersten Band des „Alphabetischen Handbuchs der besondern Rechte und Gewohnheiten des Hochstifts Osnabrück“ von Johann Aegidius Klöntrup aus dem Jahr 1800 genau beschrieben. Foto: Dr. Christof Spannhoff

Die Karnevalszeit ist im Tecklenburger Land die Zeit des sogenannten Teggelns oder Täggelns. Dabei handelt es sich um die Zusammenkunft eines „Fastabends“ – einer Nachbarschaft.

Beim Teggeln, manchmal auch Täbbeln oder Täwweln, werden Streitfälle und Meinungsverschiedenheiten des vergangenen Jahres ausdiskutiert sowie die familiären und persönlichen Ereignisse aufgezeichnet: Geburten, Hochzeiten, runde Geburtstage. Für die fröhlichen Begebenheiten muss eine Gebühr bezahlt werden. Ebenfalls werden Versäumnisse der Nachbarschaftspflichten geahndet und bauliche Veränderungen an Haus und Garten sind vielfach mit einem Obolus verknüpft. Das alles ist zumeist in einer Satzung festgeschrieben. Mit den Beiträgen wird dann der festliche Teil des Teggelns, das Fastnachtsfest, finanziert.

Dr. Christof Spannhoff

Doch warum heißen die Nachbarschaften Fastnacht und woher kommt eigentlich der Begriff „Teggeln“?

Das Teggeln der Fastabende erinnert an die ältere sogenannte Bauersprache oder Bursprauke, in der die Mitglieder einer Bauerschaft (zu bûr ‚Einwohner, Bewohner, Nachbar‘ beziehungsweise bû(w)an ‚wohnen‘, also eigentlich auch Nachbarschaft) sich trafen, um über alltägliche Angelegenheiten und landwirtschaftliche Nutzungen des bevorstehenden Jahres zu beraten sowie die Rechnung zu legen. Da diese Zusammenkünfte vor Beginn der Arbeiten zur Feldbestellung im Frühjahr abgehalten werden mussten, wurden sie auf den Fastnachtsabend gelegt und mit einer Feierlichkeit verbunden. Daraus entwickelte sich dann in der jüngeren Vergangenheit eine neue Bedeutung des Wortes Fastnacht/Fastabend/Fastelabend.

Die Bezeichnung für den Tag vor Aschermittwoch ging auf die Gemeinschaft über, die sich an diesem Datum zusammenfand. Diese Entwicklung lässt sich bereits für den Beginn des 19. Jahrhunderts nachweisen. 1855 heißt es dann in einem Protokollbuch aus Hörstel: „In unserer Fastnacht und Nachbarschaft im Dorfe haben wir folgende Bestimmung getroffen“. Das zeigt, dass Fastnacht oder Fastabend mit der Nachbarschaft gleichzusetzen ist. Als ein Termin für das Zahlen von Abgaben ist der Fastabend freilich im ländlichen Kalender schon älter, wie etwa die Abgabe von Geld für „Vastelavendes Rinder“ in der Grafschaft Tecklenburg im Jahr 1511 beweist.

Doch woher stammt der merkwürdig anmutende Begriff des Teggelns? Man hat vermutet, dass das Wort mit dem ländlichen Gerichts- und Versammlungsplatz, dem sogenannten Tie oder Tigge zusammenhängt und somit zum Tätigkeitswort tîhen ‚zeihen, anklagen, beschuldigen‘ gehört. Das Gegenteil „verzeihen“ kennen wir bis heute. Allerdings ist diese Herleitung aus lautlichen Gründen abzulehnen, weil ein langes i wie in tîhen im Niederdeutschen nicht zu einem e wie in teggeln wird. Zudem hießen die Versammlungsorte, in denen man teggelt, nicht überall Tie. Teggeln wird vielmehr mit ‚zanken, streiten‘ übersetzt. Noch im Mittelniederdeutschen (zwischen 1250 und 1650) findet man das Tätigkeitswort tacken ‚berühren, anrühren, betasten, zwacken, zwicken, mit Worten reizen‘, das genau dem Wortinhalt von teggeln entspricht. Dazu stellt sich das Hauptwort tagge ‚Streit‘ und das niederländische taggen ‚picken, plagen‘. Das Wortfeld gehört ursprünglich zu mittelniederdeutsch tacke(n) ‚Zacke(n), Dornenspitze, Stachel, Stachelspitze, spitzer Ast, Zweig, scharfe Kante, Spitze, Zinken‘. Mit diesen spitzen Gegenständen konnte man sein Gegenüber piesacken und ärgern. Von der körperlichen Plagerei wurde der Begriff dann zudem auf einen Angriff mit Worten übertragen. Teggeln meint also ursprünglich das Zwicken oder Stechen mit Taten, aber auch mit Worten. Heute geht es auf den Teggelabenden friedlicher zu.