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Der Kommissar darf nicht essen

„Maigret“: Melancholischer Krimi mit grandiosem Depardieu

Simenons Kommissar Maigret klärt im Paris von 1950 den Mord an einer jungen Frau auf, der ihn in die eigene Vergangenheit führt. Träge inszenierter, melancholischer Kriminalfall, der durch die zeitlose Ausstattung und durch einen grandiosen Gérard Depardieu als weltmüder Kommissar punktet.

Von Hans Gerhold

Kommissar Maigret (Gérard Depardieu) überprüft Fotos.
Kommissar Maigret (Gérard Depardieu) überprüft Fotos. Foto: Pascal Chantier/Plaion Pictures/

Kaum glaublich, dass Georges Simenons Kommissar mit Pfeife und Hauspantoffeln nicht längst von Galliens Ein-Mann-Welle Gérard Depardieu verkörpert wurde. Der ist 72 und bringt als Maigret die altersweise Melancholie ein, die man nur von Jean Gabin kannte. Dessen Wutausbrüche wagten selbst Maigret-Mimen wie Bruno Cremer oder jüngst Rowan Atkinson nicht.

Der Grund liegt in Maigrets Verständnis für jeden der Täter, Opfer und Zeugen, denen er bei einsamen Ermittlungen begegnet. Diesmal geht er, frei nach der Vorlage „Maigret und die junge Tote“, dem Mord an einer im blutbefleckten Abendkleid aufgefundenen Toten (Clara Anroons) nach, die sich als arme Kirchenmaus die Edelrobe für einen Empfang in vornehmer Gesellschaft ausgeliehen hatte. Dabei wird Maigret schmerzhaft in die eigene Vergangenheit geführt.

Depardieu zeigt nach einer Reihe beliebiger Filme, dass er es noch drauf hat. Kleinste mimische Veränderungen kündigen davon, dass der weltmüde Maigret die Last der Schicksale trägt und mit einem Gewicht gesegnet ist, das es ihm schwer macht, in den sechsten Stock zu steigen. Der Gesundheit wegen lässt er das Essen liegen, es gibt weder Brot noch Bier.

Für Depardieu- und Maigret-Fans ein Muss

Ist Depardieu grandios, so ist der Fall eher spannungslos, ohne die psychologischen Verhängnisse, die Maigret normalerweise aufdeckt. Die Inszenierung von Patrice Leconte fließt eher träge dahin, dafür ist die Ausstattung in einem Paris von 1950 zeitlos und kündet von Maigrets verdunkelter Psyche. Für Depardieu- und Maigret-Freunde natürlich ein Muss.