Weinheim

Flüchtlinge menschenwürdig in Schulen unterbringen?

Die von der Weinheimer Stadtverwaltung geplante Reaktivierung der ehemaligen Schulen, Albert-Schweitzer-Schule und Johann-Sebastian-Bach-Schule, um Wohnraum für Flüchtlinge zu schaffen, bereitet dem Arbeitskreis Asyl Bauchschmerzen.

Besonders umstritten ist die Unterbringung von Flüchtlingen im Nordflügel der Albert-Schweitzer-Schule. Foto: Fritz Kopetzky
Besonders umstritten ist die Unterbringung von Flüchtlingen im Nordflügel der Albert-Schweitzer-Schule.

Die Menschenwürde steht im Vordergrund – nicht nur für die Weinheimer Stadträte, die sich am Mittwoch in ihrer Sitzung mit dem Thema der Anschlussunterbringung von Flüchtlingen auseinandersetzen müssen, sondern auch für die ehrenamtlichen Helfer des Arbeitskreises Asyl. Sie schauen mit Bauchschmerzen auf die geplante Unterbringung von Schutzsuchenden in den Gebäuden der ehemaligen Johann-Sebastian-Bach-Schule, vor allem aber in der Albert-Schweitzer-Schule – beide im Westen Weinheims.

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Die Menschen kommen mit vielen Verletzungen hierher – körperliche und seelische, Elfi Rentrop vom Arbeitskreis Asyl

Bei einer gemeinsamen Begehung mit der Stadtverwaltung und Fraktionsmitgliedern in der zurückliegenden Woche wurde deutlich: Gerade in der ehemaligen Albert-Schweitzer-Schule, in deren Nordflügel bis zu 94 Menschen unterkommen sollen, ist noch viel zu tun. Nach Stilllegung der Schule wurde die Heizungsanlage samt Pumpen, Heizungssteuerungen und Brenner komplett zurückgebaut. Auch die Duschräume müssen wieder aktiviert werden.

Zu acht im Klassenzimmer

Die Klassenzimmer sollen durch Wandschirme in einzelne Parzellen unterteilt werden. Dann würden sechs bis acht Personen in einem Zimmer leben. „Von Privatsphäre keine Spur“, kritisiert Gert Kautt vom Arbeitskreis Asyl. Zusammen mit Elfi Rentrop gibt er zu bedenken, dass es sich bei den Flüchtlingen um stark traumatisierte Menschen handelt, die zur Ruhe kommen sollen. Rentrop: „Sie kommen mit vielen Verletzungen hierher – körperliche und seelische.“

Deshalb wünscht sich der Arbeitskreis Asyl ein Gesamtkonzept, das nicht nur die notwendigsten Renovierungen umfasst, sondern auch Raumteiler aus Rigipswänden, Abtrennungen in Duschräumen, die Schaffung von Sozial- und Betreuungsräumen und WLAN für die Bewohner. Auch ein Betreuungskonzept für Kinder und Erwachsene sei dringend vonnöten. Wünsche, die zusätzliches Geld kosten. „Das ist uns bewusst“, sagt Elfi Rentrop, „aber solche Dinge sind wichtig, damit die Menschen, die ja zur Integration verpflichtet sind, das auch tun können.“

Schlange vor dem Kaninchen

Den beiden engagierten Mitgliedern des Arbeitskreises Asyl ist klar, dass sich die Kommune in einer Zwangslage befindet, dass jetzt Notlösungen gefunden werden müssen angesichts der voraussichtlichen Zuweisung in diesem Jahr von fast 350 Menschen. „Das wäre aber nicht nötig gewesen, wenn man früher gehandelt hätte“, ist Gert Kautt der Ansicht. Und Elfi Rentrop vergleicht die Stadtverwaltung gar mit der Schlange vor einem Kaninchen. „Man hätte schon längst ein Wohnraumprogramm aufstellen müssen, für alle bedürftigen Menschen und nicht nur für Flüchtlinge. Sonst ist Sozialneid vorprogrammiert“, sagt sie.

Man muss bei privatem Wohnraum ansetzen, Gert Kautt vom AK Asyl

Nichtsdestotrotz sind die Ehrenamtlichen auch in Zukunft gewillt, sich der sozialen und moralischen Aufgabe zu stellen. Kautt: „Es geht darum, nicht erst zu schauen, wie es klappt, wenn alles fertig ist, sondern sich im Vorfeld Gedanken zu machen.“ Zusammen mit seinen Mitstreitern plädiert er ebenso für eine Standortfindungskommission zur Prüfung potenziell geeigneter Grundstücke für den Neubau weiterer Gebäude zur Anschlussunterbringung, als auch für ein „Kümmerer-Modell“, das bereits in den Ausschüssen diskutiert wurde. Von zwei Vollzeitkräften, die von der Stadtverwaltung einzustellen wären, könnten Kontakte zwischen Mietern und Vermietern geknüpft werden. Ziel ist die Anmietung von Wohnungen auf dem freien Wohnungsmarkt. Doch der ist ohnehin schon angespannt.

„Trotzdem“, findet Kautt, „man muss bei privatem Wohnraum ansetzen und notfalls ganze Wohnhäuser kaufen“. Auch das „Raumteiler“-Projekt, mit dem viele andere Kommunen positive Erfahrungen gemacht haben, trifft den Nerv des Arbeitskreises Asyl.

Hintergrund ist, dass eine dezentrale Unterbringung von Flüchtlingen weniger häufig zu Konflikten führt. Der Erweiterung der Containeranlage in der Gorxheimer Talstraße um zehn Wohneinheiten (40 Menschen) steht der Arbeitskreis Asyl dennoch positiv gegenüber.

„Mehr sollten es aber nicht werden“, erklärt Kautt, „dann lieber nach einem weiteren Standort woanders suchen“.