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Landwirtin rettet Pferde

Ein Bauernhof für Pferde: Landwirtin gibt Tieren neues Heim

Seit Kindheitstagen sind Pferde Catharina Lichtmanneggers Leidenschaft, hier mit Taliska und Jola.
Kilian Pfeiffer
am Montag, 18.03.2024 - 16:00

Die innigste Liebe empfindet Landwirtin Catharina Lichtmannegger zu Pferden. Viele hat sie vor dem Tod oder dem Metzger bewahrt. Verwahrlost, verhungert, ausrangiert: Im Scheffauenland in Marktschellenberg werden die Tiere wieder hochgepäppelt.

Hinter der Idee ihres Hofes steht ein Ort, an dem es den Tieren gut geht. Das Wissen zum Wohle des Tieres einbringen, ist das ausgewiesene Ziel von Catharina Lichtmannegger im „Scheffauenland“. Benötigt ein Pferdebesitzer Hilfe oder ist mit der Versorgung eines kranken Tieres überfordert, soll er im „Scheffauenland” sein Tier „in liebenden Händen wissen” – bis es genesen ist und wieder nach Hause darf. Catharina Lichtmannegger hat neben ihrer Ausbildung diverse Zusatzqualifikationen, Cranio-Sacral-Therapie etwa. Sie ist viel mit dem Auto unterwegs für ihre tierischen Patienten, fährt von Dachau bis nach Osttirol. Als würde das nicht schon genug Zeit in Anspruch nehmen, erwartet sie die Hauptarbeit zu Hause vor der eigenen Tür.

Pony Pipilotta hat bei Catharina Lichtmannegger ein neues Zuhause gefunden.

„Ich sammle Tiere”, sagt Catharina Lichtmannegger scherzhaft und lacht dabei. Paula und Leika begrüßen am Hof, zwei von vier Hunden. Gerade eben kam eine riesige Lieferung Hundefutter. Am Hof wohnen fünf Katzen. Im Stall stehen ein paar portugiesische Gebirgsrinder und Zebus. Sechs bis acht Pferde – je nachdem. Einige davon suchen einen neuen Platz, weil Catharina Lichtmannegger diese gerettet hat – manchmal vor dem Tod, manchmal vor dem Verkauf an einen Metzger.

Landwirtin liebt Pferde seit ihrer Kindheit

Laika und Eros sind zwei der vier Hofhunde. Auch vor dem Wolf haben sie bereits gewarnt.

Catharina Lichtmannegger liebt Tiere seit Kindheitstagen. Die Liebe dazu wurde ihr in die Wiege gelegt, sagt sie. Das Faible der zweifachen Mutter ist so groß, dass sie hin und wieder schräg angeschaut wird. „Warum machst du das“, wird sie dann immer gefragt. Eine Antwort hat sie nicht: Es muss einfach sein. Die innigste Liebe hat sie zu Pferden entwickelt. Bereits mit sechs Jahren war sie mehr im Stall als daheim.

Mit ihrem Mann hat sie sich vor ein paar Jahren den Traum vom eigenen Hof erfüllt, eine Autominute entfernt zur Grenze nach Österreich. Zwischen Wiesen und Wäldern liegt der Hof eingebettet zwischen den Berchtesgadener Alpen im Marktschellenberger Ortsteil Scheffau. Gleich dahinter geht es den Berg hinunter ins österreichische Hallein.

Landwirtin bietet misshandelten Pferden eine neue Heimat

Problempferde sind Catharina Lichtmanneggers Leidenschaft geworden. Die Neugier am Tier und das Interesse zu helfen, kam immer dann, wenn ein Pferd Probleme machte. Es gibt solche, die auf das Unwissen der Besitzer zurückzuführen sind, „falsch entwickelte Muskulatur etwa oder schlechtes Training”. Aber es gibt auch die, die auf Tiermisshandlung schließen lassen.

Im Sommer kam ein Transporter ins Scheffauenland: Als sich die Rampe öffnete, war der Schock groß: Catharina Lichtmannegger brach in Tränen aus, sagt sie. „Das Pferd war am Verhungern.” So etwas hatte sie noch nie gesehen: „Das Tier war ein reines Skelett, mit ein bisschen Haut überzogen.” Der Widerrist, also der Übergang vom Hals zum Rücken, misst 1,75 Metern. Das rund 25-jährige Tier hatte aber nur etwas mehr als 400 Kilo. Normal wären rund 750 Kilo, weiß die Pferdeexpertin. „Man muss und darf ein altes Tier nicht verhungern lassen.” Mit stündlichen Fütterungen in kleinen Portionen versuchte sie, dem Tier wieder Kraft zu schenken. Anfangs nahm das Pferd die Zuwendung an. Nach fünf Tagen legte es sich hin – und stand nicht mehr auf. „Hätten wir das Tier früher bekommen, hätten wir es wieder hingekriegt”, sagt Catharina Lichtmannegger, sichtlich emotional.

Landwirtin vermittelt Pferde

Bei Pony Pipilotta hatte Catharina Lichtmannegger mehr Glück. 20 Jahre alt ist das Tier, das sie bei einem Händler sah. Ein Reitschulbetrieb hatte die Pferdedame ausrangiert. „Solche Pferde arbeiten ein Leben lang und kommen dann einfach weg”, weiß Catharina Lichtmannegger. Verständnis dafür hatte sie keins. Aber den inneren Ansporn zu helfen. Sie wollte für die Pferdedame ein „Für-immer-Zuhause“ finden. „Ich fand auch gleich einen Platz für sie.” Allerdings: Die Neu-Besitzerin war schwer erkrankt. Sie musste Pipilotta aufgeben, sagt die Wahl-Marktschellenbergerin. Nur zwei Monate später kehrte Pipilotta wieder zurück zu ihr.

Einen neuen „Herzensmenschen” zu finden, gestaltete sich über Monate hinweg schwierig. Denn Pipilotta ist nicht ganz einfach. „Jahrelang als Wanderpokal durchgereicht zu werden, hinterlässt in einer Pony-Seele seine Spuren”, schrieb Catherina Lichtmannegger auf Facebook, wo sie das Schicksal des Ponys auch teilte. Das Pony fühlte sich im Scheffauenland wohl, es genoss Sonderprivilegien. „Aber das alles kostet natürlich viel Geld.” Eigentlich, sagt sie, sei sie ja kein Mensch, der betteln geht. Aber darauf achten, ob Therapeut, Tierarzt oder Hufschmied leistbar sind, das wollte sie dann auch nicht müssen.

Spenden helfen der Landwirtin, weiter Pferde zu retten

Sie fragte also im Internet auf einer Unterstützerseite nach Hilfe, zum ersten Mal in ihrem Leben. Auf Facebook teilte sie ihren Aufruf – mit erstaunlichem Echo. Viele Nachrichten erreichten Catherina Lichtmannegger. In kürzester Zeit, nach wenigen Tagen, kamen für Pipilota 3500 Euro zusammen. „Toll, was du auf die Beine stellst”, kommentierte eine Nutzerin. Überwältigt von der Resonanz sei sie gewesen, gesteht die Landwirtin. Der Zuspruch habe sie einige Tränen gekostet. „Danke an alle, die uns unterstützt haben”, sagt sie. Pipilotta werde nun in jedem Fall bleiben, sie „hat bei uns jetzt ihr letztes Zuhause gefunden”.

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