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Organische Düngung

Gülle im Fokus: Richtungsweisende Entwicklungen rund um den Wertstoff

Alternativen bei der Ausbringtechnik: Gülle-Strip-Till im Acker – steht im doppelten Sinne für „spurtreue Prozesse“ – oder im Grünland das bodenschonende Verfahren der Gülleverschlauchung.
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Redaktion Wochenblatt
am Dienstag, 16.04.2024 - 13:12

Experten und Praktiker erörterten bei der Fachtagung „Land.Technik für Profis“ in15 Fachvorträgen und Diskussionen richtungsweisende Entwicklungen rund um die Gülle. Prozessoptimierung und ganzheitliche Betrachtungen standen dabei im Fokus.

Beim SyreN-Verfahren wird konzentrierte Schwefelsäure (hier im Fronttank) bei der Ausbringung dem Güllestrom zugemischt.

Um das Thema Wirtschaftsdünger umfassend in allen wichtigen Aspekten zu beleuchten, gaben namhafte Referenten wichtige Impulse zu den Rahmenbedingungen, zu technischen Anforderungen aus Sicht der Praxis sowie zur Nährstoffeffizienz und Applikationstechnik von Gülle. Wie die DLG mitteilt, gab es insbesondere zu den technologischen Trends von morgen eine intensive Diskussion mit dem Auditorium in den Räumen der Firma Kotte Landtechnik in Rieste (Niedersachsen). Denn dort fand die 23. gemeinsam von der DLG (Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft e. V.) und der VDI-MEG (Max-Eyth-Gesellschaft im Verein Deutscher Ingenieure e. V.) durchgeführte Fachtagung dieses Jahr statt.

Sachliche Diskussionen zur Gülle

„Was diese Tagung schon immer ausgemacht hat, ist die Sachlichkeit in der Diskussion.“ Bereits in seinem Eingangsstatement gab Dr. Markus Demmel, Vorsitzender der VDI-MEG von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft in Freising, die Richtung für die kommenden Diskussionen vor. Zu Recht, wie sich später herausstellte, denn gerade beim Einsatz neuer technologischer Entwicklungen gingen die Meinungen in der Diskussion durchaus auseinander.

Dass dies nicht nur, aber zumindest unter anderem an den unterschiedlichen Hintergründen und Betrachtungsweisen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer liegen könnte, hatte DLG-Vizepräsident Prof. Dr.-Ing Till Meinel von der Technischen Hochschule Köln bereits hergeleitet: „Das Alleinstellungsmerkmal der Tagung? Die beiden Vereine DLG und VDI bringen Praktiker und Ingenieure zusammen.“ Er stellte zum Schluss seiner Rede mit Christian Grachtrup den neuen Geschäftsführer des DLG-Testzentrums vor, der aufgrund seines beruflichen Hintergrunds im Bereich der Güllesensorik in der Landtechnikbranche kein Unbekannter ist.

Land.Technik für Profis

Ziel und Ansatzpunkt der speziellen Fachtagung war ein Bindeglied bzw. eine Austauschplattform über moderne Agratechnik zwischen Wissenschaftler, Landtechnik-Ingenieuren der Hersteller und Profi-Landwirten zu installieren. 2002 an der Hochschule in Magdeburg gestartet findet seit 2008 die Veranstaltung direkt bei einem Landtechnikhersteller statt. Dabei wird vom Fachausschuss und über Teilnehmer-Fragebögen das entsprechende Schwerpunktthema sowie die relevanten Fachreferenten abgestimmt.

Als Gastgeber gab Dr. Stefan Kotte einen Überblick über die Geschichte der Gülleausbringung sowie einen Ausblick auf die Punkte, die Garant-Kotte für die nähere und weitere Zukunft als besonders wichtig erachtet. Seiner Ansicht nach muss sich die Technik künftig viel mehr in Prozesse einordnen, die auch Maßnahmen zum Gülle-Design beinhalten. Er sagte: „Die Zukunft der Gülletechnik liegt in Nährstoffeffizienz und -analytik sowie Automatisierung und Konnektivität.“

Pflanzen reagieren dynamisch auf Wirtschaftsdünger

Das dynamische Verhalten von Pflanze und Boden bei der Ausbringung von Wirtschaftsdüngern steht häufig den starren Verordnungen des Gesetzgebers gegenüber. Dr. Frank Lorenz von der LUFA Nord-West in Oldenburg beleuchtete die Düngung aus dem Blickwinkel der Bedürfnisse der Pflanze und erläuterte die physiologischen Prozesse der Wirtschaftsdünger-Nutzung. Christoph Felgentreu, von der Interessengemeinschaft gesunder Boden e. V. in Regensburg legte seinen Fokus auf den Boden und hielt ein leidenschaftliches Plädoyer für die Biodiversität des Bodens, die durch den Einsatz von Wirtschaftsdüngern stark gefördert wird. Schlussendlich ordnete Dr. Stephan Jung von der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen die verschiedenen organischen Dünger, von der Gülle bis zum Klärschlamm, in die Düngeverordnung ein. Er merkte durchaus kritisch an, dass diesbezüglich absehbare Verschärfungstendenzen relativ wenig mit der in den beiden vorherigen Vorträgen skizzierten Realität zu tun haben könnten.

Hohe Anforderungen an Nutzer und Technik

Wie hoch die technischen Anforderungen der Praxis an die Wirtschaftsdünger und deren Ausbringung sind und dass Gülle vor diesem Hintergrund den Titel „Wertstoff“ sowohl in pflanzenphysiologischer als auch in finanzieller Hinsicht mehr als verdient hat, stellte Gerd Dettmer von der Dettmer Agrar-Service GmbH in Kettenkamp dar. Er hat in seinem Lohnunternehmen eine herausfordernde Nährstoffbörse mit begleitendem Qualitätsmanagement implementiert. Hans-Jürgen Technow von der LWK Niedersachsen in Oldenburg ging auf die Kostenseite der verschiedenen Möglichkeiten zur Wirtschaftsdüngeraufbereitung ein. Seiner Meinung nach sind die Kosten für den Erfolg dieser Maßnahmen entscheidend, diese werden aber entscheidend von den politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen beeinflusst.

Verluste bei Gülleausbringung vermeiden und Nährstoffe effizient nutzen

Ebenfalls mit Güllezusatzstoffen, aber vor dem Hintergrund der Minderung von Nährstoffverlusten bzw. deren Austrag in die Umgebung beschäftigte sich Susanne Höcherl von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft in Freising in ihrem Vortrag. Hier besteht großes Potenzial darin, Emissionen erst gar nicht entstehen zu lassen. Noch immer problematisch in Bezug auf die Wirtschaftsdünger ist es, dass man die Inhaltsstoffe und vor allem ihre Konzentration nicht genau kennt und das Material teilweise sehr inhomogen ist. Hier führte Prof. Dr. Yves Reckleben von der Fachhochschule Kiel in die Bestimmung von Nährstoffgehalten in flüssigen Wirtschaftsdüngern mittels NIRS-Technologie ein. Über die Vor- und Nachteile dieser Technologie wurde in der Folge intensiv diskutiert. Für den Blick über den Tellerrand zu den westlichen Nachbarn war Sjoerd Elgersma vom Lohnunternehmen Hofmeijer aus Voorst in den Niederlanden zuständig. Er berichtete, dass für ihn – ähnlich wie bei Gerd Dettmer – die Beratung seiner Kunden immer wichtiger wird und dass die Niederlande ihr System der Agrarförderungen stark auf die Nutzung moderner Technik abgestellt haben, welche auch durch Lohnunternehmen bereitgestellt werden kann.

Applikationstechnik ist nicht alles

Im vierten Tagungsblock stellte Christoph Hante von der Hante-Agrarservice GmbH in Velen sein Konzept zum Gülle-Strip-Till vor. In einem leidenschaftlichen Appell machte er sich für die oft vergessenen Traktorfahrer stark, die inzwischen deutlich mehr leisten müssen als nur zu lenken. Gerade beim Gülle-Strip-Till werden diese zum Dienstleister für im doppelten Sinne „spurtreue Prozesse“. Hierzu müssen sie vor allem anderen in der Lage sein, Plausibilitätsfragen an die Technik stellen zu können. Hubertus Kleuter von der Kleutec GmbH in Fintel steuerte den Blick aus der Start-up-Szene bei, in der – in seinem Fall mit dem Thema der Gülleverschlauchung – durchaus Altes neu gedacht wird. Zu guter Letzt berichtete Sören Staupe von der Blunk Lalendorf GmbH in Casekow von seinen Erfahrungen aus der Praxis. Als besonders herausfordernd sind hier Mischgüllen, Verunreinigungen und ähnliches zu benennen. Seiner Meinung nach werden Partikulardaten künftig durch Prozessdaten abgelöst werden.

Und wie sieht es in der Zukunft aus?

Prof. Dr. Ludwig Volk aus Warendorf machte aus seiner Leidenschaft für den Boden keinen Hehl. Er stellte zusammenfassend dar, wie wichtig der Schutz des Bodens auch im Zusammenhang mit dem Megathema „Klimaschutz“ ist und welche entscheidende Rolle die Landwirtschaft hierbei spielt. Er sagte: „Unser Boden ist zu wertvoll, um ihn stiefmütterlich zu behandeln“, bevor erneut Prof. Dr. Yves Reckleben das Standort- und Wirtschaftspotenzial von Wirtschaftsdüngern nochmals aus dem Blickwinkel des Precision Farmings ableitete. Seiner Meinung nach kann man dieses Potenzial nicht heben, geschweige denn managen, wenn man keine Daten hat.

Nach einer munteren Podiumsdiskussion unter Moderation von Roland Hörner, Fachgebietsleiter Landtechnik im DLG-Fachzentrum Landwirtschaft, die alle wesentlichen Punkte der vergangenen beiden Tage nochmals streifte, fasste Dr. Hartmut Matthes, Geschäftsführer des BLU Bundesverbands Lohnunternehmen und Vorsitzender des Programmausschusses der Tagung „Land.Technik für Profis“ die maßgeblichen Aussagen der einzelnen Referenten nochmals zusammen. Er erinnerte daran, dass die Viehhaltung die Mutter des Ackerbaus sei und man deshalb auf diese auch nicht verzichten kann. Zusammenfassend kam er im Wesentlichen zum Schluss, dass die Optimierung der Prozesse in der Zukunft eine größere Bedeutung erlangen wird und man das Thema Wirtschaftsdünger künftig ganzheitlicher betrachten sollte.

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