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Zurück zu gemeinsamen Sachthemen

Nach den aggressiven Äußerungen deutscher Politiker zum Thema "Steueroasen" hat sich der Ton zwischen deutschen und luxemburgischen Politikern verschärft. Das "Luxemburger Wort" unterhielt sich mit dem deutschen Botschafter Hubertus von Morr über die jüngsten Misstöne.

Botschafter Hubertus von Morr: „Mir liegen die deutsch-luxemburgischen Beziehungen sehr am Herzen."
Botschafter Hubertus von Morr: „Mir liegen die deutsch-luxemburgischen Beziehungen sehr am Herzen." Foto: Guy Jallay

Interview von Joseph Lorent

Herr Botschafter, Sie dürften selbst hinlänglich gemerkt haben, dass in den letzten Tagen und Wochen das Image von Deutschland in der öffentlichen Meinung in Luxemburg durch eher großspurige Aussagen von zwei ranghohen deutschen Politikern ziemlich lädiert wurde. Wie konnte es soweit kommen?

Zuerst möchte ich unterstreichen, wie wichtig mir die deutsch-luxemburgischen Beziehungen sind. Sie liegen mir sehr am Herzen, und zwar so sehr wie es in der „Hémecht“ heißt: „...déi mir esou déif an onsen Häerzer dron.“ Ich habe großen Respekt und große Sympathie für das Land und für die Luxemburger. Unsere Beziehungen haben sich seit Jahrzehnten sehr erfreulich und positiv entwickelt, und das in verschiedenen Bereichen. Wir sollten sie jetzt nicht auf ein Thema, nämlich das der Steuerpolitik, reduzieren.

Unsere Beziehungen umfassen vielmehr ein ganz breites Spektrum, von der Politik und der Wirtschaft über Kultur und Rechtsfragen bis hin zur Kooperation in den verschiedenartigsten Bereichen. Wie konnte es soweit kommen? Ich glaube, ein wesentlicher Grund ist die große Dimension der Finanz- und Wirtschaftskrise, die global über alle Länder des Globus gekommen ist. Die aufgetretenen Probleme zeigen aber auch die Grenzen der multilateralen Strukturen. Sie zeigen außerdem, dass, entgegen landläufiger Meinung, die klassischen bilateralen Beziehungen eben auch ihre Bedeutung und ihren Stellenwert haben.

Sehen Sie die in den letzten Jahrzehnten mühsam aufgebauten bilateralen Beziehungen, die allmählich zu einem Beispiel für gute Nachbarschaft wurden, durch lauthals angestellte Überlegungen von Politikern in Berlin beeinträchtigt, denen es offensichtlich an Sensibilitäten für die unseligen Erinnerungen der Luxemburger an schwere und opferreiche Kriegszeiten fehlt?

Ich denke letzten Endes nicht, und ich erinnere an die großartige Rede, die Premierminister Jean-Claude Juncker im November vergangenen Jahres anlässlich des Volkstrauertages im Deutschen Bundestag gehalten hat. Ich selber bin sehr bewegt gewesen, als ich zum 8. Mai 2008 gebeten wurde, zusammen mit meinen Kollegen aus den USA, Großbritannien, Frankreich und Belgien vor der „Gëlle Fra“ ein Blumengebinde niederzulegen. Das war für mich ein überaus bewegender Moment.

Ich glaube auch, dass es wichtig ist, diese Erinnerung an die jungen Generationen weiterzugeben. Es besteht nämlich das Problem, dass die Zeitzeugen des letzten Weltkrieges allmählich abtreten. Unsere Generation hält manche Sachen für zu selbstverständlich und garantiert, weil wir glauben, dies gelte auch für unsere Kinder. Dabei ist gar nichts garantiert, und es bedarf einer sorgfältigen Pflege der Erinnerung. Ich selber werde im Juli eine etwa 30-köpfige Gruppe junger Deutscher im Alter von 15 bis 18 Jahren bei mir in Luxemburg zu Gast haben.

Spontan habe ich mir überlegt, mit ihnen auf die beiden Soldatenfriedhöfe in Sandweiler und Hamm zu gehen. Denn für mich gilt, was Premierminister Juncker gesagt hat, nämlich dass derjenige, der an Europa zweifelt, einen Soldatenfriedhof besuchen soll.

Interview im Botschafterbüro: Hubertus von Morr im Gespräch mit LW-Journalist Joseph Lorent.
Interview im Botschafterbüro: Hubertus von Morr im Gespräch mit LW-Journalist Joseph Lorent. Foto: Guy Jallay

Kann man von einer diplomatischen Krise reden, auch wenn Sie, anders als Ihr Amtskollege in der Schweiz, nicht ins Außenministerium einbestellt wurden?

Offenbar sind die Beziehungen so gut, dass Premierminister Jean-Claude Juncker direkt mit Bundeskanzlerin Angela Merkel gesprochen hat und Außenminister Jean Asselborn mit Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Im Übrigen hat Premier Juncker sehr freundliche Worte über mich gesagt, die mich gefreut haben und für die ich sehr dankbar bin.

Also keine Krise?

Ich sehe keine. Wenn man sich andere Länder und andere Regionen auf der Welt anschaut und sieht, was dort los ist, dann denke ich, dass wir unser Problem in den Griff bekommen. Ich möchte hier meinen Minister Steinmeier zitieren, der sagte, man sollte über die Dinge dort reden, wo sie hingehören, nämlich am Verhandlungstisch.

Inwiefern ist man sich in Deutschland der Tatsache bewusst, dass im Rahmen der Großregion täglich Zehntausende deutsche Pendler nach Luxemburg zur Arbeit kommen, und haben Sie als Botschafter bereits Reaktionen über das Vorgefallene von eben diesen Grenzgängern oder aus anderen Teilen Deutschlands bekommen?

Ja, das habe ich. Der Botschafter erhält jeden Tag Briefe und Telefonanrufe, die ganz eindeutig sind und auch weitergeleitet werden. Die wirtschaftlichen Gegebenheiten in der Großregion, zu der eine große Zahl von Pendlern gehört, sind natürlich gerade in Rheinland/Pfalz und im Saarland sehr gut bekannt, weiter weg aber vielleicht nicht so sehr.

Da gibt es in der Tat ein Problem, denn wir weisen an der Botschaft unsere Besucher aus allen Bereichen auf die Arbeitsmarktsituation in der Großregion hin. Aber hier macht sich leider u. a. bemerkbar, dass keine Auslandskorrespondenten vor Ort sind, um ständig zu berichten, damit die Kenntnis weiter transportiert wird. In Sachen Kommunikation kommt der Presse schon eine große Bedeutung zu.

Bisher war die Gleichheit von großen und kleinen Mitgliedstaaten ein Fundament des europäischen Integrationsprozesses. Deutet sich, nicht allein wegen der verbalen Auseinandersetzungen über die so genannten Steueroasen, eventuell gegenüber kleineren Ländern eine neue deutsche EU-Politik an, die diesem Gleichheitsprinzip zuwiderläuft?

Es bleibt bei unserer Politik, dass innerhalb der Europäischen Union alle Staaten die gleichen Rechte haben. Im Interesse der Funktionsfähigkeit der Europäischen Union ist ja der Lissaboner Vertrag ausgearbeitet worden. Wir haben es innerhalb der EU mit vielen Themen zu tun, und es wird immer Auseinandersetzungen geben beim Ringen, um den richtigen Weg zu finden. Bislang ist uns das ganz gut gelungen, wenn es manchmal auch unter schwierigen Bedingungen zu einem Konsens kam. Ohne Zweifel stellt die jetzige finanzielle Krisensituation eine große Herausforderung dar, und leider glücken manche Dinge nicht im ersten Anlauf.

Vergleichen wir aber die Lage in den Jahren 2008/2009 mit der Weltwirtschaftskrise von 1929/1930, als keine Instrumentarien vorhanden waren, dann besteht doch Hoffnung, dass die Welt diesmal nicht in eine Krisensituation wie damals mit den bekannten Folgen danach schlittert. Man sollte nichts schönreden, doch hat sich mit Trübsal blasen auch noch keiner nach vorne gearbeitet.

Welchen Ausweg sehen Sie, um aus der gegenwärtigen Situation herauszufinden?

Was die bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und Luxemburg anbelangt, sollten wir wieder zurück zu gemeinsamen Sachthemen kommen. Das ist übrigens bereits der Fall. Wir sollten immer daran denken, dass wir eine Vielzahl anderer Themen haben, die ich sehr positiv bewerte. Ich denke dabei an die Kultur, zum Beispiel an TNL-Direktor Frank Hoffmann als Leiter der Ruhrfestspiele in Recklinghausen, die kürzlich von Präsident Horst Köhler mit dem Bundesverdienstkreuz Erster Klasse ausgezeichnete Direktorin Germaine Goetzinger vom Nationalen Literaturzentrum in Mersch und an die diese Woche von der Luxemburger Botschaft in Berlin veranstalteten Literaturabende. Wenn ich an die Wirtschaft denke, dann muss auf den schönen Erfolg der deutsch-luxemburgischen Wirtschaftskonferenzen hingewiesen werden. Eine sehr gute Kooperation besteht auch im Energiebereich beim Pumpspeicherwerk in Vianden zwischen SEO und RWE. Nächsten Monat organisieren wir in Zusammenarbeit mit dem Institut Pierre Werner und der tschechischen und der ungarischen Botschaft einen von der früheren Außenministerin Colette Flesch moderierten Diskussionsabend über die historische Fluchtbewegung im Jahre 1989.

Teilnehmer werden der ehemalige deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher, der erste nachkommunistische tschechoslowakische Außenminister Jirí Dienstbier und der amtierende ungarische EU-Kommissar Lászlo Kovács sein. Den Anlass zu dieser Veranstaltung bietet ein Konzert der Staatskapelle Dresden am 11. Juni in der Philharmonie, wo vorher im Kammermusiksaal die vorerwähnte Podiumsdiskussion stattfindet. Das ist deutsch-luxemburgische und europäische Zusammenarbeit im Geist der Partnerschaft und der Freundschaft.

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