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Jürgen von der Lippe: "Ich bin ein Freund guter Manieren"

Moderator Jürgen von der Lippe spricht im Interview über sein TV-Comeback, Hass im Internet, Greta Thunberg und frivole Witze in Zeiten von #MeToo.

Darf ich das Trouble-Maker-Kind von anderen Eltern zurechtweisen? Wie werde ich Gäste los, die zu lange bleiben? In der neuen WDR-Show „Nicht dein Ernst!“ verhandeln Sabine Heinrich und Jürgen von der Lippe (Foto) ungeschriebene Regeln des Alltags.
Darf ich das Trouble-Maker-Kind von anderen Eltern zurechtweisen? Wie werde ich Gäste los, die zu lange bleiben? In der neuen WDR-Show „Nicht dein Ernst!“ verhandeln Sabine Heinrich und Jürgen von der Lippe (Foto) ungeschriebene Regeln des Alltags. Foto: WDR/Max Kohr

Jürgen von der Lippe ist wieder da: Das Urgestein unter den deutschen Showmastern hat sich zuletzt auf dem Bildschirm rar gemacht, jetzt feiert der Mann mit den bunten Hawaiihemden ein TV-Comeback. Im Comedytalk „Nicht dein Ernst!“ (ab dem 26. Januar im WDR) bespricht er mit prominenten Gästen knifflige Alltagsfragen. Co-Moderatorin ist Sabine Heinrich.

Jürgen von der Lippe, in Ihrer neuen TV-Sendung geht es um knifflige Anstandsfragen. Wie wichtig ist Ihnen gutes Benehmen?

Ich bin ein großer Freund guter Manieren, gerade weil sie vielfach nicht mehr vorhanden sind. Das sehe ich mit einem gewissen Bedauern. Das Siezen zum Beispiel bietet die hervorragende Möglichkeit, einem etwas übergriffigen Gegenüber zu signalisieren, dass man seine Vertraulichkeit nicht möchte.

Wo ist die Etikette Ihrer Meinung nach auf dem Rückzug?

Es ändert sich einiges in Zusammenhang mit Emanzipation und #MeToo. Ich bin ein großer Fan der alten Schule, wo alle Männer aufstehen, wenn eine Frau den Raum betritt, wo man einer Dame den Mantel abnimmt, wo man ihr den Stuhl zurechtrückt. Damit bin ich ja nun groß geworden. Heute muss man aber damit rechnen, dass einem das um die Ohren geschlagen wird, dass eine Frau sagt: „Hören Sie mal, ich bin kein Kind, ich kann das alleine.“

Ich bin mein eigener Unternehmer, und solange die Leute in meine Veranstaltungen kommen, bin ich zufrieden.

Gibt es Gelegenheiten, bei denen Sie nur mit Mühe höflich bleiben?

Nach einer Veranstaltung wollten die Leute früher Autogramme, heute möchten sie ein Selfie – das ist ja prinzipiell auch kein Problem. Aber viele fummeln dann hektisch an ihren Handys rum, es dauert ewig, und wenn es dann schon der Hundertste ist, komme ich manchmal an meine Grenzen. Die Leute gehen davon aus, dass der lustige alte Mann, der sie gerade zweieinhalb Stunden lang bespaßt hat und wofür sie viel Geld bezahlt haben, danach individuell weiter zur Verfügung steht. Ich verstehe das. Aber eigentlich möchte ich manchmal sagen: „Leute, ich kann nicht mehr, das war’s.“ Aber das denke ich natürlich nur.

In den sozialen Medien fehlt oft jeder Anstand …

Social Media hat große Vorteile. Zustände wie im Iran oder China können nicht mehr geheim gehalten werden, die Welt erfährt, wie Regierungen mit ihren Bürgern umspringen. Der Nachteil ist, dass der Anstand vollkommen verloren geht – wenn ich nur an die Beschimpfungen von Renate Künast denke. Das ist unfassbar.

Alt und Jung machen auch hier gemeinsame Sache: Sabine Heinrich und Jürgen von der Lippe.
Alt und Jung machen auch hier gemeinsame Sache: Sabine Heinrich und Jürgen von der Lippe. Foto: WDR/Max Kohr

Wurden Sie selber schon virtuell angehasst?

Eigentlich kaum, ich bin ja zum Beispiel gar nicht bei Instagram oder TikTok aktiv. Das kostet einfach zu viel Zeit. Ich merke, dass der Tag nicht mehr genug Stunden hat, damit ich mein normales Pensum hinkriege. Ich bringe alle zwei Jahre ein Buch raus und alle zwei Jahre ein Bühnenprogramm. Dazu kommen Dinge wie ein Vortrag, den ich an der Uni Düsseldorf halte, über den Einfluss der alten Sprachen auf meine Comedy. Da habe ich zugesagt, weil das genau mein Ding ist – aber sowas schreibt sich auch nicht von alleine.

Im Fernsehen sah man Sie zuletzt nicht mehr so oft …

Fernsehen ist für mich kein Hauptthema. Ich bin mein eigener Unternehmer, und solange die Leute in meine Veranstaltungen kommen, bin ich zufrieden. Ich habe das Glück, mit 71 ständig ausverkauft zu sein, was ich sehr genieße. Offenbar habe ich in den Jahrzehnten meiner Tätigkeit ein Stammpublikum davon überzeugen können, dass es sich lohnt, meine Auftritte zu besuchen.

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Was reizt Sie daran, jetzt mit der Show „Nicht dein Ernst!“ wieder mal im Fernsehen aufzutreten?

Die Idee ist bestechend einfach: Zwei Gastgeber, ein Gast, ein Thema – fertig, das ist die Show. Und ich liebe Sabine Heinrich, ich war mal für eine Sendung mit ihr drei Tage in einem Zen-Kloster in Regensburg, das war eine supertolle Erfahrung. Außerdem: Eine witzige, charmante, intelligente junge Frau und ein älterer, väterlicher Mann als Moderatoren-Duo, so was gibt es im deutschen Fernsehen bislang nicht.

Sie genießen den Ruf eines Meisters des anzüglichen Humors. Kann man sich frivole Witze in Zeiten von #MeToo noch leisten, ohne als alter weißer Mann beschimpft zu werden?

Der alte weiße Mann ist eine dreifache Diskriminierung – wegen der Hautfarbe, des Alters und wegen des Geschlechts. Ich fürchte aber in der Tat, dass wir einem Zeitalter der Prüderie entgegengehen, wie man es aus den USA kennt, wo sie im Fernsehen vermutlich zeigen können, wie eine Frau gevierteilt wird, aber „No Nipples!“. Ich stelle allerdings auch fest: Die Leute haben es satt, erzogen zu werden. Und die Leute haben Greta satt. Wenn sich so ein Mädel hinstellt und die Weltmächtigen anschreit „How dare you!“, und wenn die dann kuschen, ist das für mich Comedy. Max Goldt hat mal gesagt: Wenn die Kritik an Zuständen mehr nervt als die Zustände selber, dann muss man aufpassen, und so weit sind wir gerade.

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