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Nachwehen der Chamberwahlen

Die Grünen auf Spurensuche

Aufarbeitung eines Wahldebakels: Mit Fassung, guten Vorsätzen und gewetzten Messern in die Zukunft.

Parlamentarische Rentrée bei den Grünen: Die künftigen Abgeordneten Joëlle Welfring, Sam Tanson, François Bausch sowie Meris Sehovic – mit Djuna  Bernard (v.l.n.r.) Co-Parteipräsidentin – versuchen sich in Erklärungen.
Parlamentarische Rentrée bei den Grünen: Die künftigen Abgeordneten Joëlle Welfring, Sam Tanson, François Bausch sowie Meris Sehovic – mit Djuna Bernard (v.l.n.r.) Co-Parteipräsidentin – versuchen sich in Erklärungen. Foto: Sibila Lind

Das Setting war entsprechend gewählt: Im veganen Restaurant „Beet“ gingen Déi Gréng am Dienstag auf Tuchfühlung im wahrsten Sinne des Wortes. Bei Kaffee, Schoko- und Zitronenkuchen sowie frisch gepresstem Orangensaft suchte man im kleinen Hinterzimmer den Kontakt mit den Medien. Von neun auf vier Mandate mehr als halbiert, wirken die Grünen zur parlamentarischen Rentreé und gut zwei Wochen nach der kalten Wahl-Dusche gefasst.

Der Prozess der Aufarbeitung läuft – intern in Form einer Online-Umfrage bei den Mitgliedern, extern mit einer Analyse der Wahlkampagne und der Regierungsarbeit in den vergangenen fünf Jahren. Der schwierigste Teil seien die schweren Entscheidungen bei den Fraktionsmitarbeitern, die mit dem Verlust des Fraktionsstatus anstehen, sagt Sam Tanson. Bei den Nationalwahlen auf eine sogenannte politische Sensibilität reduziert, weiß man noch nicht, wie die künftige Parteienfinanzierung aussehen wird. Die Höhe des staatlichen Zuschusses hängt auch noch vom Resultat bei den Europawahlen ab. Die werden derzeit vorbereitet.

Noch sind Sam Tanson, François Bausch und Joëlle Welfring Mitglieder der Regierung. In die Rolle des Abgeordneten schlüpft zunächst nur Partei-Co-Präsident Meris Sehovic, der als einziger der vier Gewählten von Déi Gréng am Dienstag in der Chamber vereidigt wird. Erst wenn die neue Regierung steht, folgen ihm die dann Ex-Minister auf die Oppositionsbank – motiviert, wie Tanson betont.

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Die Selbstkritik

Es sollte ein informelles Pressegespräch werden, keine Konferenz. Fragen waren ausdrücklich erwünscht, die Antworten sorgfältig gewählt, Frust, Selbstmitleid und Anklagen wollte man sichtlich vermeiden. Ab und zu blitzten sie aber durch. „Wir hatten den Kopf zu sehr über dem Lenker - wir müssen wieder intensive Mitgliederarbeit machen, das war immer unsere Stärke“, sagt Tanson. Programmatisch sei man kohärent und auch auf einer Linie mit den Parteimitgliedern, aber es fehlte die Einbindung. Mit neuem Elan wolle man das nun angehen und sich intensiv vor allem mit den jungen Mitgliedern beschäftigen. Das war es dann auch schon mit der Selbstkritik.

Wir hatten den Kopf zu sehr über dem Lenker - wir müssen wieder intensive Mitgliederarbeit machen.

Sam Tanson

Die Erklärungen

Die Leute wollten keine Dreierkoalition mehr und haben sich auf die DP und die Sozialisten konzentriert, weil es für eine CSV-Grünen-Koalition nicht gereicht hätte, versucht sich Tanson an einer Erklärung für das Wahldebakel. Die Grünen haben nachweislich Stimmen an die DP verloren, stellt Bausch fest. Er macht sich den Vorwurf, zu viele Kompromisse eingegangen zu sein. „Wir waren fair und solidarischer als die anderen beiden Parteien“. Vor allem die DP sei ihnen im Wahlkampf in den Rücken gefallen. „Wir haben intern diskutiert und nicht öffentlich mit dem Finger auf andere gezeigt“, betont er - wie es Wohnungsbauminister Henri Kox mit dem Mietgesetz erging, sei „nicht korrekt“ gewesen.

Sam Tanson wird nach ihrer Vereidigung, wenn die neue Regierung gebildet ist, Sprecherin der grünen parlamentarischen Gruppe.
Sam Tanson wird nach ihrer Vereidigung, wenn die neue Regierung gebildet ist, Sprecherin der grünen parlamentarischen Gruppe. Foto: Sibila Lind

Die Kampfansagen

Wenn das Mehr-Netto-ab-Januar-Versprechen der CSV auf Kosten der Investitionen gehe, werde man sich wehren. „Das Einzige, was die Baubranche retten wird, sind hohe Investitionen“, warnt Bausch. Tanson erinnert daran, dass vor 2013 an den Investitionen gespart wurde, dahin dürfe man nicht zurück. Deutlich wird auch, dass Naturschutz und Wohnungsbau offene Wunden sind. „40 Prozent der CSV-Delegierten in der Arbeitsgruppe Wohnungsbau sind Promoteure“, moniert Tanson. Bausch stichelt: „Die Caritas sitzt nicht in dieser Arbeitsgruppe.“ Welfring warnt davor, den Naturschutz zu vernachlässigen – das schade dem Klima und der Lebensqualität. Sie malt das Bild der Betonwüsten innerhalb der Ortschaften an die Wand.

Der Gegenangriff

Das Green-Bashing habe es auch in Luxemburg gegeben – von einer ADR, von den Piraten, von der CSV, aber auch von der LSAP, die sich in ihrem Wahlprogramm gegen einen Verbotsumweltschutz aussprach, stellen die Grünen fest. Die Botschaft, der Wohnungsbau wird durch den Umweltschutz gebremst, wurde wirksam vermittelt, es sei schwer auf diese subtilen Botschaften koordiniert zu reagieren.

Wir ließen uns zu viel in die Defensive drängen, anstatt auf die hinzuweisen, die wirklich im Wohnungsbau bremsen.

François Bausch

„Wir ließen uns zu viel in die Defensive drängen, anstatt auf die hinzuweisen, die gar nichts ändern wollen und wirklich im Wohnungsbau bremsen“, beklagt Bausch und nennt Bauträger, die ihre Grundstücke gar nicht bebauen wollen, um später höhere Preise zu erzielen. Oder auch die Stadt Luxemburg, die Grundstücke auf dem Kirchberg nicht bebauen will, weil sie dann auch Infrastrukturen, wie Schulen bauen muss oder weil man Parkplätze erhalten will.

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Die Herausforderungen

Wie könne man sich breiter aufstellen und wie in Zukunft kommunizieren, das beschäftigt die Grünen jetzt. Denn vor allem im urbanen Raum wurden die Grünen gewählt. Und die einfachen Botschaften der anderen Parteien, wie „Mehr netto für jeden“ oder „Billiges Benzin“ lassen sich leicht übermitteln, komplexe Themen und Zusammenhänge weniger. Man sei zu kopflastig und müsse mehr emotionalisieren, die Botschaften anders verpacken, beschreibt Bausch die Herausforderung. Tanson will eher auf die Suche nach neuen Kommunikationskanälen und Formaten gehen.

Die Zukunft

Sie wird nach ihrer Vereidigung die Aufgabe als Grünen-Sprecherin im Parlament übernehmen. Als Schwerpunkte der Oppositionsarbeit nannte sie Menschenrechte, Umwelt- und Naturschutz, soziale Gerechtigkeit und Bildung.     

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