Wetter. . Nach zünftiger Ansprache gibt es für Dominic Eisenhardt das Siegel der Harkortstadt für sein Wanderbuch.

Los gehen, frei sein, neue Orte und Menschen kennenlernen – so begann die Tippelei, die einer uralten Tradition folgt, auch bei Dominic Eisenhardt. „Gott zum Gruße!“ Mit diesen Worten stellte sich der Wandergeselle von der 1910 gegründeten Gesellenvereinigung „Fremder Freiheitsschacht“ jetzt im Rathaus vor.

Nach einer zünftigen Ansprache bat Dominic um das Siegel der Stadt Wetter mit Unterschrift für sein Wanderbuch. Darin hält ein jeder Geselle die besuchten Ortschaften fest. Nach einer Besichtigung des historischen Rathauses erhielt Dominic noch einen kleinen Obulus für seine weitere Wanderzeit.

Lebenserfahrung sammeln

Dominic ist seit rund dreieinhalb Jahren auf der Walz. Die normale Zeit, in der ein Geselle auf die Walz geht, beträgt drei Jahre und einen Tag. Man kann das aber so lange machen, wie man möchte.

Die Wanderschaft war seit dem Spätmittelalter bis zur beginnenden Industrialisierung eine der Voraussetzungen für den Gesellen, die Prüfung zum Meister zu beginnen. Die Gesellen sollten vor allem neue Arbeitspraktiken kennen lernen und Lebenserfahrung sammeln. Ein Handwerker, der sich auf dieser traditionellen Wanderschaft befindet, wird als „Fremdgeschriebener“ oder „Fremder“ bezeichnet. Dabei darf der „Fremdgeschriebene“ während seiner Reise einen Bannkreis von 50 Kilometern um seine Heimatstadt nicht betreten.

Tippelbruder beendet seine Walz in Berlin

Dominic Eisenhardt beendet seine Walz am 13. Oktober dort, wo er sie begonnen hat – in Berlin. Zeit zum „Ausruhen“ hat er nicht: Am 15. Oktober beginnt er ein Holztechnik-Studium.

Es kann nicht jeder einfach so auf Wanderschaft gehen, einige Voraussetzungen müssen erfüllt sein. Grundsätzlich gilt meistens: Tippelbrüder müssen 30 Jahre alt, ledig, noch kinderlos und schuldenfrei sein.

Weitere Voraussetzung: eine abgeschlossene Lehre; denn nur Gesellen können auf Wanderschaft gehen. Die Regeln unterscheiden sich von Schacht zu Schacht (Handwerksvereinigung).

In Deutschland befinden sich derzeit rund 600 Gesellen auf Wanderreise. Dominic Eisenhardt startete mit der Walz in Berlin und ist seither viel herumgekommen – u.a. Norwegen, Tschechien und Portugal hat er besucht, aber die weiteste Station seiner Tour war Wladiwostok. „Mit Englisch und Spanisch bin ich auf der Walz sehr gut ausgekommen, in Russland funktionierte das aber nicht.“ So hat er sich auf der Reise nach Wladiwostok russische Schlüsselwörter notiert von Reisenden, die entweder Deutsch und Russisch oder Englisch und Russisch sprachen. „Am Ende konnte ich zumindest auf Russisch sagen: „Ich bin Dominic, komme aus Deutschland, bin Handwerker und habe Hunger“, erzählt er schmunzelnd.

Spannende Extreme

Es fällt ihm schwer, von einem schönsten Erlebnis auf der Walz zu berichten: „Es gab einfach so viele schöne und interessante Erlebnisse. Das Spannende waren eher die Extreme, sowohl positiv als auch negativ.“ So übernachtete er mit einem Wanderbruder in Russland in einer ehemaligen Autobahnraststätte: „Die Kälte war kaum auszuhalten.“ Am nächsten Abend lernten die Beiden in einer Kneipe einen Mann kennen, den ihre Geschichte faszinierte: „Er hatte eine Fernsehsendung und hat uns eingeladen, im Fernsehen über unsere Walz zu berichten. Da er sich auch noch als Hilton-Manager herausstellte, hat er uns eine Übernachtung mit Frühstück im Hilton-Hotel angeboten.“