Siegen. Weil das Einatmen lebensgefährlich sein kann: Erdnüsse und Pistazien sind für Kinder unter vier Jahren tabu. In Siegen 20 Fälle im letzten Jahr.

Es kommt nicht selten vor: Das Kleinkind hustet plötzlich heftig, die Atmung wird schneller. Manchmal hört man ein pfeifendes Geräusch, eventuell hebt sich nur eine Seite des Brustkorbes. Das Kind wird unruhig, fängt an zu schreien. Vielleicht kommt es auch zu einer leichten bläulichen Verfärbung der Mundpartie. Plötzlich lässt das Husten nach; das Kind wird ruhig und still.

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Manchmal bleibt bei Kindern der Hustenreflex aus

Was ist geschehen? „Wahrscheinlich ist es zu einer Aspiration gekommen. Das heißt, kleine Fremdkörper sind in die Luftröhre oder die Bronchien gelangt und haben dort der Luft den Weg zum Atmen versperrt“, meint Dr. Rainer Blickheuser. Er ist Chefarzt der Abteilung Anästhesie der DRK-Kinderklinik Siegen und gleichzeitig Notfallmediziner. „Am häufigsten sind es Erdnuss- oder Pistazien-Stücke, die aus dem Rachen in die tiefen Luftwege eingeatmet werden und dann zu den genannten Symptomen führen.“ Darüber hinaus finden die Ärzte der Siegener Kinderklinik auch immer wieder Kleinspielzeugteile, andere Nahrungsmittel wie Möhren oder Weintrauben aber auch Nadeln in den Bronchien von Kindern. „In den allermeisten Fällen wird der Fremdkörper durch den Hustenreflex erst gar nicht in die tiefen Atemwege gelangen“, so Dr. Blickheuser. „Hat er jedoch einmal die Stimmritze passiert, und dies ist insbesondere bei Kleinkindern nicht selten der Fall, kann es akut zu Atembeschwerden mit erheblicher Luftnot kommen.“

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Nach 24 Stunden setzt die Erdnuss Öl frei

Bei Eintritt eines solchen Ereignisses gilt es Ruhe zu bewahren und umsichtig zu handeln. Im Falle des anhaltenden Hustenreizes oder beeinträchtigter Atmung sollte umgehend die Ambulanz der Kinderklinik aufgesucht werden. Ist die Situation stabil, kann der Transport sitzend im Auto erfolgen. Bei starker Luftnot muss der Notarzt hinzugezogen werden. In der Kinderklinik wird dann nach eingehender ärztlicher Untersuchung über das weitere Vorgehen entschieden. Ist es tatsächlich zu einer Aspiration gekommen, entfernen die Spezialisten auf dem Wellersberg mittels Endoskop und speziellen Zangen den Fremdkörper unter Vollnarkose. Deshalb sollten die Kinder während des Transportes weder essen noch trinken.„Entscheidend ist die zeitnahe Vorstellung der kleinen Patienten in der Klinik“, betont Dr. Rainer Blickheuser. „Gerade bei Erdnüssen kommt es nach etwa 24 Stunden zur Freisetzung des Erdnussöles. Das kann eine Entzündung der Bronchien beschleunigen. Außerdem wird durch das Erweichen der Nuss das Entfernen mittels Zange deutlich schwieriger.“

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Fremdkörper in Atemwegen: 20 Fälle im letzten Jahr

2022 mussten über 1300 Patienten von 0 bis 18 Jahren in deutschen Kliniken nach einer Aspiration stationär versorgt werden. In der DRK-Kinderklinik Siegen werden jährlich rund 20 Kinder mit schwerer Aspiration durch das Team der Anästhesie-Abteilung endoskopisch behandelt. „Da grundsätzlich die Gefahr von lebensbedrohlichen Komplikationen – Häufigkeit bis zu 3,5 Prozent – beim Einatmen von Fremdkörpern in die Atemwege besteht, sollten die Eltern unbedingt darauf achten, dass insbesondere Erdnüsse oder Pistazien für Kinder bis zum vierten Lebensjahr tabu sind“, meint Blickheuser. „Spielen mit Kleinspielzeug sollte nur unter Aufsicht erfolgen.“

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