Test Neel 43Spritziger Tri mit nüchterner Funktionalität

Michael Good

 · 19.12.2023

Flott unterwegs. Bei Wind spielt der Tri seine Stärken auf allen Kursen aus. Optisch prägnant ist das durchgehende Fensterband im Kajütaufbau
Foto: YACHT/O. Blanchet
Der unkonventionelle Neel 43 soll zum Verkaufsschlager avancieren. Die Leistung passt. Aber reichen auch Platz und Komfort für die erste Reihe?

Vor etwas mehr als zehn Jahren hat der französische Hochseesegler und Multihull-Experte Eric Bruneel mit dem Neel 45 seine Vision von einem neuen, modernen Tourenschiff vorgestellt. Die Idee: die Vorzüge eines komfortablen, geräumigen Fahrtenkatamarans mit den leistungsstarken Segeleigenschaften eines Trimarans zu kombinieren. Damals wollten zunächst nicht viele an den Erfolg des eigenwilligen Projekts glauben – zu ausgefallen der Plan, zu aufwändig die Produktion und auch technisch schwer umsetzbar, so lauteten die vermeintlichen Killerargumente.


Die Konkurrenz


Heute sollten alle Zweifler eines Besseren belehrt sein. Über 100 große Trimarane hat die Werft in der ersten Dekade ihres Bestehens gebaut. Für ein ausgewiesenes Nischenprodukt darf dies schon als achtbarer Erfolg gewertet werden. Und Neel-Trimarans kennt kein Halten: Vor allem in den vergangenen Jahren ging es in der Produkt­entwicklung Schlag auf Schlag.

Mit dem Neel 51 hat die Werft ein Boot abgeliefert, das dem herkömmlichen Fahrtenkat konzeptionell nahekommt, weil auch die Seitenrümpfe wohnlich ausgebaut und mit dem Salon direkt gekoppelt sind. Das Boot wurde 2018 mit dem Titel als Europas Yacht des Jahres ausgezeichnet. Etwas kleiner fällt der 2020 präsentierte Neel 47 aus. Auch bei ihm sind die äußeren Rümpfe bewohnbar, aber nur durch separate Niedergänge zu erreichen.

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Ungewöhnliches Layout

Mit dem Neel 43 kam die Werft 2021 wieder zurück auf das Konzept des Ursprungsmodells Neel 45, den wir erstmals in YACHT 9/2013 als „Besonderes Boot“ vor­gestellt hatten. Heißt kurz zusammengefasst: drei Rümpfe, die gemeinsam als Plattform dienen, darauf aufgesetzt ein großes und maximal breites Kajüthaus.

Leben auf einer Ebene war das Thema damals wie auch heute mit dem neuen Schiff. Die Rümpfe selbst sind dagegen nicht als Wohnraum vorgesehen, sondern dienen vor allem als Stauräume und für den Einbau der Bordtechnik.

Mit dem Neel 43 möchte die Werft den Boom, der das Mehrrumpfsegment seit Langem treibt, noch konsequenter nutzen. Dazu wurden die ohnehin schon vergrößerten Fertigungskapazitäten der Trimaran­bauer in Westfrankreich nochmals deutlich erweitert. Eric Bruneel hat für das Firmen­gelände in La Rochelle zusätzliche Produk­tions­­­flächen gekauft. Dort wird das jüngste und kleinste Modell jetzt an einem Band gebaut, das für 22 Einheiten pro Jahr gut ist. Bei einer Gesamtproduktion von 35 Booten jährlich wird klar: Der neue Tri soll der Bestseller der Marke werden.

Direkte Konkurrenz muss der Neel 43 nicht fürchten

Dabei braucht die Werft keine Konkurrenz zu fürchten. Es gibt zwar große und ebenfalls fahrtentaugliche Trimarane von Dragonfly oder Rapido. Diese bieten im Vergleich zum Neel Vorteile im Hafen, weil ihre Schwimmer schwenk- oder einklappbar sind und die Breite reduziert werden kann. Sie sind aber anders konzipiert. Das Hauptaugenmerk liegt bei ihnen auf guten Segel­eigenschaften; in Bezug auf das Platzangebot kommen sie dagegen nicht ganz an die Neel-Konstruktionen heran.

Konventionelle Fahrtenkatamarane wiederum bieten zwar mindestens gleich viel oder sogar deutlich mehr Raum. Allerdings ziehen die meist schweren und eher behäbigen Zweirumpfer in Sachen Leistungsvermögen und Sportlichkeit gegenüber dem Neel 43 den Kürzeren. Dieser stellt also eine Art Hybrid dar: Er ist schneller als die meisten Kats und komfortabler als die leistungsfähigeren Tris.

Welches Potenzial in ihm steckt, konnte er beim YACHT-Test in der Bucht von La Rochelle unter Beweis stellen. Dafür gab es perfekte Bedingungen mit zwischen 15 und 18 Knoten Wind, dazu etwas Seegang und rund einen Meter Wellenhöhe.

Der Neel 43 hat sportliche Gene

Mit der 115 Prozent überlappenden Genua und gemäßigt ausgestelltem Lattengroß ist das Testschiff, die Baunummer 1, standardmäßig betucht. Unter dieser Besegelung schafft der Neel 43 einen Wendewinkel von 90 Grad, was für ein Mehrrumpfboot schon respektabel ist. Bemerkenswerter aber ist die Geschwindigkeit hart am Wind: 8,0 Knoten loggt der Trimaran im Mittel. Das verspricht gute Etmale auch auf längeren Schlägen gegenan.

Richtig viel Spaß macht das Boot auf den Kursen raumschots mit Gennaker oder Code Zero. Dies nicht nur der noch höheren Geschwindigkeit wegen, die bisweilen zwei­stellige Werte erreicht, sondern weil sich der Trimaran mit nur einem Ruderblatt am mittleren Rumpf sehr aktiv und mit viel Gefühl steuern lässt. Obendrein zeigt er sich erstaunlich reaktionsschnell – eine Eigenschaft, die man bei Fahrtenkatamaranen im Vergleich nur allzu oft vermisst.

Die Wenden muss man jedoch zügig durchsteuern, weil der Neel mit seinen drei Rümpfen beim Anluven ziemlich schnell aufstoppt. Einmal im Wind „festgefahren“, hilft nur noch das Backhalten der Genua, um wieder auf Kurs zu kommen, oder die Maschine. Das kann rasch passieren.

Obwohl die Schoten für Groß und Genua sowie alle Trimmleinen und Fallen bis direkt vor den Steuerstand gelenkt sind, ist das Handling mit der überlappenden Genua für Solisten anspruchsvoll und verlangt nach Übung. Das Steuercockpit ist aber groß genug, damit zwei Personen ungehindert dort arbeiten können.

Geringer Widerstand

Die Konstruktion stammt von Marc Lombard. Die schlanken Seitenrümpfe sind etwas kürzer als der zentrale Schiffskörper, und sie verfügen über ein Unterwasserschiff mit ausgeprägtem Sprung. So will Lombard erreichen, dass der Neel im Hafen gleichmäßig und stabil auf allen drei Rümpfen steht und nicht seitlich kippt, wie es Renn-Tris oft tun. Gleichzeitig soll die Wasserlinie so kurz wie möglich und damit die benetzte Oberfläche klein bleiben. Unter Segeln ist die Geometrie so ausgelegt, dass das Schiff am Wind immer leicht krängt und der Schwimmer in Luv dauerhaft aus dem Wasser kommt.

So segelt der Neel 43 schön steif und gleitet mit seinen scharf geschnittenen, negativen Steven im Wavepiercer-Stil auch fast ohne wahr­nehm­ba­ren Widerstand durch die Wellen; die bei großen Fahrtenkats oft spürbaren Schlingerbewegungen im Seegang fallen fast vollständig weg. Vielmehr vermittelt das Boot den Eindruck, sich eher wie ein Einrumpfer zu bewegen.

Neel 43 setzt erstmals auf nachhaltigere Materialien

Eine Schwäche gibt es dennoch: Weil die Rümpfe relativ dicht beieinander stehen, klatscht die See bei schneller Fahrt im schmalen Tunnel zwischen den Flanken regelrecht hin und her. Nicht selten schlägt dabei eine wahre Spritzwasser-Fontäne von achtern bis ins Außencockpit ein, wo man ansonsten eigentlich ganz gemütlich sitzen und gut geschützt entspannen könnte. Die Entwickler bei Neel sind sich dieses Umstands bewusst und tüfteln bereits an Lösungen mit flexi­blen Wasserabweisern aus Stoff zwischen den weit überstehenden Hecks.

Die Werft baut sämtliche Teile ihrer Trimarane als Sandwichkonstruktionen im aufwändigen, aber gewichtssparenden Vakuum-Infusionsverfahren. Mit dem neuen Neel 43 stellt die Werft nun auch bezüglich der verwendeten Materialien um und setzt erstmals auf nachhaltigere Alternativen. Wo immer möglich, werden die Komponenten jetzt mit Flachs- statt mit Glasfasern auf­gebaut; als Kernmaterial dient natür­liches Kork oder Schaumplatten aus recyceltem PET.

Auch in Sachen Sicherheit geht Neel weiter als andere Bootsbauer. Alle drei Rümpfe verfügen jeweils über eine Crashbox im Bug und sind zudem mehrfach ab­geschottet. Seine Trimarane sollen unter allen Umständen unsinkbar sein, versichert Werftchef Eric Bruneel.

Wohnen im Loftstil auf dem Neel 43

Den Innenausbau als wohnlich oder gar gemütlich zu bezeichnen wäre eine Übertreibung. Vielmehr dominieren im Salon glänzend weiße Oberflächen der fast durchgehenden Innenschalen. Holzfurniere gibt es nur wenige und das auch nur im Bereich der seitlich im Salon eingebauten Pantry. Alles andere: Kunststoff – schön gemacht zwar und sichtlich passend eingebaut, aber eben auch nicht besonders heimelig.

Andererseits passt der nüchterne Ausbau ganz gut zum hellen, offenen und schon fast loftartig gestalteten Interieur. Die moderne Optik und das junge Ambiente kann man durchaus mögen. Das Layout ist dagegen speziell, weil kaum vergleichbar.

Im Wesentlichen verteilen sich die einzelnen Wohn- und Funktionsbereiche auf einer offenen Fläche. Nur die Eignerkabine auf der Steuerbordseite ist abgetrennt, bleibt aber trotzdem dank einer langen Fenster­zeile mit dem Salon optisch gekoppelt. Vorhänge sorgen bei Bedarf für Privatsphäre. Die zweite Doppelkoje an Backbord ist dagegen offen in den Salon integriert. Dieser Bereich lässt sich nur mit Vorhängen separieren und eignet sich zum Beispiel als Liege für das Nickerchen zwischendurch, als Lotsenkoje auf langen Schlägen oder als Spielwiese für die Kinder. So gesehen eine simple, aber smarte Idee.

Nüchterne Funktionalität

Im Vorschiff vom Mittelrumpf bietet der Neel 43 zusätzlich eine Doppelkabine, die sich mit einer Schiebetür separieren lässt; sie ist jedoch eher ein Behelfsquartier. Als rundum geschlossenes, durchgehend in Weiß gehaltenes GFK-Modul hat die Kabine den Charme eines Kühlschranks. Die Liegefläche mit einer Schulterbreite von nur 1,25 Metern ist zudem kaum für zwei Erwachsene geeignet. In den Vorpieks der Außenrümpfe können Polster als zusätzliche Kojen eingelegt werden. Der Komfort in diesen „Kabinen“ wird aber selbst den bescheidensten Ansprüchen nicht mehr gerecht.

Als Alternative und gegen Aufpreis können Eigner den Salontisch als absenkbare Variante bestellen. Zusammen mit Einlegepolstern lässt sich das L-Sofa so zur Doppelliege umfunktionieren. Immerhin ist dort das Ambiente etwas wohnlicher als in den Bugen, doch bleibt dann die räumliche und akustische Nähe zur offenen Liege an Backbord als Manko. Für mehr als vier bis maximal sechs Personen ist der Neel dauerhaft nicht uneingeschränkt zu empfehlen – auch deshalb nicht, weil es nur eine einzige, zudem relativ kleine Nasszelle gibt und diese kein abgetrenntes Duschabteil hat, was für ein Fahrtenboot dieser Größe heute üblich ist. Zum Vergleich: gleich lange und ähnlich breite Fahrtenkats wie etwa der Leopard 42 ver­fügen über drei oder vier Doppelkabinen mit jeweils eigener Nass­zelle und meist schon separaten Duschen.

Deutlich mehr Platz spendiert das Neel- Konzept der Navigation, welche mit ihrer umfangreich installierten Bordelektronik schon fast an eine richtige Kommandobrücke erinnert. Hier sitzt man auf einer langen Bank im Stil einer Chaiselongue sehr bequem mit Sicht in Fahrtrichtung sowie zur Seite. Mithilfe der Fernsteuerung vom Autopiloten lässt sich der Neel 43 auch prima von innen dirigieren, ein zweiter Motorschalt­hebel ist auf Sonderwunsch machbar.

Auf seine Weise ist der Tri attraktiv – nur eben nicht für alle

Die Pantry erfüllt als lange Zeile seitlich ihren Zweck. Dank Abdeckungen über der Doppelspüle ist die Arbeitsfläche groß genug, und auch an Stauräumen mangelt es zumindest hier nicht. Für den Rest des Innenausbaus ist das Angebot an Ablagen und Schapps dagegen spärlich. Anstelle von ordentlichen Schränken oder festen Schwal­ben­nestern installiert Neel lediglich Stoff­taschen für Kleinmaterial. Eric Bruneel argumentiert mit Gewichtsersparnis, was bei reinen Renn-Trimaranen zweifellos eine Rolle spielt. Für die Ausrichtung als Fahrtenboot sind die weitgehend fehlenden Stauräume im Wohnbereich dagegen ein echtes Manko.

Eine Klappe im Salonboden führt in den großen und begrenzt begehbaren Technikraum im zentralen Rumpf. Hier ist die gesamte Bordtechnik inklusive der Edelstahltanks für Frischwasser und Treibstoff sehr sauber installiert und auch gut zugänglich. Die Werft arbeitet aktuell an möglichen Alternativen zu der 50-PS-Einbaumaschine von Volvo Penta. Möglich wäre etwa ein Hybridsystem oder sogar ein vollelektrischer Antrieb. Die Lösungen dafür sind für den Neel 43 aber noch nicht final ausgearbeitet und werden deshalb einstweilen noch nicht als Option ausgewiesen.

Seine konzeptionelle Alleinstellung am Markt, seine lebhaften Segeleigenschaften und der Preis machen den Neel 43 für am­bitionierte Fahrtensegler interessant. Echte Kompromisse fordert er nur beim begrenzten Angebot an Kojen und den fehlenden Stauräumen im Salon und in den Kabinen.

Die Messwerte zum Test des Neel 43

Windgeschwindigkeit: 18 kn (5 Bft.); Wellenhöhe: ca. 1,0 Meter; * Mit Gennaker

Der Neel 43 im Detail

Deckshaus. Für den Innenausbau nutzt das Konzept fast die ganze Schiffsbreite | Zeichnung: YACHT/N. CampeDeckshaus. Für den Innenausbau nutzt das Konzept fast die ganze Schiffsbreite | Zeichnung: YACHT/N. Campe

Technische Daten des Neel 43

  • Konstrukteur: Marc Lombard
  • CE-Entwurfskategorie: A
  • Rumpflänge: 12,90 m
  • Breite: 7,40 m
  • Tiefgang: 1,50 m
  • Gewicht: 9,0 t
  • Masthöhe über Wasserlinie: 19,0 m
  • Großsegel: 58,6 m2
  • Rollgenua (115 %): 43,4 m2
  • Maschine (Volvo P.): 36 kW/49 PS

Rumpf- und Decks­bauweise

GFK-Sandwich mit PET-Schaumkern. Alle Teile gebaut mit Vakuum-Infusion. Rumpfverstärkungen aus Kohlefaser

Preis und Werft

  • Grundpreis ab Werft: 483.700 € brutto
  • Garantie/gegen Osmose: 2/2 Jahre

Stand 11/2023, wie die ausgewiesenen Preise definiert sind, finden Sie hier!

Werft

Neel-Trimarans, La Rochelle (Frankreich); www.neel-trimarans.com

Vertrieb

Händlernetz

YACHT-Bewertung

Das eigenständige Konzept des Neel 43 fordert manche Kompromisse, ergibt aber ein reizvolles Ganzes. Der Ausbau wirkt karg und ist es auch. Dafür glänzt der Tri mit flotten Segeleigenschaften und attraktivem Preis

Konstruktion und Konzept

  • + Viele innovative Ideen
  • + Attraktive Preispolitik
  • - Nur eine Nasszelle

Segelleistung und Trimm

  • + Hohes Leistungspotenzial am Wind
  • + Agil und reaktionsstark
  • + Angenehmes Seeverhalten

Wohnen und Ausbauqualität

  • + Wohnen auf einer Ebene im Loftstil
  • + Offenes, luftiges Layout
  • - Kaum Stauräume innen

Ausrüstung und Technik

  • + Nachhaltige Bauweise
  • + Innenliegende Wanten

Dieser Artikel erschien erstmals in YACHT 18/2021 und wurde für diese Online-Version aktualisiert.


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