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Aus dem Institut für Geschichte der Medizin der - OPUS - Universität ...

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<strong>Aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> <strong>Medizin</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Universität</strong> Würzburg<br />

Vorstand: Professor Dr. med. Dr. phil. M. Stolberg<br />

Die zahnärztliche Chirurgie im Spiegel <strong>der</strong> Zeitschrift ,Der Zahnarzt’<br />

Inaugural - Dissertation<br />

zur Erlangung <strong>der</strong> Doktorwürde <strong>der</strong><br />

<strong>Medizin</strong>ischen Fakultät<br />

<strong>der</strong><br />

Bayerischen Julius-Maximilians-<strong>Universität</strong> zu Würzburg<br />

vorgelegt von<br />

Peter Hüpper<br />

aus Wipper<strong>für</strong>th<br />

Würzburg, Oktober 2004


Referent: Priv.-Doz. Dr. med. Dr. med. dent. Dr. phil. D. Groß<br />

Koreferent: Professor Dr. med. Dr. med. dent. J. Reuther<br />

Dekan: Professor Dr. med. G. Ertl<br />

Tag <strong>der</strong> mündlichen Prüfung: 10.05.2005<br />

Der Promovend ist Zahnarzt.


Inhaltsverzeichnis<br />

Seite<br />

1. Einleitung 1<br />

2. Die Zeitschrift ,Der Zahnarzt’ und ihr Begrün<strong>der</strong> Carl Wilhelm Ludwig 2<br />

Schmedicke<br />

2.1 Die Situation <strong>der</strong> deutschen Zahnärzteschaft in <strong>der</strong> ersten Hälfte des 19. 2<br />

Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

2.2 Leben und Werk Carl Wilhelm Ludwig Schmedickes 5<br />

2.3 Die Zeitschrift ,Der Zahnarzt’ 9<br />

3. Der Stellenwert des Themas ,Zahnärztliche Chirurgie’ im Vergleich mit 18<br />

an<strong>der</strong>en Themen des Fachs<br />

3.1 Die zahnärztliche Chirurgie im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t 18<br />

3.2 Die zahnärztliche Chirurgie in ,Der Zahnarzt’ 22<br />

4. Von <strong>der</strong> „Froschgeschwulst“ bis zur Transplantation: Das Spektrum <strong>der</strong> 29<br />

zahnärztlichen Chirurgie in <strong>der</strong> Zeitschrift ,Der Zahnarzt’<br />

4.1 Allgemeines 29<br />

4.2 Schmerzausschaltung 31<br />

4.3 Zahnentfernung und Extraktionsinstrumente 47<br />

4.4 Neuralgische Beschwerden 50<br />

4.5 Tumoren im Mund-Kiefer-Gesichtsbereich 53<br />

4.6 Blutung und Blutstillung 55<br />

4.7 Speicheldrüsenerkrankungen 57<br />

4.8 Knochenzysten 58<br />

4.9 Abszesse im Mund-Kiefer-Gesichtsbereich 60<br />

4.10 Kieferbrüche 61<br />

4.11 Hygiene 62<br />

4.12 Replantation und Transplantation 64<br />

5. Zwischen Historie und Mo<strong>der</strong>ne - Das Therapieangebot <strong>der</strong> Zeitschrift 66<br />

,Der Zahnarzt’ aus <strong>der</strong> Sicht <strong>der</strong> heutigen Zahnheilkunde<br />

5.1 Die zahnärztliche Lokalanästhesie 66<br />

5.2 Die schonende Extraktion und da<strong>für</strong> verwendete Instrumente 68


5.3 Erkrankungen <strong>der</strong> Nerven im Mund-Kiefer-Gesichtsbereich 72<br />

5.4 Tumoren im Mund-Kiefer-Gesichtsbereich 73<br />

5.5 Stillung postoperativer Blutungen 75<br />

5.6 Erkrankungen <strong>der</strong> Speicheldrüsen 77<br />

5.7 Zysten des Kiefers 79<br />

5.8 Weichteilinfektionen 80<br />

5.9 Frakturen im Kieferbereich 83<br />

5.10 Grundlagen zahnärztlicher Hygiene 85<br />

5.11 Replantation und Transplantation 86<br />

6. Zusammenfassung und <strong>Aus</strong>blick 88<br />

7. Verzeichnis <strong>der</strong> Abbildungen und Tabellen 91<br />

8. Verzeichnis <strong>der</strong> Primärliteratur 93<br />

9. Verzeichnis <strong>der</strong> Sekundärliteratur 94


1<br />

1. Einleitung<br />

Im Jahre 1846 gründete <strong>der</strong> Berliner Zahnarzt Carl Wilhelm Ludwig Schmedicke im<br />

Alter von 23 Jahren Deutschlands erste zahnmedizinische Fachzeitschrift mit <strong>dem</strong> Ti-<br />

tel ‚Der Zahnarzt - Das Neueste und Wissenswürdigste des In- und <strong>Aus</strong>landes über<br />

Zahnheilkunde’. Als Organ des im Jahre 1847 ebenfalls durch Schmedicke konstitu-<br />

ierten ,Vereins <strong>der</strong> Zahnärzte in Berlin’ erschien diese Monatszeitschrift über einen<br />

Zeitraum von 27 Jahren; ab <strong>dem</strong> Jahre 1873 ging ,Der Zahnarzt’ in <strong>der</strong> ,Deutschen<br />

Vierteljahresschrift <strong>für</strong> Zahnheilkunde’ auf, die <strong>dem</strong> ,Central-Verein deutscher Zahn-<br />

ärzte’ angehörte. Nach weiteren Umbenennungen und <strong>dem</strong> Eingehen an<strong>der</strong>er Fach-<br />

zeitschriften erschien das Journal schließlich unter <strong>dem</strong> Namen ,Zahnärztliche Welt -<br />

Zahnärztliche Rundschau’ und wird heute als ,ZWR - Das Deutsche Zahnärzteblatt’<br />

vom Thiemeverlag fortgeführt.<br />

Im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t stellte sich die zahnärztliche Chirurgie, dabei insbeson<strong>der</strong>e die Ex-<br />

traktion, als wichtigster Pfeiler eines begrenzten Therapiespektrums <strong>der</strong> Zahnheilkun-<br />

de dar. Den Gang zum Zahnarzt betrachteten die Patienten als ultima ratio bei uner-<br />

träglichen Schmerzen; die Nachfrage nach sonstigen zahnmedizinischen Dienstlei-<br />

stungen war begrenzt.<br />

Die vorliegende Arbeit soll einen Einblick in die Darstellung <strong>der</strong> zahnärztlichen Chir-<br />

urgie in <strong>der</strong> Zeitschrift ,Der Zahnarzt’ geben und überdies einen Vergleich mit den<br />

chirurgischen Therapievarianten <strong>der</strong> heutigen Zeit ermöglichen.


2<br />

2. Die Zeitschrift ‚Der Zahnarzt’ und ihr Begrün<strong>der</strong> Carl Wilhelm<br />

Ludwig Schmedicke<br />

2.1 Die Situation <strong>der</strong> deutschen Zahnärzteschaft in <strong>der</strong> ersten Hälfte des 19.<br />

Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

Zu Beginn des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts besaß die Zahnheilkunde in Deutschland aus mehre-<br />

ren Gründen einen geringen Stellenwert. Das Bestreben nach einem ästhetischen Ge-<br />

biß mit gesunden Zähnen war nicht allzu groß, zu<strong>dem</strong> mangelte es im zahnmedizini-<br />

schen Behandlungsspektrum an therapeutischen Alternativen zu chirurgischen Maß-<br />

nahmen, insbeson<strong>der</strong>e zur Extraktion. Der prothetische Ersatz fehlen<strong>der</strong> Zähne war bei<br />

weitem keine Standardtherapie, „und auch das Exkavieren <strong>der</strong> Zähne stellte zumindest<br />

bis zur Einführung <strong>der</strong> Tretbohrmaschine im Jahr 1870 ein mühsames, umstrittenes<br />

und nicht zuletzt schmerzhaftes Unterfangen dar“ 1 , denn es wurden dazu handge-<br />

schliffene, erhitzte Bohrer zwischen den Fingern hin- und hergedreht. Fortschritte auf<br />

<strong>dem</strong> Gebiet <strong>der</strong> Allgemein- und Lokalanästhesie ab Mitte des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts (Lach-<br />

gas durch Horace Wells [1844], Äther durch William T.G. Morton [1846], Chloro-<br />

form durch James Young Simpson [1847], Kokain als erstes Lokalanästhetikum<br />

[1884], Leitungsanästhesie [1885], Infiltrationsanästhesie [1894]) verbesserten die<br />

Behandlungsmöglichkeiten und gestatteten <strong>dem</strong> Patienten eine schmerzarme Thera-<br />

pie, auch wenn <strong>der</strong> Einsatz <strong>der</strong> entsprechenden Narkotika und Anästhetika oft mit<br />

starken Nebenwirkungen verbunden war. 2<br />

Von einem Berufsstand einheitlich ausgebildeter Zahnärzte konnte nicht die Rede<br />

sein; beson<strong>der</strong>s aus den Kreisen <strong>der</strong> Wundärzte 3 formierte sich die zahnärztliche Be-<br />

1 Groß (1999b), S. 16.<br />

2 Groß (1999b), S. 16; Brunn (1928), S. 271-275.<br />

3 Im Gegensatz zu den gelehrten o<strong>der</strong> „promovierten“ Ärzten, die zur Aufnahme des Hochschulstudiums<br />

<strong>Medizin</strong> die gymnasiale Reifeprüfung nachzuweisen hatten, genügte zur <strong>Aus</strong>bildung des<br />

Wundarztes I. Klasse als schulische Vorbildung die Sekundarreife. Neben ihrer eigentlichen Aufgabe,<br />

die ärmere Landbevölkerung medizinisch zu betreuen, durften die Wundärzte I. Klasse, sofern sie<br />

„die praktischen Erfor<strong>der</strong>nisse eines Zahnarztes“ vorweisen konnten, auf <strong>dem</strong> Gebiet <strong>der</strong><br />

Zahnheilkunde tätig sein. Auch die Wundärzte II. Klasse, die unter an<strong>der</strong>em als medizinisches<br />

Hilfspersonal beschäftigt waren, durften mit einem entsprechenden Befähigungsnachweis<br />

Zahnbehandlungen durchführen: vgl. Groß (1994), S. 31-32; Groß (1999c), S. 362.


3<br />

rufsgruppe. 4 Die handwerklich ausgebildeten Wundärzte fanden in <strong>der</strong> bis 1909 nicht-<br />

aka<strong>dem</strong>ischen Zahnheilkunde eine professionelle Nische. Daneben betrachteten auch<br />

nichtapprobierte „Empiriker“ die Behandlung erkrankter Zähne und des Kauorgans als<br />

ihr Betätigungsfeld. 5 Die letztgenannte Gruppierung bestand einerseits aus<br />

,Gebißarbeitern’ o<strong>der</strong> ,Zahntechnikern’, die sich <strong>der</strong> Zahnmedizin zugewandt hatten,<br />

an<strong>der</strong>erseits aus Ba<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> Barbieren mit chirurgischen Fertigkeiten. 6 Auch wenn es<br />

diesen Personen zumeist an fundierten Kenntnissen mangelte, waren im Jahre 1846 in<br />

Berlin mehr Nichtapprobierte als lizensierte Zahnärzte tätig. 7<br />

Ebenso uneinheitlich und zerrissen wie die deutsche Zahnärzteschaft zeigte sich auch<br />

die deutsche Nation: Nicht weniger als 39 souveräne Einzelstaaten bildeten zusammen<br />

den seit 1815 bestehenden ,Deutschen Bund’. Je<strong>der</strong> Staat verfügte über eigene gesetz-<br />

liche Bestimmungen, die maßgeblichen Einfluß auf die Vorschriften hinsichtlich <strong>der</strong><br />

<strong>Aus</strong>bildung und <strong>Aus</strong>übung des zahnärztlichen Berufes hatten.<br />

Preußen mit seiner <strong>Medizin</strong>algesetzgebung aus <strong>dem</strong> Jahre 1825 ging vielen an<strong>der</strong>en<br />

deutschen Staaten beispielhaft voran, denn in <strong>der</strong> Prüfungsordnung fanden sich neben<br />

den Ärzten, Wundärzten, Geburtshelfern und Apothekern auch die Zahnärzte als sepa-<br />

rate Gruppe von Heilpersonen. 8 Der § 49 jenes Reglements erteilte den <strong>Medizin</strong>alkol-<br />

legien <strong>der</strong> einzelnen preußischen Provinzen das Recht, die Personen zu prüfen, welche<br />

die zahnärztliche Approbation anstrebten. Die Prüfungsvoraussetzungen <strong>für</strong> Zahnärzte<br />

nach § 51 e lauteten wie folgt:<br />

„Ebenso darf zur Prüfung als Zahnarzt niemand mehr zugelassen werden, <strong>der</strong> nicht<br />

entwe<strong>der</strong> schon Arzt o<strong>der</strong> Wundarzt ist, und zugleich den nöthigen Nachweis über die<br />

erlangten, einem Zahnarzt insbeson<strong>der</strong>e nöthigen technischen und mechanischen Fer-<br />

tigkeiten beizubringen vermag, o<strong>der</strong> <strong>der</strong>, wenn er nicht Arzt o<strong>der</strong> Wundarzt ist, außer<br />

diesem Nachweis nicht wenigstens noch Zeugnisse über den fleißigen Besuch <strong>der</strong><br />

4 Vgl. Lafrenz (1936), S. 3; Knäble (1938), S. 31; Tittmann (1961), S. 3; Nauck (1965), S. 54; Pfeifer<br />

(1968), S. 22-26; Groß (1999a), S. 253-255.<br />

5 Groß (1999b), S. 15; Groß (1999c), S. 359.<br />

6 Maretzky/Venter 1974), S. 16; Gumpp (1983), S. 13; San<strong>der</strong> (1989), S. 54 ff.<br />

7 Geist-Jacobi (1896), S. 241.<br />

8 Groß (1999b), S. 15.


4<br />

Vorlesungen über Anatomie, allgemeine und spezielle Chirurgie, Operationslehre,<br />

Arzneimittellehre und chirurgische Klinik beibringen kann“. 9<br />

Weitere Reglementierungen Preußens aus den Jahren 1835 und 1836 verlangten von<br />

den Prüfungskandidaten zum einen Nachweise über den Besuch verschiedener Lehr-<br />

veranstaltungen, zum an<strong>der</strong>en war als Schulbildung mindestens die Tertiareife vorzu-<br />

weisen. 10<br />

Auch wenn durch die 1825, 1835 und 1836 erlassenen Gesetze die <strong>Aus</strong>bildung und<br />

die Approbation <strong>der</strong> Zahnärzte in Preußen klar festgelegt wurden, handelte es sich al-<br />

so nicht um eine aka<strong>dem</strong>ische <strong>Aus</strong>bildung. 11 In vielen an<strong>der</strong>en deutschen Staaten<br />

konnten Ärzte und Wundärzte zu<strong>dem</strong> ohne jegliche weitere Prüfung legal als Zahnarzt<br />

tätig sein.<br />

Die schrittweise Aufhebung des Wundarztberufes im Verlauf des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

trug zur Verschlechterung <strong>der</strong> zahnärztlichen <strong>Aus</strong>bildungssituation bei. Die<br />

,medizinisch-chirurgischen <strong>Institut</strong>e’, die neben den Wundärzten auch den Zahnärzten<br />

zur Verfügung standen, wurden nach und nach geschlossen, so daß <strong>der</strong> überwiegende<br />

Teil <strong>der</strong> <strong>Aus</strong>bildung als Lehre bei nie<strong>der</strong>gelassenen Zahnärzten in <strong>der</strong>en<br />

,zahnärztlichen Ateliers’, fernab von Wissenschaft und Forschung, stattfand. 12 Nur an<br />

einigen <strong>Universität</strong>en beschäftigten sich Ärzte und Zahnärzte mit <strong>der</strong> <strong>Aus</strong>bildung <strong>der</strong><br />

jungen Zahnärzte; so veranstalteten Friedrich Hirsch in Göttingen, Carabelli und Hei-<br />

<strong>der</strong> in Wien, Carl Joseph Ringelmann in Würzburg, Schmedicke und Eduard Albrecht<br />

in Berlin und Julius Bruck in Breslau Kurse und Vorlesungen, um die Kandidaten <strong>der</strong><br />

Zahnheilkunde auf die zahnärztliche Prüfung vorzubereiten. 13<br />

Dieser Zustand einer mangelhaften <strong>Aus</strong>bildungs- und Prüfungssituation för<strong>der</strong>te die<br />

Geringschätzung des Zahnarztberufs und <strong>der</strong> deutschen Zahnheilkunde durch die aka-<br />

<strong>dem</strong>ische Ärzteschaft und staatliche Behörden. 14 Zu<strong>dem</strong> war das Verhältnis <strong>der</strong> Zahn-<br />

ärzte untereinan<strong>der</strong> problematisch. Uneinheitliche Vorbildung und sehr unterschiedli-<br />

che Kenntnisse führten zu Interessenkonflikten, Konkurrenzdruck und gegenseitigem<br />

9<br />

Fries (1954), S. 15 ff; Leutke (1937), S. 3ff; Tittmann (1961), S.8 ff; Bartscht (1973), S.5; Parreidt<br />

(1907), S. 354.<br />

10 Reckow (1927), S. 12 u. 18 f; Fries 1954, S. 13 u. 18.<br />

11 Groß (1999b), S. 16.<br />

12 Huerkamp (1985), S. 85.<br />

13 Dtsch. Zahn. Mund. Kieferhk. 31 (1959), S. 3-20 - zitiert nach Fretzdorff (1969), S. 4.<br />

14 Conrady (1958), S. 1 f., S. 26 u. 208; Groß (1996), S. 78-82.


5<br />

Mißtrauen. Durch diesen nicht vorhandenen Schulterschluß fehlten in Deutschland<br />

lange Zeit die Voraussetzungen sowohl zur Bildung eines zahnärztlichen Vereins als<br />

gemeinsame Interessenvertretung, als auch zur Gründung einer Fachzeitschrift, die<br />

den Erfahrungsaustausch und die schriftliche Nie<strong>der</strong>legung neuer Erkenntnisse<br />

ermöglicht hätte.<br />

In den USA wurde dagegen bereits 1839 ein Fachorgan, das ,American Journal Of<br />

Dental Science’ ins Leben gerufen; im selben Jahr wurde <strong>der</strong> erste zahnärztliche Ver-<br />

ein, die ,American Society Of Dental Surgery’ gegründet. 1840 entstand mit <strong>dem</strong><br />

,Baltimore College Of Dental Surgery’ zu<strong>dem</strong> die erste zahnärztliche Fachschule.<br />

Zwar fehlte es auch in Deutschland infolge eines mittlerweile aufgekommenen allge-<br />

meinen Forschungs- und Wissensdrangs zu dieser Zeit nicht an einer größeren <strong>Aus</strong>-<br />

wahl medizinischer Zeitschriften - in Leipzig erschien 1670 die erste medizinische<br />

Fachzeitschrift mit <strong>dem</strong> Namen ,Miscellanea Curiosa’ -, doch war <strong>der</strong> Gehalt an<br />

zahnmedizinisch relevanten Informationen in diesen Blättern - wenn überhaupt vor-<br />

handen - sehr gering. 15<br />

Die erste deutsche zahnmedizinische Fachzeitschrift gründete im Jahre 1846 <strong>der</strong> Ber-<br />

liner Zahnarzt Carl Wilhelm Ludwig Schmedicke; ebenso wurde durch seine Initiative<br />

1847 <strong>der</strong> ,Verein <strong>der</strong> Zahnärzte in Berlin’ ins Leben gerufen. Seine Zeitschrift ,Der<br />

Zahnarzt - Das Neueste und Wissenswürdigste des In- und <strong>Aus</strong>landes über Zahnheil-<br />

kunde’ erschien Monat <strong>für</strong> Monat über einen Zeitraum von insgesamt 27 Jahren, die<br />

ersten 17 Jahre hierbei unter Schmedickes Redaktion. 16<br />

2.2 Leben und Werk Carl Wilhelm Ludwig Schmedickes<br />

Carl Wilhelm Ludwig Schmedicke wurde am 4. Juli 1822 im pommerschen Kolberg<br />

geboren. Schon ein Jahr später kam er mit seiner Familie nach Berlin. Dort blieb er<br />

Zeit seines Lebens wohnhaft. Nach<strong>dem</strong> er sich an einer Privatschule die entsprechen-<br />

den Vorkenntnisse angeeignet hatte, besuchte Schmedicke das Friedrich-Wilhelm-<br />

15 Nordheim (1957), S. 1; Visser (1937), S. 3.<br />

16 Geist-Jacobi (1896), S. 215; Fischer (1980), S. 17; Witt (1959), S. 263; Fretzdorff (1969), S. 6; Zahn-<br />

arzt 2 (1847), S. 236-238.


6<br />

Gymnasium und bestand dort im Jahre 1840 als „begabter, tüchtiger Schüler“ 17 die<br />

Reifeprüfung.<br />

Abb. 1 Carl Wilhelm Ludwig Schmedicke (1822 - 1863)<br />

Sein Hang zur Arzneimittelkunde, <strong>der</strong> unter an<strong>der</strong>em durch die Herausgabe eines<br />

,Zahnärztlichen Recepttaschenbuches’ 18 einige Jahre später zum <strong>Aus</strong>druck kam,<br />

brachte Schmedicke zunächst auf den Gedanken, eine Laufbahn als Apotheker anzu-<br />

streben. Letztendlich verschrieb er sich jedoch <strong>der</strong> Zahnheilkunde. Er absolvierte eine<br />

dreijährige <strong>Aus</strong>bildung bei <strong>dem</strong> Berliner Hofzahnarzt Gustav Adolph Oenicke,<br />

17 Visser (1938), S. 3.<br />

18 Schmedicke (1846): C. Schmedicke, Zahnärztliches Rezepttaschenbuch - Eine Sammlung erprobter<br />

Arzneiformeln aus <strong>dem</strong> Gebiete <strong>der</strong> Zahnheilkunde, Berlin 1846.


7<br />

<strong>der</strong> sich Schmedicke nicht nur als Lehrer, son<strong>der</strong>n auch als guter Freund erwies.<br />

Nach<strong>dem</strong> er neben seiner praktischen <strong>Aus</strong>bildung zusätzlich die notwendigen allge-<br />

meinmedizinischen Vorlesungen an <strong>der</strong> <strong>Universität</strong> gehört hatte, legte Schmedicke am<br />

4. Juni 1843 die Zahnärztliche Prüfung vor <strong>dem</strong> Berliner <strong>Medizin</strong>alkollegium ab, und<br />

ließ sich anschließend in Berlin als praktischer Zahnarzt nie<strong>der</strong>. 19<br />

Aufgrund eines Eintrages im Berliner Adreßbuch des Jahres 1843 darf man anneh-<br />

men, daß Schmedicke seine Praxis zunächst im Hause seiner Eltern in <strong>der</strong> Behrenstra-<br />

ße 29, im heutigen Stadtteil Berlin Mitte, führte. Sein Vater war zu dieser Zeit als Ge-<br />

heimer Registrator im Berliner Finanzministerium angestellt. Ein Jahr später - Schme-<br />

dicke war inzwischen zum Mitglied des ,Vereins <strong>für</strong> Heilwissenschaft’ ernannt wor-<br />

den - ging er seinem Beruf in <strong>der</strong> Marienstrasse 3 nach. Seine Praxis war täglich <strong>für</strong><br />

sechs Stunden geöffnet, vormittags und nachmittags jeweils drei Stunden. Anzumer-<br />

ken ist eine separate Sprechstunde <strong>für</strong> Arme, und zwar morgens von acht bis neun<br />

Uhr. 20 Im Januar des Jahres 1846 erschien die erste <strong>Aus</strong>gabe seiner Zeitschrift ,Der<br />

Zahnarzt’; im selben Jahr noch gab Schmedicke auch sein 234 Seiten umfassendes<br />

,Zahnärztliches Recepttaschenbuch’ heraus. 21<br />

Schmedickes Bestreben, die deutsche Zahnärzteschaft zu vereinigen, ihren beruflichen<br />

Aufschwung und das soziale Ansehen zu för<strong>der</strong>n, ließ ihn zum Mitbegrün<strong>der</strong> des am<br />

24. Januar 1847 formierten ,Vereins <strong>der</strong> Zahnärzte zu Berlin’ werden, des ersten deut-<br />

schen und nach <strong>der</strong> ,Societe de chirurgie de Paris’ zweiten europäischen zahnärztli-<br />

chen Vereins. 22 Die Schwerpunkte dieser Vereinigung lagen in <strong>der</strong> „Beför<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />

Kollegialität unter den Zahnärzten, Mittheilung und Besprechung interessanter Beob-<br />

achtungen aus <strong>der</strong> zahnärztlichen Praxis und Wahrnehmung <strong>der</strong> den Zahnärzten nach<br />

den Landesgesetzen zustehenden Rechte“. 23<br />

Im Jahre 1848 verlegte Schmedicke seinen Praxisstandort erneut, und zwar in die<br />

Französischestraße 60, ebenfalls im heutigen Stadtteil Berlin Mitte.<br />

Seine Kritik und Unzufriedenheit mit <strong>der</strong> <strong>Aus</strong>bildungs- und Prüfungssituation <strong>der</strong><br />

19 Visser (1937), S. 3; Geist-Jacobi (1896), S. 214; Holzhauer (1962), S. 16-19.<br />

20 Berliner Adreßbuch <strong>der</strong> Jahre 1843 u. 1844 (Zentral- und Landesbibliothek Berlin).<br />

21 Holzhauer (1962), S. 19; Maretzky/Venter (1974), S. 15.<br />

22 Geist-Jacobi (1896), S. 215; Fischer (1980), S. 17; Witt (1959), S. 263; Fretzdorff (1969), S. 6;<br />

Zahnarzt 2 (1847), S. 236-238.<br />

23 Zahnarzt 2 (1847), S. 96.


8<br />

jungen Zahnärzte veranlaßte Schmedicke, beginnend mit <strong>dem</strong> Sommersemester 1850,<br />

eigene zahnmedizinische Vorlesungen und praktische Kurse abzuhalten. Diese Lehrtä-<br />

tigkeit übte Schmedicke bis zu seinem Tod aus. 24<br />

Am 24. Mai 1855 heiratete Schmedicke im Alter von 33 Jahren die gut acht Jahre<br />

jüngere Emilie Wilhelmine Oenicke, die Tochter seines ehemaligen Lehrmeisters. Die<br />

Trauung wurde in <strong>der</strong> Evangelischen Jerusalemskirche in Berlin, Lindenstraße 85,<br />

vollzogen. 25<br />

Nach erneutem Umzug befand sich nun die gemeinsame Wohnung des frisch ver-<br />

mählten Ehepaars in <strong>der</strong> Jerusalemerstraße in Berlin Mitte. 26<br />

Im Jahre 1857 wurde <strong>dem</strong> Ehepaar Schmedicke eine Tochter geboren, getauft auf den<br />

Namen Clara Louise. Sie verstarb jedoch nach nur neun Monaten. 27<br />

Kurz nach<strong>dem</strong> Schmedicke am 2. August 1859 bei <strong>der</strong> von ihm mitinitiierten Grün-<br />

dung des ,Central-Vereins deutscher Zahnärzte’ zum Schriftführer gewählt worden<br />

war, trat er wegen gravieren<strong>der</strong> Unstimmigkeiten mit <strong>dem</strong> Vorsitzenden des Vereins,<br />

Moritz Hei<strong>der</strong>, wie<strong>der</strong> aus und gründete eine eigene Organisation, den ,Verein Deut-<br />

scher Zahnärzte’. 28<br />

Im selben Jahr ernannte <strong>der</strong> 1856 in Hamburg gegründete ,Zahnärztliche Verein’<br />

Schmedicke zum Ehrenmitglied. Ebenfalls 1859 erblickte seine zweite Tochter, Hele-<br />

ne Wilhelmine, das Licht <strong>der</strong> Welt. Auch sie verstarb bereits drei Jahre später. 29<br />

Im Jahre 1861 hatte Schmedicke, <strong>der</strong> inzwischen vom Fürsten zu Hohenzollern-<br />

Sigmaringen zum Hofzahnarzt ernannt worden war, den Tod seines Vaters zu verkraf-<br />

ten. Sein im selben Jahr geborener Sohn Car Emil starb bereits ein Jahr später.<br />

Schließlich erkrankte Schmedicke selbst an einer schweren Lungenentzündung ver-<br />

bunden mit einer Rippenfellentzündung, von <strong>der</strong> er sich nicht mehr erholte.<br />

Carl Wilhelm Ludwig Schmedicke verstarb am 7. Mai 1863 im Alter von 40 Jahren. 30<br />

24 Visser (1938), S. 5.<br />

25 <strong>Aus</strong>zug aus <strong>dem</strong> Kirchenbuch (1855) <strong>der</strong> Evangelischen Jerusalemer Gemeinde in Berlin.<br />

26 Berliner Adreßbuch des Jahres 1863 (Zentral- u. Landesbibliothek Berlin).<br />

27 Visser (1938), S.5; vgl. auch „http://www.familysearch.org/Eng/Search/IGI/individual_ record.<br />

asp?recid=500245255223&lds=1&region=8&regionfriendly= Germany&frompage=99”.<br />

28 Parreidt (1909), S. 23; Fretzdorff (1969), S. 16.<br />

29 Visser (1938), S. 5.<br />

30 Visser (1937), S. 5-6.


2.3 Die Zeitschrift ,Der Zahnarzt’<br />

9<br />

Deutschlands erste zahnmedizinische Fachzeitschrift mit <strong>dem</strong> Titel ,Der Zahnarzt -<br />

Das Neueste und Wissenswürdigste des In- und <strong>Aus</strong>landes über Zahnheilkunde’ wur-<br />

de von Schmedicke erstmalig am 1. Januar 1846 herausgegeben. Die Redaktion führte<br />

er vom ersten bis zum 17. Jahrgang; nach seiner schweren Erkrankung, teilten sich<br />

Theodor Block 31 und Gustav Adolf Johannes Seiffert 32 vorübergehend die Redakti-<br />

onsarbeit des 18. Jahrgangs. Vom 19. bis zum 27. und damit letzten Jahrgang war<br />

Seiffert alleiniger Redakteur des Journals. Die Förstner’sche Buchhandlung in Berlin<br />

übernahm die Verlagsgeschäfte des ,Zahnarzt’.<br />

Mit <strong>dem</strong> Druck des ,Zahnarzt’ wurden im Laufe <strong>der</strong> Jahre verschiedene Druckereien<br />

beauftragt; den ersten Jahrgang druckte A.W. Hayn, den zweiten bis 17. Jahrgang<br />

druckte J.F. Starcke in Berlin. Den Druck im 18. Erscheinungsjahr übernahm Eduard<br />

Krause, ebenfalls Berlin, im 19. Jahr C. Krämer in Potsdam. Den 20. - 27. Jahrgang<br />

druckte A.Th. Engelhardt in Leipzig. 33<br />

Die zwölf einzelnen <strong>Aus</strong>gaben eines Jahrgangs waren jeweils auf <strong>der</strong> ersten Seite mit<br />

Titel, Jahrgang, Heftnummer und Verlagsnamen beschriftet und wurden zu einem Jah-<br />

resband zusammengefaßt. Diesen versah man zur besseren Übersicht nochmals mit<br />

einem Inhaltsverzeichnis. Ab <strong>dem</strong> elften Jahresband ersetzte ein Index dieses Inhalts-<br />

verzeichnis, <strong>der</strong> in ein Sach- und Namensregister unterteilt war. Ab 1865 erfolgte die<br />

Einführung alphabetisch geordneter Rubriken, wie z.B. Anaesthetika, Histologie, In-<br />

strumente etc. Im Anhang <strong>der</strong> Jahresbände befanden sich oft einige Abbildungen, die<br />

vorgestellte und besprochene Instrumente und anatomische bzw. histologische Präpa-<br />

rat zeigten. Die Redaktion des ,Zahnarzt’ behielt die thematische Anordnung und das<br />

äußere Erscheinungsbild trotz wechseln<strong>der</strong> personeller Besetzung über die Jahre hin-<br />

weg stets bei. Die Artikel, teils Originale, teils Übersetzungen ausländischer Schriften,<br />

deckten ein breites Spektrum ab und ließen kein zahnmedizinisch relevantes Thema<br />

31<br />

Theodor Block, Zahnarzt in Breslau: vgl. Nordheim (1957), S. 14.<br />

32<br />

G. A. Johannes Seiffert (1811-1889), Zahnarzt in Potsdam: vgl. Nordheim (1957), S. 14; Dusemund<br />

(1965), S. 6.<br />

33<br />

Dusemund (1965), S. 5-6; Maretzky/Venter (1974), S. 15.


10<br />

Abb. 2 Titelblatt <strong>der</strong> ersten <strong>Aus</strong>gabe von ,Der Zahnarzt’ aus <strong>dem</strong> Jahre<br />

1846


11<br />

Abb. 3 Vorwort Schmedickes in <strong>der</strong> ersten <strong>Aus</strong>gabe von ,Der Zahnarzt’


12<br />

<strong>der</strong> damaligen Zeit unberücksichtigt. Ebenso waren stets Journalschauen an<strong>der</strong>er Zeit-<br />

schriften, standespolitische Angelegenheiten, Literaturvorstellungen, Tagesgeschichte<br />

und ein kleiner Anzeigenteil abgedruckt. 34<br />

Das Blatt durchlief Höhen und Tiefen, insbeson<strong>der</strong>e nach Schmedickes Tod. Über die<br />

Auflagenhöhe und das Verbreitungsgebiet sind keine genauen Angaben möglich; es<br />

ist jedoch davon auszugehen, daß das Journal Leser im gesamten deutschen Sprach-<br />

raum erreichte und sogar einzelne <strong>Aus</strong>gaben nach Belgien, Rußland und Amerika ge-<br />

langten. Interessenten <strong>der</strong> Zeitschrift konnten Bestellungen in allen Buchhandlungen<br />

des In- und sogar des <strong>Aus</strong>landes und in den Postanstalten Preußens aufgeben. 35<br />

Schmedickes Wagemut, eine Zeitschrift zu gründen, und <strong>der</strong> Eifer, mit <strong>dem</strong> er die re-<br />

daktionelle Arbeit erledigte, resultierten aus seiner Ansicht, daß die Zahnheilkunde in<br />

Deutschland stärker wissenschaftlich geprägt werden müsse. Schmedicke selbst war<br />

zwar eher ein Verfechter <strong>der</strong> praktischen Seite, doch beabsichtigte er mit seinem Jour-<br />

nal seinen deutschen Berufskollegen neueste Information über Praxis und Wissen-<br />

schaft <strong>der</strong> Zahnheilkunde aus Europa und Amerika zur Verfügung zu stellen. 36<br />

So schrieb Schmedicke in <strong>der</strong> Einleitung <strong>der</strong> ersten <strong>Aus</strong>gabe:<br />

„Die Zahnheilkunde hat bis jetzt noch kein beson<strong>der</strong>es Organ, und obwohl sie eigent-<br />

lich <strong>der</strong> Heilwissenschaft, welche eine große Anzahl von Zeitschriften besitzt, über-<br />

haupt angehört, so scheint sie uns dessen doch wirklich benöthigt. Die wissenschaftli-<br />

che und künstlerische Anfor<strong>der</strong>ung an die Zahnärzte ist gesteigert, ihre Bildung ist ei-<br />

ne höhere als ehemals, sie sind nicht mehr die handwerksmäßigen, rohen Zahnausbre-<br />

cher von früher, sie haben eine wissenschaftliche Grundlage, wollen nicht stehenblei-<br />

ben auf <strong>dem</strong> Punkt, zu <strong>dem</strong> sie gelangt sind, son<strong>der</strong>n wollen <strong>dem</strong> Fortschritt ihres Fa-<br />

ches folgen und Alles das in sich aufnehmen und kennenlernen, was in <strong>der</strong> ganzen ge-<br />

bildeten Welt <strong>für</strong> die weitere För<strong>der</strong>ung und Entwicklung ihrer Wissenschaft und<br />

Kunst geschieht. Ihnen muß eine Zeitschrift, die ihnen das alles auf eine bequeme und<br />

billige Weise zubringt, <strong>dem</strong>nach ein wahres Bedürfnis sein, zumal, da ihnen die ge-<br />

wöhnlichen medizinischen Journale, die wohl dann und wann einen Aufsatz über ei-<br />

nen <strong>der</strong> Zahnheilkunde angehörigen Gegenstand enthalten, sehr selten zugängig sind.<br />

34 vgl. z.B. Zahnarzt 5 (1850), S. I-VIII.<br />

35 Dusemund (1965), S. 5; Nordheim (1957), S. 13.<br />

36 Dusemund (1965), S. 6; Nordheim (1957), S. 1 u. S. 12-14.


13<br />

Aber auch den praktischen Ärzten und Wundärzten, namentlich den auf <strong>dem</strong> Lande<br />

und in solchen Städten, wo sich eigentlich Zahnärzte nicht befinden, muß ein Organ<br />

dieser Zeit höchst willkommen sein, in so fern sie durch dasselbe von vielen in die<br />

zahnärztliche Praxis, zu <strong>der</strong> sie oft selber genöthigt sind, hineinschlagenden Dingen<br />

Kenntnis bekommen, die sie nicht selten sehr ungern in sich vermissen und die sie auf<br />

an<strong>der</strong>e Weise nicht so leicht erlangen. Der ,Zahnarzt’ [...] wird vorzüglich die Praxis<br />

im Auge haben, aber die Praxis stets verbunden mit <strong>der</strong> Wissenschaft und diese immer<br />

nur auf jene hingerichtet aufzufassen suchen.<br />

Was in ganz Deutschland, Frankreich, England, Italien, Belgien, Skandinavien, Nord-<br />

amerika usw. nur Irgend Neues im Gebiete <strong>der</strong> zahnärztlichen Kunst und Wissen-<br />

schaft kund gethan wird, so soll den Lesern sogleich mitgetheilt werden, wo es nöthig<br />

ist, durch Abbildungen erläutert werden“. 37<br />

Diese verheißungsvollen Ankündigungen wurden von vielen Kollegen Schmedickes<br />

begrüßt, wie an den Leserzuschriften in den folgenden <strong>Aus</strong>gaben des ,Zahnarzt’ zu<br />

sehen war. Demzufolge stieß Schmedicke durchaus auf positive Resonanz, in <strong>der</strong> sein<br />

„Unternehmen“ zwar als „zeitgemäß“ und „notwendig“ erachtet und gelobt wird, je-<br />

doch hatten seine häufigen Aufrufe an die Fachgenossen zur Mitarbeit nicht die ge-<br />

wünschte Wirkung. Es fehlte die <strong>für</strong> den Erfolg des Blattes unentbehrliche, ständige<br />

Unterstützung einer zuverlässigen Mitarbeiterschaft, denn vielen Vertretern <strong>der</strong> Zahn-<br />

heilkunde <strong>der</strong> damaligen Zeit mangelte es einfach an den erfor<strong>der</strong>lichen literarischen<br />

und wissenschaftlichen Kenntnissen. So finden sich denn auch in den Namensver-<br />

zeichnissen <strong>der</strong> einzelnen <strong>Aus</strong>gaben stets wechselnde Autoren. 38<br />

Vielfach wurde auch die Meinung vertreten, daß ein wissenschaftlicher Verein als Ba-<br />

sis <strong>für</strong> das erfolgreiche Bestehen einer Zeitschrift eine unabdingbare Voraussetzung<br />

sei. Um dieser For<strong>der</strong>ung nachzukommen gründete Schmedicke am 21.1.1847 - ein<br />

Jahr nach Erscheinen <strong>der</strong> Erstausgabe von ,Der Zahnarzt’ - den ,Verein <strong>der</strong> Zahnärzte<br />

zu Berlin’, <strong>der</strong>, wie bereits weiter oben erwähnt, nach <strong>der</strong> ,Societe de chirurgie dentai-<br />

re de Paris’ als zweiter zahnärztlicher Verein Europas gelten kann. Doch auch aus die-<br />

sem Zusammenschluß erwuchs kein neuer Mitarbeiterkreis, so daß Schmedicke als<br />

Konsequenz daraus gezwungen war, oftmals Originalien an<strong>der</strong>er Autoren kurzerhand<br />

37 Zahnarzt 1 (1846), S. 1<br />

38 Zahnarzt 3 (1848), S. 4; Zahnarzt 5 (1850), S. 326; Nordheim (1957), S. 2.


14<br />

zu kopieren o<strong>der</strong> zu übersetzen und im ,Zahnarzt’ zu veröffentlichen. Die Tatsache,<br />

daß diese Artikel häufig eine nur geringe wissenschaftliche und fachliche Relevanz<br />

hatten, und Schmedicke zu<strong>dem</strong> selten die Quelle preisgab, erwiesen sich <strong>für</strong> das Ni-<br />

veau und den Ruf des ,Zahnarzt’ als nachteilig und brachten <strong>dem</strong> Herausgeber harsche<br />

Kritik und den Vorwurf des Plagiats ein. Beson<strong>der</strong>s <strong>der</strong> Arzt und Zahnarzt Moritz<br />

Hei<strong>der</strong> 39 , Professor <strong>der</strong> Zahnheilkunde in Wien und Nachfolger Carabellis 40 , wies<br />

Schmedicke mehrfach in offenen Briefen auf das Fehlverhalten hin, Originalartikel<br />

ohne Quellenangabe zu veröffentlichen. Doch Schmedicke hielt weiterhin an diesem<br />

Verfahren fest, so daß sich die kleine, aber wissenschaftlich führende Gruppe <strong>der</strong><br />

Aka<strong>dem</strong>iker - es handelte sich hierbei um Ärzte, die sich mit <strong>der</strong> Zahnheilkunde be-<br />

schäftigten - in <strong>der</strong> Folge abwandte und ihre ohnehin unregelmäßige Mitarbeit gänz-<br />

lich versagte.<br />

Vielleicht lag es aber auch nicht in Schmedickes Absicht, sein Blatt auf ein wissen-<br />

schaftliches Niveau zu bringen, denn er vertrat nach wie vor die Ansicht, daß die<br />

Zahnheilkunde nicht in die medizinische Wissenschaft einzuordnen sei, son<strong>der</strong>n einen<br />

eigenen Weg beschreite, <strong>der</strong> mehr von <strong>der</strong> technisch-praktischen Seite geprägt sei.<br />

Dieser Standpunkt verband Schmedicke mit <strong>der</strong> Mehrheit <strong>der</strong> Zahnärzte.<br />

In <strong>der</strong> Februarausgabe 1859 des ,Zahnarzt’ druckte Schmedicke auf Initiative eines<br />

Lüneburger Kollegen namens David Friedrich Fricke 41 , einen „Aufruf zu einer allge-<br />

meinen Vereinigung deutscher Zahnärzte“ ab. Fricke hatte schon 1858 den zahnärztli-<br />

chen Verein in Hamburg sowie 21 weitere Kollegen aus <strong>dem</strong> norddeutschen Raum <strong>für</strong><br />

dieses Vorhaben gewinnen können. Er unterstrich seine Entschlossenheit, in<strong>dem</strong> er di-<br />

rekt einen Statutenentwurf beilegte und diesen zusammen mit <strong>dem</strong> Vorschlag zum<br />

Aufruf an den Redakteur des ,Zahnarzt’ sandte. 42 Fricke formulierte Folgendes: „Seit<br />

einer Reihe von Jahren hoffte ich unter so manchen öffentlichen Aufrufen zur Bildung<br />

diese o<strong>der</strong> jenes Vereins auch einer Auffor<strong>der</strong>ung zu einer allgemeinen Vereinigung<br />

39 Moritz Hei<strong>der</strong>, geb. 1816 in Wien, gest. 1866 in Wien. Nach <strong>dem</strong> Studium <strong>der</strong> <strong>Medizin</strong> und Promotion<br />

in Wien war Hei<strong>der</strong> als Assistent bei Carabelli tätig, <strong>der</strong> in Wien Professor <strong>für</strong> Zahnheilkunde<br />

war. Hei<strong>der</strong> wurde nach dessen Tod sein Nachfolger: vgl. Fretzdorff (1969), S. 11<br />

40 Georg von Carabelli-Lunkaszprie, geb. 1787 in Budapest, gest. 1842 in Wien, Professor <strong>der</strong> Zahnheilkunde<br />

in Wien, gilt als erster bedeuten<strong>der</strong> Zahnarzt in Wien: vgl. Internetrecherche Österreichisches<br />

Lexikon „http://www.aeiou.at/aeiou.encyclop.c/c113725.htm“.<br />

41 David Friedrich Fricke, geb. 1803 (Ort unbekannt), gest. 1881 in Lüneburg. Fricke praktizierte ab<br />

1839 als Zahnarzt in Lüneburg: vgl. Fretzdorff (1969), S. 9.<br />

42 Parreidt (1909), S. 18-26; Maretzky/Venter (1974), S. 21.


15<br />

Deutscher o<strong>der</strong> Norddeutscher Zahnärzte zu begegnen; doch bin ich bis jetzt in dieser<br />

Erwartung getäuscht worden, was ich umso mehr bedaure, als ich annehmen zu müs-<br />

sen glaube, dass das Bedürfnis persönlicher Begegnung und mündlicher Mittheilung<br />

schon früher gefühlt wurde [...]. Nach<strong>dem</strong> [...] <strong>der</strong> Wunsch <strong>für</strong> eine Vereinigung,<br />

wenn nicht allgemein, doch genügend <strong>für</strong> den Anfang ausgesprochen ist, glaube ich<br />

die Angelegenheit so weit geführt zu haben, um sie in geeignete Hände legen zu dür-<br />

fen. Dass Sie die rechte Persönlichkeit, dieselbe zu einer erfolgreichen Entwickelung<br />

zu bringen, ist nicht nur meine Ansicht, son<strong>der</strong>n auch die aller Berufsgenossen, denen<br />

ein Urtheil darüber zuzugestehen ist [...].“ 43<br />

In Schmedicke sah Fricke also die geeignete Persönlichkeit, um diese nun begonnene<br />

Sache fortzuführen, nicht zuletzt auch deswegen, weil Schmedicke mit seinem Blatt<br />

nach wie vor eine Vielzahl seiner Kollegen erreichte. Nach durchweg positiven<br />

Rückmeldungen, die belegten, daß eine Vereinigung <strong>der</strong> Zahnärzte auf gesamtdeut-<br />

scher Ebene begrüßt wurde, lud Schmedicke im Juniheft zu einer konstituierenden<br />

Versammlung am 1., 2. und 3. August 1859 nach Berlin ein. Daraufhin formierte sich<br />

nach langen Besprechungen in jenen Augusttagen <strong>der</strong> ,Central-Verein deutscher<br />

Zahnärzte’ mit 34 Gründungsmitglie<strong>der</strong>n. 44 Zum Vorsitzenden wurde <strong>der</strong> österreichi-<br />

sche Arzt und Zahnarzt Moritz Hei<strong>der</strong> gewählt. Schmedicke teilte man das Amt des<br />

Sekretärs zu; er bildete mit zwei an<strong>der</strong>en Kollegen die Redaktionskommission, die mit<br />

<strong>der</strong> Gründung und Herausgabe einer Vereinszeitschrift beauftragt wurde. Dies wurde<br />

wohlgemerkt nicht Schmedickes ,Zahnarzt’, son<strong>der</strong>n die ab 1860 erscheinenden, zu-<br />

nächst von Hei<strong>der</strong> selbst redigierten ,Mitteilungen des Central-Vereins deutscher<br />

Zahnärzte’. Schmedicke, <strong>der</strong> mit Fricke gemeinsam die Konstituierung des Vereins<br />

initiierte, kam also keine führende Rolle bei den entscheidenden Verhandlungen zu. 45<br />

Ob diese Tatsache Schmedicke dazu bewog, sich vom ,Central-Verein’ abzuwenden,<br />

ist nicht klar. Vielleicht war es auch die Wahl Hei<strong>der</strong>s zum Vorsitzenden, die Schme-<br />

dicke nicht akzeptieren konnte. Denn die beiden waren zu erbitterten Gegnern gewor-<br />

den. Zum einen vertraten beide unterschiedliche Auffassungen über den wissenschaft-<br />

lichen Stellenwert <strong>der</strong> Zahnheilkunde - Hei<strong>der</strong> strebte eine Aka<strong>dem</strong>isierung des Zahn-<br />

43 Zahnarzt 14 (1859), S. 37-39.<br />

44 vgl. hierzu Groß (1999b), S. 21-30.<br />

45 Zur Entstehungsgeschichte des ,Central-Vereins deutscher Zahnärzte’ vgl. insbeson<strong>der</strong>e Groß<br />

(1999b), S. 21-30; ferner Althoff (1971), S. 11; Fretzdorff (1969), S. 9-11; Parreidt (1909), S. 18-26.


16<br />

arztberufs an - zum an<strong>der</strong>en hatte Hei<strong>der</strong> Schmedicke wegen des in seinen Augen zu<br />

populär gehaltenen Niveaus seines Journals immer wie<strong>der</strong> heftig kritisiert. 46 Ziemlich<br />

überraschend aber eindeutig war auf jeden Fall folgendes in <strong>der</strong> Augustausgabe des<br />

,Zahnarzt’ zu lesen: „Infolge <strong>der</strong> zu Anfang des Augustmonats in Berlin stattgehabten<br />

Versammlung deutscher Fachgenossen sind zwei Gesellschaften ins Leben getreten,<br />

die sich die Aufgabe gestellt haben, zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Zahnheilkunde beizutragen.<br />

Die eine <strong>der</strong>selben, welche sich unter <strong>dem</strong> Namen ,Verein deutscher Zahnärzte’ kon-<br />

stituiert hat, ist <strong>dem</strong> in <strong>dem</strong> Aufruf zur Beteiligung an <strong>der</strong> Versammlung vorläufig<br />

hingestellten Programm im wesentlichen treu geblieben, während die an<strong>der</strong>e besonde-<br />

re Wege verfolgt hat.“ 47<br />

Schmedicke hatte also unmittelbar nach Konstituierung des ,Central-Vereins’ eine<br />

konkurrierende Organisation gegründet, zu dessen stellvertreten<strong>dem</strong> Vorsitzenden<br />

Schmedickes ehemaliger Lehrmeister Oenicke gewählt wurde. Vereinsjournal des<br />

,Vereins deutscher Zahnärzte’ wurde ,Der Zahnarzt’. Seinen <strong>Aus</strong>tritt aus <strong>dem</strong> Central-<br />

Verein’ gab Schmedicke jedoch erst am Ende des Monats Oktober bekannt. Er gehör-<br />

te also noch offiziell <strong>dem</strong> ,Central-Verein’ an, während er den konkurrierenden Verein<br />

gründete. 48<br />

Nach<strong>dem</strong> die Mitglie<strong>der</strong> des ,Central-Vereins’ beschlossen hatten, eine eigene Ver-<br />

einszeitschrift zu gründen, bekam Schmedickes ,Zahnarzt’ nach 14-jähriger „Allein-<br />

herrschaft“ auf <strong>dem</strong> Gebiet <strong>der</strong> zahnärztlichen Zeitschriften ernstzunehmende Kon-<br />

kurrenz durch die ,Mitteilungen des Central-Vereins deutscher Zahnärzte’. Nach ei-<br />

nem Jahr wurden die Mitteilungen auf Beschluß <strong>der</strong> Jahresversammlung umbenannt<br />

in ,Deutsche Vierteljahresschrift <strong>für</strong> Zahnheilkunde’; sie erschien vom Januar 1861 an<br />

quartalsweise. Es gab nun also zwei Zeitschriften, die in den Jahren von 1861 bis<br />

1872 nebeneinan<strong>der</strong> existierten. Die sehr unterschiedlichen Auffassungen <strong>der</strong> Heraus-<br />

geber machten sich auch in <strong>der</strong> Qualität <strong>der</strong> beiden Magazine bemerkbar. Nach<br />

Schmedickes Tod übernahm ab 1864 Seiffert die alleinige Redaktion des ,Zahnarzt’;<br />

46 Groß (1999b), S. 21-30; ferner Maretzky/Venter (1974), S. 20.<br />

47 Zahnarzt 14 (1859), S. 246-250.<br />

48 Groß (1999b), S. 21-30; ferner Parreidt (1909), S. 23; Fretzdorff (1969), S. 11.


17<br />

erstaunlicherweise war er jedoch gleichzeitig auch Mitglied im ,Central-Verein’ und<br />

verfaßte Artikel <strong>für</strong> dessen ,Vierteljahresschrift’. 49<br />

Während ,Der Zahnarzt’ nach wie vor auf einer populärwissenschaftlichen Ebene<br />

verblieb, erreichte die ,Vierteljahresschrift <strong>der</strong> Zahnheilkunde’ sehr schnell ein hohes<br />

wissenschaftliches Niveau. Hei<strong>der</strong> verstand es, bedeutende Fachgenossen des In- und<br />

<strong>Aus</strong>landes <strong>für</strong> die Mitarbeit zu gewinnen. Sogar in <strong>der</strong> ausländischen Literatur fanden<br />

einzelne Beiträge <strong>der</strong> ,Vierteljahresschrift’ Beachtung, wohingegen ,Der Zahnarzt’<br />

sich mehr zu einem „Kampfblatt <strong>der</strong> Ungebildeten und Nichtapprobierten“ entwickelt<br />

hatte. 50<br />

Welches Ziel Seiffert vor Augen hatte, als er sich sowohl <strong>für</strong> den ,Zahnarzt’ als auch<br />

<strong>für</strong> die ,Vierteljahresschrift’ engagierte und damit gegensätzliche Auffassungen und<br />

Bestrebungen zu vertreten hatte, ist unklar. Seifferts Verhalten beschwor jedoch hefti-<br />

ge Interessenskonflikte und Meinungsverschiedenheiten, vornehmlich mit den Mit-<br />

glie<strong>der</strong>n des ,Central-Vereins’, herauf, die schließlich im Jahre 1866 zum <strong>Aus</strong>tritt<br />

Seifferts aus <strong>dem</strong> ,Central-Verein’ führten. Im gleichen Jahr noch gelang es ihm aber,<br />

drei Kollegen <strong>für</strong> die ständige Mitarbeit zu gewinnen, worauf ,Der Zahnarzt’ wie<strong>der</strong><br />

an fachlicher Qualität gewann und einen gewissen Wie<strong>der</strong>aufstieg erfuhr. Das wissen-<br />

schaftliche Niveau <strong>der</strong> ,Vierteljahresschrift’ konnte allerdings nicht erreicht werden.<br />

Nach Hei<strong>der</strong>s Tod und <strong>dem</strong> Rücktritt einiger Redaktionsmitarbeiter, die sich die Füh-<br />

rung <strong>der</strong> Zeitschrift nicht mehr zutrauten, geriet das Magazin in eine ernsthafte Krise.<br />

Da sich die Mitglie<strong>der</strong> des ,Central-Vereins’ im Hinblick auf die junge, aufstrebende<br />

Zahnheilkunde über die Dringlichkeit <strong>der</strong> Fortführung ihrer Zeitschrift einig waren,<br />

traf <strong>der</strong> Verein mit <strong>dem</strong> Verleger des ,Zahnarzt’ eine Vereinbarung. Demzufolge stell-<br />

te dieser im Jahre 1873 die Herausgabe des ,Zahnarzt’ ein und erhielt im Gegenzug<br />

die Eigentumsrechte <strong>der</strong> ,Vierteljahresschrift’. 51<br />

49 Nordheim (1957), S. 3; Dusemund (1965), S. 23.<br />

50 Dusemund (1965), S. 20.<br />

51 Zahnarzt 27 (1872), S. 353-354; Nordheim (1957), S. 3; Dusemund (1965), S. 27.


18<br />

3. Der Stellenwert des Themas ‚Zahnärztliche Chirurgie’ im Ver-<br />

gleich mit an<strong>der</strong>en Themen des Fachs<br />

3.1 Die zahnärztliche Chirurgie im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

Das beson<strong>der</strong>s in <strong>der</strong> ersten Hälfte des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts vergleichsweise gering ausge-<br />

prägte zahnhygienische Bewußtsein in <strong>der</strong> Bevölkerung begründete eine begrenzte<br />

Nachfrage nach zahnmedizinischen Leistungen. Dementsprechend stellte <strong>der</strong> Weg<br />

zum Zahnarzt <strong>für</strong> die meisten Patienten die letzte Maßnahme bei persistierenden<br />

Schmerzen dar. Aufgrund <strong>der</strong> noch wenig entwickelten prothetischen und konservie-<br />

renden Therapiemöglichkeiten <strong>der</strong> zeitgenössischen Zahnheilkunde fanden chirurgi-<br />

sche Eingriffe, allen voran die Extraktion, breite Anwendung. 52<br />

Die Prognose einer Wurzelkanalbehandlung war infolge fehlen<strong>der</strong> antiseptischer<br />

Maßnahmen und unzureichen<strong>der</strong> Behandlungsmethoden sehr ungünstig; folglich wur-<br />

de bei einem fraglichen Zahn weit eher die Entscheidung zugunsten <strong>der</strong> Extraktion ge-<br />

fällt, als den Patienten einer langwierigen Therapie mit unsicherem <strong>Aus</strong>gang zu unter-<br />

ziehen. 53<br />

Auch in <strong>der</strong> zweiten Hälfte des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts blieb die Zahnentfernung wichtiger<br />

Bestandteil <strong>der</strong> zahnärztlichen Therapie. Jedoch standen nun vermehrt Fortschritte <strong>der</strong><br />

Zahnchirurgie im Vor<strong>der</strong>grund, die dazu führten, „daß die Zahnextraktion eine Blüte<br />

erreichte, die etwas über das Ziel schoß“. Neben den epochemachenden Entdeckungen<br />

im Bereich <strong>der</strong> Narkose brachten auch Überlegungen von Semmelweis 54 (1847 „mo-<br />

<strong>der</strong>ne Wundbehandlung“) und Lister 55 (1867 Carbolsäure) zur Antiseptik die Zahn-<br />

52 Groß (1999b), S. 16-17.<br />

53 Strömgren (1945), S. 212.<br />

54 Ignaz Philipp Semmelweis (1818-1865), Gynäkologe in Wien; auf Grund seiner Erkenntnisse bezüg-<br />

lich <strong>der</strong> Übertragungswege des Kindbettfiebers in Krankenanstalten for<strong>der</strong>te er die gründliche Säube-<br />

rung <strong>der</strong> Hände mit Seifenwasser und Chlor (Semmelweis-Verfahren): vgl. Brunn (1928),<br />

S. 277.<br />

55 Sir Joseph Lister (1827-1912), Chirurg in London; er vertrat die Auffassung, in <strong>der</strong> Luft enthaltene<br />

seien an Infektionen schuld; auf <strong>der</strong> Suche nach einem geeigneten keimtötenden Mittel kam er<br />

schließlich auf die Carbolsäure: vgl. Brunn (1928), S. 278.


19<br />

Abb. 4 Rechnung des Instrumentenmachers Evrard an Tomes, datiert 4. August 1840;<br />

von Tomes entworfene und von Evrard ausgeführte Extraktionszange<br />

chirurgie voran. Als dann <strong>der</strong> englische Zahnarzt John Tomes 56 in Zusammenarbeit<br />

mit <strong>dem</strong> französischen Instrumentenmacher Evrard die anatomischen Extraktionzang-<br />

gen perfektionierte, wurde <strong>der</strong> chirurgischen Zahnentfernung weiter Vorschub gelei-<br />

stet. Diese Zangen ermöglichten im Gegensatz zu den vorher gebräuchlichen Instru-<br />

56 Sir John Tomes (1815-1895), Zahnarzt in London; nach ihm wurden z.B. die Tomes-Fortsätze o<strong>der</strong><br />

die Tomes-Körnerschicht: vgl. Hoffmann-Axthelm (1995), S. 745.


20<br />

menten wie <strong>dem</strong> Pelikan und später <strong>dem</strong> Schlüssel eine <strong>für</strong> den Patienten relativ ge-<br />

fahrlose Extraktion. 57<br />

Abb. 5 Verschiedene <strong>Aus</strong>führungen des Pelikans<br />

57 Strömgren (1945), S. 197-199, S. 203-212; Brunn (1928), S. 275-279


21<br />

Abb. 6 Verschiedene Schlüssel aus <strong>der</strong> zweiten Hälfte des 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

Doch auch wenn die Zahnentfernung wohl die älteste und auch am häufigsten ange-<br />

wendete chirurgische Therapie war, hatte das Behandlungsspektrum durchaus mehr zu<br />

bieten. So gehörten unter an<strong>der</strong>em Replantationen, Zystenoperationen, Tumorentfer-


22<br />

nungen und die Beseitigung von Hasenscharten zum Repertoire einzelner, versierter<br />

Zahnärzte. 58<br />

3.2 Die zahnärztliche Chirurgie in ,Der Zahnarzt’<br />

Die Entwicklungen im Bereich <strong>der</strong> allgemeinen und <strong>der</strong> zahnärztlichen Chirurgie<br />

spiegelten sich in den zeitgenössischen Publikationen wi<strong>der</strong>. So fand die Zahnchirur-<br />

gie auch in <strong>der</strong> Zeitschrift ‚Der Zahnarzt’ starke Beachtung.<br />

Jahrgang<br />

1846 - 1862 Redaktion SCHMEDICKE<br />

Chirugie<br />

Prothetik<br />

Konservierende Zahnheilkunde<br />

KFO<br />

58 vgl. z.B. Zahnarzt 20 (1865), S. 75; Zahnarzt 3 (1848), S. 252; Strömgren (1945), S. 213.<br />

Kin<strong>der</strong>zahnheilkunde<br />

Arzneimittel<br />

Hygiene<br />

Anatomie/Physiologie/Pathologie<br />

Werkstoffe/Instrumente<br />

Standespolitik/Statistik<br />

Vereinsnachrichten<br />

1 14 5 18 2 9 0 13 15 4 1 2 0 0<br />

2 37 6 14 2 0 39 15 7 2 0 9 1 3<br />

3 26 4 7 2 2 22 5 21 7 0 9 0 6<br />

4 33 0 10 1 1 17 10 3 4 0 9 9 0<br />

5 29 4 10 0 2 30 11 8 8 0 2 8 5<br />

6 20 6 13 4 4 15 10 3 13 0 4 1 2<br />

7 25 5 10 1 3 18 5 4 4 0 1 0 3<br />

8 28 2 9 0 4 9 2 8 3 0 0 0 2<br />

9 16 0 10 2 1 7 5 8 5 0 0 1 0<br />

10 25 5 18 2 0 1 3 8 2 0 0 0 2<br />

11 25 5 7 0 3 7 2 3 6 0 1 1 1<br />

12 23 2 9 1 0 8 1 6 3 0 0 0 5<br />

13 21 1 11 0 1 14 0 6 5 0 0 0 1<br />

14 23 6 7 0 3 16 8 4 12 0 5 0 2<br />

15 20 13 17 2 2 8 2 2 13 0 1 4 5<br />

16 19 9 17 0 2 4 4 3 4 0 2 3 3<br />

17 18 8 14 1 4 5 5 1 4 0 2 2 4<br />

Summe 402 81 201 20 41 220 101 110 99 1 47 30 44<br />

18 26 8 19 1 2 5 8 7 15 0 4 3 13<br />

19 21 7 15 0 0 20 6 4 13 1 3 2 15<br />

20 27 12 28 4 0 9 1 5 7 0 1 1 14<br />

21 18 24 17 1 1 12 2 8 7 3 1 3 17<br />

22 13 4 14 2 1 4 0 2 7 1 3 2 13<br />

23 12 6 8 0 2 19 1 6 5 2 1 1 14<br />

24 10 4 24 0 3 22 3 3 13 1 1 3 6<br />

25 14 3 15 0 0 15 3 5 5 1 4 0 11<br />

26 10 8 16 0 2 20 3 10 5 1 5 6 9<br />

27 15 6 19 0 1 3 0 0 4 0 6 7 6<br />

Summe 166 82 175 8 12 129 27 50 81 10 29 28 118<br />

GESAMT 568 163 376 28 53 349 128 160 180 11 76 57 162<br />

1863 - 1872 Redaktion SEIFFERT<br />

Tab. 1 Anzahl <strong>der</strong> Artikel zu verschiedenen zahnmedizinischen Themen<br />

in den 27 Jahrgängen von ,Der Zahnarzt’<br />

Literaturbesprechung


23<br />

Tabelle 1 gibt eine Übersicht über die quantitative Verteilung <strong>der</strong> Beiträge zu den auf-<br />

geführten fachspezifischen Themen, unterteilt in die 27 Jahrgänge des Magazins, und<br />

in die beiden Zeiträume mit Schmedicke bzw. Seiffert als leiten<strong>dem</strong> Redakteur.<br />

Auffällig ist zunächst die Themenvielfalt, mit <strong>der</strong> sich das Blatt <strong>dem</strong> interessierten Le-<br />

ser präsentierte. Nicht nur die „großen“ zahnmedizinischen Gebiete wie die zahnärzt-<br />

liche Chirurgie, die Prothetik o<strong>der</strong> die konservierende Zahnheilkunde inklusive <strong>der</strong><br />

noch kaum entwickelten Parodontologie wurden angesprochen, auch die Kin<strong>der</strong>zahn-<br />

heilkunde, die Kieferorthopädie, die Arzneimittelkunde und weitere Fächer fanden<br />

Berücksichtigung. Mit Regelmäßigkeit erschienen auch immer wie<strong>der</strong> Beiträge über<br />

Literaturbesprechungen o<strong>der</strong> auch die zahnärztliche Standespolitik, die gerade in einer<br />

Zeit, in <strong>der</strong> die Einigkeit und die Positionierung des zahnärztlichen Standes ein dring-<br />

liches Desi<strong>der</strong>at darstellten, <strong>für</strong> die meisten praktizierenden Zahnärzte von großem In-<br />

teresse war. 59<br />

Es zeigte sich in Schmedickes Redaktionszeit in quantitativer Hinsicht ein deutliches<br />

Überwiegen <strong>der</strong> Beiträge chirurgischen Inhalts, während die Jahrgänge unter Seifferts<br />

Redaktion nicht mehr ganz so schwerpunktmäßig auf die Chirurgie ausgerichtet wa-<br />

ren. Zur besseren Übersicht und zur Darstellung ihrer Bedeutung ist die Narko-<br />

se/Anästhesie, ein Fach, welches seinen Ursprung in <strong>der</strong> Chirurgie hat und dieser<br />

<strong>dem</strong>nach zugehörig ist, separat als eigenständige Disziplin aufgeführt. Bei Betrach-<br />

tung <strong>der</strong> Gesamtmenge an Artikeln über die zahnärztliche Chirurgie und die Narko-<br />

se/Anästhesie wird die Bedeutung, welche die Autoren diesem Gebiet <strong>der</strong> Zahnheil-<br />

kunde beimaßen, deutlich. Vom ersten Jahrgang des ‚Zahnarzt’ bis zum Ende Schme-<br />

dickes Redaktionszeit im 17. Jahrgang wurden zu den Rubriken ‚Chirurgie’ und ‚Nar-<br />

kose/Anästhesie’ zusammen gut dreimal so viele Artikel (622) verfaßt wie zur ‚Kon-<br />

servierenden Zahnheilkunde’ (201), einem im ‚Zahnarzt’ ebenfalls vielbeachteten<br />

Thema. Denn auch die eher stiefmütterlich behandelte Zahnerhaltung konnte zu dieser<br />

Zeit durchaus Fortschritte verzeichnen. Nach langer Zeit des Arbeitens mit unzurei-<br />

chenden Füllungswerkstoffen stand nach <strong>der</strong> Herstellung des Amalgams <strong>für</strong> zahnärzt-<br />

liche Zwecke durch den englischen Chemiker Charles Bell (‚Bell’s Kit’) ab 1819 ein<br />

Material zur Verfügung, das sich vielerorts großer Beliebtheit erfreute. Auch die Fül-<br />

59 Dusemund (1965), S. 89 ff.; Geist-Jacobi (1896), S. 239 ff.


24<br />

lungstherapie mit Gold, das schon lange Einzug in die Zahnheilkunde gefunden hatte,<br />

wurde über das Schwamm- o<strong>der</strong> Kristallgold schließlich im Jahre 1855 durch die ko-<br />

häsive Goldfüllung (Robert Arthur 1855) bereichert. 60<br />

Dennoch spiegelte hier die relativ große Anzahl <strong>der</strong> Artikel über die konservierende<br />

Zahnheilkunde nicht unbedingt den wahren Entwicklungsstand in diesem Fach wi<strong>der</strong>.<br />

Denn zum einen brauchten Erfindungen und Entdeckungen, wie die weiter oben be-<br />

schriebenen, einige Zeit bis sie von ihrem Ursprungsland nach Deutschland vordran-<br />

gen und schließlich zum therapeutischen Standard wurden, zum an<strong>der</strong>en ist nicht zu<br />

übersehen, daß die Beiträge oft ähnliche Themen zum Inhalt hatten. 61<br />

Durchschnittlich fanden sich in <strong>der</strong> Zeit unter Schmedickes redaktioneller Leitung in<br />

je<strong>der</strong> einzelnen <strong>Aus</strong>gabe des ‚Zahnarzt’ zwei Artikel rein chirurgischen Inhaltes und<br />

mindestens ein Artikel über den Bereich <strong>der</strong> Narkose und Anästhesie.<br />

Dagegen tauchten Beiträge über zahnärztliche Prothetik mit einer Gesamtzahl von 81<br />

in den ersten 17 Jahrgängen des ‚Zahnarzt’ relativ selten auf. Inhaltlich handelte es<br />

sich hierbei einerseits meistens um Verfahren zum Ersatz verloren gegangener Zähne,<br />

an<strong>der</strong>erseits um die Wahl des richtigen Werkstoffes zur Herstellung <strong>der</strong> Prothesenba-<br />

sis. Man gelangte über die ästhetisch perfekten, aber schwer zu beschaffenden<br />

menschlichen Zähne und die ersten Porzellanzähne mit kaffeebohnenähnlich anmu-<br />

ten<strong>dem</strong> <strong>Aus</strong>sehen zu in ästhetischer und funktioneller Hinsicht brauchbaren Mineral-<br />

zähnen. Zwar stellte Samuel S. White nach <strong>der</strong> Entwicklung anspruchsvoller Mineral-<br />

zähne durch Elias Widman (Philadelphia 1837) diese in großer Stückzahl her, doch<br />

waren auf <strong>dem</strong> deutschen Markt erst ab 1894 die ersten wirklich brauchbaren Mine-<br />

ralzähne zu finden. Im Bereich <strong>der</strong> Materialien <strong>für</strong> die Prothesenbasen zeigte sich eine<br />

Entwicklung von <strong>dem</strong> zunächst verwendeten Elfenbein über das Metall (nach <strong>der</strong> Ent-<br />

deckung des Ansaugprinzips) schließlich hin zum vulkanisierten Kautschuk, <strong>der</strong> nach<br />

seiner Einführung im Jahre 1851 durch Goodyear ab 1855 Einzug in die Zahnheilkun-<br />

de fand. Über Kronen- und Brückenprothetik wurde im ‚Zahnarzt’ wenig geschrieben,<br />

populärer war wohl da<strong>für</strong> die Verwendung des auch Zapfen- o<strong>der</strong> Pivotzahn genann-<br />

ten Stiftzahns. 62<br />

60 Geist-Jacobi (1896), S. 229-231.<br />

61 Dusemund (1965), S. 56; Zahnarzt 1 (1846) - 17 (1862).<br />

62 Geist-Jacobi (1896), S. 220-225; Dusemund (1965), S. 31-40.


25<br />

Des weiteren ist in Tabelle 1 ersichtlich, daß auch das Gebiet <strong>der</strong> Arzneimittelkunde<br />

mit einer Anzahl von 101 Artikeln in den ersten 17 Jahrgängen wohl von einigem In-<br />

teresse war. Es ist anzunehmen, daß Schmedicke stets ein offenes Ohr <strong>für</strong> die Veröf-<br />

fentlichung neuentdeckter Mixturen hatte, spielte er doch selbst einst mit <strong>dem</strong> Gedan-<br />

ken, eine Laufbahn als Apotheker einzuschlagen.<br />

Inhaltlich handelte es sich bei den Artikeln meist um die Beschreibung von Mitteln,<br />

welche den Patienten des Verfassers des jeweiligen Beitrages im Bereich <strong>der</strong> Mund-<br />

hygiene, <strong>der</strong> Schmerzbeseitigung o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Blutstillung gute Dienste geleistet hatten.<br />

Daß ‚Der Zahnarzt’ in <strong>dem</strong> Vorsatz, die „Praxis stets verbunden mit <strong>der</strong> Wissen-<br />

schaft“ im Auge zu haben, seiner Linie treu blieb, zeigt die relativ hohe Zahl an Arti-<br />

keln (110) im Bereich ‚Anatomie/Physiologie/Pathologie’ in den <strong>Aus</strong>gaben <strong>der</strong> ersten<br />

17 Jahre. Erstaunlich oft sprengten diese Artikel von <strong>der</strong> Thematik her den Rahmen<br />

<strong>der</strong> reinen Zahnmedizin und stellten Verbindungen zur <strong>Medizin</strong> und zur Wissenschaft<br />

her. 63<br />

Auch Beiträge über zahnärztliche Instrumente o<strong>der</strong> Werkstoffe waren in den Jahrgän-<br />

gen unter Schmedickes Redaktion in größerer Zahl (99) zu finden. Immer wie<strong>der</strong> liest<br />

man von Vorschlägen zur verbesserten Konstruktion <strong>der</strong> Extraktionszangen, aber auch<br />

Erfahrungsberichte von Zahnärzten mit bestimmten Materialien wie Abdruckmassen<br />

o<strong>der</strong> auch Vorstellungen von neu auf <strong>dem</strong> Markt befindlichem Praxiszubehör wurden<br />

abgedruckt. 64<br />

Ebenso thematisierte <strong>der</strong> ‚Zahnarzt’, wenn auch in weitaus geringerem Umfang, so-<br />

wohl Beiträge über die Kieferorthopädie und die Kin<strong>der</strong>zahnheilkunde als auch über<br />

standespolitische Angelegenheiten, Vereinsnachrichten und fachspezifische Literatur.<br />

Auffällig ist jedoch, daß Artikel über die Hygiene nicht nur in <strong>der</strong> Zeit unter Schme-<br />

dickes Redaktion, son<strong>der</strong>n im gesamten Erscheinungszeitraum wenig Beachtung fan-<br />

den.<br />

Ferner verzeichnete <strong>der</strong> ‚Zahnarzt’ unter Seifferts redaktioneller Führung vom 18. bis<br />

zum 27. und damit letzten Jahrgang einen starken Rückgang <strong>der</strong> Artikelzahlen im<br />

Fach <strong>der</strong> Arzneimittelkunde (27 Artikel), aber auch die bis dato den Bezug zur Wis-<br />

senschaft herstellenden Fächer Anatomie/Physiologie/Pathologie stießen mit nur 50<br />

63 vgl. z.B. Zahnarzt 4 (1849), S. 31-37.<br />

64 Zahnarzt 1 (1846) - 17 (1862).


26<br />

gedruckten Beiträgen entwe<strong>der</strong> bei den Verfassern o<strong>der</strong> auch in <strong>der</strong> Redaktion auf ab-<br />

nehmendes Interesse.<br />

An Bedeutung gewannen in <strong>der</strong>selben Zeit Literaturbesprechungen (118 Artikel), in<br />

denen Werke sowohl inländischer als auch ausländischer Herkunft vorgestellt wurden.<br />

Im Seifferts Redaktionszeit verkleinerte sich gegenüber den an<strong>der</strong>en Themen <strong>der</strong> zah-<br />

lenmäßige Vorsprung <strong>der</strong> Beiträge, welche die zahnärztliche Chirurgie o<strong>der</strong> Narko-<br />

se/Anästhesie zum Inhalt hatten. Zwar blieb ihre Vorrangstellung bestehen, doch zeig-<br />

te sich, wie in Abbildung 7 zu erkennen, eine deutliche Angleichung <strong>der</strong> Artikelzahlen<br />

in den hier durch die unterschiedlichen Kurven graphisch dargestellten Disziplinen.<br />

Anzahl <strong>der</strong> Artikel<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

Chirurgie Prothetik Kons KFO Chirurgie+Narkose<br />

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27<br />

Jahrgang<br />

Abb. 7 Anzahl <strong>der</strong> Artikel zu ausgewählten Themen im Verlauf <strong>der</strong><br />

27 Jahrgänge von ,Der Zahnarzt’<br />

Im 20. Jahrgang, <strong>dem</strong> zweiten durch Seiffert mit Theodor Blocks Unterstützung redi-<br />

gierten Jahrgang, unterschritt die Anzahl <strong>der</strong> rein chirurgisch orientierten Beiträge<br />

erstmals die Anzahl <strong>der</strong> Beiträge über die konservierende Zahnheilkunde (27 bzw. 28<br />

Artikel). Im darauffolgenden 21. Jahrgang, konnte die Anzahl <strong>der</strong> Artikel mit zahn-<br />

ärztlicher Prothetik zum Inhalt einen deutlichen Zuwachs verzeichnen. In diesem


27<br />

Jahrgang übertraf die Prothetik (24 Artikel), an <strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> Beiträge gemessen, die<br />

konservierende Zahnheilkunde (17 Artikel), und sogar die Chirurgie (18 Artikel).<br />

Im Verlauf <strong>der</strong> restlichen Jahrgänge des ‚Zahnarzt’ bis zu seiner Vereinigung mit <strong>der</strong><br />

‚Vierteljahresschrift <strong>für</strong> Zahnheilkunde’ im Jahre 1872 zeigte sich ein mengenmäßig<br />

relativ ausgewogenes Verhältnis <strong>der</strong> zu den einzelnen Fachgebieten verfaßten Artikel.<br />

Bezeichnend ist die Tatsache, daß über die noch kaum entwickelte Kieferorthopädie<br />

mit 28 Beiträgen im gesamten Verlauf <strong>der</strong> 27 Jahrgänge sehr selten geschrieben wur-<br />

de.<br />

Abbildung 8 zeigt den jeweiligen Anteil <strong>der</strong> Artikel eines Fachthemas an <strong>der</strong> Gesamt-<br />

zahl aller Artikel im gesamten Erscheinungszeitraum <strong>der</strong> 27 Jahrgänge.<br />

Standespolitik/Statistik<br />

3,3%<br />

Werkstoffe/Instrumente<br />

7,8%<br />

Anatomie/Physiol./Pathol.<br />

6,9%<br />

Vereinsnachrichten<br />

2,5%<br />

Hygiene<br />

0,5%<br />

Arzneimittel<br />

5,5%<br />

Narkose/Anästhesie<br />

15,1%<br />

Literaturbesprechung<br />

7,0%<br />

Kin<strong>der</strong>zahnheilkunde<br />

2,3%<br />

KFO<br />

1,2%<br />

Chirurgie<br />

24,6%<br />

Prothetik<br />

7,1%<br />

Konserv. Zahnheilkunde<br />

16,3%<br />

Abb. 8 Prozentualer Anteil <strong>der</strong> themenspezifischen Artikel an<br />

<strong>der</strong> Artikelgesamtzahl in den 27 Jahrgängen von ,Der Zahnarzt’


28<br />

Diese graphische Darstellung verdeutlicht, daß nahezu ein Viertel aller im ‚Zahnarzt’<br />

abgedruckten Artikel die zahnärztliche Chirurgie zum Inhalt hatte. Bei Addition <strong>der</strong><br />

Beiträge über Narkose- und Anästhesieverfahren erhöht sich dieser Anteil gar auf nahe-<br />

zu 40 %. Größere Anteile weist auch die konservierende Zahnheilkunde mit 16,3 % auf.<br />

Mit 7,1 % zeigt sich die Prothetik relativ schwach vertreten; dabei ist zu berücksichti-<br />

gen, daß Verfahren zum Ersatz von fehlenden Zähnen noch nicht weit verbreitet waren.<br />

Einen vergleichbaren Anteil an Beiträgen weisen die Gebiete Werkstoffe/Instrumente<br />

(7,8 %), Literaturbesprechungen (7 %) und <strong>der</strong> mit <strong>der</strong> <strong>Medizin</strong> in Zusammenhang ste-<br />

hende Themenkomplex Anatomie/Physiologie/Pathologie (6,9 %) auf. Des öfteren fand<br />

<strong>der</strong> Leser des ‚Zahnarzt’ Berichte über Erfahrungen mit neuen o<strong>der</strong> gebräuchlichen<br />

Arzneimitteln (5,5 %) o<strong>der</strong> die Kin<strong>der</strong>zahnheilkunde. Selten erschienen jedoch Artikel,<br />

die auf die Kieferorthopädie o<strong>der</strong> auf Hygienemaßnahmen Bezug nahmen (1,2 % bzw.<br />

0,5 %).


29<br />

4. Von <strong>der</strong> „Froschgeschwulst“ bis zur Transplantation: Das Spek-<br />

4.1 Allgemeines<br />

trum <strong>der</strong> zahnärztlichen Chirurgie in <strong>der</strong> Zeitschrift<br />

,Der Zahnarzt’<br />

So maßgeblich die zahnärztliche Chirurgie <strong>für</strong> die deutsche Zahnheilkunde im 19.<br />

Jahrhun<strong>der</strong>t war, so vielfältig waren auch die im ,Zahnarzt’ zu findenden Themen in<br />

diesem Bereich. Nahezu alle in <strong>der</strong> damaligen Zeit relevanten Fragen wurden behan-<br />

delt. Auch wenn einige Gebiete, wie zum Beispiel die Grundlagen <strong>der</strong> Hygiene, auf-<br />

grund des damaligen Wissenstands recht stiefmütterlich abgehandelt wurden, ist nicht<br />

zu übersehen, daß sich die <strong>für</strong> den ,Zahnarzt’ tätigen Fachautoren durchaus über diffe-<br />

renzierte Sachverhalte und Therapievarianten im Bereich <strong>der</strong> zahnärztlichen Chirurgie<br />

Gedanken machten. Als beson<strong>der</strong>s populär mußte nach den Entdeckungen von Horace<br />

Wells (Lachgas 1844), T. G. Morton (Äther 1846) und James Young Simpson (Chlo-<br />

roform 1847) die Anwendung <strong>der</strong> Narkose bei Zahnoperationen gelten. Dementspre-<br />

chend hoch war die Zahl <strong>der</strong> zu diesem Thema verfaßten Artikel. Erwartungsgemäß<br />

intensiv wurde auch das Thema <strong>der</strong> Zahnextraktion als häufigste Maßnahme zur<br />

Schmerzbeseitigung verarbeitet. Ebenso fanden die Behandlung neuralgischer Be-<br />

schwerden, auch als ,tic douloureux’ o<strong>der</strong> Gesichtsschmerz bekannt, wie auch die<br />

Therapie gut- o<strong>der</strong> bösartiger Geschwülste im ,Zahnarzt’ große Beachtung. Insgesamt<br />

erwartete den Leser dieser Zeitschrift ein breites Spektrum an Themen <strong>der</strong> zahnärztli-<br />

chen Chirurgie, auch wenn <strong>der</strong> Inhalt <strong>der</strong> meisten Beiträge eher auf Erfahrungswerten<br />

<strong>der</strong> Verfasser denn auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basierte. Qualitativ wie auch<br />

quantitativ zeigte sich beim Vergleich einzelner Artikel untereinan<strong>der</strong> eine große<br />

Spannbreite. Während einige Abhandlungen sehr ausführlich und detailliert ausfielen<br />

und sich über mehrere Monatshefte erstreckten, beschränkte sich so mancher Autor<br />

auf einige wenige Zeilen, um seine Entdeckung o<strong>der</strong> sein Anliegen <strong>der</strong> Leserschaft<br />

kund zu tun.<br />

Die Beurteilung <strong>der</strong> Fachkompetenz muß schwer fallen. Meist fehlten zum einen a<br />

priori etwaige Angaben zur Quelle o<strong>der</strong> zum Autor, o<strong>der</strong> es wurde bei genauerer Be-<br />

trachtung eines Artikels offensichtlich, daß <strong>der</strong> Beitrag eines genannten Autors in


30<br />

<strong>Aus</strong>zügen kopiert o<strong>der</strong> dieser allenfalls zitiert wurde. Auch Schmedickes erbitterter<br />

Gegner Hei<strong>der</strong> hatte in diesem Zusammenhang den Herausgeber des ‚Zahnarzt’ heftig<br />

kritisiert, da ersterer kopierte Originalartikel ohne Quellenangabe veröffentlichte.<br />

Eine Übersicht über die Gewichtung <strong>der</strong> einzelnen chirurgischen Themenbereiche im<br />

Verlauf <strong>der</strong> 27 Jahrgänge des ,Zahnarzt’ geben Tabelle 2 und Abbildung 9.<br />

Jahrgang<br />

Zahnentfernung/Extraktionsinstrumente<br />

Tumoren/Epulis<br />

Neuralgische Beschwerden<br />

Blutung/Blutstillung<br />

Zysten<br />

Weichteilinfektionen<br />

Hygiene<br />

Frakturen des Kiefers<br />

1 0 3 3 1 1 0 0 1 0 1 0<br />

2 39 3 4 7 9 4 0 0 1 0 1<br />

3 22 4 1 0 3 3 1 0 1 0 1<br />

4 17 9 4 2 5 3 1 0 0 0 2<br />

5 30 4 6 1 3 2 1 0 1 1 0<br />

6 15 0 3 2 2 1 0 0 0 0 0<br />

7 18 0 5 2 5 4 2 1 0 0 0<br />

8 9 1 3 7 4 3 3 0 0 0 0<br />

9 7 1 3 1 4 3 0 0 0 0 0<br />

10 2 4 1 3 2 4 2 0 3 0 0<br />

11 7 5 1 5 4 1 2 0 2 0 0<br />

12 8 4 4 5 0 0 1 2 3 0 0<br />

13 14 2 2 4 0 3 1 2 1 0 0<br />

14 16 4 2 3 1 1 0 1 2 0 2<br />

15 8 7 2 2 3 0 0 1 0 0 0<br />

16 4 3 1 3 0 0 2 2 0 0 0<br />

17 5 2 1 4 3 2 0 2 1 1 0<br />

18 5 5 5 2 2 0 0 2 0 1 1<br />

19 20 2 1 1 2 1 0 2 0 1 2<br />

20 9 5 2 2 3 1 4 1 0 0 0<br />

21 12 5 4 0 1 0 2 1 1 3 2<br />

22 4 3 3 3 0 0 0 1 0 1 0<br />

23 19 2 0 0 1 0 0 1 0 2 1<br />

24 22 1 3 0 0 0 0 2 0 1 2<br />

25 15 4 1 6 0 1 0 0 0 4 1<br />

26 20 2 2 0 2 0 0 1 1 2 1<br />

27 3 2 2 1 0 2 2 0 1 0 1<br />

GESAMT 350 87 69 67 60 39 24 23 18 18 17<br />

Replantation/Transplantation<br />

Tab. 2 Artikelzahlen zum Thema ‚Chirurgie’


Anzahl <strong>der</strong> Artikel<br />

400<br />

350<br />

300<br />

250<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50<br />

0<br />

350<br />

87<br />

Zahnentfernung/Extraktionsinstrumente<br />

Neuralgische Beschwerden<br />

69 67<br />

Tumoren/Epulis<br />

31<br />

60<br />

Blutung/Blutstillung<br />

39<br />

Zysten<br />

24 23 18 18 17<br />

Frakturen des Kiefers<br />

Abb. 9 Anzahl <strong>der</strong> Artikel zu ausgewählten chirurgischen Themen<br />

4.2 Schmerzausschaltung<br />

Hygiene<br />

Replantation/Transplantation<br />

Obwohl die Entdeckung <strong>der</strong> Einsatzmöglichkeiten des Stickstoffoxyduls (Lachgas,<br />

11. Dezember 1844) durch Horace Wells 65 bereits über ein Jahr zurücklag, fand sich<br />

im ersten Jahrgang des ‚Zahnarzt’ kein Artikel, <strong>der</strong> auf den Einsatz von Narkotika bei<br />

Patienten Bezug nahm. 66<br />

65 Horace Wells (1815-1848), Zahnarzt aus Connecticut, verwendete erstmals Lachgas als Betäubungs-<br />

mittel bei einem chirurgischen Eingriff: vgl. Ring (1997), S. 233.<br />

66 Zahnarzt 1 (1846).


32<br />

Erst im Märzheft des Jahres 1847 fand die Narkose erstmalig Erwähnung. Dieser Be-<br />

richt ohne Autoren- und Quellenangabe beschrieb die erste Anwendung des Schwe-<br />

feläthers (Aether sulfuricus) bei Zahnoperationen durch den amerikanischen Zahnarzt<br />

Morton 67 . Äther erfreute sich nach Mortons Versuchen an sich selbst und an seiner<br />

Tochter im Jahre 1846 einiger Beliebtheit unter den Kollegen. Das „gewöhnliche Ver-<br />

fahren“ zur Erlangung <strong>der</strong> Bewußtlosigkeit des Patienten wird wie folgt geschil<strong>der</strong>t:<br />

„Es werden damit getränkte Stücke Schwamm in ein zur Einathmung passendes Gefäß<br />

gethan; diese Gefäß wird ein wenig erwärmt, während <strong>der</strong> Kranke das damit verbun-<br />

dene Rohr in den Mund nimmt und bei zugesperrter Nase höchstens 1 Minute lang<br />

den aufsteigenden Dunst einathmet“. Es wird allerdings auch nicht die relativ kurze<br />

Wirkungsdauer dieses Narkoseverfahrens verschwiegen: „Man darf damit (z.B. <strong>der</strong><br />

<strong>Aus</strong>ziehung eines Zahnes) nicht säumen, weil <strong>der</strong> Zustand von Bewußtlosigkeit und<br />

Unempfindlichkeit nicht lange dauert. Nach etwa 2 Minuten erwacht <strong>der</strong> Kranke wie<br />

aus tiefem Schlaf“. 68<br />

In <strong>der</strong>selben <strong>Aus</strong>gabe wurde in einem weiteren Artikel die erste Anwendung des<br />

Schwefeläthers in Deutschland am 24. Januar des Jahres 1847 in Leipzig durch die<br />

Doktoren Weickert und Obenaus beschrieben. Ferner schlug Herr Dr. Bergson, prakti-<br />

scher Arzt zu Berlin, die Einatmung des Ätherdampfes durch die Nase vor, um Übel-<br />

keit und Kopfschmerz bei <strong>der</strong> Einatmung durch den Mund, vorzubeugen. 69<br />

Auch im Maiheft betonte Bergson erneut die unterschiedlichen Wirkungsgrade des<br />

Äthers je nach Einatmung durch Mund o<strong>der</strong> Nase, während Dr. Behrend, ebenfalls<br />

Berlin, die Ätherwirkungen an die Dauer <strong>der</strong> Einatmung, das Alter und die Konstituti-<br />

on des jeweiligen Patienten knüpfte. 70<br />

Einige Beobachtungen von physiologischen und psychologischen Begleiterscheinun-<br />

gen während des Narkotisierens mit Äther schil<strong>der</strong>te Dr. Hammerschmidt aus Wien in<br />

<strong>der</strong> Juni-<strong>Aus</strong>gabe des ‚Zahnarzt’. Er beschrieb die typischen körperlichen Vorgänge<br />

und Sinneswandlungen, die beim Einatmen des Ätherdampfes bei nahezu allen Patien-<br />

67 William Thomas Green Morton (1819-1868) führte am 30. September 1846 in Boston, Massachussetts<br />

die Wirkung des Äthers bei einer Extraktion vor: vgl. Brunn (1928), S. 271; Bennion (1988), S.<br />

103.<br />

68 Zahnarzt 2 (1847), S. 84-90.<br />

69 Zahnarzt 2 (1847), S. 95-96.<br />

70 Zahnarzt 2 (1847), S. 156-160.


33<br />

ten auftraten, wie zum Beispiel das „beschleunigte Atmen, Ohrenklingen o<strong>der</strong> Sausen,<br />

Gefühl eines unendlich schnell Dahinfliegenden“. 71<br />

Abb. 10 Äther-Inhalationsgerät mit seltenem Mundstück<br />

Auch <strong>der</strong> durch die Verschiebelappenplastik zur Deckung von Defekten an Lippe, Na-<br />

senflügel und Ohrläppchen bekannt gewordene Berliner Chirurg Johann F. Dieffen-<br />

71 Zahnarzt 2 (1847), S. 177-179.


34<br />

bach (1792-1847) be<strong>für</strong>wortete noch kurz vor seinem Tode in <strong>der</strong> Augustausgabe des<br />

Jahrgangs 1847 die Anwendung <strong>der</strong> Ätherinhalation. 72<br />

Im darauffolgenden Heft unterteilte Buchner senior aus München die zur Ätherinhala-<br />

tion gängigen Apparate in drei Klassen. Zum einen nannte er die „mit zwei Hälsen“<br />

bzw. „mit einem zweimal durchbohrten Korken versehene Flasche, wovon die eine<br />

Öffnung <strong>für</strong> den Eintritt <strong>der</strong> äußern Luft und die an<strong>der</strong>e <strong>für</strong> die Respirationsröhre<br />

dient“, so daß sich Atemluft und <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Flasche befindliche Äther stetig vermisch-<br />

ten. Dieses System, bei <strong>dem</strong> neben <strong>der</strong> Flasche auch Schafs- o<strong>der</strong> Schweinsblasen<br />

eingesetzt wurden, kam also ohne Wasser o<strong>der</strong> Schwamm aus. Eine etwas abgewan-<br />

delte Variante stellte eine Glasflasche o<strong>der</strong> ein ähnliches Gefäß dar, das ebenfalls mit<br />

einem zweimal durchbohrten Korkstöpsel verschlossen war, in welches jedoch vor<br />

<strong>dem</strong> Gebrauch ein mit Äther getränktes Schwammstückchen geworfen wurde. Die<br />

dritte Möglichkeit bestand darin, den Äther auf das in einem Gefäß o<strong>der</strong> in einer Fla-<br />

sche befindliche warme Wasser zu geben. Von dieser Methode versprach man sich ei-<br />

ne gewisse Reinigung des Äthers durch das Wasser und zusätzlich eine Dosierungs-<br />

möglichkeit durch die entsprechende Zugabe von Wasser. 73<br />

Von noch vorherrschen<strong>der</strong> Unsicherheit und Unregelmäßigkeit bei <strong>der</strong> Narkose durch<br />

Ätherinhalation zeugten unter an<strong>der</strong>em die in <strong>der</strong> Oktoberausgabe des ‚Zahnarzt’ ge-<br />

druckten Beiträge von Hey<strong>der</strong> aus Erlangen und Prof. Pitha aus Prag. So beschrieben<br />

sie bei <strong>der</strong> Ätherisation auftretende Extreme zwischen Depression und Exzitation,<br />

klagten über den sehr schwierig zu erkennenden korrekten Zeitpunkt <strong>für</strong> die Durch-<br />

führung des operativen Eingriffs und stellten die nicht zu unterschätzende Abhängig-<br />

keit <strong>der</strong> Ätherwirkungen von „Alter, Geschlecht, Konstitution, Lebensweise, Idiosyn-<br />

krasie und Gemüthsverfassung“ dar. 74<br />

Von den ersten öffentlich bekannt gewordenen Todesfällen infolge <strong>der</strong> Ätherinhalati-<br />

on berichtete ein zunächst am 27. März 1847 in <strong>der</strong> ‚Gazette medicale de Paris’ er-<br />

schienener und dann im ‚Zahnarzt’ zu finden<strong>der</strong> Artikel. Dem Bericht zufolge blieben<br />

72 Zahnarzt 2 (1847), S. 254.<br />

73 Zahnarzt 2 (1847), S. 282-284.<br />

74 Zahnarzt 2 (1847), S. 301-302; S. 305-309.


35<br />

Versuche, die zwei in England „Verstorbenen durch Einathmen von Ammoniak und<br />

flüchtigem Alkali aus <strong>dem</strong> Scheintode zu erwecken“, ohne Erfolg. 75<br />

Erstaunlicherweise fand sich im Novemberheft des Jahres 1847 ein Beitrag von<br />

Schmedickes Gegner Dr. Moritz Hei<strong>der</strong> „Über die Anwendbarkeit <strong>der</strong> Äthernarkose<br />

in <strong>der</strong> zahnärztlichen Praxis“, doch wurde auch dieser Artikel einem Wiener Ärzte-<br />

blatt entnommen und keineswegs von Hei<strong>der</strong> eigens <strong>für</strong> den ‚Zahnarzt’ verfaßt. Hei-<br />

<strong>der</strong> kam zu <strong>dem</strong> Schluß, daß die Narkose „in gewöhnlichen Fällen entbehrlich“ sei,<br />

und genau abgewogen werden müsse zwischen <strong>dem</strong> Operationsschmerz und den auf-<br />

tretenden Nebenwirkungen des Äthers auf den menschlichen Organismus. 76<br />

Vom Chloroform erfuhr <strong>der</strong> Leser des ‚Zahnarzt’ erstmalig im Dezemberheft des<br />

Jahrgangs 1847. In einer Sitzung des ‚Vereins <strong>der</strong> Zahnärzte zu Berlin’ berichtete<br />

Hofzahnarzt Lomnitz vom Einsatz des Chloroforms bei seinen Patienten, welches, ap-<br />

pliziert auf „ein Stück Linnen o<strong>der</strong> Watte“ und zur Inhalation in einer Tüte gereicht,<br />

<strong>für</strong> diese „weit angenehmer als <strong>der</strong> Schwefeläther“ sei. 77<br />

Erst einige Monate nach<strong>dem</strong> Sir James Young Simpson 78 aus Edinburgh seine Erfah-<br />

rungen mit <strong>der</strong> Chloroformnarkose <strong>der</strong> Öffentlichkeit preisgegeben hatte, erschien im<br />

‚Zahnarzt’ ein Artikel, <strong>der</strong> einen Vortrag Simpsons vom 10. November 1847 zum In-<br />

halt hatte. In diesem Vortrag unterstrich Simpson die nach seinen Versuchen auf <strong>der</strong><br />

Hand liegenden Vorteile des Chloroforms gegenüber <strong>dem</strong> Äther, wie zum Beispiel die<br />

schneller eintretende und vollständigere Wirkung, die einfache Anwendung ohne ei-<br />

nen speziellen Apparat und nicht zuletzt das sehr viel kleinere Spektrum an uner-<br />

wünschten Nebenwirkungen. 79<br />

Doch wurden auch kritische Stimmen bezüglich <strong>der</strong> Chloroformanwendung laut.<br />

„Sehr starke Abgemattetheit, Eingenommenheit des Kopfes, ein weit tiefer deprimirter<br />

Puls, Störung <strong>der</strong> Intestinalfunktionen“ und eine gerade aufgrund <strong>der</strong> schnell eintre-<br />

75 Zahnarzt 2 (1847), S. 317.<br />

76 Zahnarzt 2 (1847), S. 340-341.<br />

77 Zahnarzt 2 (1847), S. 376.<br />

78 Sir James Young Simpson (1811-1870) machte als Geburtshelfer zahlreiche Beobachtungen an Gebärenden<br />

und chirurgisch Operierten. Am 10. November 1847 legte er das Ergebnis <strong>der</strong> medizinischchirurgischen<br />

Gesellschaft in Edinburgh vor: vgl. Brunn (1928), S. 273.<br />

79 Zahnarzt 3 (1848), S. 57-58.


36<br />

tenden Wirkung bestehende Gefahr <strong>für</strong> den Patienten waren Gründe, <strong>dem</strong> Chloroform<br />

nicht uneingeschränkt den Vorzug zu geben. 80<br />

Auch Zahnarzt Joseph Weiger aus Wien schil<strong>der</strong>te in seinem Beitrag im Juniheft des<br />

Jahres 1848 seine Überzeugung, daß das Chloroform den Äther nicht verdrängen kön-<br />

ne, auch wenn er sich <strong>der</strong> bekannten Nachteile <strong>der</strong> Ätherinhalation bewußt war. Als<br />

Kompromiß schlug er eine exakt dosierte Mischung aus Äther und Chloroform vor,<br />

mit <strong>der</strong> er nach eigenen Angaben hervorragende Ergebnisse erzielt hatte. 81<br />

In <strong>der</strong> Oktoberausgabe wurde vom Tode eines jungen Mädchens berichtet, das durch<br />

Rettungsversuche nach eingetretener Ohnmacht bei <strong>der</strong> Chloroformnarkose mit Hilfe<br />

von Flüssigkeiten, die in die Lunge gelangten, verstorben war. Simpson, <strong>der</strong> diesen<br />

Artikel <strong>für</strong> ‚The Lancet’ verfaßte, empfahl daraufhin, bei Ohnmacht ausschließlich die<br />

Chloroforminhalation zu unterbrechen, um das Bewußtsein des Patienten wie<strong>der</strong>zuer-<br />

langen. 82<br />

Eine direkt mit <strong>der</strong> Chloroformeinatmung in Verbindung stehende Todesursache sah<br />

man teilweise in einer „die Muskelkraft des Herzens lähmenden Einwirkung“. 83<br />

Nach weiteren aufgetretenen Todesfällen, über die teilweise auch Schmedicke als Re-<br />

dakteur des ‚Zahnarzt’ in einem Artikel berichtete, galt als Ursache weniger die Ge-<br />

samtmenge des inhalierten Chloroforms; vielmehr wurde die Dauer <strong>der</strong> Einatmung<br />

und <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> atmosphärischen Luft an <strong>der</strong> eingeatmeten Gasmenge als wichtiges<br />

Kriterium diskutiert. 84<br />

Einige Ärzte und Zahnärzte betrachteten das Chloroform nicht nur als potentes Narko-<br />

tikum, son<strong>der</strong>n auch als Mittel, um bei lokaler Einwirkung eine gewisse Schmerzfrei-<br />

heit zu erreichen. Die Autoren einiger Beiträge in <strong>der</strong> Januar-, März- und Augustaus-<br />

gabe des Jahres 1849 berichteten von ihren positiven Erfahrungen, bei denen sie das<br />

Chloroform sowohl als schmerzstillendes Mittel direkt auf den betreffenden Zahn auf-<br />

trugen als auch vor operativen Eingriffen durch Applikation auf das Operationsgebiet<br />

eine ausreichende Anästhesie erzielten. 85<br />

80 Zahnarzt 3 (1848), S. 158-160.<br />

81 Zahnarzt 3 (1848), S. 161-166.<br />

82 Zahnarzt 3 (1848), S. 312.<br />

83 Zahnarzt 3 (1848), S. 351.<br />

84 Zahnarzt 4 (1849), S. 348-349; S. 353-355.<br />

85 Zahnarzt 4 (1849), S. 31; S. 94-95; S. 252.


37<br />

Doch auch bei großer Akzeptanz und breiter Anwendung des Chloroforms und auch<br />

des Äthers konnten die immer wie<strong>der</strong> auftretenden Todesfälle nicht unberücksichtigt<br />

bleiben. In seinem einer französischen Fachzeitschrift entnommenen und im Juniheft<br />

des ‚Zahnarzt’ abgedruckten Artikel untersuchte Professor von Bouisson, Montpellier,<br />

die betreffenden Todesfälle und kam unter an<strong>der</strong>em zu <strong>dem</strong> Ergebnis, „daß nach<br />

Aethereinathmungen <strong>der</strong> Tod immer erst mehrere Stunden, ja Tage danach eintrat,<br />

während er nach Chloroformeinathmungen mit einer verzweiflungsvollen Schnellig-<br />

keit erfolgte; zwei Minuten genügten, um das Leben zu enden“. Eine beson<strong>der</strong>e Ge-<br />

fahr sah er in <strong>der</strong> bei <strong>der</strong> Chloroformnarkose häufig eintretenden Asphyxie. 86<br />

Obwohl <strong>dem</strong> Chloroform neben seinen narkotisierenden Eigenschaften auch positive<br />

Wirkungen unter an<strong>der</strong>em bei <strong>der</strong> Behandlung neuralgischer Beschwerden zugespro-<br />

chen wurden, häuften sich im nachfolgenden fünften Jahrgang des ‚Zahnarzt’ Mel-<br />

dungen über Zwischenfälle nach Chloroformeinatmungen.<br />

In <strong>der</strong> Märzausgabe schil<strong>der</strong>te Schmedicke in einem Artikel den Fall einer Gerichts-<br />

verhandlung, bei <strong>der</strong> ein Berliner Zahnarzt „wegen fahrlässiger Tödtung eines Men-<br />

schen durch Anwendung des Chloroforms“ angeklagt, jedoch nicht verurteilt wurde,<br />

da vom regelkonformen Umgang mit <strong>dem</strong> Chloroform ausgegangen werden konnte. 87<br />

Daraufhin versuchten sowohl Ärzte als auch Zahnärzte die Todesursachen näher zu<br />

ergründen und Vorsichtsmaßnahmen <strong>für</strong> den Chloroformgebrauch festzulegen. Neben<br />

<strong>der</strong> allgemein verbreiteten Annahme, daß <strong>der</strong> durch Inhalation von konzentriertem<br />

Chloroform hervorgerufene Sauerstoffmangel als Ursache in Betracht kam, sah <strong>der</strong><br />

Hospitalarzt Ancelon einen nicht nüchternen Magen als gefährlichen Umstand bei <strong>der</strong><br />

Chloroformnarkose an. Er ging von mechanischen Störungen <strong>der</strong> „venösen Circulati-<br />

on“ durch Mageninhalt und gleichzeitig auftreten<strong>dem</strong> Gasdruck aus und for<strong>der</strong>te da-<br />

her als Grundbedingung einen zum Zeitpunkt <strong>der</strong> Narkose nüchternen Patienten.<br />

Fincke, <strong>Medizin</strong>al-Assessor zu Koblenz beschrieb in <strong>der</strong> Februarausgabe sein Verfah-<br />

ren zur Feststellung des optimalen Operationszeitpunktes bei <strong>der</strong> Chloroformeinat-<br />

mung, <strong>der</strong> nach seinem Ermessen dann erreicht war, wenn <strong>der</strong> Patient das Bestreichen<br />

<strong>der</strong> Gesichtshaut mit <strong>dem</strong> Finger nicht mehr wahrnehmen konnte. Ergänzend führte<br />

86 Zahnarzt 4 (1849), S. 183-185; Asphyxie = Atemdepression bzw. Atemstillstand u. Herz-Kreislauf-<br />

Versagen bei Atemwegverlegung o<strong>der</strong> Atemlähmung: vgl. Pschyrembel (1998), S. 134.<br />

87 Zahnarzt 5 (1859), S. 63; S. 122; S. 37-40.


38<br />

Fincke einen Personenkreis auf, darunter unter an<strong>der</strong>em Herzkranke, „Engbrüstige“<br />

und „Personen, die zu Krämpfen geneigt sind“, bei denen er eindeutige Kontraindika-<br />

tionen <strong>für</strong> die Chloroformnarkose sah. Des weiteren riet er davon ab, bei erfolglosem<br />

Erstversuch <strong>der</strong> Narkose einen zweiten Versuch an <strong>dem</strong>selben Tage vorzunehmen. 88<br />

Es wurde an entsprechen<strong>der</strong> Stelle oft auf die Wichtigkeit hingewiesen, „die Chloro-<br />

formdämpfe gehörig mit atmosphärischer Luft“ zu mischen, und auch beim Eintreten<br />

unerwünschter Zwischenfälle bis hin zur Ohnmacht galt „das Eindringen des reinen<br />

Oxygengases“ in die Atemwege nach wie vor als probate Gegenmaßnahme. 89<br />

Jedoch machte Courty in einem langen Beitrag in <strong>der</strong> Oktoberausgabe des sechsten<br />

Jahrgangs im Jahre 1851 gerade die zu geringe Initialdosis an Chloroform durch Luft-<br />

beimischung <strong>für</strong> die unerwünschten Nebenwirkungen und die Todesfälle verantwort-<br />

lich. Seiner aus eigenen Beobachtungen in einem französischen Klinikum abgeleiteten<br />

Theorie zufolge führte die anfänglich zu schwach angesetzte Chloroformdosis zur<br />

Entstehung einer unzureichenden Unempfindlichkeit und eines Erregungszustandes,<br />

<strong>der</strong> sonst nur bei Benutzung des Äthers ausgeprägt war. Dies veranlaßte dann den Be-<br />

handler zu weiterer Gabe des mit Umgebungsluft angereicherten Narkotikums, was<br />

schließlich „nicht den gewünschten Zustand, son<strong>der</strong>n eine Intoxikation verursachte“.<br />

Courty schlußfolgerte daher, daß eine schnelle Chloroformierung mit relativ hoher<br />

Anfangsdosis, vergleichbar mit einer „Ueberrumpelung“ des Körpers, am effektivsten<br />

wirkte und mit <strong>dem</strong> geringsten Gefahrenpotential verbunden war.<br />

Überdies warf er erstmalig die Frage auf, ob das Chloroform bei den Patienten even-<br />

tuell eine Amnesie hervorrufe. Diese These basierte auf Courtys Beobachtungen, daß<br />

Patienten während <strong>der</strong> Operation zwar offensichtlich Schmerzen gespürt hatten, sich<br />

jedoch nachher keiner Schmerzempfindung mehr entsinnen konnten. 90<br />

In <strong>der</strong> Dezemberausgabe wies Dr. Melicher auf „die Schädlichkeit <strong>der</strong> Chloroform-<br />

Narkose <strong>für</strong> den Fötus“ hin, und riet daher von <strong>der</strong> Anwendung bei Schwangeren ab,<br />

empfahl jedoch auch generell, „bei Frauenzimmern sich nur in <strong>Aus</strong>nahmefällen des<br />

Chloroforms zu bedienen“. 91<br />

88 Zahnarzt 5 (1850), S. 33-36.<br />

89 Zahnarzt 5 (1850), S. 63-64; S. 253.<br />

90 Zahnarzt 6 (1851), S. 306 ff.<br />

91 Zahnarzt 6 (1851), S. 370-371.


39<br />

Bereits einige Jahre vor Entdeckung und Einführung <strong>der</strong> Lokalanästhesie berichtete<br />

Dr. Böttiger von <strong>der</strong> sogenannten Pharmakopunktur. Sein Artikel erschien schon im<br />

Jahre 1848 in einer skandinavischen Fachzeitschrift, wurde jedoch erst im Maiheft des<br />

Jahres 1851 im ‚Zahnarzt’ abgedruckt. Dr. Böttiger beschrieb, wie er „vermittelst ei-<br />

ner Lanzette ein konzentriertes Heilmittel in das Nervengeflecht <strong>der</strong> Haut“ einführte,<br />

um eine lokale Schmerzausschaltung zu erlangen, und zwar <strong>für</strong> den Unterkiefer „über<br />

<strong>dem</strong> Eingang des Nervus alveolaris an <strong>der</strong> unteren Kinnlade, und am Oberkiefer un-<br />

mittelbar vor <strong>dem</strong> Gehörgange“. 92<br />

Eine an<strong>der</strong>e Art <strong>der</strong> örtlichen Schmerzausschaltung beschrieb ein Artikel in <strong>der</strong><br />

Augustausgabe des siebten Jahrgangs. Der Autor Fromont verwendete<br />

chloroformiertes Öl, welches er in den äußeren Gehörgang träufelte. Hierbei entdeckte<br />

er die ausschließliche Wirkung dieser Methode auf die Zähne des Unterkiefers und<br />

kam zu <strong>der</strong> Ansicht, „daß die ursprünglichen Beziehungen <strong>der</strong> Ohrennerven mit <strong>dem</strong><br />

untern Zahnnerven inniger sind als die mit <strong>dem</strong> oberen“. 93<br />

Es mangelte nicht an Empfehlungen, das Chloroform zur Anästhesie lokal zu applizie-<br />

ren. So fand <strong>der</strong> Leser des ‚Zahnarzt’ im Aprilheft des gleichen Jahrgangs ein Rezept<br />

<strong>für</strong> eine Chloroformsalbe, welche „als ein sehr wirksames Mittel gegen Gesichts-<br />

Neuralgie“ angepriesen wurde. 94<br />

Über die korrekte Anwendung des Chloroforms bei <strong>der</strong> Narkose bestand jedoch offen-<br />

sichtlich noch keine Einigkeit. So empfahl Dr. Bocamy aus Perpignan, Frankreich,<br />

den Patienten am Tag vorher mit steigen<strong>der</strong> Dosis an die Wirkung des Chloroforms zu<br />

gewöhnen, „um schlimme Zufälle zu vermeiden“. 95<br />

Dr. Delabarre wie<strong>der</strong>um betonte entgegen den Ratschlägen Courtys im vorherigen<br />

Jahrgang des ‚Zahnarzt’ die Wichtigkeit <strong>der</strong> Mischung sowohl des Chloroforms als<br />

auch des Äthers mit <strong>der</strong> Umgebungsluft, um den Patienten vor den nicht zu unter-<br />

schätzenden Nebenwirkungen und Folgen <strong>der</strong> Narkose zu schützen. 96<br />

Bei zu starker Betäubung durch Chloroform riet Dr. Abeille aus Korsika in seinem<br />

Artikel zur Anwendung von Elektrizität, um „den Patienten wie<strong>der</strong> ins Leben zurück-<br />

92 Zahnarzt 6 (1851), S. 158.<br />

93 Zahnarzt 7 (1852), S. 251-252.<br />

94 Zahnarzt 7 (1852), S. 127.<br />

95 Zahnarzt 7 (1852), S. 254-255.<br />

96 Zahnarzt 7 (1852), S. 284-285.


40<br />

zurufen“. Er beschrieb ein Verfahren, bei <strong>dem</strong> die Elektrizität „vermittelst Nadeln“ an<br />

verschiedenen Teilen des Körpers appliziert wurde und zur sofortigen Aufhebung <strong>der</strong><br />

Narkose führte. 97<br />

Im Augustheft des Jahres 1853 fand sich im ‚Zahnarzt’ eine aus <strong>der</strong> englischen Fach-<br />

zeitschrift ‚The Lancet’ entnommene Auflistung <strong>der</strong> bisher bekannten aufgetretenen<br />

Todesfälle nach Chloroformgebrauch. „Hiernach sind im Ganzen 40 solcher Fälle<br />

beobachtet worden, wovon 18 auf England, Schottland und Irland, sieben auf Frank-<br />

reich, sechs auf Amerika, drei auf <strong>Aus</strong>tralien, und außer<strong>dem</strong> auf Brügge, Ulm, Stock-<br />

holm, Berlin, Hannover und Madrid je einer kommen“. 98<br />

In <strong>der</strong> Märzausgabe des darauffolgenden neunten Jahrgangs versuchte Moritz Blau,<br />

praktischer Zahnarzt in Prag, die These zu untermauern, daß die Chloroformeinat-<br />

mung bei ordnungsgemäßer Durchführung und in <strong>der</strong> Hand eines erfahrenen Behand-<br />

lers durchaus eine sichere Methode <strong>der</strong> Narkose sei. Dies belegte er mit Beobachtun-<br />

gen und statistischen Daten aus seiner eigenen Praxis, in <strong>der</strong> Blau seinen Angaben zu-<br />

folge „bei mehr als 6300 Narkotisierungen“ keinen einzigen „Fall mit unglücklichem<br />

<strong>Aus</strong>gange“ erlebt hatte. Wie Dr. Delabarre in Paris im vorausgegangenen Jahrgang<br />

auch, betonte Blau noch mal die Bedeutung <strong>der</strong> sitzenden Position des zu narkotisie-<br />

renden Patienten, da an<strong>der</strong>nfalls durch das <strong>Aus</strong>bleiben des Schluckreflexes die Gefahr<br />

bestand, daß in <strong>der</strong> Mundhöhle angesammelter Speichel in die Atemwege gelangte<br />

und dadurch „Asphyxie veranlaßt“ wurde. 99<br />

Im zehnten Jahrgang des ‚Zahnarzt’ fand das Thema <strong>der</strong> Narkose mit zwei sehr kur-<br />

zen Beiträgen relativ wenig Beachtung.<br />

Der folgende elfte Jahrgang präsentierte <strong>dem</strong> Leser mit den Artikeln von J. Richard<br />

Quinton (London) und Dr. A. Fleming (Cork) zwei alternative Verfahren zur Unter-<br />

drückung des Schmerzes bei zahnärztlichen Operationen. Quinton beschäftigte sich in<br />

seinem gut 25 Seiten starken, auf mehrere <strong>Aus</strong>gaben verteilten Bericht mit <strong>der</strong> Frage,<br />

ob es überhaupt gerechtfertigt sei, Chloroform anzuwenden. Auch die wohl schmerz-<br />

hafteste Operation <strong>der</strong> Zahnextraktion, verglichen mit größeren chirurgischen Eingrif-<br />

fen wie zum Beispiel <strong>der</strong> Amputation, war <strong>für</strong> Quinton keine Indikation, um den Pati-<br />

97 Zahnarzt 7 (1852), S. 93.<br />

98 Zahnarzt 8 (1853), S. 254.<br />

99 Zahnarzt 8 (1853), S. 369-376; Zahnarzt 9 (1854), S. 65-70.


41<br />

enten routinemäßig durch die nicht ungefährliche Chloroformnarkose unempfindlich<br />

zu machen: „Der Werth eines gegebenen Lebens unter den möglichen Folgen <strong>der</strong> bei-<br />

den Operationsarten (mit bzw. ohne Narkose), ist so verschieden, und die Dauer des<br />

Schmerzes, welchem man zu entgehen sucht, so kurz, daß man offenbar die Frage ver-<br />

neinen muß, ob es gerechtfertigt sei, bei einer Operation wie das <strong>Aus</strong>ziehen eines<br />

Zahnes zu einem Mittel seine Zuflucht zu nehmen, das Unempfindlichkeit hervor-<br />

bringt, dessen Anwendung aber auch den Verlust des Lebens zur Folge haben<br />

kann“. 100<br />

Von diesem Gedanken getrieben, stellte Quinton seine Methode <strong>der</strong> lokalen Anästhe-<br />

sie durch Kälteapplikation vor. Er beschrieb einen Apparat, den er zusammen mit sei-<br />

nem Kollegen Blundell entwickelt hatte und mit dessen Hilfe es möglich war, eine<br />

flüssige Gefriermischung durch ein geschlossenes Schlauchsystem an <strong>der</strong> gewünsch-<br />

ten Stelle in <strong>der</strong> Mundhöhle zu applizieren. Die Betäubung verstärkte sich nach Quin-<br />

ton in <strong>dem</strong> Maß, wie die Blutzirkulation durch die Kontraktion <strong>der</strong> Gefäße nachließ.<br />

Um die sehr gute Wirkung diese Verfahrens zu untermauern, zitierte er in seinem Ar-<br />

tikel mehrere Briefe von hochzufriedenen, fast begeisterten Patienten, die angaben,<br />

nach lokaler Kälteeinwirkung nach Quintons Verfahren nicht den geringsten Schmerz<br />

beim <strong>Aus</strong>ziehen eines Zahnes verspürt zu haben. 101<br />

Eine an<strong>der</strong>e Methode empfahl Fleming, Professor am Queen’s-College zu Cork. Er<br />

entdeckte nach einem Selbstversuch, daß bei Kompression <strong>der</strong> Karotiden als „unmit-<br />

telbare Folge tiefer Schlaf“ eintrat, den er als optimalen Zeitpunkt <strong>für</strong> die Durchfüh-<br />

rung einer zahnärztlichen Behandlung sah. 102<br />

Auch in den nachfolgenden Jahrgängen des ‚Zahnarzt’ wurde wenig Neues von <strong>der</strong><br />

Chloroform- und <strong>der</strong> Äthernarkose berichtet. Trotz ihrer nahezu routinemäßigen An-<br />

wendung gerieten diese Methoden <strong>der</strong> Schmerzausschaltung durch immer wie<strong>der</strong> auf-<br />

tretende Komplikationen und Todesfälle häufig in die Kritik. In <strong>der</strong> Folge wurde nach<br />

Alternativen gesucht, von denen weniger Gefahr <strong>für</strong> den Patienten ausging.<br />

So wurde mit <strong>dem</strong> Amylen ein ebenfalls durch Inhalation wirkendes Narkotikum vor-<br />

gestellt, welches durch „Destillation von Fuselöl mit Zinkchlorid“ entstand und weni-<br />

100 Zahnarzt 11 (1856), S. 165.<br />

101 Zahnarzt 11 (1856), S. 161-171; S. 193-202; S. 240-245.<br />

102 Zahnarzt 11 (1856), S. 250-252.


42<br />

ger belastend <strong>für</strong> den menschlichen Organismus sein sollte. Dr. Rabatz aus Wien aber<br />

bemängelte die nach seinen Erfahrungen offensichtlich zu schwache Wirkung des<br />

Amylens, vergleichbar mit <strong>der</strong> des Alkohols o<strong>der</strong> des Opiums. 103<br />

Nach eigenen Experimenten sprachen Foucher und Bonnet <strong>dem</strong> Amylen anästhetische<br />

Wirkung zu, wenn es möglichst unverdünnt verabreicht wurde, was ihrer Meinung<br />

nach jedoch mit einer unmittelbaren Schädigung <strong>der</strong> Respirationsorgane verbunden<br />

war. 104<br />

Auch <strong>der</strong> elektrische Strom fand zur Erzeugung einer lokalen Anästhesie Anwendung.<br />

Diese Methode, zunächst von J. B. Francis propagiert und durch Prof. Dr. Harris aus<br />

Baltimore bei einer Vielzahl von Extraktionen erfolgreich angewendet, wurde wie<br />

folgt beschrieben: „Der Patient faßt mit <strong>der</strong> einen Hand einen hohlen Metallgriff, <strong>der</strong><br />

an einem <strong>der</strong> Pole <strong>der</strong> Batterie befestigt ist; <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Pol wird vermittelst eines dün-<br />

nen Kupferdrahtes an das Extraktionsinstrument angelegt, und <strong>der</strong> Operateur durch<br />

Anlegen eines eng schließenden seidenen Handschuhs vollkommen isolirt“. 105<br />

Ohne Kritik blieb jedoch auch dieses Verfahren nicht. Zahnarzt Eden aus Brighton<br />

äußerte in seinem Artikel die Vermutung, daß <strong>der</strong> Extraktionsschmerz von den Patien-<br />

ten als relativ gering eingestuft wurde, weil <strong>der</strong> Schmerz des elektrischen Schlages<br />

diesen überdeckte. 106<br />

Auch die Beiträge, die im folgenden vierzehnten Jahrgang des ‚Zahnarzt’ zu diesem<br />

Thema erschienen, beleuchteten die Anwendung des elektrischen Stromes, ob nun als<br />

Induktionsstrom o<strong>der</strong> als Gleichstrom in Form des Galvanismus, eher von <strong>der</strong> kriti-<br />

schen Seite. Zwar hatte man erkannt, daß die Stromstärke <strong>dem</strong> jeweiligen Patienten<br />

individuell anzupassen war; über die richtige Dosierung im konkreten Falle herrschte<br />

jedoch weitgehend Uneinigkeit. 107<br />

Daß die durchaus nicht zu verleugnende Wirkung des elektrischen Stromes nicht auf<br />

Anästhesie, son<strong>der</strong>n auf eine Art Paralyse, in einigen Fällen auch nur auf simple<br />

Selbsttäuschung des Patienten zurückzuführen war, betonten Süersen und Hering in<br />

ihren Artikeln. Süersen, Zahnarzt aus Berlin, erläuterte die Vor- und Nachteile des<br />

103 Zahnarzt 12 (1857), S. 63; S. 188.<br />

104 Zahnarzt 13 (1858), S. 30-31.<br />

105 Zahnarzt 13 (1858), S. 277-278; S. 313-318.<br />

106 Zahnarzt 13 (1858), S. 348-350.<br />

107 Zahnarzt 14 (1859), S. 93-94.


43<br />

elektrischen Stromes von <strong>der</strong> Seite des Praktikers und sprach sich am Ende trotz vieler<br />

Einwände <strong>für</strong> seine Anwendung aus; nicht zuletzt deshalb, da in seinen Augen hin-<br />

sichtlich <strong>der</strong> Relation von Wirkung und Gefahr <strong>für</strong> den Patienten keine bessere Me-<br />

thode existierte. 108<br />

Auch Hering, Hofzahnarzt in Leipzig, maß <strong>dem</strong> elektrischen Strom in Form des Gal-<br />

vanismus einige Bedeutung bei, obwohl er in seinem Artikel ebenfalls erklärte, daß<br />

die Wirkung nicht auf Anästhesie im eigentlichen Sinne beruhte und „die operative<br />

Chirurgie zur Zeit noch nicht einen einzigen Fall aufzuweisen hat, in welchem das<br />

Operationsmesser unter Einwirkung des Galvanismus sich unempfindlich gezeigt hät-<br />

te“. 109<br />

Erwähnung fand auch die als ‚Voltaischer Narkotismus’ bekannte Anwendung des<br />

elektrischen Stromes kombiniert mit <strong>der</strong> lokalen Applikation des Chloroforms. 110<br />

Der französischer Arzt Azam berichtete 1860 von <strong>der</strong> Durchführung einer Hypnose,<br />

in <strong>der</strong>en Folge er sowohl Katalepsie als auch Anästhesie beobachten konnte. Seinen<br />

Angaben zufolge gelang es Broca und Follin mit dieser Methode in Paris, „ohne den<br />

geringsten Schmerz“ einen Abszeß zu eröffnen. 111<br />

Obwohl mehr o<strong>der</strong> weniger erfolgreich nach neuen Verfahren zur <strong>Aus</strong>schaltung des<br />

Operationsschmerzes gesucht wurde, gab es durchaus die Tendenz, auf Altbewährtes<br />

zurückzugreifen. Delabarre stellte im sechzehnten Jahrgang des ‚Zahnarzt’ sein soge-<br />

nanntes „Anästhesimeter“ vor, das <strong>dem</strong> Operateur gestattete, sowohl den Zustrom des<br />

Äthers o<strong>der</strong> des Chloroforms exakt einzustellen als auch zu je<strong>dem</strong> Zeitpunkt die ver-<br />

abreichte Menge des Narkotikums abzulesen. 112<br />

Als ‚Chloracetisation’ stellte Fournie sein Verfahren zur Erlangung örtlicher Gefühl-<br />

losigkeit im Jahrgang 1862 des ‚Zahnarzt’ vor. Diese Methode sah vor, auf das Opera-<br />

tionsgebiet „die Öffnung eines Flakons aus dünnem Glas“ aufzusetzen, „in welches<br />

eine Quantität reiner krystallisierbarer Essigsäure [...] und eben so viel Chloroform<br />

gegossen“ wurde. 113<br />

108 Zahnarzt 14 (1859), S. 41-47.<br />

109 Zahnarzt 14 (1859), S. 193-201.<br />

110 Zahnarzt 14 (1859), S. 283-284.<br />

111 Zahnarzt 15 (1860), S. 61.<br />

112 Zahnarzt 16 (1861), S. 123.<br />

113 Zahnarzt 17 (1862), S. 126-127.


44<br />

Der örtlichen Betäubung durch Elektrizität wurden von ihren Anwen<strong>der</strong>n durchaus<br />

Zukunftschancen eingeräumt. Teilweise sah man im elektrischen Strom eine Art All-<br />

heilmittel. Nicht nur zu anästhetischen Zwecken wurde er benutzt, son<strong>der</strong>n auch ge-<br />

genteilig zur Rettung des Patienten bei Chloroformüberdosierungen. Doch auch bei<br />

Alkoholvergiftungen, Asthma, Krampfanfällen, „Maulsperre [...], und bei Unregelmä-<br />

ßigkeiten des Uterus und <strong>der</strong> Verdauungsorgane“ fand die Elektrizität Anwendung. 114<br />

Gut 20 Jahre nach Entdeckung <strong>der</strong> Einsatzmöglichkeiten des Lachgases bei zahnärzt-<br />

lichen Eingriffen durch Horace Wells im Jahre 1844, gewann das auch Stickstoffoxy-<br />

dul genannte Narkotikum beson<strong>der</strong>s in Amerika wie<strong>der</strong> an Popularität. Auch im<br />

‚Zahnarzt’ des Jahrgangs 1864 wurde in mehreren Artikeln - oft Abschriften von Vor-<br />

trägen, gehalten von Mitglie<strong>der</strong>n amerikanischer zahnmedizinischer Vereinigungen -<br />

detailliert auf das Herstellungsverfahren, Hinweise zur Aufbewahrung und nicht zu-<br />

letzt auch die Wirkung auf den menschlichen Organismus eingegangen. Darüber hin-<br />

aus waren Erfahrungsberichte von Anwen<strong>der</strong>n, ebenfalls Amerikaner, zu finden, so<br />

auch die Nachricht vom ersten Todesfall durch Lachgas. 115<br />

Im Gegensatz zu ihren amerikanischen Kollegen verfügten die deutschen Zahnärzte<br />

zu diesem Zeitpunkt noch nicht über Erfahrungen im Umgang mit <strong>dem</strong> Lachgas.<br />

Der Tod als Folge <strong>der</strong> Narkose konnte nach wie vor auch bei <strong>der</strong> Anwendung des<br />

Äthers o<strong>der</strong> des Chloroforms nicht ausgeschlossen werden. Wie einem Bericht zu ent-<br />

nehmen war, verbot die Mecklenburgische Regierung in <strong>der</strong> Folge eines in Rostock<br />

erfolgten Todesfalls den Zahnärzten das Narkotisieren. 116<br />

Sowohl <strong>der</strong> 20. als auch <strong>der</strong> 21. Jahrgang des ‚Zahnarzt’ waren geprägt durch Artikel,<br />

in denen die Autoren <strong>für</strong> dieses o<strong>der</strong> jenes <strong>der</strong> bis zu diesem Zeitpunkte gebräuchli-<br />

chen Narkotika Partei ergriffen. Diese Gegenüberstellung von Äther, Chloroform und<br />

Lachgas zeigte sich bereits beim Blick in das Inhaltsverzeichnis, in <strong>dem</strong> je<strong>der</strong> dieser<br />

drei Stoffe mit den jeweiligen Artikeln in einer separaten Rubrik zu finden war.<br />

Meist waren es wie<strong>der</strong> Beiträge, die aus amerikanischen Journalen wie <strong>dem</strong> ‚Dental<br />

Cosmos’ übernommen wurden, o<strong>der</strong> Mitschriften von Versammlungen <strong>der</strong> amerikani-<br />

schen Zahnärztevereinigungen, in denen, teils durch eigene Erfahrungen <strong>der</strong> Autoren,<br />

114 Zahnarzt 18 (1863), S. 338-340.<br />

115 Zahnarzt 19 (1864), S. 59; S. 138-140; S. 119-121.<br />

116 Zahnarzt 19 (1864), S. 324.


45<br />

teils mit Hilfe von theoretisch-wissenschaftlichen Erklärungsansätzen, versucht wur-<br />

de, die Vor- und Nachteile des Äthers, des Chloroforms und des Lachgases aufzufüh-<br />

ren. Auch die Beschreibung neuer Inhalationsapparate und die unterschiedlichsten<br />

Hinweise zur sichersten und effektivsten Anwendung des jeweiligen Narkotikums<br />

zeugten von <strong>der</strong> Uneinigkeit in diesem Bereich. 117<br />

Der Englän<strong>der</strong> Dr. B.W. Richardson präsentierte im Jahrgang 1866 des ‚Zahnarzt’<br />

sein Verfahren zur Erzeugung örtlicher Gefühllosigkeit durch Aufbringen von zer-<br />

stäubtem Äther auf die Haut mittels eines ebenfalls von ihm beschriebenen Gerätes. 118<br />

In Anlehnung an Richardsons Erkenntnis, daß <strong>der</strong> Grad <strong>der</strong> Gefühllosigkeit mit einem<br />

niedrigen Siedepunkt des zerstäubten Mediums stieg, wurden in nachfolgenden Arti-<br />

keln mit <strong>dem</strong> sogenannten Rhigolene und <strong>dem</strong> auch „Kälteerzeuger“ genannten Chi-<br />

mogene Stoffe vorgestellt, von denen man sich aufgrund ihres im Vergleich zum<br />

Äther deutlich niedrigeren Siedepunktes eine verstärkte Wirkung erhoffte. 119<br />

Das Lachgas, das sich in Amerika unter Ärzten und Zahnärzten mittlerweile großer<br />

Beliebtheit erfreute und häufig angewendet wurde, weckte nun auch bei den deut-<br />

schen Kollegen die Neugier. Im 23. Jahrgang des ‚Zahnarzt’ zitierte Dr. Heimann, <strong>der</strong><br />

sich auch in nachfolgenden <strong>Aus</strong>gaben mit diesem Thema beschäftigte, einige <strong>Aus</strong>sa-<br />

gen aus einem Bericht von G. Watt, Zahnarzt und Professor <strong>der</strong> Chemie im zahnärzt-<br />

lichen College in Cincinnati. Watt hatte nach intensiver Untersuchung und einigen<br />

Experimenten die Anwendung des Lachgases unter bestimmten Sicherheitsvorkeh-<br />

rungen empfohlen. Daraufhin rief Heimann „die Herren Collegen in Deutschland“<br />

auf, „sich auch an die Erprobung diese Gases“ zu machen. Einige Monate später ver-<br />

öffentlichte er eine bereits zwei Jahre zuvor im ‚Philadelphia Cosmos’ erschienene<br />

Anleitung zur nicht unkomplizierten Herstellung des Lachgases. Ebenso fügte Hei-<br />

mann im Dezemberheft eine Meldung bei, die besagte, daß man in London eine Mög-<br />

lichkeit gefunden hatte, das einmal hergestellte Lachgas stabil zu lagern und zu trans-<br />

portieren. Die Lagerung war bis dahin mit großen Problemen verbunden und zwang<br />

den Anwen<strong>der</strong> dazu, das Lachgas erst kurz vor <strong>dem</strong> Einsatz herzustellen. 120<br />

117<br />

Zahnarzt 20 (1865), etwa S. 48; S. 9-13; S. 97-107; S. 362-365; Zahnarzt 21 (1866), etwa S. 285-<br />

286; S. 313-316; S. 371.<br />

118<br />

Zahnarzt 21 (1866), S. 141-145.<br />

119<br />

Zahnarzt 21 (1866), S. 248-250; Zahnarzt 22 (1867), S. 31-32.<br />

120<br />

Zahnarzt 23 (1868), S. 17-20; S. 284-291; S. 369-371.


46<br />

Im ‚Zahnarzt’ des Jahres 1869 schrieb Widmann aus Ravensburg eine vereinfachte<br />

Anweisung, das Lachgas herzustellen. Auch er war <strong>der</strong> Meinung, daß „alle die Appa-<br />

rate, welche zur Herstellung des Gases beschrieben worden sind, zu groß, <strong>der</strong> Kosten-<br />

punkt zu bedeutend, auch in gewisser Beziehung die Consumtionsweise zu umständ-<br />

lich“ wären. 121<br />

Auch über die richtige Dosierung und den Grad <strong>der</strong> Sauerstoffbeimengung bei <strong>der</strong><br />

Einatmung herrschte keineswegs Einigkeit. Ein weiterer aus <strong>dem</strong> ‚Dental Register’<br />

übernommener Artikel von Watt, in <strong>dem</strong> <strong>der</strong> Autor ausführliche Informationen über<br />

die chemischen Eigenschaften und die Wirkungsweise des Lachgases auf den mensch-<br />

lichen Organismus gab, sollte Abhilfe schaffen. 122<br />

Im ‚Zahnarzt’ fanden sich nun verstärkt Beiträge über das Lachgas, wodurch <strong>der</strong><br />

Äther und das Chloroform in <strong>der</strong> Zeitschrift ein wenig in den Hintergrund gerieten.<br />

Doch wurde auch weiterhin nach an<strong>der</strong>en Methoden zur Erlangung <strong>der</strong> Schmerzfrei-<br />

heit gesucht. Im Jahrgang 1870 des ‚Zahnarzt’ tauchte das Chloral-Hydrat auf. Diese<br />

von Dr. Liebreich beschriebene „Verbindung des wasserfreien Chlorals mit einer<br />

Quantität Wasser“ sollte, innerlich verabreicht, eine <strong>dem</strong> Chloroform ähnliche, inten-<br />

sive Narkose hervorrufen, die aber nicht mit den bekannten Nebenwirkungen verbun-<br />

den war. 123<br />

Jedoch fanden sich im darauffolgenden Jahrgang auch beim Chloral die ersten Mel-<br />

dungen über Todesfälle. Liebreich, <strong>der</strong> als Entdecker des Chlorals zum Zwecke <strong>der</strong><br />

Narkose galt, empfahl bei Überdosierungen „Strychnin-Nitrat“ zu spritzen, um „die<br />

durch große Gaben Chloral entstandenen Wirkungen“ aufzuheben. 124<br />

Langsdorff, <strong>der</strong> bezüglich des Themas <strong>der</strong> Narkose und Anästhesie mit Seiffert, <strong>dem</strong><br />

damaligen Redakteur des ‚Zahnarzt’, durch die in <strong>dem</strong> Magazin abgedruckten soge-<br />

nannten „Anästhetischen Briefe“ in regelmäßigem Kontakt stand, kritisierte im 26.<br />

Jahrgang die leichtfertige Anwendung des Lachgases beson<strong>der</strong>s in Amerika. Zusätz-<br />

lich führte er noch einige Todesfälle auf, die seiner Meinung nach eindeutig auf <strong>der</strong><br />

Gabe dieses Narkotikums beruhten. In einem veröffentlichten Protokoll einer Ver-<br />

121 Zahnarzt 24 (1869), S. 4-9.<br />

122 Zahnarzt 24 (1869), S. 339-342.<br />

123 Zahnarzt 25 (1870), S. 16-19.<br />

124 Zahnarzt 26 (1871), S. 62-63; S. 309.


47<br />

sammlung des ‚Central-Vereins’ jedoch sprach er sich <strong>für</strong> die Anwendung des Lach-<br />

gases aus, da dieses ihm „durch seinen Reichthum an Sauerstoff [...] das ungefährlich-<br />

ste zu sein“ schien. 125<br />

Auch Dr. Bekafalva hielt das Lachgas - richtig zubereitet und angewendet - <strong>für</strong> ein gut<br />

verträgliches und ungefährliches Mittel; die Schuld <strong>für</strong> unerwünschte Nebenwirkun-<br />

gen und Todesfälle sah er vielmehr bei den Anwen<strong>der</strong>n, denen oft die notwendigen<br />

Kenntnisse und Erfahrungen fehlten. Hinweise zur Herstellung und Verabreichung<br />

gab Bekafalva noch im 27. und damit letzten Jahrgang des ‚Zahnarzt’ im Jahre<br />

1872. 126<br />

4.3 Zahnentfernung und Extraktionsinstrumente<br />

Im ersten Jahrgang des ‚Zahnarzt’ erschien John Tomes’ Artikel, <strong>der</strong> die Beschrei-<br />

bung seiner sogenannten anatomischen Zangen zum Inhalt hatte. Tomes, seinerzeit<br />

Zahnarzt am King’s College in London, kritisierte die herkömmlichen zur Extraktion<br />

verwendeten Instrumente wie die bisher gebräuchlichen Zangen, den Schlüssel und<br />

den Hebel, in<strong>dem</strong> er sie sowohl in ihrer Konstruktion als auch in ihrer Anwendung <strong>für</strong><br />

nicht ausgereift befand. Beson<strong>der</strong>s <strong>der</strong> Schlüssel war Tomes ein Dorn im Auge, da er<br />

konstruktionsbedingt mit horizontaler Kraft auf den Zahn einwirkte und damit oft zu<br />

nicht unerheblichen Verletzungen des Alveolarknochens und auch <strong>der</strong> benachbarten<br />

Weichteile führte. Nach Tomes hatten Extraktionsinstrumente folgende Kriterien zu<br />

erfüllen: Sie mußten den zu extrahierenden Zahn am Zahnhals komplett umfassen,<br />

ohne den Nachbarzahn zu gefährden, die angewendete Kraft mußte in Richtung <strong>der</strong><br />

Zahnachse wirken und das Zahnfleisch mußte sauber vom Zahnhals getrennt werden.<br />

Die unterschiedliche Anatomie <strong>der</strong> einzelnen Zahngruppen erfor<strong>der</strong>te <strong>dem</strong>nach eine<br />

größere Anzahl an Zangen mit individuellen Konstruktionsmerkmalen. 127<br />

Auch <strong>der</strong> Redakteur selbst äußerte sich im ersten Jahrgang zur Extraktion. Schmedik-<br />

ke klagte den Mißbrauch <strong>der</strong> vorschnellen Extraktion durch „Afterärzte“ und einzelne<br />

125 Zahnarzt 26 (1871), S. 145-147; S. 323.<br />

126 Zahnarzt 26 (1871), S. 340-341; Zahnarzt 27 (1872), S. 1-2.<br />

127 Zahnarzt 1 (1846), S. 97-107.


48<br />

Wundärzte an, die glaubten, einzig auf diesem Wege den schmerzgeplagten Patienten<br />

von seiner Last befreien zu können. Schmedicke mahnte zur genauen Abwägung, ob<br />

trotz <strong>der</strong> oft bestehenden Möglichkeiten <strong>der</strong> Zahnerhaltung die Extraktion, die in den<br />

meisten Fällen mit negativen Folgen <strong>für</strong> das Restgebiß verbunden war, unbedingt in-<br />

diziert sei. 128<br />

Giovanni Velussio, Zahnarzt in Triest, wies auf die Notwendigkeit <strong>der</strong> Separation <strong>der</strong><br />

einzelnen Wurzeln und <strong>der</strong>en schrittweiser Entfernung bei <strong>der</strong> Extraktion von Mola-<br />

ren hin, da <strong>der</strong>en Wurzelmorphologie die Entfernung in einem Stück oft unmöglich<br />

machte. In diesem Zusammenhang warnte er seine Kollegen vor allzu großer Kraft-<br />

anwendung bei schwierigen Extraktionen, da diese oft eine Beschädigung angrenzen-<br />

<strong>der</strong> Kieferpartien mit sich brachte. Des weiteren stellte Velussio die sogenannte He-<br />

belschraube vor, <strong>der</strong>er er sich zur Extraktion beson<strong>der</strong>s <strong>der</strong> Unterkiefermolaren be-<br />

diente. 129<br />

Auch Zahnarzt Wolff aus Königsberg beschrieb ein ähnliches Instrument, die Pyrami-<br />

dalschraube, die er zur Entfernung tiefliegen<strong>der</strong> Backenzahnwurzeln verwendete. 130<br />

Als „ungünstige Ereignisse“ beim Extrahieren galten einerseits <strong>der</strong> „Bruch des Zah-<br />

nes“ und <strong>der</strong> „Bruch einer ansehnlichen Portion des Alveolarfortsatzes“, <strong>der</strong> nicht sel-<br />

ten durch die Anwendung des Schlüssels verursacht wurde. An<strong>der</strong>erseits kam es bis-<br />

weilen zur „Erschütterung, Luxation o<strong>der</strong> gar zum <strong>Aus</strong>ziehen eines gesunden Zahnes“<br />

o<strong>der</strong> zur übermäßigen Blutung, die im allgemeinen durch Tannin, Kreosot o<strong>der</strong> Blei-<br />

extrakt, eingebracht in die Alveole, bekämpft wurde. 131<br />

Ähnlich wie Schmedicke zuvor, for<strong>der</strong>te auch Desirabode, Zahnarzt aus Paris, eine<br />

sorgfältige Beachtung <strong>der</strong> Indikationen zur Extraktion und eine „genaue Bestimmung<br />

des Sitzes des Uebels“ mit Auge, Sonde und Perkussion, um nicht versehentlich o<strong>der</strong><br />

durch vermeintlich exakte Angaben des Patienten den falschen Zahn zu extrahieren.<br />

Desirabode, <strong>der</strong> sich im vierten Jahrgang des ‚Zahnarzt’ mit insgesamt sechs umfang-<br />

reichen Beiträgen sehr ausführlich <strong>dem</strong> Thema <strong>der</strong> Zahnentfernung widmete, zählte<br />

zunächst die Vor- und Nachteile nahezu sämtlicher bis zu diesem Zeitpunkt verwen-<br />

128 Zahnarzt 1 (1846), S. 146-152.<br />

129 Zahnarzt 2 (1847), S. 33-36.<br />

130 Zahnarzt 3 (1848), S. 65-69.


49<br />

deter Extraktionsinstrumente wie <strong>dem</strong> Schlüssel, <strong>der</strong> Zange, <strong>dem</strong> Hebel, <strong>dem</strong> Geißfuß,<br />

<strong>der</strong> auch als „Lecluse’schen Hebel“ genannten Karpfenzunge und <strong>dem</strong> Pelikan auf,<br />

<strong>dem</strong> Desirabode keine Vorteile, jedoch sämtliche Nachteile des Schlüssels zusprach.<br />

Als Konsequenz aus seinen Bewertungen strebte Desirabode an, bei sämtlichen Zäh-<br />

nen die Extraktion ausschließlich mit Hebel o<strong>der</strong> Zange zu vollziehen. Als Vorausset-<br />

zung <strong>für</strong> eine erfolgreiche Extraktion nannte er die vorher durchzuführende Luxation<br />

des Zahnes. 132<br />

Der bei vielen Zahnärzten in Verruf geratene Schlüssel erfreute sich bei einigen Kol-<br />

legen nach wie vor großer Beliebtheit. Daß er jedoch in seiner Anwendung nicht ganz<br />

ungefährlich <strong>für</strong> den Patienten war, ließen Beschreibungen über Modifikationen, be-<br />

son<strong>der</strong>s Polsterungen zum Schutze benachbarter Zähne und des Alveolarknochens,<br />

vermuten. 133<br />

Zahnarzt Lefoulon aus Paris leitete in seinem Artikel aus bestimmten anatomischen<br />

Merkmalen einzelner Zahngruppen, wie zum Beispiel <strong>der</strong> Wurzelmorphologie, die zu<br />

erwartenden Schwierigkeiten bei <strong>der</strong> Extraktion ab.<br />

Die korrekte Konstruktion einer Extraktionszange machte Dr. Taylor, Professor am<br />

Ohio-College, nicht nur von <strong>der</strong> jeweiligen Zahnform abhängig. Er hielt es <strong>für</strong> unab-<br />

dingbar, daß die Gestalt <strong>der</strong> Zange es <strong>dem</strong> Operateur erlaubte, die Extraktion stets hin-<br />

ter <strong>dem</strong> Patienten stehend auszuführen. 134<br />

Ein allgegenwärtiges und häufig beschriebenes Problem war die Entfernung <strong>der</strong> ver-<br />

lagerten und retinierten Weisheitszähne, beson<strong>der</strong>s im Unterkiefer. Erschwerend hin-<br />

zu kam eine oft durch den lange aufgeschobenen Besuch beim Zahnarzt massive Ein-<br />

schränkung <strong>der</strong> Mundöffnung des Patienten. Erschien die Entfernung des Zahnes mit<br />

<strong>dem</strong> Hebel als unmöglich, galt es durchaus als statthaft, den zweiten Molaren zu ent-<br />

fernen, um sich einen besseren Zugang zum Weisheitszahn zu verschaffen. 135<br />

Nicht zuletzt unzureichende hygienische Maßnahmen führten dazu, daß sich im<br />

‚Zahnarzt’ Meldungen über Extraktionsfolgen mit teilweise tödlichem <strong>Aus</strong>gang fan-<br />

132 Zahnarzt 4 (1849), S. 225-245.<br />

133 Zahnarzt 5 (1850), S. 6-7; S, 97-100.<br />

134 Zahnarzt 9 (1854), S. 305-310.<br />

135 Zahnarzt 10 (1855), S. 294-295; Zahnarzt 11 (1856), S. 315-317.


50<br />

den. So wurde die Meningoenzephalitis ebenso wie die <strong>Aus</strong>breitung eines vorliegen-<br />

den Abszesses in tiefere Logen im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Extraktion beobachtet. 136<br />

Daß auch in späteren Jahrgängen des ‚Zahnarzt’ erneut Diskussionen über die Vor-<br />

und Nachteile des Schlüssels sowie an<strong>der</strong>er zur Zahnentfernung gebräuchlicher In-<br />

strumente stattfanden, deutete auf die bestehende Uneinigkeit <strong>der</strong> zahnärztlichen Kol-<br />

legenschaft auf diesem Gebiet hin. Nach wie vor gab es Anhänger des umstrittenen<br />

Schlüssels, an<strong>der</strong>e for<strong>der</strong>ten eine große Anzahl von Zangen, von denen jede einzelne<br />

auf eine Zahnform zugeschnitten war, wie<strong>der</strong>um an<strong>der</strong>e hielten die Beschränkung auf<br />

drei o<strong>der</strong> vier universell einsetzbare Zangen <strong>für</strong> sinnvoller. 137<br />

Zwar war die häufig durchgeführte Operation des Zahnausziehens mit nicht zu<br />

verachtenden Gefahren behaftet, doch zeigten Artikel über die Heilung des<br />

„Wahnsinns“, <strong>der</strong> Sclerotitis o<strong>der</strong> <strong>der</strong> chronischen Ophthalmie nach Extraktion, daß<br />

auch durchaus unerwartete Erfolge zu verzeichnen waren. 138<br />

4.4 Neuralgische Beschwerden<br />

Neuralgische Beschwerden, umschrieben als blitzartig auftretende, heftige, reißende<br />

und schlagende Schmerzen im Mund-, Kiefer-, Gesichtsbereich fanden bereits im er-<br />

sten Jahrgang des ‚Zahnarzt’ Erwähnung. Dr. Talma, Leibzahnarzt des belgischen<br />

Königs, vermutete in seinen Beiträgen, die abnorme Bildung von Wurzelexostosen als<br />

Ursache <strong>der</strong> verstärkt durch Witterungswechsel o<strong>der</strong> auch Alkoholmißbrauch ausgelö-<br />

sten Neuralgien erkannt zu haben. Auch <strong>der</strong> erschwerte Durchbruch <strong>der</strong> Weisheits-<br />

zähne, beson<strong>der</strong>s im Unterkiefer, o<strong>der</strong> schwer zugängliche kariöse Läsionen <strong>der</strong>selben<br />

wurden <strong>für</strong> das schmerzhafte Nervenleiden verantwortlich gemacht. Das therapeuti-<br />

sche Angebot reichte zunächst von <strong>der</strong> Anwendung eines Mundwassers über Fußbä-<br />

<strong>der</strong> o<strong>der</strong> den Genuß von Hühnerbrühe bis hin zum Ansetzen von Blutegeln. Da mit<br />

diesen Mitteln zumeist jedoch nur ein temporärer Erfolg verzeichnet werden konnte,<br />

136<br />

Zahnarzt 11 (1856), S. 348; S. 222; Zahnarzt 12 (1857), S. 349-350; S. 85-87.<br />

137<br />

Zahnarzt 13 (1858), S. 99-103; S. 206-215; Zahnarzt 14 (1859), S. 343-350; Zahnarzt 15 (1860), S.<br />

298-309.<br />

138<br />

Zahnarzt 18 (1863), S. 157-158; Zahnarzt 25 (1870), S. 124; S. 229; Zahnarzt 27 (1872), S. 251-252.


51<br />

und als Ursprung allen Übels ohnehin einer o<strong>der</strong> mehrere Zähne im Mittelpunkt <strong>der</strong><br />

Betrachtung standen, ließ die Extraktion meist nicht lange auf sich warten. 139<br />

Nach<strong>dem</strong> oft genug aber selbst durch großzügige Extraktion <strong>der</strong> Zähne ganzer Qua-<br />

dranten die Patienten nach wie vor an <strong>der</strong> auch als ‚tic douloureux’ o<strong>der</strong> Prosopalgie<br />

bezeichneten Gesichtsneuralgie zu leiden hatten, wurde weiter nach Ursachen und<br />

Therapiemöglichkeiten gesucht. Neben <strong>der</strong> „Hyperästhesie des zweiten Trigeminusa-<br />

stes“ tauchte ebenso die „unbekannte Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Natur <strong>der</strong> Nervensubstanz<br />

selbst“ als Erklärungsansatz auf. Auch die „Fazialneuralgie in Folge von Uterinlei-<br />

den“ wurde genannt. 140<br />

Die daraufhin vorgeschlagenen Chloroform- o<strong>der</strong> Ätherinhalationen bzw. <strong>der</strong>en lokale<br />

Anwendung wie auch Cannabistinktur o<strong>der</strong> Flie<strong>der</strong>teesalbe zielten ebenso wie die<br />

Kompression <strong>der</strong> Halsschlaga<strong>der</strong> o<strong>der</strong> „starke geistige und körperliche Aufregung“<br />

mehr auf die Symptome als auf die vermuteten Ursachen ab. 141<br />

Selbst <strong>der</strong> „Katheterismus des Tympanons“ - erklärt als Berührung des Trommelfells<br />

in Richtung <strong>der</strong> Chorda tympani mit einem stumpfen Gegenstand - wurde in <strong>der</strong> lan-<br />

gen Liste <strong>der</strong> Therapievorschläge geführt. 142<br />

Die Vermutung stützend, daß das neuralgische Leiden vom Nerven selbst ausgeht,<br />

wurde im achten und neunten Jahrgang des ‚Zahnarzt’ über die Durchschneidung<br />

bzw. die Resektion von Teilen des Nervus alveolaris inferior berichtet. Dieses Verfah-<br />

ren sah die Freilegung und Trepanation des Unterkieferknochens und die Zerreißung<br />

und Verbrennung des Nervengewebes „vermittelst Haken und Brenneisen“ vor. 143<br />

Die Tatsache, daß jedoch auch Fälle auftraten, bei denen selbst <strong>der</strong>art radikale Metho-<br />

de keine Abhilfe schaffen konnte, bestärkte die Vertreter <strong>der</strong> Theorie des dentalen Ur-<br />

sprungs dieses Leidens in ihrer Meinung.<br />

In seinem im zwölften Jahrgang des ‚Zahnarzt’ abgedruckten Vortrag for<strong>der</strong>te <strong>der</strong><br />

Londoner Zahnarzt Clendon aufgrund seiner Beobachtungen und 20jährigen Praxiser-<br />

139<br />

Zahnarzt 1 (1846), S. 185-190; S. 193-203; S. 295-302.<br />

140<br />

Zahnarzt 2 (1947), S. 314-315; Zahnarzt 4 (1849), S. 104.<br />

141<br />

Zahnarzt 2 (1847), S. 314-315; S. 372; Zahnarzt 3 (1848), S. 189; Zahnarzt 4 (1849), S. 255; Zahnarzt<br />

5 (1850), S. 27; S. 29-30; S. 319.<br />

142<br />

Zahnarzt 6 (1851), S. 369.<br />

143<br />

Zahnarzt 8 (1853), S. 252; Zahnarzt 9 (1854), S. 30; S. 279-280.


52<br />

fahrung, in <strong>der</strong> ihm nach eigenen Angaben nur drei o<strong>der</strong> vier Fälle „wahrer idiopathi-<br />

scher Gesichtsneuralgie“ vorgekommen waren, die sorgfältige Untersuchung <strong>der</strong> Zäh-<br />

ne bei allen auftretenden neuralgischen Beschwerden im Gesichtsbereich. 144<br />

Weitere Therapievorschläge wie die Durchtrennung beteiligter Nerven, die Anwen-<br />

dung <strong>der</strong> Elektrizität o<strong>der</strong> die äußerliche Anwendung einer „Lösung von Morphium in<br />

Jodtinktur“ verrieten die nach wie vor herrschende Uneinigkeit bezüglich <strong>der</strong> Entste-<br />

hungsursache des ,tic douloureux’. 145<br />

Einig war man sich jedoch zumindest in <strong>dem</strong> Punkte, daß die Beschwerden durch die<br />

sensiblen Anteile des Nervus trigeminus übertragen wurden, und nicht etwa durch den<br />

Nervus facialis. Im 23. Jahrgang des Zahnarzt erschien ein auf mehrere <strong>Aus</strong>gaben ver-<br />

teilter Artikel, in <strong>dem</strong> <strong>der</strong> Autor neben einer detaillierten anatomischen und physiolo-<br />

gischen Beschreibung des Nervus trigeminus den neuralgischen Gesichtsschmerz<br />

prinzipiell auf fünf Ursachenkomplexe zurückführte: So brachte er die Malaria, die<br />

körperliche Entwicklung vom Kinde zum Erwachsenen, den „körperlichen Zerfall“,<br />

die Mangelernährung und den Reflex durch Verletzungen an entfernten Körperstellen<br />

mit <strong>dem</strong> Leiden in Zusammenhang. 146<br />

Dr. Schünemann aus Braunschweig erklärte die Beteiligung des Nervus trigeminus<br />

mit seinem Verlauf durch enge Knochenkanäle an vielen Stellen des Schädels, worin<br />

er bei Hartgewebsverän<strong>der</strong>ungen die Gefahr <strong>der</strong> Nervkompression sah. Auch er plä-<br />

dierte <strong>für</strong> die Anwendung einer Kausaltherapie, und nicht etwa <strong>für</strong> „ziellose Extrak-<br />

tionen“. Genauere Angaben zu einer zielgerichteten Therapie machte jedoch auch er<br />

nicht. Der Durchtrennung des Nerven stand er skeptisch gegenüber, da er häufig die<br />

nachfolgende Wie<strong>der</strong>vereinigung <strong>der</strong> Nervenenden und damit ein erneutes Auftreten<br />

<strong>der</strong> Beschwerden beobachtet hatte. 147<br />

144 Zahnarzt 12 (1857), S. 219.<br />

145 Zahnarzt 13 (1858), S. 285-286; Zahnarzt 19 (1864), S. 87.<br />

146 Zahnarzt 23 (1868), S. 175-185.<br />

147 Zahnarzt 24 (1869), S. 161-167.


53<br />

4.5 Tumoren im Mund-Kiefer-Gesichtsbereich<br />

Bereits im ersten Jahrgang des ‚Zahnarzt’ betonte <strong>der</strong> Londoner Zahnarzt Cäsar Haw-<br />

kins die Wichtigkeit <strong>der</strong> sorgfältigen Diagnostik <strong>für</strong> „Geschwülste, die am Zahn-<br />

fleisch, am Gaumengewölbe und an den Kiefern vorkommen“, und schil<strong>der</strong>te den Fall<br />

eines an einer großen Geschwulst im Oberkiefer leidenden Patienten unter Einbezie-<br />

hung <strong>der</strong> klinischen Symptome und <strong>der</strong> groben histologischen Struktur des operativ<br />

entfernten Tumors. Die diagnostizierte Epulis bezeichnete Hawkins als „eine fibröse<br />

Geschwulst des Knochens“ mit zahnfleischähnlicher Struktur, ausgehend vom Kno-<br />

chen o<strong>der</strong> vom Periost. Die Therapie hatte sich seiner Meinung nach an <strong>der</strong> Größe <strong>der</strong><br />

Neubildung zu orientieren und reichte von <strong>der</strong> Exzision bis zur großzügigen Kieferre-<br />

sektion. 148<br />

Neben diesen therapeutischen Maßnahmen bediente man sich ebenso diverser Ätzmit-<br />

tel wie zum Beispiel Salpetersäure o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Ligatur mit Seidenfäden zur Entfernung<br />

<strong>der</strong> Tumoren. Ein im Jahrgang 1847 beschriebener „Fungus medullaris carcinomato-<br />

sus“ (Markschwamm) von <strong>der</strong> Größe eines Pfirsichs und <strong>dem</strong> Autor nach auf den<br />

„Druck von <strong>der</strong> Tabakspfeife“ zurückzuführen, wurde durch die über zwei Wochen<br />

andauernde Ligatur mit Seidenfäden entfernt. 149<br />

Auch das Auftragen von Salben, die Bepinselung mit einer „konzentrierten Auflösung<br />

von Sublimat in Alkohol“ o<strong>der</strong> auch die Anwendung des Glüheisens zur Brandschorf-<br />

bildung fanden unter an<strong>der</strong>em bei <strong>der</strong> Therapie des auch als Wasserkrebs bezeichne-<br />

ten Nomas Beachtung, welches den Schil<strong>der</strong>ungen nach nicht selten die Wange perfo-<br />

rierte. 150<br />

Es existierte jedoch die Erkenntnis über die Notwendigkeit <strong>der</strong> großzügigen Resektion<br />

bei Verdacht auf Malignität. So fanden sich des öfteren Beschreibungen über durchge-<br />

führte Resektionen, die teilweise bis zur Exartikulation des Unterkiefers reichten. 151<br />

Im Jahrgang 1851 tauchte in einem Artikel erstmalig das Kankroid auf, die heute nicht<br />

mehr korrekte Bezeichnung des Plattenepithelkarzinoms. Unabhängig von <strong>der</strong> Lokali-<br />

148 Zahnarzt 1 (1846), S. 339-346.<br />

149 Zahnarzt 2 (1847), S. 175-177.<br />

150 Zahnarzt 2 (1847), S. 272-273.<br />

151 Zahnarzt 2 (1847), S. 364-365; S. 256; S. 351.


54<br />

sation an Lippe, Zunge o<strong>der</strong> Mundboden war auch hier das Entfernen aller mit <strong>dem</strong><br />

Tumor zusammenhängen<strong>der</strong> Strukturen - bei schlechter Erreichbarkeit von extraoral-<br />

Therapie <strong>der</strong> Wahl. Zur Bestätigung <strong>der</strong> Verdachtsdiagnose diente teilweise die Pro-<br />

beexzision und die histologische Abklärung mittels des Mikroskops. Selten fand je-<br />

doch die Untersuchung <strong>der</strong> nächstgelegenen Lymphknoten Erwähnung. Die Größen-<br />

beschreibungen <strong>der</strong> Geschwulste gaben Hinweise auf ein oft sehr langes Zuwarten <strong>der</strong><br />

Patienten, bevor sie sich mit ihrem Leiden an einen Arzt o<strong>der</strong> Zahnarzt wandten. Wie<br />

<strong>der</strong> folgende Satz zeigt, beurteilten auch Vertreter <strong>der</strong> Zahnärzteschaft Tumoren rela-<br />

tiv großen <strong>Aus</strong>maßes als nicht beson<strong>der</strong>s bedrohlich: „Der Umfang des Tumors ist<br />

nicht beträchtlich: Dieser mißt in <strong>der</strong> Länge [...] ungefähr drei Centimeter, und hat<br />

eineinhalb Centimeter Breite und ebensoviel Höhe“. 152<br />

Eine differenzierende Einteilung einzelner Tumorarten existierte nicht; vereinzelt<br />

wurde versucht, die Neubildungen, zu denen man teilweise auch die Zysten zählte, be-<br />

stimmten Gruppen zuzuordnen, die jedoch keine Bezeichnungen hatten, son<strong>der</strong>n sich<br />

mehr auf klinische o<strong>der</strong> histologische Erscheinungsbil<strong>der</strong> stützten. 153<br />

Die auffällig oft und häufig auch bei sehr unterschiedlich beschriebenen klinischen<br />

Merkmalen diagnostizierte Epulis unterteilte <strong>der</strong> Autor eines im 14. Jahrgang des<br />

‚Zahnarzt’ erschienenen Artikels in die Untergruppen <strong>der</strong> „vaskulo-zellulären, <strong>der</strong><br />

vaskulären, <strong>der</strong> fibrösen und <strong>der</strong> krebsartigen“ Varianten. 154<br />

Zwar herrschte hinsichtlich <strong>der</strong> beim Tumorleiden durchzuführenden Therapie mittels<br />

Exzision bzw. Resektion weitgehend Einigkeit, doch fanden auch an<strong>der</strong>e Heilungsme-<br />

thoden Anwendung. So beschrieb Billroth in einem vom ‚Dental Cosmos’ übernom-<br />

menen Beitrag die erfolgreiche Behandlung eines Tumors durch Punktieren mit <strong>der</strong><br />

„caustischen Nadel“ in mehreren Richtungen. 155<br />

152 Zahnarzt 6 (1851), S. 316; Zahnarzt 8 (1853), S. 125; S. 188-189; S. 278-279; Zahnarzt 11 (1856),<br />

S. 285-287; S. 254-256; Zahnarzt 17 (1862), S. 340.<br />

153 Zahnarzt 10 (1855), S. 225-231.<br />

154 Zahnarzt 14 (1859), S. 154-155.<br />

155 Zahnarzt 25 (1870), S. 260-261.


4.6 Blutung und Blutstillung<br />

55<br />

Den Inhalten <strong>der</strong> entsprechenden Artikel zufolge gingen <strong>der</strong> Mehrzahl <strong>der</strong> im zahn-<br />

ärztlichen Bereich auftretenden Blutungen Zahnextraktionen voraus. Trotz oft nicht<br />

beson<strong>der</strong>s atraumatischer Anwendung <strong>der</strong> Extraktionsinstrumente bereiteten diese<br />

postoperativen Blutungen <strong>dem</strong> Behandler nicht grundsätzlich größere Probleme.<br />

Zahnarzt Lloyd aus Liverpool beschrieb im ersten Jahrgang des ‚Zahnarzt’ seine The-<br />

rapie einer fortwährenden Blutung nach Extraktion. Er reinigte die Alveole „mittelst<br />

eines in Weinessig getauchten Scharpiebäuschchens“ und füllte anschließend mit<br />

Baumwolle die Alveole in <strong>der</strong> Form aus, daß durch die Zahnreihe des Gegenkiefers<br />

beim Kieferschluß Druck ausgeübt wurde. 156<br />

Zwar waren die genauen Hintergründe und Ursachen <strong>der</strong> auftretenden Hämorrhagien<br />

zunächst weitgehend unbekannt, doch zeigten sich die Zahnärzte in ihrer Bekämpfung<br />

oft einfallsreich. Neben Materialien, durch die ein mechanischer Verschluß <strong>der</strong> Ex-<br />

traktionsalveole erzielt werden sollte, wie Kork, Guttapercha, Baumwolle o<strong>der</strong> Schar-<br />

pie, selbst „konisch zugeschnittener Speck“, fanden sich im ‚Zahnarzt’ immer wie<strong>der</strong><br />

Empfehlungen diverser Mittel mit angeblich blutstillen<strong>der</strong> Wirkung. 157<br />

Aufwendig hergestellte Mixturen wie die „Auflösung des Gummi Mastix und des<br />

Sandarak in Schwefeläther“ kamen als Alveoleneinlage genauso zur Anwendung wie<br />

exotisch anmutende Mittel („Stück von <strong>dem</strong> Mark <strong>der</strong> Sonnenblume“, „blutstillende<br />

Erde“ aus <strong>dem</strong> Moor, Staub <strong>der</strong> Bovista gigantea). 158<br />

Natürlich wurde auch das bereits auf <strong>dem</strong> Gebiet des Wundverschlusses bewährte<br />

Kollodium (Lösung von Zellulosedinitrat in einem Alkohol-Äther-Gemisch) und das<br />

Tannin (Gerbsäure) benutzt; mancher griff auf Spiritus o<strong>der</strong> ähnliche „Hausmittel“ zu-<br />

rück, um übermäßige Blutungen zu stillen. 159<br />

Doch trotz <strong>der</strong> Vielzahl <strong>der</strong> dargebotenen Materialien und Mittel ereignete es sich<br />

immer wie<strong>der</strong>, daß Patienten nach <strong>der</strong> Extraktion eines o<strong>der</strong> mehrerer Zähne durch ei-<br />

156<br />

Zahnarzt 1 (1846), S. 87-89.<br />

157<br />

Zahnarzt 1 (1846), S. 87-89; Zahnarzt 7 (1852), S. 285; Zahnarzt 18 (1863), S. 298.<br />

158<br />

Zahnarzt 2 (1847), S. 233-236; Zahnarzt 3 (1848), S. 192; Zahnarzt 4 (1849), S. 255-256; Zahnarzt 5<br />

(1850), S. 64.<br />

159<br />

Zahnarzt 4 (1849), S. 351; Zahnarzt 10 (1855), S. 152-153; Zahnarzt 18 (1863), S. 216; Pschyrem-<br />

bel (1998), S. 295; S. 1551.


56<br />

ne nicht zu stoppende Blutung verstarben. Dies hatte <strong>für</strong> den behandelnden Zahnarzt<br />

unter Umständen in Verbindung mit vorgeworfener Fahrlässigkeit eine Geldstrafe zur<br />

Folge. 160<br />

Doch ließen sich <strong>der</strong>art tragische Folgen einer Extraktion nicht immer unmittelbar auf<br />

unsachgemäße Behandlung zurückführen. Viel diskutiert war in diesem Zusammen-<br />

hang die Disposition zu Hämorrhagien in Form <strong>der</strong> Bluterkrankheit, über <strong>der</strong>en Risi-<br />

ken durchaus Klarheit herrschte. 161<br />

Dr. Moritz Hei<strong>der</strong> aus Wien ordnete die Bluterkrankheit neben <strong>dem</strong> Skorbut und <strong>dem</strong><br />

chronischen Opiumgebrauch <strong>der</strong> Gruppe <strong>der</strong> individuellen Ursachen <strong>für</strong> ein erhöhtes<br />

Blutungsrisiko zu. Daneben unterteilte er ferner in örtliche Ursachen wie pathologi-<br />

sche Gefäßverän<strong>der</strong>ungen zum Beispiel in Form <strong>der</strong> „Verfettung“ und in äußerliche<br />

Ursachen wie Hitze o<strong>der</strong> körperliche Anstrengung des Patienten nach <strong>der</strong> Extraktion.<br />

Zahnarzt Reid aus Edinburgh zeigte sich unzufrieden mit <strong>der</strong> Wirkung <strong>der</strong> „gewöhn-<br />

lich angewendeten Mittel“ und präsentierte einen Apparat, <strong>der</strong> mit Le<strong>der</strong>riemen am<br />

Kopf des Patienten fixiert wurde und mit entsprechenden Vorrichtungen gezielt Druck<br />

auf die betroffene Kieferpartie ausüben sollte. 162<br />

Etwas weniger umständlich erschien <strong>der</strong> Vorschlag des Dr. Crane aus Pennsylvania<br />

im achten Jahrgang des Zahnarzt. Er berichtete über einen Fall von starker Blutung<br />

nach Extraktion, bei <strong>dem</strong> er einen „Abdruck vom Zahnfleisch und den Nachbarzäh-<br />

nen“ machte und auf <strong>dem</strong> daraus hergestellten Gipsmodell eine Silberplatte mit<br />

Klammern fertigte. Diese setzte er im Sinne einer Verbandplatte in den Mund des Pa-<br />

tienten ein und erreichte damit den Stillstand <strong>der</strong> Blutung. 163<br />

Mit weniger Hilfsmitteln kam <strong>der</strong> Autor eines Artikels im 20. Jahrgang des ‚Zahnarzt’<br />

aus. Er erreichte die Blutstillung durch Kompression <strong>der</strong> Halsschlaga<strong>der</strong> über mehrere<br />

Stunden. 164<br />

160 Zahnarzt 2 (1847), S. 93; Zahnarzt 4 (1849), S. 317-319.<br />

161 Zahnarzt 4 (1849), S. 375; Zahnarzt 6 (1851), S. 94.<br />

162 Zahnarzt 8 (1853), S. 21-323.<br />

163 Zahnarzt 2 (1847), S. 179-181.<br />

164 Zahnarzt 20 (1865), S. 369.


4.7 Speicheldrüsenerkrankungen<br />

57<br />

Eine häufig beobachtete Erkrankung <strong>der</strong> Speicheldrüsen bzw. <strong>der</strong>en <strong>Aus</strong>führungsgän-<br />

ge stellte die Bildung von Speichelsteinen dar. Den entsprechenden Beiträgen zufolge<br />

war in <strong>der</strong> Mehrzahl <strong>der</strong> Fälle <strong>der</strong> nach <strong>dem</strong> englischen Anatomen benannte ,Wharton-<br />

Gang’, also <strong>der</strong> <strong>Aus</strong>führungsgang <strong>der</strong> Glandula submandibularis - im ‚Zahnarzt’ meist<br />

als ‚Submaxillardrüse’ bezeichnet - betroffen. 165<br />

Fälschlicherweise zum Teil als mißgebildete, in die regio sublingualis abgedriftete<br />

Zähne diagnostiziert, erreichten die Speichelsteine oft beträchtliche <strong>Aus</strong>maße. Die Be-<br />

schreibungen reichten von <strong>der</strong> bloßen Größenangabe („3 cm lang, 1, 4 cm dick“) über<br />

die Schil<strong>der</strong>ung von auftretenden Symptomen wie Einschränkung <strong>der</strong> Zungenbewe-<br />

gung, des Kau- und des Schluckvorgangs durch die „harte, schmerzhafte Geschwulst“,<br />

bis hin zur Darstellung von lebensbedrohlichen Erstickungszuständen, verursacht<br />

durch zwei „bohnengroße“ Speichelsteine. 166<br />

Über die Entstehungsursachen von Speichelsteinen gab es zunächst keine genaueren<br />

Kenntnisse; als wahrscheinlich wurde ein Zusammenhang zwischen einem „krankhaf-<br />

ten Zustand des Speichels“ und <strong>der</strong> Steinbildung angenommen. Genauere Untersu-<br />

chungen von entfernten Speichelsteinen führten zu <strong>dem</strong> Ergebnis, daß „phosphorsaure<br />

Kalkerde“ den Hauptbestandteil <strong>der</strong> Steinsubstanz darstellte.<br />

Über den einzuschlagenden Therapieweg bestand weitgehend Einigkeit. Dieser bein-<br />

haltete eine längs geführte Inzision im Bereich <strong>der</strong> Auftreibung und das vorsichtige<br />

Herausmassieren des Steins von extraoral. 167<br />

Neben <strong>der</strong> Bildung von Speichelsteinen gab auch die im vor<strong>der</strong>en Mundboden nicht<br />

selten auftretende Ranula (Froschgeschwulst) <strong>dem</strong> Patienten Anlaß, seinen Zahnarzt<br />

aufzusuchen. Über die Entstehung dieser in ihrem klinischen Erscheinungsbild <strong>dem</strong><br />

Kehlsack eines Frosches gleichenden, ebenso bildhaft auch als „<strong>dem</strong> Froschlaich ähn-<br />

liche, mit roten Ä<strong>der</strong>chen durchzogene Blase“ beschriebene Erkrankung existierten<br />

unterschiedliche Ansichten. Einerseits wurde die zystische, mit Speichel gefüllte Er-<br />

weiterung des Wharton-Ganges diskutiert, an<strong>der</strong>erseits sah man in <strong>der</strong> Ranula eine ei-<br />

165 Zahnarzt 2 (1847), S. 334-338; Hoffmann-Axthelm (1995), S. 797.<br />

166 Zahnarzt 2 (1847), S. 184-186; S. 334.339; Zahnarzt 27 (1872), S. 22-23.<br />

167 Zahnarzt 2 (1847), S. 334-338.


58<br />

genständige Zyste. Auch die Speichelretention durch das Vorhandensein eines Spei-<br />

chelsteins o<strong>der</strong> die pathologische Kontraktion des <strong>Aus</strong>führungsganges <strong>der</strong> Speichel-<br />

drüse kamen als Ursachen <strong>für</strong> die Bildung <strong>der</strong> Ranula in Betracht. 168<br />

Therapeutisch empfahlen die Autoren <strong>der</strong> betreffenden Artikel mehrere Alternativen.<br />

Die Heilung nach Dieffenbachs Methode sah die mehrfache Durchstechung <strong>der</strong> Ranu-<br />

la mit Nadel und seidenem Faden und die anschließende Vernähung mit <strong>der</strong> Mukosa<br />

auf <strong>der</strong> Innenseite des Unterkieferknochens vor. 169<br />

Ebenso wie das Ätzen, meist mit Schwefelsäure, als alleinige Maßnahme o<strong>der</strong> nach<br />

vorangegangener Eröffnung <strong>der</strong> Froschgeschwulst, fanden auch die Punktion und an-<br />

schließende Injektion von Jodtinktur o<strong>der</strong> die Abschnürung <strong>der</strong> Ranula mit einer <strong>für</strong><br />

mehrere Tage belassenen Bleiligatur Anwendung. Je nach Größe wurde nach Mei-<br />

nung einiger Autoren auch die Exstirpation <strong>der</strong> gesamten Speicheldrüse erfor<strong>der</strong>-<br />

lich. 170<br />

4.8 Knochenzysten<br />

Bereits im Jahre 1813 befaßte sich <strong>der</strong> französische Chirurg Dupuytren (1777-1835),<br />

nach <strong>dem</strong> das pergamentartige Knistern des ausgedünnten Knochens bei Palpation be-<br />

nannt ist, mit <strong>der</strong> Problematik <strong>der</strong> Zysten. Im ersten Jahrgang des ‚Zahnarzt’ beschrieb<br />

ein Autor nach Entfernung eines betroffenen Teils des Unterkiefers einer seiner Pati-<br />

enten das „Vorhandensein einer Menge von Cysten, <strong>der</strong>en Inneres mit einer Art von<br />

Schleimhaut ausgekleidet“ und die „mit einer kleberigen weißen Flüssigkeit“ o<strong>der</strong> ei-<br />

ner „übelriechenden Jauche“ gefüllt waren. Die Entstehung <strong>der</strong> Zysten, zunächst nach<br />

<strong>der</strong> Art ihres Inhaltes unterteilt, wurde mit <strong>der</strong> Zahnentwicklung in Zusammenhang<br />

gebracht, da oft eine Verbindung zu den Wurzeln beobachtet wurde. 171<br />

Neben <strong>der</strong> „Folge eines Fehlers bei <strong>der</strong> Entwickelung eines Zahnes“ kam jedoch auch<br />

168<br />

Zahnarzt 3 (1848), S. 81-83; S. 247-249; Zahnarzt 6 (1851), S. 373-374.<br />

169<br />

Zahnarzt 3 (1848), S. 81-83.<br />

170<br />

Zahnarzt 3 (1848), S. 247-249; Zahnarzt 4 (1849), S. 192; Zahnarzt 6 (1851), S. 373-374; Zahnarzt<br />

13 (1858), S. 249-250; S. 287.<br />

171<br />

Zahnarzt 3 (1848), S. 127-128; Hoffmann-Axthelm (1995), S. 183.


59<br />

ein „pathologischer Prozeß einer Zahnkapsel“ o<strong>der</strong> die „Lebensthätigkeit im Mittel-<br />

punkt <strong>der</strong> Kiefer“ in Frage, worunter das Wachstum des Kieferknochens und die da-<br />

mit verbundene Strukturverän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Knochensubstanz zu verstehen war. 172<br />

Ein Artikel im achten Jahrgang des Zahnarzt, in <strong>dem</strong> das Wachstum einer Zyste mit<br />

einwirkenden Noxen über den Weg einer kariösen Läsion durch die Pulpa bis zur<br />

Wurzelspitze in Zusammenhang gebracht wurde, zeigte, daß die Ursachen <strong>der</strong> Entste-<br />

hung von Zysten letztlich nicht geklärt waren. 173<br />

Übereinstimmung bestand unter den Zahnärzten jedoch in bezug auf die zu beobach-<br />

tenden Symptome wie Zahnverdrängung und -lockerung, Sensibilitätsausfälle im Un-<br />

terkiefer bei Komprimierung des Mandibularkanals und das „Pergamentknistern“ bei<br />

Palpation. 174<br />

Als wirksame therapeutische Maßnahme setzte sich die Eröffnung <strong>der</strong> „Kyste“, die<br />

Entleerung <strong>der</strong> Flüssigkeit und das Offenhalten <strong>der</strong> entstandenen Kavität durch <strong>Aus</strong>-<br />

stopfen zum Beispiel mit Charpie durch. Erst später wurde die „Zerstörung <strong>der</strong> Cy-<br />

stenwand“ als notwendig erachtet, um Rezidiven vorzubeugen. In seltenen Fällen kam<br />

als letzte Möglichkeit die Resektion des betroffenen Kieferteils und <strong>der</strong> anschließende<br />

Ersatz mit einer Silberplatte in Frage. 175<br />

Eine Definition <strong>der</strong> Zyste fand sich erst in einem aus <strong>der</strong> ‚Deutschen Vierteljahres-<br />

schrift <strong>für</strong> Zahnheilkunde’ übernommenen Artikel im zwanzigsten Jahrgang des<br />

‚Zahnarzt’: „Die Cyste im allgemeinen ist nach Rokitansky ein geschlossener, von<br />

Epithelium ausgekleideter häutiger Sack von meist run<strong>der</strong>, nach Umständen auch<br />

länglichrun<strong>der</strong>, abgeplatteter, gelappter Form, und einem mindestens ursprünglich<br />

flüssigen Inhalte, welcher in einer wesentlichen Beziehung zur Cystenwand steht.“ 176<br />

172 Zahnarzt 4 (1849), S. 320.<br />

173 Zahnarzt 8 (1853), S. 241-244.<br />

174 Zahnarzt 11 (1856), S. 113-118.<br />

175 Zahnarzt 8 (1853), S. 27-28; Zahnarzt 10 (1855), S. 252-256; Zahnarzt 11 (1856), S. 113-118; Zahn-<br />

arzt 20 (1865), S. 88-90.<br />

176 Zahnarzt 20 (1865), S. 87.


60<br />

4.9 Abszesse im Mund-Kiefer-Gesichtsbereich<br />

Eine häufige Ursache <strong>für</strong> die Entstehung eines entzündlichen Infiltrats bzw. eines<br />

Abszesses war <strong>der</strong> behin<strong>der</strong>te Zahndurchbruch von verlagerten und/o<strong>der</strong> retinierten<br />

Weisheitszähnen. Im ersten Jahrgang des ‚Zahnarzt’ fand sich ein Artikel, in <strong>dem</strong> die<br />

Abszeßbildung mit <strong>dem</strong> „Gedrängtstehen <strong>der</strong> Zähne“, beson<strong>der</strong>s oft beobachtet in <strong>der</strong><br />

Altersgruppe <strong>der</strong> 19-24jährigen, in Zusammenhang gebracht wurde. Die vorgeschla-<br />

gene Therapie bestand neben <strong>der</strong> Inzision in <strong>der</strong> Extraktion eines Zahnes - nicht unbe-<br />

dingt des Weisheitszahnes - <strong>der</strong> in den Platzmangel eingebunden war. 177<br />

Sogar von „suppurativer Phlegmasie durch Eruption <strong>der</strong> Weisheitszähne“ und von ei-<br />

ner durch die oft bestehende Kieferklemme hervorgerufenen „Buccalkachexie“ war in<br />

einem Artikel des Jahrgangs 1857 die Rede. Auch hier war als sinnvoll erachtete The-<br />

rapie die Extraktion - wenn notwendig nach gewaltsamer Öffnung des Mundes mit<br />

<strong>dem</strong> sogenannten Dilatator, die Inzision von intra- o<strong>der</strong> extraoral und die anschließen-<br />

de Drainage durch „Einlegen einer elastischen Anse“ angegeben. 178<br />

Auch kariöse und tief zerstörte Zähne wurden als <strong>Aus</strong>löser <strong>für</strong> die mit <strong>dem</strong> Abszeß oft<br />

auftretenden Symptome wie Schwellung, Rötung, Berührungsschmerz, Fluktuation<br />

und Fieber erkannt. Vor <strong>dem</strong> Hintergrund, daß „die veranlassende und fortgesetzt<br />

wirkende Ursache [...] die in <strong>der</strong> Nervenkavität des Zahnes enthaltene zersetzte Sub-<br />

stanz sein muß“, schlug Zahnarzt Ballard aus New York im 13. Jahrgang des ‚Zahn-<br />

arzt’ das Einlegen von Kreosot in den eröffneten Wurzelkanal als temporäre Hei-<br />

lungsmaßnahme und das spätere <strong>Aus</strong>füllen sowohl des Wurzelkanals als auch <strong>der</strong><br />

Zahnkrone mit Gold vor. 179<br />

Nicht immer führten die genannten Maßnahmen zum gewünschten Erfolg. Es fehlte<br />

die Möglichkeit <strong>der</strong> hochdosierten Antibiotikagabe, häufig weiteten sich die Infektio-<br />

nen in die Kieferhöhle o<strong>der</strong> in die Orbita aus o<strong>der</strong> wurden in an<strong>der</strong>e Logen des Kopf-<br />

und Halsbereiches fortgeleitet, was nicht selten zum Tode führte. 180<br />

Bei Beteiligung <strong>der</strong> Kieferhöhle schlug White aus Philadelphia <strong>für</strong> den Fall, daß die<br />

177 Zahnarzt 1 (1846), S. 96.<br />

178 Zahnarzt 12 (1857), S. 82-85.<br />

179 Zahnarzt 13 (1858), S. 1-10.<br />

180 Zahnarzt 12 (1857), S. 14-28; Zahnarzt 17 (1862), S. 206-209.


61<br />

Extraktion des vermuteten schuldigen Zahnes allein keine Wirkung zeigte, die Sondie-<br />

rung <strong>der</strong> Kieferhöhlenschleimhaut und die anschließende Spülung mit Wasserstoff-<br />

peroxyd vor. 181<br />

Eine an<strong>der</strong>e Therapie des „Alveolar-Abszesses“ wurde im 24. Jahrgang des ‚Zahnarzt’<br />

erwähnt: Unter Anwendung des „Richardson’schen Apparates“ sollten sowohl <strong>der</strong><br />

Zahn als auch die umgebenden „entzündeten Theile“ einer starken Kühlung unterzo-<br />

gen werden, um einen Abszeß im Anfangsstadium erfolgreich zu behandeln. 182<br />

4.10 Kieferbrüche<br />

Den Berichten in den verschiedenen Jahrgängen des ‚Zahnarzt’ zufolge ereigneten<br />

sich Frakturen des Gesichtsschädels relativ häufig infolge von Unfällen - zum Beispiel<br />

durch einen Pferdetritt - o<strong>der</strong> Gewalttaten, etwa in Form eines Stoßes mit <strong>dem</strong> Ge-<br />

wehrkolben. Nicht zuletzt barg je nach Durchführung auch die Zahnextraktion prinzi-<br />

piell die Gefahr des Kieferbruchs in sich. Betroffen war in den meisten Fällen <strong>der</strong> Un-<br />

terkiefer. 183<br />

Im Jahrgang 1848 tauchte <strong>der</strong> Begriff des Kallus im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Fraktur-<br />

heilung auf und wurde umschrieben als „durch die Bruchenden eines frakturierten<br />

Knochens abgeson<strong>der</strong>te Materie, welche zuerst eine plastische, später knöcherne Lage<br />

zwischen jenen bildet, um <strong>dem</strong> Knochen seine frühere Festigkeit wie<strong>der</strong>zugeben“. 184<br />

Therapeutische Standardverfahren stellten die manuelle Reposition <strong>der</strong> Fragmente -<br />

meist nach Chlororform- o<strong>der</strong> Ätherinhalation - sowie die Fixation und Ruhigstellung<br />

durch extraoral befestigte Verbände, Gummibandagen und Metallbügel, sowie die<br />

Verordnung weicher Kost dar. 185<br />

Es zeichnete sich jedoch ab, daß die intraorale Fixation durch <strong>der</strong> Zahnreihe direkt an-<br />

liegende Metall- o<strong>der</strong> Goldplatten in puncto Genauigkeit und Haltbarkeit den von<br />

181<br />

Zahnarzt 16 (1861), S. 152-156.<br />

182<br />

Zahnarzt 24 (1869), S. 349.<br />

183<br />

Zahnarzt 2 (1847), S. 309; Zahnarzt 5 (1859); S. 341; Zahnarzt 10 (1855), S. 144-146; Zahnarzt 13<br />

(1858), S. 95-103.<br />

184<br />

Zahnarzt 3 (1848), S. 319.<br />

185<br />

Zahnarzt 10 (1855), S. 146-149; S. 281-282; Zahnarzt 11 (1856), S. 95; Zahnarzt 17 (1862), S. 319.


62<br />

extraoral angebrachten Apparaturen überlegen war. Hergestellt wurden diese Platten<br />

auf angefertigten Modellen nach Abdrucknahme sowohl des verletzten als auch des<br />

unverletzten Kiefers, nach<strong>dem</strong> das Modell des frakturierten Kiefers entsprechend <strong>der</strong><br />

im Patientenmund vorhandenen Fragmente zersägt und mit Hilfe des Gegenkiefermo-<br />

dells wie<strong>der</strong> reponiert worden war. Dieses Vorgehen erwies sich beson<strong>der</strong>s bei ge-<br />

lenknahen Frakturen, die eine Fragmentdislokation durch Muskelzug zur Folge hatten,<br />

als vorteilhaft. Auch Kombinationen einer Schienung <strong>der</strong> Zahnreihe durch einen Gut-<br />

taperchaverband und eine zusätzliche extraorale Binde fanden Anwendung. 186<br />

Auf die problematische Diagnose von Oberkieferfrakturen mit fehlen<strong>der</strong> Dislokation<br />

machte <strong>der</strong> Autor eines Artikels im 21. Jahrgang des ‚Zahnarzt’ aufmerksam. Er beo-<br />

bachtete bei eigenhändig an Schädeln durchgeführten Versuchen mit frontal auftre-<br />

tenden Schlägen unterhalb <strong>der</strong> Nase einen regelmäßig feststellbaren Verlauf <strong>der</strong> Frak-<br />

turlinie durch beide Processus pterygoidei. Vor diesem Hintergrund schlug er bei be-<br />

stehen<strong>dem</strong> Verdacht auf eine Oberkieferfraktur die Palpation <strong>der</strong> Processus pterygoi-<br />

dei vor, um bei auftreten<strong>dem</strong> Schmerz o<strong>der</strong> tastbarer Beweglichkeit die Verdachtsdia-<br />

gnose zu bestätigen. 187<br />

4.11 Hygiene<br />

Die Hygiene bzw. die aseptische zahnärztliche Arbeitsweise wurde im ‚Zahnarzt’<br />

nicht sehr ausführlich thematisiert. Auch wenn Semmelweis bereits im Jahre 1847<br />

nach seinen Erkenntnissen über die Kontaktinfektion die Durchführung <strong>der</strong> Händedes-<br />

infektion mit Chlorkalk (‚Semmelweis-Verfahren’) bei chirurgischen Eingriffen for-<br />

<strong>der</strong>te, fanden sich diesbezüglich im ‚Zahnarzt’ nur sehr wenige Artikel. 188<br />

Die Anwendung des Chlorkalks wurde in einem abgedruckten <strong>Aus</strong>zug aus Schmedik-<br />

kes ‚Zahnärztlichem Rezepttaschenbuch’ zwar beschrieben, doch wird seine desinfi-<br />

zierende Wirkung nur am Rande erwähnt. Vielmehr sollte es nach den dort angegebe-<br />

186 Zahnarzt 11 (1856), S. 25-26; Zahnarzt 12 (1857), S. 157-160; Zahnarzt 14 (1859), S. 364-369.<br />

187 Zahnarzt 21 (1866), S. 345-350.<br />

188 Brunn (1928), S. 277-278.


63<br />

nen Rezepten als Mundwasser gegen Karies, Verfärbungen, Skorbut und „üblen Ge-<br />

ruch aus <strong>dem</strong> Munde“ benutzt werden. 189<br />

Wie auch die späteren Jahrgänge des ‚Zahnarzt’ zeigten, war man offensichtlich sehr<br />

bemüht, gegen schlechte Gerüche anzukämpfen, gleich ob sie „durch viele schlechte“<br />

Wurzeln im Munde des Patienten, durch Äther o<strong>der</strong> durch das häufig angewendete<br />

Creosot verursacht wurden. Verschiedene chemische Verbindungen wurden beschrie-<br />

ben, die die Reinigung <strong>der</strong> Luft in <strong>der</strong> zahnärztlichen Praxis zum Ziel hatten, so zum<br />

Beispiel „Übermangansaures Kali“, Bariumsuperoxyd o<strong>der</strong> auch die Mischung von<br />

Jod, Wasserstoffsuperoxyd und Seesalz, welche mit <strong>dem</strong> sogenannten „Hand-<br />

Atomisierer“ nach Krohn verteilt werden sollte. Auch <strong>der</strong> „Atmosphärische Odorator“<br />

sollte durch die Verteilung von wohlriechenden Düften den Aufenthalt des Patienten<br />

in <strong>der</strong> Praxis so angenehm wie möglich gestalten. 190<br />

Ein aus <strong>der</strong> Petersburger medizinischen Zeitschrift übernommener Beitrag listete die<br />

verschiedenen zum damaligen Zeitpunkt gebräuchlichen desinfizierenden Mittel in<br />

<strong>der</strong> Reihenfolge ihrer Wirksamkeit auf. Beson<strong>der</strong>s keimtötende Eigenschaften wurden<br />

<strong>der</strong> Salpeter- und Carbolsäure, <strong>der</strong> Schwefelsäure, <strong>der</strong> Salzsäure, aber auch <strong>dem</strong> Ter-<br />

pentinöl und <strong>der</strong> rohen Holzessigsäure zugesprochen. 191<br />

Häufiger als zur Wunddesinfektion wurden solche Mittel jedoch zur Bekämpfung <strong>der</strong><br />

kariesverursachenden Bakterien direkt im Zahn angewendet.<br />

In den späteren Jahrgängen des ‚Zahnarzt’ folgten Empfehlungen zu verschiedenen<br />

Desinfektionsmitteln, die zumeist auf Erfahrungen aus <strong>der</strong> Praxis <strong>der</strong> Artikelverfasser<br />

basierten. Sowohl die Carbolsäure mit unterschiedlichen Beimischungen, als auch das<br />

Thymol o<strong>der</strong> das sogenannte Chlor-Alaun wurden genannt. 192<br />

Angaben zur Vermeidung <strong>der</strong> Keimübertragung von Patient zu Patient o<strong>der</strong> vom<br />

Patienten zum Zahnarzt und umgekehrt fanden sich dagegen nicht.<br />

189 Zahnarzt 1 (1846), S. 351-352.<br />

190 Zahnarzt 19 (1864), S. 329-330; Zahnarzt 21 (1866), S. 284-285; S. 306-307.<br />

191 Zahnarzt 22 (1867), S. 191-192.<br />

192 Zahnarzt 23 (1868), S. 125; S. 394-395; Zahnarzt 25 (1870), S. 230; S. 126-127; Zahnarzt 26<br />

(1871), S. 316.


4.12 Replantation und Transplantation<br />

64<br />

Auch <strong>dem</strong> Thema <strong>der</strong> Replantation und <strong>der</strong> Transplantation von Zähnen wurde in den<br />

Jahrgängen des ‚Zahnarzt’ vergleichsweise wenig Beachtung geschenkt. Vereinzelt<br />

tauchten Artikel auf, in denen die Verfasser von mehr o<strong>der</strong> min<strong>der</strong> geglückten Versu-<br />

chen berichteten, einen aus verschiedenen Gründen verloren gegangenen Zahn wie<strong>der</strong><br />

einzusetzen o<strong>der</strong> den Zahnverlust durch Einpflanzung eines fremden Zahns zu behe-<br />

ben. Beson<strong>der</strong>e Hinweise auf Maßnahmen zur Infektionsverhütung o<strong>der</strong> zur langfri-<br />

stigen Stabilisierung des (wie<strong>der</strong>-)eingesetzten Zahnes fanden sich hierin jedoch<br />

nicht. 193<br />

Einzig ein sehr umfangreicher Artikel eines Dr. Mitscherlich aus Berlin, <strong>der</strong> <strong>dem</strong><br />

‚Zahnarzt’ aus ‚Langenbeck’s Archiv <strong>für</strong> Chirurgie’ zur Verfügung gestellt wurde, ge-<br />

stattete <strong>dem</strong> Leser tiefere Einblicke in das Gebiet <strong>der</strong> Replantation und <strong>der</strong> Transplan-<br />

tation. Mitscherlich sah den ersten offiziell erwähnten Fall einer Replantation bereits<br />

in <strong>der</strong> ersten Hälfte des 17. Jahrhun<strong>der</strong>ts, betonte aber, daß die Transplantation eines<br />

fremden Zahnes, nicht selten vom armen zum wohlhabenden Individuum, bereits zu-<br />

vor durchgeführt wurde. Mitscherlich nannte verschiedene Indikationen zur Replanta-<br />

tion. Neben <strong>dem</strong> Wie<strong>der</strong>einsetzen ausgeschlagener o<strong>der</strong> versehentlich gezogener Zäh-<br />

ne erwähnte er das Extrahieren und Replantieren kariöser Zähne als Maßnahme mit<br />

<strong>dem</strong> Ziel <strong>der</strong> Schmerzbeseitigung. Auch schwer zugängliche zu plombierende Kavitä-<br />

ten und die deutliche Fehlstellung begründeten eine vorübergehende Entfernung des<br />

Zahnes, eventuell die extraorale Versorgung <strong>der</strong> Kavität durch Plombieren und das<br />

Wie<strong>der</strong>einsetzen. Wohlgemerkt handelte es sich dabei nur selten um Seitenzähne, da<br />

diese we<strong>der</strong> vom phonetischen, noch vom ästhetischen Standpunkt her als beson<strong>der</strong>s<br />

wichtig erachtet wurden.<br />

Neben <strong>der</strong> Beschreibung von durchgeführten Replantationen und Transplantationen<br />

namhafter Zahnärzte wie Fauchard o<strong>der</strong> Pfaff, erläuterte Mitscherlich auch Fälle aus<br />

<strong>der</strong> eigenen Praxis. Er for<strong>der</strong>te den entzündungsfreien Zustand <strong>der</strong> möglichst frischen<br />

Alveole und empfahl die Lagerung zu transplantieren<strong>der</strong> Zähne, „nach<strong>dem</strong> sie den<br />

Leichen ausgezogen“ wurden, in Chlorwasser und ihre spätere Reinigung mit ver-<br />

193 Zahnarzt 14 (1859), S. 124-125; S. 190; Zahnarzt 18 (1863), S. 171; Zahnarzt 23 (1868), S. 273;<br />

Zahnarzt 24 (1869), S. 26; S. 111.


65<br />

dünnter Salzsäure, „um die fremden unorganischen Bestandtheile zu entfernen“. Eine<br />

fehlende Übereinstimmung zwischen <strong>der</strong> Alveolengröße und <strong>der</strong> Größe <strong>der</strong> Wurzel<br />

des zu transplantierenden Zahnes sollte mit Hilfe <strong>der</strong> Feile behoben werden. Mitscher-<br />

lich sprach sich <strong>für</strong> die Fixierung des eingesetzten Zahnes durch eine im Mund ange-<br />

fertigte Guttaperchaschiene aus und betonte die Notwendigkeit <strong>der</strong> guten Mundhygie-<br />

ne durch Mundwasser zur Infektionsvermeidung. 194<br />

Als Nachweis <strong>für</strong> die Vitalitätserhaltung eines sofort transplantierten Zahnes be-<br />

schrieb <strong>der</strong> Autor eines im 21. Jahrgang des ‚Zahnarzt’ erschienen Artikels einen et-<br />

was seltsam anmutenden Versuch. Demzufolge verpflanzte er einen extrahierten Zahn<br />

in den durch das Setzen einer Wunde vorbereiteten Kamm eines Hahnes, und stellte<br />

nach dessen späterer Schlachtung eine Gefäßversorgung des Zahnes fest, die seiner<br />

Meinung nach <strong>der</strong>jenigen in <strong>der</strong> Alveole stark ähnelte. 195<br />

194 Zahnarzt 19 (1864). S. 3-21.<br />

195 Zahnarzt 21 (1866), S. 274.


66<br />

5. Zwischen Historie und Mo<strong>der</strong>ne: Das Therapieangebot <strong>der</strong> Zeit-<br />

schrift ,Der Zahnarzt’ aus <strong>der</strong> Sicht <strong>der</strong> heutigen Zahnheilkunde<br />

5.1 Die zahnärztliche Lokalanästhesie<br />

Im Jahre 1884 führte <strong>der</strong> Wiener Ophthalmologe Koller 196 unter Verwendung einer<br />

zweiprozentigen Kokainlösung, welche er in den Bindehautsack eines Patienten ein-<br />

träufelte, die erste schmerzfreie Augenoperation durch. Kurz nach<strong>dem</strong> <strong>der</strong> Leipziger<br />

Chirurg Heinrich Braun 1903 den Vorschlag machte, <strong>dem</strong> als Anästhetikum verwen-<br />

deten Kokain Adrenalin als Vasokonstringens hinzuzufügen, gelang 1904 die synthe-<br />

tische Darstellung des Adrenalins, fortan unter <strong>dem</strong> Namen Suprarenin bekannt. 1905<br />

entwickelte <strong>der</strong> Münchner Chemiker Alfred Einhorn (1817-1917) das im Vergleich<br />

zum Kokain weit weniger toxische Procain. 197 Weitere Fortschritte brachte zunächst<br />

das Novocain hervor, welches jedoch in den 40er Jahren des letzten Jahrhun<strong>der</strong>ts vom<br />

Lidocain langsam verdrängt wurde. Zu den jüngeren Vertretern <strong>der</strong> Lokalanästhetika<br />

zählen unter an<strong>der</strong>em das Mepivacain und das Articain, die auch heute in <strong>der</strong> zahn-<br />

ärztlichen Praxis breite Anwendung finden. 198<br />

Die heutige zahnärztliche Lokalanästhesie ermöglicht eine gezielte Unterbrechung <strong>der</strong><br />

Reizweiterleitung durch Einlagerung bestimmter chemischer Gruppen des Lokalanäs-<br />

thetikums in die Nervmembran und somit eine nahezu schmerzlose Behandlung des<br />

Patienten. 199<br />

Die individuelle <strong>Aus</strong>wahl des Anästhetikums erlaubt die Behandlung von Risikopati-<br />

enten und minimiert das Risiko des Auftretens allgemeiner Komplikationen wie <strong>der</strong><br />

vasovagalen Synkope, <strong>der</strong> Intoxikation und <strong>der</strong> allergischen Reaktion. 200<br />

Durch die Anwendung des richtigen Anästhesieverfahrens (Oberflächen-, Infiltrati-<br />

ons-, Leitungs- o<strong>der</strong> intraligamentärer Anästhesie) und die Benutzung des entspre-<br />

196<br />

Koller , Carl (1857-1944), Ophthalmologe, gebürtiger Tscheche, arbeitete in Wien (mit Sigmund<br />

Freud), Utrecht und New York: vgl. „http://www.lexikon-definition.de/Liste-<strong>Medizin</strong>er-und-<br />

Aerzte.html“.<br />

197<br />

Horch (1995), S. 3.<br />

198<br />

Schwenzer/Ehrenfeld (2000b), S. 2.<br />

199 Horch (1995), S. 3.<br />

200<br />

Horch (1995), S. 3; S. 21; Schwenzer/Ehrenfeld (2000b), S. 2; S. 29.


67<br />

chenden Instrumentariums (Spritzensystem - evtl. selbstaspirierend - und Injektions-<br />

kanüle) läßt sich <strong>für</strong> nahezu jede zahnärztliche Behandlung bzw. Operation eine ak-<br />

zeptable Schmerzfreiheit erreichen. 201<br />

Abb. 11 Gebräuchliche Spritzensysteme <strong>für</strong> die Zahnheilkunde<br />

Dies macht die Durchführung <strong>der</strong> im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t üblichen und im ,Zahnarzt’ viel-<br />

beschriebenen, schwer steuerbaren Inhalationsnarkose (Äther, Chloroform, Lachgas)<br />

mit all ihren schwer abzuschätzenden Nebenwirkungen 202 <strong>für</strong> das „normale“ zahnärzt-<br />

liche Behandlungsspektrum entbehrlich. Ebensowenig haben sich an<strong>der</strong>e - früher an-<br />

201 Horch (1995), S. 12-15; Schwenzer/Ehrenfeld (2000b), S. 6-7.<br />

202 vgl. etwa Zahnarzt 3 (1848), S. 312; Zahnarzt 4 (1849), S. 183-185; Zahnarzt 8 (1853), S. 254.


68<br />

gewendete - Methoden zur Erzeugung lokaler Schmerzausschaltung, wie zum Beispiel<br />

das Anlegen elektrischen Stromes 203 , langfristig bewährt.<br />

Bei psychisch dekompensierten, überängstlichen Patienten und bei Kin<strong>der</strong>n kann<br />

durch eine vorangestellte psychosedative Medikation, üblicherweise durch Einnahme<br />

von Benzodiazepin-Präparaten (Diazepam, Midazolam) o<strong>der</strong> Inhalation von Chloral-<br />

hyfrat, eine gewisse Kooperation erreicht und damit die Behandlung unter Lokalanäs-<br />

thesie durchgeführt werden. 204<br />

Für umfangreiche und komplizierte chirurgische Operationen (z.B. Frakturen im Be-<br />

reich des Gesichtsschädels, Tumoroperationen etc.) greift man auch heute noch -<br />

wenn auch in etwas an<strong>der</strong>er Form - auf Inhalationsnarkotika zurück. Als erstes „mo-<br />

<strong>der</strong>nes“ volatiles (flüchtiges) Anästhetikum verdrängte das Halothan in den 50er Jah-<br />

ren des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts den schlecht steuerbaren und explosiven Äther. Heute findet<br />

das Halothan kaum noch Anwendung; an seine Stelle sind Isofluran, Sevofluran und<br />

Desfluran getreten. 205<br />

Aufgrund <strong>der</strong> relativ schwachen analgetischen Potenz werden diesen durch nasotra-<br />

cheale Intubation zugeführten flüchtigen Anästhetika neben Lachgas in <strong>der</strong> Regel<br />

auch Opiode, intravenöse Anästhetika und Benzodiazepine zugefügt, um eine ausrei-<br />

chende Narkosetiefe zu erreichen. 206<br />

5.2 Die schonende Extraktion und da<strong>für</strong> verwendete Instrumente<br />

Als nahezu irreversibler Behandlungsschritt erfor<strong>der</strong>t die Extraktion seitens des Be-<br />

handlers eine umfangreiche Aufklärung über mögliche Folgen und Komplikationen,<br />

denn nicht selten ist die mangelnde Aufklärung Ursache <strong>für</strong> gerichtliche <strong>Aus</strong>einan<strong>der</strong>-<br />

setzungen zwischen Patient und Zahnarzt. 207<br />

Daneben for<strong>der</strong>t die Kommission <strong>für</strong> Krankenhaushygiene vor je<strong>der</strong> Extraktion das<br />

routinemäßige Entfernen harter und weicher Beläge und gegebenenfalls die Benut-<br />

203<br />

vgl. etwa Zahnarzt 13 (1858), S. 277-278; S. 313-318.<br />

204<br />

Schwenzer/Ehrenfeld (2000b), S.9; „http://www.blzk.globaldent.com/zbay/4_01/0104s44.html“.<br />

205<br />

Schwenzer/Ehrenfeld (2000a), S. 96.<br />

206<br />

Reichart (2002a), S. 98-99 ; Schwenzer/Ehrenfeld (2000a), S. 97-99; S. 105.<br />

207<br />

Horch (1995), S. 169; Schwenzer/Ehrenfeld (2002b), S. 37.


69<br />

zung einer antiseptischen Mundspüllösung, um die bakterielle Besiedlung <strong>der</strong> Mund-<br />

höhle zu reduzieren und damit die Wahrscheinlichkeit von Wundheilungsstörungen zu<br />

verringern. 208<br />

Galt es in den Zeiten des ,Zahnarzt’, also in <strong>der</strong> zweiten Hälfte des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts,<br />

ohne weitere präoperative Diagnostik außer <strong>der</strong> klinischen Inspektion, die Extraktion<br />

vorzunehmen, ist heute die intraorale Einzelbildaufnahme nach <strong>der</strong> Rechtwinkel- o<strong>der</strong><br />

Paralleltechnik o<strong>der</strong> eine Panoramaschichtaufnahme als unverzichtbares diagnosti-<br />

sches Hilsmittel anzusehen, um den Eingriff zu planen und mögliche Komplikationen<br />

abzuschätzen. 209<br />

Abb. 12 Gerade Hohlmeißel nach Bein (rechts), abgewinkelte Hebel (Mitte) und<br />

Krallenhebel (links)<br />

208 Robert-Koch-<strong>Institut</strong> (1998), S. 144-151.<br />

209 vgl. Becker (1995), S. 1201.


70<br />

Die reibungslose Extraktion setzt ein geeignetes Grundinstrumentarium - bestehend<br />

aus Zangen, Hebeln, scharfem Löffel, Knochenzange nach Luer 210 und einer stumpfen<br />

Sonde zur Kieferhöhlendiagnostik - voraus. 211<br />

Bei einer großen Vielfalt unterschiedlicher Formen und Modifikationen, gehen die<br />

heutigen Extraktionszangen letztlich auf die Grundform von Tomes zurück. Sie sind<br />

gekennzeichnet durch <strong>der</strong> anatomischen Situation und <strong>der</strong> jeweiligen Zahngruppe<br />

„angepaßte Formen und Winkel und kronengerechte Branchen“. 212<br />

Abb. 13 Extraktionszangen <strong>für</strong> den Oberkiefer<br />

210<br />

Luer, Wülfing (gest. 1883), deutscher Instrumentenmacher in Paris: vgl. Hoffmann-Axthelm (1995),<br />

S. 449.<br />

211<br />

Horch (1995), S. 170; Schwenzer/Ehrenfeld (2002b), S. 38; Reichart (2002a), S. 159-162.<br />

212<br />

Schwenzer/Ehrenfeld (2002a), S. 38-39; Horch (1995), S. 170.


71<br />

Durch die Injektion eines Lokalanästhetikums mit Vasokonstriktorenzusatz läßt sich<br />

neben einer ausreichenden Schmerzlosigkeit auch eine Blutarmut im Operationsgebiet<br />

erreichen. 213<br />

Auch wenn je<strong>der</strong> Zahnarzt seine favorisierte Technik verinnerlicht hat, mit <strong>der</strong> er<br />

möglichst ohne übermäßige Kraftanstrengung den entsprechenden Zahn aus seiner<br />

Alveole bewegt, erfolgt die Extraktion in <strong>der</strong> Regel nach folgenden Schritten: Zu-<br />

nächst wird mit <strong>dem</strong> Hebel nach Bein 214 die zirkuläre Gingiva abgelöst und <strong>der</strong> Zahn<br />

mit kontrollierten Hebel- bzw. Drehbewegungen anluxiert, um die Alveolenwände<br />

leicht zu erweitern. Es folgt die eigentliche Zahnentfernung durch extrusive Bewe-<br />

gungen und die Kürettage <strong>der</strong> Alveole zur Entfernung pathologisch verän<strong>der</strong>ten Ge-<br />

webes. Anschließend wird die entstandene Wunde versorgt und die Wundrän<strong>der</strong> je<br />

nach Situation vernäht. 215<br />

Die operative Zahnentfernung bei retinierten o<strong>der</strong> impaktierten Zähnen, Wurzelresten<br />

o<strong>der</strong> Zähnen mit stark divergierenden Wurzeln erfolgt in <strong>der</strong> Regel nach schonen<strong>der</strong><br />

Darstellung des Operationsgebietes durch Bildung eines Mukoperiost-Lappens. Unter<br />

Verwendung von durchzugstarken Hand- und Winkelstücken und entsprechenden<br />

Bohrern und Fräsen wird <strong>der</strong> Zahn freigelegt, eventuell zertrennt und mit geeignetem<br />

Instrumentarium aus <strong>der</strong> Alveole bzw. <strong>dem</strong> Knochen entfernt. 216<br />

Auch wenn die damalige Technik <strong>der</strong> eigentlichen Zahnentfernung im Laufe <strong>der</strong> Zeit<br />

keine revolutionären Verän<strong>der</strong>ungen erfahren hat, so haben sich die Voraussetzungen<br />

unter an<strong>der</strong>em durch die Möglichkeit <strong>der</strong> Röntgenaufnahme, <strong>der</strong> Lokalanästhesie und<br />

<strong>der</strong> Weiterentwicklung <strong>der</strong> Extraktionsinstrumente verbessert und tragen sowohl <strong>für</strong><br />

den Patienten als auch <strong>für</strong> den Behandler wesentlich zu einer möglichst streßfreien<br />

Durchführung des Eingriffs bei.<br />

213 Horch (1995), S. 169-170.<br />

214 Bein, Louis (geb. 1872), Dentist, Koblenz: vgl. Hoffmann-Axthelm (1995), S. 88.<br />

215 Becker (1967), S. 91; Schwenzer/Ehrenfeld (2000b), S. 41.<br />

216 Horch (1995), S. 170; Schwenzer/Ehrenfeld (2000b), S. 51-54.


5.3 Erkrankungen <strong>der</strong> Nerven im Mund-Kiefer-Gesichtsbereich<br />

72<br />

Eines <strong>der</strong> auch heute noch häufig auftretenden Nervenleiden im Mund-Kiefer-<br />

Gesichtsbereich ist die Trigeminusneuralgie (TTN: Typische Trigeminusneuralgie),<br />

früher - die auftretenden Symptome beschreibend - als ‚tic douloureux’ bezeichnet. 217<br />

Neben dieser klassischen Trigeminusneuralgie existieren nach Schwenzer und Ehren-<br />

feld noch die symptomatische Trigeminusneuralgie, <strong>der</strong>en Auftreten mit einem „pa-<br />

thoanatomischen Substrat und mit einem neurologischen Defizit“ 218 in Zusammen-<br />

hang steht, und ferner die Trigeminusneuropathie (TNP); eine einheitliche Einteilung<br />

<strong>der</strong> verschiedenen Neuralgiearten wurde bis jetzt noch nicht vorgenommen. 219<br />

Relativ eindeutig stellen sich die charakteristischen Schmerzsyndrome <strong>der</strong> Trigemi-<br />

nusneuralgie dar, die anfallsartig auftreten und plötzlich streng einseitig und mit äu-<br />

ßerster Heftigkeit in das Versorgungsgebiet des betroffenen Nerven(astes) einstrahlen.<br />

Dabei liegt offensichtlich kein neurologisches Defizit vor; das <strong>Aus</strong>lösen <strong>der</strong> Schmerz-<br />

attacken ist durch Triggerung möglich. 220<br />

Trotz <strong>der</strong> klaren Symptome spielt <strong>für</strong> die Diagnosestellung die exakte Anamnese eine<br />

zentrale Rolle. Des weiteren sollte differentialdiagnostisch vor allem bei jüngeren Pa-<br />

tienten, die äußerst selten betroffen sind, das Vorliegen einer Grun<strong>der</strong>krankung ausge-<br />

schlossen werden. 221<br />

Als Ursachen dieses Leidens werden neben Störungen im trigeminovaskulären Sy-<br />

stem und „zentralnervösen Störungen mit Versagen inhibitorischer Mechanismen“ 222<br />

vor allem eine mikrovaskuläre Kompression im Bereich <strong>der</strong> Eintrittszone des Nervus<br />

trigeminus in den Pons angesehen. 223<br />

Der therapeutische Ansatz orientiert sich an <strong>der</strong> medikamentösen Behandlung mit An-<br />

tikonvulsivapräparaten. Bekanntester Vertreter ist dabei das Carbamazepin, das je-<br />

217 Horch (1997), S. 321.<br />

218 Schwenzer/Ehrenfeld (2002), S. 76.<br />

219 Schwenzer/Ehrenfeld (2002), S. 76.<br />

220 Poeck (1992), S. 290-294; Sprotte (2000), S. 1200-1209.<br />

221 Horch (1997), S. 306; S. 322.<br />

222 Schwenzer/Ehrenfeld (2002), S. 77.<br />

223 Horch (1997), S. 306; Görge (2001), S. 48-58; Soyka (1999), S. 148-152.


73<br />

doch nur bei gezielter Langzeitmedikation und regelmäßiger Einnahme wirken<br />

kann. 224<br />

Als Sofortmaßnahme beim Auftreten einer Schmerzattacke ist ferner eine Leitungs-<br />

blockade des entsprechenden Nervenastes mit einem langwirkenden Lokalanästheti-<br />

kum durchführbar. 225<br />

Wie den Artikeln des ,Zahnarzt’ zu entnehmen ist, griffen die Behandler früher beim<br />

Verdacht auf das Vorliegen des ,tic douloureux’ relativ entschlossen auf radikale chir-<br />

urgische Maßnahmen - meist in Form <strong>der</strong> operativen Durchtrennung o<strong>der</strong> Verödung<br />

des betroffenen Nervenastes - zurück. 226 Heute wählt man den Weg <strong>der</strong> invasiven<br />

Therapie erst, wenn alle konservativen Möglichkeiten erschöpft und ohne Erfolg ge-<br />

blieben sind. 227<br />

Die chirurgischen Eingriffe konzentrieren sich dabei auf das Ganglion Gasseri 228 . Zu<br />

nennen ist die Glyzerolinjektion (Chemorhizolyse), die Thermokoagulation des Gan-<br />

glions nach Sweet und vor allem die mikrochirurgische vaskuläre Dekompression<br />

nach Janetta. 229<br />

5.4 Tumoren im Mund-Kiefer-Gesichtsbereich<br />

Nach Pisani treten maligne Tumoren in <strong>der</strong> Mundhöhle bezogen auf die weltweite Ge-<br />

samtbevölkerung mit einer Inzidenz von 2,6 % auf (zum Vergleich: Lunge 12,8 %). In<br />

Deutschland ist die Zahl <strong>der</strong> jährlichen Neuerkrankungen bei Männern mit ca. 7200<br />

fast dreimal so hoch wie bei den Frauen mit ca. 2500 Neuerkrankungen. 230<br />

224<br />

Schwenzer/Ehrenfeld (2002), S. 79; Hausamen (2003), S. 101; Diener (1997), S. 50-53.<br />

225<br />

Schwenzer/Ehrenfeld (2002), S. 79.<br />

226<br />

vgl. Zahnarzt 8 (1853), S. 252; Zahnarzt 9 (1854); S. 30; S. 279-280).<br />

227<br />

Hausamen (2003), S. 101.<br />

228<br />

benannt nach Johann L. Gasser (1723-1765), Anatom in Wien; synonyme Bezeichnungen: Ganglion<br />

semilunare, Ganglion trigeminale: vgl. Pschyrembel (1998), S. 548.<br />

229<br />

Horch (1997), S. 325; Hausamen (2003), S. 101.<br />

230<br />

Pisani (1999), S. 18; vgl. Arbeitsgemeinschaft bevölkerungsbezogener Krebsregister in Deutschland<br />

(1999).


74<br />

Als Kanzerogene, also tumorerzeugende Substanzen, werden bestimmte Chemikalien<br />

(z.B. ungesättigte Kohlenwasserstoffe) und Teerprodukte ebenso wie energiereiche<br />

Strahlen (Röntgen-, Gammastrahlen, radioaktive Strahlen) gesehen. 231<br />

Mit Hilfe des von <strong>der</strong> ,Union International Contre Le Cancer’ (UICC) aufgestellten<br />

TNM-Systems läßt sich das Stadium einer Tumorerkrankung anhand dreier Hauptfak-<br />

toren beschreiben. Sowohl die Größe des Primärtumors als auch <strong>der</strong> Befund <strong>der</strong> re-<br />

gionären Lymphknoten als auch <strong>der</strong> Befund von Fernmetastasen geben Hinweise auf<br />

die Operabilität und die Prognose. 232<br />

Neben <strong>der</strong> Basisdiagnostik - bestehend aus Anamnese, Inspektion, Palpation und<br />

Funktionsüberprüfung - geben vor allem die mo<strong>der</strong>nen Methoden <strong>der</strong> bildgebenden<br />

Verfahren (orientierende Röntgenaufnahme, Computertomographie, Kernspintomo-<br />

graphie, Sonographie) <strong>Aus</strong>kunft über die lokale Tumorausdehnung. Dabei kommt <strong>der</strong><br />

Früherkennung eine überragende Rolle zu. 233<br />

Grundlagen <strong>der</strong> weiterführenden Diagnostik sind die histopathologische Diagnosesi-<br />

cherung nach Biopsie und - falls eine Probeexzision aufgrund <strong>der</strong> vorliegenden Situa-<br />

tion nicht möglich ist - die zytopathologische Ersatzdiagnostik. 234<br />

Bei Vorliegen einer gutartigen Neubildung ist die chirurgische Exzision ohne Sicher-<br />

heitsabstand als Therapie <strong>der</strong> Wahl anzusehen; ist die Diagnose eines malignen Tu-<br />

mors jedoch gesichert, ergibt sich in Abhängigkeit von <strong>der</strong> Tumorausdehnung (Meta-<br />

stasenbildung) entwe<strong>der</strong> <strong>der</strong> Weg <strong>der</strong> kurativen Therapie mit <strong>dem</strong> Ziel <strong>der</strong> vollständi-<br />

gen Heilung, o<strong>der</strong> die palliative Therapie, mit welcher anstatt <strong>der</strong> Tumorheilung eine<br />

gewisse Erträglichkeit des Tumorleidens, zum Beispiel durch Tumorverkleinerung,<br />

angestrebt wird. 235<br />

Liegt bei gut operablen Primärtumoren eine kurative Intention vor, so hat sich in <strong>der</strong><br />

Mehrzahl <strong>der</strong> Fälle die alleinige chirurgische Behandlung in Form <strong>der</strong> R0(R-Null)-<br />

Resektion (Resektion im Gesunden) mit einem auf die vorliegende Tumorart abge-<br />

231<br />

Schwenzer/Ehrenfeld (2002), S. 100.<br />

232<br />

Horch (1998), S. 269; Schwenzer/Ehrenfeld (2002), S. 102; S. 107-109.<br />

233<br />

Horch (1998), S. 273-277; Schwenzer/Ehrenfeld (2002), S. 99; S. 104-108.<br />

234<br />

Horch (1998), S. 295-296.<br />

235<br />

Schwenzer/Ehrenfeld (2002), S. 111; Horch (1998), S. 298.


75<br />

stimmten Sicherheitsabstand, gegebenenfalls in Verbindung mit einer Entfernung <strong>der</strong><br />

regionären Lymphknoten (Lymphadenektomie, „Neck-Dissection“) bewährt. 236<br />

Die Therapie ausgedehnterer Primärtumoren im Mund-Kiefer-Gesichtsbereich besteht<br />

im allgemeinen sowohl aus einer chirurgischen Behandlung als auch aus einer unter-<br />

stützenden Chemotherapie mit zytostatisch wirkenden Präparaten (Methotrexat, Cis-<br />

platin, Carboplatin). Auch die Bestrahlung mit ionisierenden Strahlen, durch welche<br />

die Tumorzellen stärker geschädigt werden als das umgebende, ortsständige Gewebe,<br />

bildet - prä- o<strong>der</strong> postoperativ angewendet - einen wichtigen Teil <strong>der</strong> Kombinations-<br />

therapie. 237<br />

Auch wenn im ,Zahnarzt’ nicht selten aus heutiger Sicht abzulehnende therapeutische<br />

Maßnahmen wie zum Beispiel die Anwendung des Glüheisens, diverser Ätzmittel<br />

o<strong>der</strong> Ligaturen beschrieben wurden, so galt schon in jener Zeit die radikale Entfer-<br />

nung eines Tumors durch Exzision bzw. Resektion als Grundlage <strong>der</strong> Tumorthera-<br />

pie. 238<br />

Nicht zur Verfügung standen im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t jedoch verfeinerte diagnostische Mit-<br />

tel in Form <strong>der</strong> heute üblichen bildgebenden Verfahren (konventionelle Röntgenunter-<br />

suchung, Computertomographie, Kernspintomographie, Sonographie), die neben <strong>der</strong><br />

Darstellung selbst verborgener Tumoren auch die Beurteilung <strong>der</strong> Metastasenbildung<br />

ermöglichen. 239<br />

Vielmehr stützte sich die präoperative Diagnostik ausschließlich auf die Inspektion<br />

und Palpation, teilweise auf die histologische Abklärung nach durchgeführter Pro-<br />

beexzision. 240<br />

5.5 Stillung postoperativer Blutungen<br />

Vor je<strong>der</strong> zahnärztlichen bzw. chirurgischen Maßnahme steht die ausführliche Anam-<br />

nese, die Hinweise auf zu erwartende Blutgerinnungsstörungen bei bzw. nach <strong>dem</strong><br />

236<br />

Hausamen (2003), S. 429; Schwenzer/Ehrenfeld (2002), S. 112; S. 117; Horch (1998), S. 299.<br />

237<br />

Hausamen (2003), S.429; Schwenzer/Ehrenfeld (2002), S. 117; Horch (1998), S. 306.<br />

238<br />

vgl. etwa Zahnarzt 2 (1847), S. 364-365; S. 256; S. 351.<br />

239<br />

Schwenzer/Ehrenfeld (2002), S. 103.<br />

240<br />

vgl. etwa Zahnarzt 8 (1853), S. 125; S. 188-189; Zahnarzt 11 (1856), S. 285-287; S. 254-256.


76<br />

Eingriff geben kann. Abzuklären ist das Vorliegen einer angeborenen (z.B. Hämophi-<br />

lie) o<strong>der</strong> einer erworbenen Blutgerinnungsstörung in Form eines Plasmafaktormangels<br />

o<strong>der</strong> einer Thrombozytopathie durch Medikamenteneinnahme (Cumarin<strong>der</strong>ivate, Ace-<br />

tylsalicylsäure). Eine Vielzahl <strong>der</strong> unstillbaren Blutungen ist auf Gefäßverän<strong>der</strong>ungen,<br />

eingeschränkte Thrombozytenfunktion o<strong>der</strong> auf einen Mangel an (funktionsfähigen)<br />

Plasmafaktoren zurückzuführen. 241<br />

Als Kriterium <strong>für</strong> die Durchführbarkeit eines invasiven Eingriffs gilt es entwe<strong>der</strong> den<br />

Quickwert (mindestens 25 %) o<strong>der</strong> den INR-Wert (Internationale Normale Ratio, min-<br />

destens 3, 0) zu beachten. 242<br />

Eine peri- o<strong>der</strong> postoperative Blutung nach Zahnextraktion läßt sich je nach <strong>dem</strong> zeit-<br />

lichen Zusammenhang in folgendes Schema einordnen: Die unmittelbare Blutung hat<br />

ihre Ursache in einem beschädigten Gefäß in Knochen o<strong>der</strong> Gingiva und läßt sich<br />

nach Färbung und Art des Blutaustritts als arterielle o<strong>der</strong> venöse identifizieren. Bei<br />

einer Blutung, die zwei bis sechs Stunden postoperativ entsteht, ist von einer reaktiven<br />

Hyperämie aufgrund des Nachlassens <strong>der</strong> Vasokonstringenswirkung auszugehen. Der<br />

entzündliche Zerfall des Koagulums bedingt die Blutung einige Tage nach <strong>dem</strong> Ein-<br />

griff. 243<br />

Es existieren zahlreiche Methoden und Mittel, um einer schwer stillbaren Blutung<br />

beizukommen; einfach und effektiv ist die Drucktamponade mit einem Aufbiß-<br />

Gazetupfer, welche sich beson<strong>der</strong>s nach Zahnextraktionen bewährt hat und in ähnli-<br />

cher Form bereits vielfach im ,Zahnarzt’ beschrieben wurde. Daneben gibt es die<br />

Möglichkeit, Knochenwachs einzubringen o<strong>der</strong> mit <strong>der</strong> Knochenverbolzung die Blu-<br />

tung zu stoppen. Ferner stehen heute bei Blutungen aus <strong>dem</strong> Knochen sogenannte<br />

Koagulumstabilisatoren (Gelatinepräparate, Kollagenvlies, resorbierbare Kunststoff-<br />

geflechte, Oxyzellulosetamponaden) zur <strong>Aus</strong>wahl, die in die Extraktionsalveole ein-<br />

gebracht werden. Ist die Blutung als Gefäßblutung aus <strong>dem</strong> Weichgewebe zu identifi-<br />

zieren, kann das Gefäß in aller Regel durch Elektrokoagulation („Kautern“) o<strong>der</strong><br />

kreuzweises Umstechen verschlossen werden. 244<br />

241 Schwenzer/Ehrenfeld (2000a), S. 29-31.<br />

242 Schwenzer/Ehrenfeld (2000a), S. 29.<br />

243 Reichart (2002a), S. 560; Schwenzer/Ehrenfeld (2000b), S. 59; Horch (1995), S. 68.<br />

244 Horch (1995), S. 68; S. 180; Schwenzer/Ehrenfeld (2000b), S. 59; Schwenzer/Ehrenfeld (2000a), S.<br />

31; Reichart (2002a), S. 560.


77<br />

Für die Wundversorgung von blutungsgefährdeten Patienten empfiehlt sich entwe<strong>der</strong><br />

das Einsetzen einer präoperativ hergestellten Verbandplatte o<strong>der</strong> die Fibrinklebung,<br />

bei welcher zunächst ein Koagulumstabilisator in die knöcherne Wunde eingebracht<br />

und nach Vernähen noch zusätzlich Fibrinkleber auf die Wundrän<strong>der</strong> appliziert<br />

wird. 245<br />

Es zeigt sich, daß von den heute angewendeten Verfahren zur Blutstillung, sei es die<br />

Drucktamponade, <strong>der</strong> Koagulumstabilisator o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Gefäßverschluß, durchaus Ähn-<br />

lichkeiten zu den im ,Zahnarzt’ beschrieben Methoden bestehen. Auch die Problema-<br />

tik <strong>der</strong> angeborenen Blutgerinnungsstörungen war bekannt. 246 Ein besseres Verständ-<br />

nis über die Ursachen von Blutungsübeln und die Weiterentwicklung von Mitteln und<br />

Möglichkeiten zur Blutstillung haben jedoch dazu geführt, daß früher dokumentierte<br />

Todesfälle unmittelbar nach zahnärztlicher Behandlung so gut wie ausgeschlossen<br />

werden können. 247<br />

5.6 Erkrankungen <strong>der</strong> Speicheldrüsen<br />

Im Vor<strong>der</strong>grund <strong>der</strong> Untersuchung erkrankter Speicheldrüsen steht die klinische In-<br />

spektion und Palpation sowohl von extra- als auch von intraoral sowie die Beurteilung<br />

<strong>der</strong> Speichelqualität nach <strong>Aus</strong>massieren des Drüsengewebes. 248<br />

Im Bereich <strong>der</strong> bildgebenden Verfahren hat sich als diagnostischer Standard die So-<br />

nographie durchgesetzt, da sie einfach und kostengünstig in <strong>der</strong> Anwendung und doch<br />

sehr aussagekräftig ist. 249 Zusätzlich stehen die konventionelle Röntgendiagnostik<br />

zum Nachweis schattengeben<strong>der</strong> Konkremente (Speichelsteine), die Computertomo-<br />

graphie zur Darstellung von Raumfor<strong>der</strong>ungen, welche nicht durch Sonographie er-<br />

faßbar sind, und die Magnetresonanztomographie zur Verfügung. In <strong>Aus</strong>nahmefällen<br />

245<br />

Schwenzer/Ehrenfeld (2000a), S. 32-33.<br />

246<br />

vgl. etwa Zahnarzt 1 (1846), S. 87-89; Zahnarzt 2 (1847), S. 179-181; Zahnarzt 7 (1852), S. 285;<br />

Zahnarzt 21 (1866), S. 127.<br />

247<br />

vgl. etwa Zahnarzt 2 (1847), S. 93; Zahnarzt 4 (1849), S. 317-319.<br />

248<br />

Horch (1998), S. 230; Schwenzer/Ehrenfeld (2002), S. 26; Reichart (2002b), S. 304.<br />

249<br />

Die<strong>der</strong>ich (1987), S. 255-261; Schadel (1986), S. 138-142; Horch (1998), S. 231-232.


78<br />

bieten sich die Szintigraphie als dynamische Funktionsprüfung o<strong>der</strong> bioptische Ver-<br />

fahren zur histopathologischen bzw. zytopathologischen Abklärung an. 250<br />

Die akute Entzündung einer Speicheldrüse (Sialadenitis) geht meist mit einer<br />

schmerzhaften Schwellung und einer ausgeprägten klinischen Symptomatik einher,<br />

während die in <strong>der</strong> Regel schmerzlose Sialadenose mit Dyschylien (Sekretionsstörun-<br />

gen) verbunden ist. Die Sialadenitis <strong>der</strong> Ohrspeicheldrüse kann viral - zum Beispiel in<br />

Form <strong>der</strong> Parotitis epi<strong>dem</strong>ica (Mumps) - bedingt sein o<strong>der</strong> als bakteriell verursachte,<br />

eitrige Parotitis auftreten. Im ersten Fall werden in <strong>der</strong> Regel Bettruhe und Analgetika<br />

verordnet, die bakterielle Entzündung <strong>der</strong> Ohrspeicheldrüse wird zumeist mit Antibio-<br />

tika und speichelför<strong>der</strong>nden Maßnahmen (Cholinergika) therapiert. 251<br />

Die auch im ,Zahnarzt’ oft beschriebenen Speichelsteine im <strong>Aus</strong>führungsgang einer<br />

Speicheldrüse o<strong>der</strong> im Drüsenkörper selbst bilden sich zu 80 % in <strong>der</strong> Glandula sub-<br />

mandibularis (10 % Glandula parotidea, 10 % Glandula sublingualis und kleine Spei-<br />

cheldrüsen). 252<br />

War zu Zeiten des ,Zahnarzt’ die chirurgische Therapie durch längs geführte Inzision<br />

des <strong>Aus</strong>führungsgangs und Herausmassieren des Steins die Regel 253 , so greift man<br />

heute bei verhältnismäßig kleinen Steinen möglichst auf weniger invasive Methoden<br />

wie die Verabreichung von speichelför<strong>der</strong>nden Mitteln und das vorsichtige <strong>Aus</strong>mas-<br />

sieren zurück. Bleiben diese Maßnahmen ohne Erfolg, hat sich die Anwendung <strong>der</strong><br />

(laserinduzierten) Stoßwellenlithotripsie (Steinzertrümmerung) bewährt. In einigen<br />

Fällen bleibt nur <strong>der</strong> Weg <strong>der</strong> chirurgischen Therapie durch Schlitzung des <strong>Aus</strong>füh-<br />

rungsganges o<strong>der</strong> durch Entfernung des gesamten Drüsenkörpers bei intraglandulär<br />

gelegenen Speichelsteinen. 254<br />

Die Autoren des ,Zahnarzt’ machten verschiedene Therapievorschläge zur Behand-<br />

lung <strong>der</strong> wegen ihres <strong>Aus</strong>sehens damals oft als Froschgeschwulst bezeichneten Ranu-<br />

la 255 . So finden sich in den entsprechenden <strong>Aus</strong>gaben Berichte über das Ätzen mit<br />

Schwefelsäure, die Jodinjektion mit anschließen<strong>der</strong> Abschnürung durch eine Bleiliga-<br />

250<br />

Horch (1998), S. 231-232; Schwenzer-Ehrenfeld (2002), S. 26-28; Schultze-Mosgau (1994), S. 237-<br />

241.<br />

251<br />

Schwenzer/Ehrenfeld (2002), S. 28-32.<br />

252<br />

Horch (1998), S. 235.<br />

253<br />

vgl. etwa Zahnarzt 2 (1847), S. 334-338.<br />

254<br />

Horch (1998), S. 235;Schwenzer/Ehrenfeld (2002), S. 33-34.<br />

255<br />

ranula lat.=kleiner Frosch.


79<br />

tur o<strong>der</strong> die mehrfache Durchstechung <strong>der</strong> Ranula und anschließen<strong>der</strong> Vernähung mit<br />

<strong>der</strong> Mukosa. 256 Letztere Methode findet auch heute noch Anwendung, falls bei Vor-<br />

liegen von sehr großen Gebilden die Exstirpation nur unvollständig gelingt. 257<br />

5.7 Zysten des Kiefers<br />

Ähnlich <strong>der</strong> Beschreibung in einer <strong>der</strong> späteren <strong>Aus</strong>gaben des ,Zahnarzt’ werden Zy-<br />

sten heute definiert als „in sich abgeschlossene, im Knochen o<strong>der</strong> in den Weichteilen<br />

gelegene pathologische Hohlgebilde unterschiedlicher Genese, die mit flüssigen,<br />

hablbflüssigen o<strong>der</strong> gasförmigen Substanzen gefüllt sind und langsam an Größe zu-<br />

nehmen. Die Zystenwand besteht aus einem Bindegewebesack, dessen Innenfläche in<br />

<strong>der</strong> Regel von einem Epithel überzogen ist“. 258<br />

Nach <strong>der</strong> Einteilung <strong>der</strong> WHO werden zunächst epitheliale und nichtepitheliale Zy-<br />

sten, Zysten <strong>der</strong> Kieferhöhlenschleimhaut und Zysten <strong>der</strong> Weichteile unterschieden.<br />

Mit 52,3 % bzw. 16,6 % zählen die entzündungsbedingte radikuläre Zyste und die<br />

durch Entwicklungsstörungen hervorgerufene follikuläre Zyste zu den häufigsten<br />

odontogenen, epithelialen Kieferzysten. An<strong>der</strong>e Formen kommen wesentlich seltener<br />

vor. 259<br />

Durch ihr sehr langsames Wachstum bleiben Zysten oft Jahre o<strong>der</strong> gar Jahrzehnte völ-<br />

lig symptomlos und fallen im Röntgenbild als Zufallsbefund auf o<strong>der</strong> werden vom Pa-<br />

tienten nach Erreichen einer beachtlichen Größe als schmerzlose Auftreibung be-<br />

merkt. 260<br />

Der Wachstumsmechanismus ist noch nicht eindeutig geklärt; die Größenzunahme ist<br />

auf eine Erhöhung des hydrostatischen Drucks zurückzuführen, welche auf verschie-<br />

denen Wegen geschehen kann. Als wahrscheinlich wird eine Erhöhung <strong>der</strong> Osmolali-<br />

tät <strong>der</strong> Zystenflüssigkeit mit nachfolgen<strong>dem</strong> Flüssigkeitseinstrom durch die als semi-<br />

permeable Membran wirkende Zystenwand angesehen. Als weniger wahrscheinlich<br />

256<br />

vgl. etwa Zahnarzt 3 (1848), S. 81-83; S. 247-249; Zahnarzt 4 (1849), S. 192; Zahnarzt 13 (1858), S.<br />

249-250; S. 287.<br />

257<br />

Hoffmann-Axthelm (1995), S. 627-628.<br />

258<br />

Horch (1995), S. 213; vgl. Zahnarzt 20 (1865), S. 87.<br />

259<br />

Horch (1995), S. 213; Schwenzer/Ehrenfeld (2000b), S. 89-90.<br />

260<br />

Reichart (2002a), S. 341; Horch (1995), S. 230-232; Schwenzer/Ehrenfeld (2000b), S. 91-92.


80<br />

gilt die aktive Sekretion des Zystenepithels o<strong>der</strong> die intramurale reaktive Gewebsver-<br />

mehrung. 261<br />

Als Therapiegrundsatz ist die möglichst vollständige Entfernung des Zystenbalges<br />

und seine anschließende histologische Untersuchung zu nennen; die vollständige Ent-<br />

fernung wurde auch im ,Zahnarzt’ als wirkungsvollste Methode genannt, um Rezidi-<br />

ven vorzubeugen. 262<br />

Zu unterscheiden sind grundsätzlich zwei Operationsformen, die beide auf Partsch 263<br />

zurückgehen. Bei <strong>der</strong> Zystostomie (Methode nach Partsch I) bleibt <strong>der</strong> Zystenbalg<br />

zumindest teilweise erhalten und die Zyste wird zur Nebenhöhle <strong>der</strong> Mundhöhle ge-<br />

macht. Es schließt sich die offene Wundbehandlung an; ein langes, <strong>für</strong> den Patienten<br />

oft belastendes Offenhalten des Zystenfensters mit Tamponaden o<strong>der</strong> einem Obturator<br />

ist erfor<strong>der</strong>lich. Dieses Vorgehen bietet sich an bei übermäßiger Zystengröße, schlech-<br />

ter Zugänglichkeit o<strong>der</strong> Gefährdung von benachbarten Strukturen (Kieferhöhle, Na-<br />

senboden, Nerven) bei vollständiger Entfernung des Zystenbalges. 264<br />

Vorzuziehen ist nach Möglichkeit die Zystektomie (Methode nach Partsch II). Die<br />

Zystektomie beinhaltet die vollständige Entfernung des Zystenbalges mit anschlie-<br />

ßen<strong>dem</strong> dichtem Wundverschluß. Die Heilung erfolgt dabei über die Organisation des<br />

Blutkoagulums in <strong>der</strong> Knochenhöhle. Vorteile dabei sind die geringe Rezidivgefahr,<br />

<strong>der</strong> kurze Behandlungszeitraum und die Möglichkeit eines vollständigen histologi-<br />

schen Befundes. Bei extrem großen Zysten wird zur Auffüllung des Zystenhohlraums<br />

die in puncto Wundheilung und Knochenregeneration sehr gut geeignete autogene<br />

Spongiosa vom Beckenkamm verwendet. 265<br />

5.8 Weichteilinfektionen<br />

Neben <strong>der</strong> serösen Entzündung wie <strong>der</strong> Sinusitis maxillaris und <strong>der</strong> nekrotisierenden<br />

gangränösen Entzündung (z.B. akute nekrotisierende ulzeröse Gingivitis) zählt die eit-<br />

261 Horch (1995), S. 231; Schwenzer/Ehrenfeld (2000b), S. 90-91; Reichart (2002a), S. 341.<br />

262 Horch (1995), S. 239; vgl. etwa Zahnarzt 8 (1853), S. 27-28.<br />

263 Carl Partsch, geb. 1855, gest. 1932, Kieferchirurg, Breslau: vgl. Hoffmann-Axthelm (1995), S. 566.<br />

264 Partsch (1892), S. 271; Schwenzer/Ehrenfeld (2000b), S. 92; S. 95.<br />

265 Partsch (1910), S. 252; Schwenzer/Ehrenfeld (2000b), S. 92; S. 94.


81<br />

rige Entzündung - gekennzeichnet durch das Vorhandensein von Bakterien und neu-<br />

trophilen Granulozyten - zu den häufigsten Entzündungsformen im Mund-Kiefer-<br />

Gesichtsbereich. Der Abszeß ist definiert als „Eiteransammlung in einem Gewebe-<br />

hohlraum, <strong>der</strong> nicht naturgegeben, son<strong>der</strong>n durch Verflüssigung einer Nekrose neu<br />

entstanden ist. Der Abszeß ist durch einen Granulationswall (Abszeßmembran) gegen<br />

die Umgebung abgegrenzt“. 266<br />

Weichteilinfektionen im Mund-Kiefer-Gesichtsbereich sind meist dentogenen Ur-<br />

sprungs, d. h. die Erreger dringen von außen über einen avitalen Zahn in den Körper<br />

ein. Als Infektionserreger kommen sowohl grampositive als auch gramnegative, aber<br />

auch Viren und Pilze in Frage. In <strong>der</strong> Mehrzahl <strong>der</strong> Fälle handelt es sich um aerob-<br />

anaerobe Mischinfektionen mit Streptokokkenbeteiligung. 267<br />

Nach <strong>dem</strong> Grundsatz „ubi pus, ibi evacua!“ stellen die ausreichende Eröffnung durch<br />

Inzision und die anschließende Drainage die wichtigsten Behandlungsmaßnahmen im<br />

Stadium <strong>der</strong> eitrigen Entzündung dar. Dabei ist die Inzision so zu führen, daß wichtige<br />

anatomische Strukturen geschont werden und vor allem nach extraoralen Schnitten ein<br />

möglichst optimales ästhetisches Ergebnis erzielt wird. 268<br />

Die Wichtigkeit <strong>der</strong> Drainage, die das Verkleben <strong>der</strong> Wundrän<strong>der</strong> verhin<strong>der</strong>t und den<br />

Abfluß des Entzündungsexsudats sichert, war auch den Autoren des ,Zahnarzt’ be-<br />

kannt, wie den entsprechenden Artikeln zu entnehmen ist. 269 Als Materialien zum Of-<br />

fenhalten <strong>der</strong> Wunde nach Inzision werden bei oberflächlichen Vorgängen mit einem<br />

antiseptischen Medikament getränkte Gazestreifen verwendet, die mehrfach gewech-<br />

selt werden. Aber auch Kofferdamgummi, o<strong>der</strong> - beson<strong>der</strong>s bei tiefliegenden Abszes-<br />

sen - Gummi- o<strong>der</strong> Silikonröhrchen, die mit einer Naht o<strong>der</strong> einer Sicherheitsnadel<br />

gegen ein Hineingleiten in die Wunde gesichert werden, haben sich bewährt. 270<br />

Nicht ganz geklärt ist die Frage nach <strong>der</strong> Notwendigkeit einer zusätzlichen Antibioti-<br />

kagabe. Bei <strong>Aus</strong>breitungstendenz eines Abszesses in benachbarte Logen mit eventuell<br />

lebensbedrohenden Folgen ist sie mit Sicherheit indiziert. Die Präparate sind mög-<br />

lichst nach einem durchgeführten Antibiogrammm auszuwählen; ansonsten zeigen<br />

266<br />

Schwenzer/Ehrenfeld (2000a), S. 120-121; S. 123.<br />

267<br />

Weber (1999), S. 227; Schwenzer/Ehrenfeld(2000a), S. 124; S. 130.<br />

268<br />

Reichart (2002a), S. 500; Horch (1995), S. 96; Haug (1990), S. 34.<br />

269<br />

Horch (1995), S. 96; Schwenzer/Ehrenfeld (2000a), S. 132-133; vgl. etwa Zahnarzt 12 ( 1857), S.<br />

82-85.<br />

270<br />

Schwenzer/Ehrenfeld (2000a), S. 132-133; Horch (1995), S. 99.


82<br />

Clindamycin, Breitspektrumpenicilline und Cephalosporine in <strong>der</strong> Regel gute Wir-<br />

kungen. Die alleinige antibiotische Behandlung ohne chirurgische Intervention gilt je-<br />

doch als fehlerhaft. 271<br />

Sowohl unterstützend als auch in Form einer Monotherapie bei Entzündungen im An-<br />

fangsstadium können physikalische Methoden angewendet werden. In Frage kommen<br />

dabei Kälte zur Schwellungsprophylaxe, Wärme zur Provokation einer eitrigen Ein-<br />

schmelzung, aber auch die Iontophorese 272 o<strong>der</strong> die hyperbare Sauerstofftherapie 273 .<br />

Die entzündlichen Begleiterscheinungen beim erschwerten Zahndurchbruch (Dentitio<br />

difficilis, beson<strong>der</strong>s im Unterkiefer) sind auf eine Schlupfwinkelinfektion in <strong>der</strong> Zahn-<br />

fleischtasche zwischen <strong>dem</strong> durchbrechenden Zahn und <strong>der</strong> bedeckenden Schleimhaut<br />

zurückzuführen. Die Symptome reichen von einer lokalen Rötung und Schwellung<br />

und begleitenden Schmerzen über Mundöffnungsbehin<strong>der</strong>ungen durch Infiltration <strong>der</strong><br />

Kaumuskulatur bis zum - allerdings seltenen - retromaxillären Logenabszeß. Die The-<br />

rapie orientiert sich am vorliegenden Stadium <strong>der</strong> Entzündung. In den meisten Fällen<br />

bringt die Entfernung des perikoronaren Weichgewebes bis auf die Zahnkrone und ei-<br />

ne Reinigung <strong>der</strong> Tasche schnelle Erleichterung. In schwierigeren Fällen hat sich die<br />

Inzision und Drainage <strong>der</strong> Tasche bewährt. 274<br />

Das im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t vergleichsweise gering ausgeprägte zahnhygienische Bewußt-<br />

sein in <strong>der</strong> Bevölkerung bedingte häufig das Vorliegen eines maroden Gebisses, wel-<br />

ches das Risiko einer dentogenen Infektion zwangsläufig erhöhen mußte. Nicht zu un-<br />

terschätzen war je nach Sauberkeit <strong>der</strong> Instrumente und <strong>der</strong> Hände des Behandlers<br />

auch die Gefahr <strong>der</strong> Infektion nach vorangegangener Extraktion. 275<br />

Die im ,Zahnarzt’ oft beschriebene Inzision mit anschließen<strong>der</strong> Drainage gehört auch<br />

heute noch zu den Grundlagen <strong>der</strong> Therapie <strong>der</strong> Weichteilinfektion.<br />

271 Horch (1995), S. 100; Schwenzer/Ehrenfeld (2000a), S. 133.<br />

272 Gezieltes Einschleusen von Ionen od. undissoziierten, aber ionisierbaren Medikamenten durch die<br />

intakte Haut od. Schleimhaut mittels galvanischen Stroms. Die unter <strong>der</strong> aktiven Elektrode liegenden<br />

Wirkstoffe wan<strong>der</strong>n in Richtung auf die Gegenelektrode; umstrittene Methode: vgl. Pschyrembel<br />

(1998), S. 777.<br />

273 In einer Behandlungsdruckkammer wird unter erhöhtem Umgebungsdruck reiner Sauerstoff eingeatmet,<br />

<strong>der</strong> zusätzlich zu <strong>dem</strong> im Hämoglobin gebundenen Sauerstoff in das Gewebe transportiert<br />

werden kann: vgl. Horch (1995), S. 105.<br />

274 Schwenzer/Ehrenfeld (2000b), S. 50-51.<br />

275 vgl. etwa Zahnarzt 11 (1856), S. 348; S. 222; Zahnarzt 12 (1857), S. 349-350; S. 85-87.


83<br />

Der gezielte Antibiotikaeinsatz zur Vermeidung <strong>der</strong> häufig lebensbedrohlichen <strong>Aus</strong>-<br />

breitung einer Infektion entwickelte sich jedoch erst nach <strong>der</strong> Entdeckung des Penicil-<br />

lins im Jahre 1928 durch Alexan<strong>der</strong> Fleming (1881-1955) und seine therapeutische<br />

Anwendung ab 1940. 276<br />

5.9 Frakturen im Kieferbereich<br />

Bei Vorliegen einer Kieferfraktur empfiehlt sich zunächst eine Notschienung, um<br />

Schmerzen durch Fragmentbewegungen zu verhin<strong>der</strong>n sowie die Blutung, die Infekti-<br />

onsgefahr und die Ö<strong>dem</strong>bildung einzuschränken. 277 Schließt <strong>der</strong> Befund nach Palpati-<br />

on und orientierenden Röntgenaufnahmen eine Dislokation <strong>der</strong> Fragmente aus, o<strong>der</strong><br />

ist die Reposition manuell unproblematisch durchführbar, ist bei alveolarfortsatznahen<br />

Frakturen die konservative Frakturbehandlung durch Fixation in vielen Fällen ausrei-<br />

chend. Die Fixation erfolgt dabei üblicherweise mit Schienen o<strong>der</strong> Drahtligaturen und<br />

muß sowohl nach okklusalen als auch nach skelettalen Gesichtspunkten erfolgen. Zu<br />

unterscheiden ist die interfragmentäre Fixation von <strong>der</strong> mandibulo-maxillären Fixati-<br />

on (MMF), bei <strong>der</strong> <strong>der</strong> verletzte Unterkiefer nach Einstellung <strong>der</strong> korrekten Verzah-<br />

nung am unverletzten Oberkiefer meist durch Drahtligaturen (sog. Ernst 278 -Häkchen)<br />

fixiert wird. Die interfragmentäre Fixation umfaßt die einfache Achterligatur, die nur<br />

kurzfristig anzuwendende Drahtbogenschiene (z.B. Sauerschiene 279 , auch Sauer-<br />

Notverband) und die direkt (nach Schuchardt 280 ) o<strong>der</strong> indirekt (Modell Münster) ange-<br />

fertigte Drahtbogen-Kunststoffschiene. 281<br />

Die Methoden zur Erzielung interfragmentärer Ruhe als Voraussetzung zur ungestör-<br />

ten Heilung über Kallusbildung wurden auch im ,Zahnarzt’ erwähnt. Sowohl extraoral<br />

befestigte Metallbügel, Gummibandagen und Verbände als auch auf einem nach Ab-<br />

276<br />

Pschyrembel (1998), S. 1213.<br />

277<br />

Schwenzer/Ehrenfeld (2002), S. 295.<br />

278<br />

Franz Ernst, geb. 1887, gest. 1947, Zahnarzt, Berlin: vgl. Hoffmann-Axthelm (1995), S. 213.<br />

279<br />

Carl Sauer, geb. 1835, gest. 1892, Zahnarzt,Berlin: vgl. Hoffmann-Axthelm (1995), S. 660.<br />

280<br />

Karl Schuchardt, geb. 1901, gest. 1984, Kieferchirurg, Hamburg: vgl. Hoffmann-Axthelm (1995), S.<br />

681.<br />

281<br />

Horch (1997), 73-75; Schwenzer/Ehrenfeld (2002), S. 295-299; Hausamen (2003), S. 379-381.


84<br />

drucknahme <strong>der</strong> reponierten Fragmente hergestellten Modell angefertigte Metall- o<strong>der</strong><br />

Goldplatten fanden Erwähnung. 282<br />

Was damals jedoch fehlte, war die operative Versorgung von Kieferfrakturen durch<br />

funktionsstabile Osteosyntheseverfahren. Diese werden in <strong>der</strong> Regel in Allgemeinnar-<br />

kose bei nasotrachealer Intubation vorgenommen und ermöglichen durch eine Fixie-<br />

rung <strong>der</strong> Fragmente mit Hilfe von im Knochen verschraubten Osteosyntheseplatten<br />

eine primäre Knochenheilung ohne Kallusbildung; eine zusätzliche Ruhigstellung ist<br />

meist nicht erfor<strong>der</strong>lich. Es sind verschiedene Plattensysteme (Kompressionsplatten,<br />

Adaptationsplatten, Miniplatten etc.) auf <strong>dem</strong> Markt; die Platten selbst bestehen zu-<br />

meist aus Reintitan, Vitallium o<strong>der</strong> Stahl. Relativ neu sind bioresorbierbare Platten,<br />

die keinen Zweiteingriff <strong>für</strong> die Entfernung zur Folge haben. 283<br />

Abb. 14 5-Loch-Kompressionsplatte und Miniplatte aus <strong>dem</strong> AO (Arbeitsgemeinschaft<br />

<strong>für</strong> Osteosynthese)-System am Modell.<br />

282 vgl. etwa Zahnarzt 10 (1855), S. 146-149; Zahnarzt 11 (1856), S. 95; Zahnarzt 17 (1862), S. 319;<br />

Zahnarzt 12 (1857), S. 157-160; Zahnarzt 14 (1859), S. 364-369.<br />

283 Horch (1997), S. 81; Schwenzer/Ehrenfeld (2002), S. 309-311; Hausamen (2003), S. 382-388.


85<br />

5.10 Grundlagen zahnärztlicher Hygiene<br />

Das Ziel aller hygienischen Maßnahmen ist die Verhütung von Infektionen sowohl<br />

beim Patienten als auch beim Behandler und seinem Team durch Beachtung hygieni-<br />

scher Standards und die Durchführung geeigneter Desinfektions 284 - bzw. Sterilisati-<br />

onsverfahren 285 . Als mögliche Übertragungswege kommen die Luftinfektion (Tröpf-<br />

cheninfektion, Aerosol), <strong>der</strong> direkte Kontakt (z.B. mit Blut, Speichel), die Schmierin-<br />

fektion (z.B. Patientenkarten, Telefon) und die Infektion über den Blutweg o<strong>der</strong> durch<br />

infiziertes Wasser in Betracht. 286<br />

Um das Risiko einer behandlungsbedingten Infektion zu minimieren, ist zunächst eine<br />

sorgfältige Anamnese zu erheben. Vor <strong>der</strong> eigentlichen Behandlung sollte eine gründ-<br />

liche Plaqueentfernung und gegebenenfalls eine antibakterielle Mundspülung durch-<br />

geführt werden. Die Verwendung steriler Instrumente und die Bereitstellung einer<br />

desinfizierten Behandlungseinheit mit intakter Wasserentkeimungsanlage sollten heu-<br />

te ebenso als selbstverständlich gelten wie die Flächendesinfektion im Wischverfahren<br />

vor je<strong>der</strong> Behandlung. 287<br />

Bezogen auf das (zahn)medizinische Personal ist eine ausreichende Immunisierung -<br />

beson<strong>der</strong>s gegen das Hepatitis-B-Virus - zu for<strong>der</strong>n. Da die Hände als Hauptüberträ-<br />

ger von Keimen in <strong>der</strong> zahnärztlichen Praxis gelten, kommt <strong>der</strong> Händehygiene große<br />

Bedeutung zu. Diese umfaßt das Ablegen von Armbanduhren, Ringen, Armbän<strong>der</strong>n<br />

und ähnlichen Schmuckstücken vor Behandlungsbeginn und das Entfernen von even-<br />

tuell vorhandenem Nagellack von den kurz zu haltenden Fingernägeln. Ebenso hat ei-<br />

ne Hän<strong>der</strong>einigung und eine hygienische bzw. chirurgische Händedesinfektion 288 mit<br />

einem anerkannten und zugelassenen Händedesinfektionsmittel zu erfolgen. Als un-<br />

verzichtbar gilt <strong>der</strong> Gebrauch von Einweghandschuhen, Mund- und Nasenschutz und<br />

einer Schutzbrille. Zweckmäßig ist ferner das Tragen entsprechen<strong>der</strong> Schutzkleidung,<br />

284 Desinfektion ist eine Maßnahme, die durch Abtötung, Inaktivierung bzw. Entfernung von Mikroorganismen<br />

eine Reduzierung <strong>der</strong> Keizahl um mind. fünf Zehnerpotenzen erreicht, damit von <strong>dem</strong><br />

desinfizierten Material keine Infektion mehr ausgehen kann: vgl. Pschyrembel (1998), S. 118.<br />

285 Unter Sterilisation versteht man das Abtöten o<strong>der</strong> Entfernen aller lebensfähigen Vegetativ- und Dauerformen<br />

von pathogenen und apathogenen Mikroorganismen in Stoffen, Zubereitungen o<strong>der</strong> an<br />

Gegenständen: vgl. Pschyrembel (1998), S. 1503.<br />

286 Schwenzer/Ehrenfeld (2000a), S. 53; Weber (1999); S. 195; Reichart (2002a), S. 114.<br />

287 Weber (1999), S. 196; Schwenzer/Ehrenfeld (2000a), S. 69; S. 75; Borneff (1994), S. 109-114.<br />

288 Chirurgische Händedesinfektion nur <strong>für</strong> unmittelbar an einer chirurgischen Behandlung Beteiligte.


86<br />

die im Falle einer Kontamination nach <strong>der</strong> Behandlung abgelegt werden kann. Wei-<br />

terhin reduzieren die ergonomische Gestaltung des Behandlungsraums und eine sinn-<br />

volle Planung des Behandlungsablaufes die Infektionsgefahr durch ungeplantes und<br />

unüberlegtes Verhalten („Griff in die Schublade“). 289<br />

In Bezug auf die Instrumente haben sich in <strong>der</strong> zahnärztlichen Praxis die thermische<br />

Desinfektion im Waschautomaten und die sichere und ökonomische Dampfsterilisati-<br />

on im Autoklav durchgesetzt, <strong>für</strong> dessen Betrieb die Einhaltung entsprechen<strong>der</strong> DIN-<br />

Normen vorgeschrieben ist. 290<br />

Nicht zuletzt sorgt auch das sichere Sammeln und Aufbewahren von Abfällen und be-<br />

nutzten Einmalartikeln <strong>für</strong> einen hygienischen Arbeitsablauf. 291<br />

5.11 Replantation und Transplantation<br />

Bevor Partsch gegen Ende des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts die Wurzelspitzenresektion zur sy-<br />

stematischen Operation <strong>der</strong> Zahnheilkunde ausgebaut hatte, bestand die Therapie <strong>der</strong><br />

periapikalen Parodontitis oft aus <strong>der</strong> Extraktion und anschließenden Replantation. Da<br />

<strong>für</strong> diese Art <strong>der</strong> Therapie keine Indikation mehr besteht, werden heute in <strong>der</strong> Regel<br />

nur durch eine irrtümliche bzw. unbeabsichtigte Extraktion o<strong>der</strong> ein Trauma entfernte<br />

Zähne re(im)plantiert. Dabei gelten die (oberen) Frontzähne bei sechs- bis 15jährigen<br />

Kin<strong>der</strong>n aufgrund ihrer Stellung als beson<strong>der</strong>s gefährdet. 292<br />

Als Notmaßnahme nach traumatischem Verlust eines Zahnes ist die Lagerung in ei-<br />

nem feuchtem Medium (Kochsalz, Speichel) von immenser Bedeutung, um den<br />

Schutz des Desmodontal- und Zementgewebes zu gewährleisten. Nach gegebenenfalls<br />

durchzuführen<strong>der</strong> Tetanusprophylaxe kann beim Zahnarzt die Reinigung des Zahnes<br />

z.B. mit Wasserstoffperoxyd und zunächst die Versorgung <strong>der</strong> Knochen- und Weich-<br />

289<br />

Reichart (2002a), S. 123; 125-126; Weber (1999), S. 196; Guggenheim (1994), S. 771-775; Robert-<br />

Koch-<strong>Institut</strong> (1998), S. 363-369.<br />

290<br />

Schwenzer/Ehrenfeld (2000a), S. 59-60; Reichart (2002a), S. 115; Weber (1999), S. 200; vgl. hierzu<br />

auch Beck (1994), S. 231-232; Wallhäußer (1995), S. 272-273.<br />

291<br />

Schwenzer/Ehrenfeld (2000a), S. 67-68.<br />

292<br />

Horch (1995), S. 329; Herforth (1982), S. 16-17.


87<br />

teilverletzungen erfolgen. Erscheint die ebenfalls zu reinigende Alveole unversehrt,<br />

wird <strong>der</strong> Zahn reponiert und durch Schienung an den Nachbarzähnen immobilisiert. 293<br />

Da die Vitalerhaltung <strong>der</strong> Pulpa eines totalluxierten Zahnes einer relativ schlechten<br />

Prognose unterliegt, ist in aller Regel sowohl nach <strong>der</strong> Replantation als auch nach ei-<br />

ner Transplantation eine Wurzelkanalbehandlung erfor<strong>der</strong>lich; hierüber gehen die<br />

Meinungen jedoch auseinan<strong>der</strong>. Mögliche Mißerfolge einer Replantation o<strong>der</strong> Trans-<br />

plantation können sich - insbeson<strong>der</strong>e nach Desmodontverletzung - in einer externen<br />

Wurzelresorption o<strong>der</strong> einer Ankylosierung äußern. Wichtig ist daher die regelmäßige<br />

klinische und röntgenologische Kontrolle. 294<br />

Horch beziffert die durchschnittliche Verweildauer eines replantierten Zahnes im<br />

Mund mit sieben Jahren und betrachtet daher die Replantation nur als Übergangslö-<br />

sung bis zur endgültigen Versorgung. 295<br />

Die Operation <strong>der</strong> Zahntransplantation wurde bereits lange vor Erscheinen des<br />

,Zahnarzt’ durchgeführt; wahrscheinlich war dies die erste Organtransplantation über-<br />

haupt. Während früher jedoch ein o<strong>der</strong> mehrere Zähne von einem Patientenmund in<br />

den an<strong>der</strong>en verpflanzt wurde, besteht heute eine Beschränkung auf die autologe<br />

Transplantation. 296<br />

Naheliegend ist <strong>der</strong> Ersatz von Molaren - insbeson<strong>der</strong>e von in Verlust gegangenen<br />

Sechsjahrmolaren - durch retinierte bzw. impaktierte Weisheitszähne; aber auch<br />

Transplantationen von Prämolaren und Eckzähnen sind möglich. Auch hier ist die<br />

Unversehrtheit <strong>der</strong> Wurzelhaut als wichtige Voraussetzung <strong>für</strong> den Langzeiterfolg zu<br />

verstehen. 297<br />

Während Reichart die Erfolgsrate von Zahntransplantationen mit regelgerecht durch-<br />

geführter Wurzelbehandlung nach sechsjährigem Beobachtungszeitraum mit 96 % an-<br />

gibt, sehen Schwenzer/Ehrenfeld aufgrund des ungewissen Erfolgs heute kaum noch<br />

Indikationen <strong>für</strong> die Zahntransplantation und beurteilen die Insertion eines Implantat<br />

als erfolgversprechen<strong>der</strong>. 298<br />

293<br />

Harndt (1971), S. 536-538; Koidin (1977), S. 73; Nentwig (1987), S. 205.<br />

294<br />

Horch (1995), S. 333; S. 345-346; Schwenzer/Ehrenfeld (2000b), S. 85-86.<br />

295<br />

Horch (1995), S. 334; vgl. auch Eskici (1988), S. 13.<br />

296<br />

vgl. Zahnarzt 19 (1864), S. 3-21; Horch (1995), S. 334.<br />

297<br />

Horch (1995), S. 341-346.<br />

298<br />

Reichart (2002a), S. 288; Schwenzer/Ehrenfeld (2000b), S. 86.


88<br />

6. Zusammenfassung und <strong>Aus</strong>blick<br />

Im Jahre 1846 wurde Deutschlands erste zahnmedizinische Fachzeitschrift mit <strong>dem</strong><br />

Titel ,Der Zahnarzt - Das Neueste und Wissenswürdigste des In- und <strong>Aus</strong>landes über<br />

Zahnheilkunde’ gegründet. In einer Zeit, in <strong>der</strong> sich <strong>der</strong> Berufsstand <strong>der</strong> Zahnärzte<br />

durch nicht einheitliche <strong>Aus</strong>bildungs- und Prüfungsvorgaben sehr heterogen zeigte -<br />

auch Nichtapprobierte waren zur <strong>Aus</strong>übung <strong>der</strong> Zahnheilkunde befugt - strebte <strong>der</strong><br />

Herausgeber des ,Zahnarzt’ - Carl Wilhelm Ludwig Schmedicke (1822 - 1863) - mit<br />

seinem Journal die Vereinigung und den Aufschwung <strong>der</strong> deutschen Zahnärzteschaft<br />

an.<br />

Schmedicke absolvierte nach dreijähriger praktischer <strong>Aus</strong>bildung und <strong>dem</strong> Besuch <strong>der</strong><br />

entsprechenden Vorlesungen die Zahnärztliche Prüfung vor <strong>dem</strong> Berliner <strong>Medizin</strong>al-<br />

kollegium und ließ sich anschließend als Zahnarzt in Berlin nie<strong>der</strong>. Neben <strong>dem</strong><br />

,Zahnarzt’ gab er ein ,Zahnärztliches Recepttaschenbuch’ heraus und gründete 1847<br />

den ,Verein <strong>der</strong> Zahnärzte in Berlin’.<br />

Der ,Zahnarzt’ thematisierte nahezu alle zahnmedizinisch relevanten Gebiete; auf-<br />

grund <strong>der</strong> damaligen Entwicklungen fand die zahnärztliche Chirurgie im Vergleich<br />

mit an<strong>der</strong>en Fächern, wie etwa <strong>der</strong> Prothetik o<strong>der</strong> <strong>der</strong> konservierenden Zahnheilkunde,<br />

große Beachtung, was sich an einer enorm hohen Artikelanzahl in diesem Bereich wi-<br />

<strong>der</strong>spiegelte. Beson<strong>der</strong>en Stellenwert nahmen die Schmerzausschaltung durch Narko-<br />

se bzw. Anästhesie und die Zahnextraktion ein. In kleinerer Anzahl, aber ebenso re-<br />

gelmäßig erschienen Artikel über an<strong>der</strong>e Gebiete <strong>der</strong> zahnärztlichen Chirurgie.<br />

Die Darstellung <strong>der</strong> im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t üblichen, risikobehafteten Inhalationsnarkose<br />

mit Äther, Chloroform o<strong>der</strong> Lachgas verdeutlicht die Vorzüge <strong>der</strong> heutigen Lokal-<br />

anästhesie. Den Meldungen im ,Zahnarzt’ zufolge hatten die Behandler häufig mit<br />

manchmal sogar tödlichen Nebenwirkungen <strong>der</strong> schwer dosierbaren Inhalationsnarko-<br />

se zu kämpfen, während <strong>der</strong> sorgfältige Einsatz mo<strong>der</strong>ner Lokalanästhetika heute eine<br />

nahezu schmerzfreie und gefahrlose Behandlung erlaubt.<br />

Die Durchführung <strong>der</strong> wohl häufigsten zahnärztlich-chirurgischen Maßnahme, <strong>der</strong> Ex-<br />

traktion, hat nur mo<strong>der</strong>ate Verän<strong>der</strong>ungen erfahren, wie <strong>der</strong> Vergleich zwischen <strong>dem</strong><br />

,Zahnarzt’ und <strong>der</strong> aktuellen Literatur zeigt. Diese bestehen vornehmlich in einer Wei-


89<br />

terentwicklung <strong>der</strong> Extraktionsinstrumente und <strong>der</strong> Einhaltung hygienischer Stan-<br />

dards.<br />

Die Erkrankungen <strong>der</strong> Nerven im Mund-Kiefer-Gesichtsbereich - darunter insbeson-<br />

<strong>der</strong>e die Trigeminusneuralgie - sind heute noch schwer therapierbar, zumal die Ätio-<br />

logie nicht endgültig geklärt ist. Wurden im Erscheinungszeitraum des ,Zahnarzt’ auf-<br />

grund <strong>der</strong> nicht bekannten Ursache dieses Leidens teilweise radikale Eingriffe vorge-<br />

nommen, so wird heute <strong>der</strong> medikamentösen bzw. <strong>der</strong> minimalinvasiven Therapie <strong>der</strong><br />

Vorzug gegeben.<br />

Über die Notwendigkeit <strong>der</strong> Resektion bei Vorliegen einer malignen Neubildung wa-<br />

ren sich die Autoren des ,Zahnarzt’ meist einig, wie den entsprechenden Artikeln zu<br />

entnehmen ist. Es fehlten jedoch die Möglichkeiten <strong>der</strong> verfeinerten präoperativen<br />

Diagnostik durch bildgebende Verfahren (konventionelle Röntgenaufnahme, Compu-<br />

tertomographie, Kernspintomographie, Sonographie), die heute die Beurteilung <strong>der</strong><br />

Operabilität und eine Prognose gestatten.<br />

Hatten im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t zahnärztlich-chirurgische Eingriffe - allen voran die Ex-<br />

traktion - nicht selten tödliche Blutungen zur Folge, so läßt sich heute durch sorgfälti-<br />

ge Anamneseerhebung und Beachtung bestimmter Parameter (Quick-Wert, INR) die<br />

Gefahr einer unstillbaren Blutung reduzieren.<br />

Durch die Stoßwellenlithotripsie kann die im ,Zahnarzt’ als Standardtherapie be-<br />

schriebene Schlitzung des Speicheldrüsenausführungsganges zur Entfernung eines<br />

Speichelsteins oft umgangen werden. Die heute übliche Therapie <strong>der</strong> Ranula zeigt<br />

Parallelitäten zu den im ,Zahnarzt’ dargestellten Behandlungen.<br />

Die Therapie <strong>der</strong> Zysten des Kiefers geht auf den Kieferchirurgen Carl Partsch (1855-<br />

1932) zurück. Bereits im ,Zahnarzt’ wurde die möglichst vollständige Entfernung des<br />

Zystenbalgs o<strong>der</strong> alternativ die Entleerung <strong>der</strong> Zyste mit anschließen<strong>dem</strong> Offenhalten<br />

<strong>der</strong> Kavität gefor<strong>der</strong>t.<br />

Schon im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t galten die Inzision und die Drainage als Therapie <strong>der</strong> Wahl<br />

bei Vorliegen eines Abszesses. Da <strong>der</strong> Antibiotikaeinsatz erst nach <strong>der</strong> Einführung des<br />

Penicillins in <strong>der</strong> Mitte des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts erfolgte, konnte eine lebensbedrohliche<br />

<strong>Aus</strong>breitung des Abszesses in benachbarte Logen des Mund-Kiefer-Gesichtsbereichs<br />

jedoch häufig nicht verhin<strong>der</strong>t werden.


90<br />

Die im ,Zahnarzt’ als Standardtherapie bei Kieferbruch geltende manuelle Reposition<br />

und anschließende Ruhigstellung <strong>der</strong> Fragmente ist heute um die operative Versor-<br />

gung durch funktionsstabile Osteosyntheseverfahren erweitert. Diese erlauben eine<br />

primäre Knochenheilung ohne Kallusbildung und erfor<strong>der</strong>n in <strong>der</strong> Regel keine zusätz-<br />

liche Ruhigstellung.<br />

Den Grundlagen <strong>der</strong> zahnärztlichen Hygiene wurde im ,Zahnarzt’ wenig Beachtung<br />

geschenkt. Zwar fanden sich vereinzelt Hinweise auf vermeintlich desinfizierend wir-<br />

kende Substanzen; hygienische Standards zur Vermeidung <strong>der</strong> Keimübertragung von<br />

Patient zu Patient o<strong>der</strong> vom Patienten zum Zahnarzt und umgekehrt existierten jedoch<br />

nicht.<br />

Wurden im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t schwer zugängliche Kavitäten und - vor <strong>der</strong> Einführung<br />

<strong>der</strong> Wurzelspitzenresektion - periapikale Parodontitiden durch Extraktion, extraorale<br />

Versorgung und Wie<strong>der</strong>einsetzen des Zahnes therapiert, so ist die Indikation zur Re-<br />

plantation heute auf traumatisch verloren gegangene und irrtümlich o<strong>der</strong> versehentlich<br />

extrahierte Zähne beschränkt. Durch die beinahe zum Standardverfahren gewordene<br />

zahnärztliche Implantation verliert auch die Zahntransplantation - im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

noch oft von einem in den nächsten Patientenmund durchgeführt - zunehmend ihre<br />

Indikation.<br />

Die in <strong>der</strong> heutigen Zeit zunehmende Spezialisierung <strong>der</strong> Zahnärzteschaft auf einzelne<br />

Fachgebiete <strong>der</strong> Zahnheilkunde spiegelt sich in <strong>der</strong> Bildung entsprechen<strong>der</strong> wissen-<br />

schaftlicher o<strong>der</strong> berufsständischer Vereinigungen und <strong>der</strong> Herausgabe fachspezifi-<br />

scher Zeitschriften wi<strong>der</strong>. Es ist davon auszugehen, daß neue Behandlungsmethoden -<br />

sowohl in <strong>der</strong> zahnärztlichen Chirurgie als auch zum Beispiel in <strong>der</strong> Endodontie o<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> Parodontologie - dadurch relativ schnell eingeführt und zum therapeutischen<br />

Standard weiterentwickelt werden können, wie dies etwa in <strong>der</strong> Implantologie o<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> Adhäsivtechnik <strong>der</strong> Fall ist.


91<br />

7. Verzeichnis <strong>der</strong> Abbildungen und Tabellen<br />

Seite<br />

Abb. 1 Photographie Carl Wilhelm Ludwig Schmedicke 6<br />

Entnommen aus: ,Der Zahnarzt’ 20 (1865).<br />

Abb. 2 Titelblatt <strong>der</strong> ersten <strong>Aus</strong>gabe von ,Der Zahnarzt’ 10<br />

Entnommen aus: ,Der Zahnarzt’ 1 (1846).<br />

Abb. 3 Vorwort Schmedickes in <strong>der</strong> ersten <strong>Aus</strong>gabe von ,Der Zahnarzt’ 11<br />

Entnommen aus: ,Der Zahnarzt’ 1 (1846).<br />

Abb. 4 Rechnung des Instrumentenmachers Evrard an Tomes, datiert 4. 19<br />

August 1840; von Tomes entworfene und von Evrard ausgeführte<br />

Extraktionszange<br />

Entnommen aus: Bennion (1988), S. 174.<br />

Abb. 5 Verschiedene <strong>Aus</strong>führungen des Pelikans 20<br />

Entnommen aus: Bennion (1988), S. 34.<br />

Abb. 6 Verschiedene Schlüssel aus <strong>der</strong> zweiten Hälfte des 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts 21<br />

Entnommen aus: Bennion (1988), S. 45.<br />

Tab. 1 Anzahl <strong>der</strong> Artikel zu verschiedenen zahnmedizinischen Themen in 22<br />

den 27 Jahrgängen von ,Der Zahnarzt’<br />

Abb. 7 Anzahl <strong>der</strong> Artikel zu ausgewählten Themen im Verlauf <strong>der</strong> 27 26<br />

Jahrgänge von ,Der Zahnarzt’<br />

Abb. 8 Prozentualer Anteil <strong>der</strong> themenspezifischen Artikel an <strong>der</strong> Artikel- 27<br />

gesamtzahl in den 27 Jahrgängen von ,Der Zahnarzt’


92<br />

Tab. 2 Artikelzahlen zum Thema ,Chirurgie’ 30<br />

Abb. 9 Anzahl <strong>der</strong> Artikel zu ausgewählten chirurgischen Themen 31<br />

Abb. 10 Äther-Inhalationsgerät mit seltenem Mundstück 33<br />

Entnommen aus: Bennion (1988), S. 105.<br />

Abb. 11 Gebräuchliche Spritzensysteme <strong>für</strong> die Zahnheilkunde 67<br />

Entnommen aus: Horch (1995), S. 12.<br />

Abb. 12 Gerade Hohlmeißel nach Bein (rechts), abgewinkelte Hebel (Mitte) 69<br />

und Krallenhebel (links)<br />

Entnommen aus: Schwenzer/Ehrenfeld (2000b), S. 40.<br />

Abb. 13 Extraktionszangen <strong>für</strong> den Oberkiefer 70<br />

Entnommen aus: Horch (1995), S. 170.<br />

Abb. 14 5-Loch-Kompressionsplatte und Miniplatte aus <strong>dem</strong> AO (Arbeitsge- 84<br />

meinschaft <strong>für</strong> Osteosynthese)- System am Modell<br />

Entnommen aus: Schwenzer/Ehrenfeld (2002), S. 310.


8. Verzeichnis <strong>der</strong> Primärliteratur<br />

93<br />

Der Zahnarzt - Das neueste und Wissenswürdigste des In- und <strong>Aus</strong>landes über Zahn-<br />

heilkunde, Jahrgang 1 - 27 (1846-1872)<br />

Genealogie Forschungsstelle ,Kirche Jesu Christi <strong>der</strong> Heiligen <strong>der</strong> Letzte Tage’ in<br />

Würzburg<br />

Kirchenbuch Evangelische Kirche/Jerusalemskirche Berlin (1697-1936), Mikrofiche-<br />

Nr.: 0070293<br />

Zentral- und Landesbibliothek Berlin, Zentrum <strong>für</strong> Berlin-Studien<br />

<strong>Aus</strong>drucke <strong>der</strong> Berliner Adreßbücher aus den Jahren 1843, 1844, 1848, 1863


94<br />

9. Verzeichnis <strong>der</strong> Sekundärliteratur<br />

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Mund- und Kieferheilkunde, Düsseldorf (Diss. med.) 1971<br />

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Internetrecherche ,aeiou - Österreich Lexikon’<br />

http://www.aeiou.at/aeiou.encyclop.c/c113725.htm<br />

Internetrecherche ,netlexikon - Liste bedeuten<strong>der</strong> <strong>Medizin</strong>er und Ärzte’<br />

http://www.lexikon-definition.de/Liste-bedeuten<strong>der</strong>-<strong>Medizin</strong>er-und-Aerzte.html<br />

Internetrecherche Bayerische Landeszahnärztekammer<br />

http://www.blzk.globaldent.com/zbay/4_01/0104s44.html


Danksagung<br />

Ganz herzlich bedanken möchte ich mich bei Herrn Priv.-Doz. Dr. Dr. Dr. D. Groß <strong>für</strong><br />

die Überlassung des Themas, die wertvollen Anregungen und die ausgezeichnete Be-<br />

treuung während <strong>der</strong> Arbeit. Ich bedanke mich bei Herrn Prof. Dr. Dr. J. Reuther <strong>für</strong><br />

seine Beurteilung als Koreferent.<br />

Weiterhin danke ich meiner Freundin Katja <strong>für</strong> das Ertragen jeglicher Stimmungs-<br />

schwankungen, meinen Eltern Anneliese und Bernd <strong>für</strong> die regelmäßige Motivation,<br />

meiner Schwester Karin <strong>für</strong> die stets erreichbare „Word-Hotline“ und meiner Schwester<br />

Jutta <strong>für</strong> die Bereitstellung eines kühlen und ruhigen Arbeitsplatzes.


Persönliche Daten<br />

Vorname und Name: Peter Hüpper<br />

Lebenslauf<br />

Geboren am: 01.09.1976 in Wipper<strong>für</strong>th<br />

Familienstand: ledig<br />

Vater: Dr. Bernd Hüpper<br />

Mutter: Anneliese Hüpper, geb. Rüsing<br />

Schulbildung<br />

1983 - 1987 Kath. Grundschule St. Antonius Wipper<strong>für</strong>th<br />

1987 - 1996 Engelbert-von-Berg-Gymnasium Wipper<strong>für</strong>th, Abitur 1996<br />

Zivildienst<br />

08/1996 - 08/1997 Zivildienstleisten<strong>der</strong> im Kranken- und Behin<strong>der</strong>tentransport-<br />

Studium<br />

dienst des Deutschen Roten Kreuzes<br />

10/1997 - 02/1998 Wirtschaftsingenieur Maschinenbau an <strong>der</strong> <strong>Universität</strong> Kaisers-<br />

lautern<br />

05/1998 - 03/1999 Zahnmedizin an <strong>der</strong> Friedrich-Alexan<strong>der</strong>-<strong>Universität</strong> Erlangen-<br />

Nürnberg, Naturwissenschaftliche Vorprüfung<br />

04/1999 - 06/2003 Fortsetzung des Studiums an <strong>der</strong> Julius-Maximilians-<br />

Beruflicher Werdegang<br />

<strong>Universität</strong> Würzburg, Zahnärztliche Prüfung<br />

09/2003 - 09/2004 Tätigkeit als Vorbereitungsassistent in <strong>der</strong> Zahnarztpraxis Dr.<br />

Schumacher in Köln<br />

ab 10/2004 Tätigkeit als Vorbereitungsassistent in <strong>der</strong> zahnärztlich-<br />

oralchirurgischen Praxis Dr. Matz in Friedrichshafen<br />

Friedrichshafen, im Oktober 2004 Peter Hüpper

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