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carl christian friedrich von brockhausen - v. Bruchhausen

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CARL CHRISTIAN FRIEDRICH<br />

1<br />

VON<br />

BROCKHAUSEN<br />

EIN PREUßISCHER STAATSMANN UM DIE WENDE DES XVIII. JAHRHUNDERTS<br />

EIN LEBENS- UND KULTURBILD<br />

DARGESTELLT AUF GRUND DER<br />

GESANDTENBERICHTE DES PREUßISCHEN<br />

GEHEIMEN STAATSARCHIVS<br />

VON<br />

DR. HANS-JOACHI M VON BROCKHUSEN<br />

AUS GROß JUSTIN<br />

1927<br />

VE RLAG RATSBUCHHANDLUNG L. BAMBE RG, G REI FSWALD<br />

MEINE M SCHWIE GE RVATER HI NDE NBURG GE WI DME T


EINTEILUNG<br />

2<br />

Benutzte Akten<br />

Schriften 200<br />

EINLEITUNG<br />

Familie, Jugend, Erziehung<br />

ABHANDLUNG<br />

A. ER S T E D I P L O M AT I S C H E AN F Ä N G E<br />

I. Reisen<br />

1. Paris<br />

2. London<br />

II. Sonderauftrag Brüssel<br />

III. Gesandtenzeit in Stockholm<br />

1. Zu Lebzeiten König Gustav III.<br />

a) Empfang und Aufgabe<br />

b) Vertrag Gustavs III. mit<br />

Rußland<br />

c) Stellung Gustavs III. zur<br />

französischen Revolution<br />

d) Innere Politik<br />

2. Ermordung Gustavs III.<br />

3. Charakter Gustavs III.<br />

4. Zeiten der Regentschaft<br />

5. Stimmung im Innern Schwedens<br />

a) Einfluß der französischen<br />

Revolution<br />

b) Verschwörung General<br />

Armfeldts<br />

6. Abschied Brockhausens, Rückblick<br />

auf seine Tätigkeit<br />

B. BR O C K H A U S E NS . GES A N D T E N Z E IT<br />

I N D R E S D E N<br />

I. Politisches und Persönliches<br />

1. Art und politische Bedeutung der<br />

Dresdener Stellung<br />

a) Ansicht der politischen Lage<br />

b) Staatsmännische Erkenntnis<br />

Brockhausens<br />

c) Haltung des Berliner<br />

Kabinetts<br />

2. Politische Aufgaben<br />

Brockhausens<br />

a) Sachsen und der Baseler<br />

Frieden<br />

b) Sachsen und der Schutz<br />

Norddeutschlands<br />

c) Sachsen und die Frage der


3<br />

Entschädigung<br />

3. Politische Einstellung<br />

Brockhausens<br />

a) Verhältnis zum Berliner<br />

Kabinett<br />

b) Schriftwechsel mit dem<br />

Berliner Kabinett betreffend<br />

Besetzung Hannovers 1803<br />

c) Bündnis zur Verteidigung<br />

Norddeutschlands<br />

4. Persönliches Erleben<br />

a) In der Familie<br />

b) Im Dienst<br />

II. Brockhausens Betrachtungen über die<br />

sächsischen Verhältnisse<br />

1. Die kurfürstliche Familie<br />

a) Kurfürst Friedrich August<br />

b) Kurfürstin<br />

c) Prinzessin Auguste<br />

d) Die Prinzen<br />

2. Marcolini<br />

3. Leben am Hofe<br />

4. Interessante Persönlichkeiten<br />

a) Preußische Prinzen<br />

b) Gustav IV.<br />

c) Lafayette<br />

d) Alopäus<br />

e) D’Antraigues<br />

f) La Harpe<br />

g) Gentz<br />

h) Nelson<br />

i) Zar Alexander<br />

k) Fürst Hohenlohe<br />

5. Fremde Gesandte<br />

a) Österreich<br />

b) Rußland<br />

c) England<br />

d) Frankreich<br />

6. Polen<br />

7. Minister<br />

8. Stände<br />

9. Öffentliche Stimmung<br />

10. Sächsische Herzogtümer<br />

11. Armee<br />

III. Brockhausens nach dem Niederbruch<br />

Preußens<br />

1. Verbleiben in Dresden<br />

2. Aufenthalt in Teplitz<br />

3. Hoffnungen und Vorschläge<br />

4. Enttäuschungen und Ratschläge<br />

5. Nach dem Tilsiter Frieden<br />

6. Persönliches Erleben<br />

C. GES A N D T E N Z E I T I N P A R I S<br />

I. Bis zum Eintreffen des Prinzen<br />

Wilhelm<br />

1. Bestellung und Anfänge<br />

2. Aufgaben und Schwierigkeiten


4<br />

3. Vorstellungen und<br />

Verhandlungen<br />

4. Vorbereitung der Reise des<br />

Prinzen Wilhelm<br />

5. Haltung Brockhausens gegenüber<br />

der Reise des Prinzen Wilhelm<br />

6. Beurteilung des Verhaltens<br />

Brockhausens<br />

II. Nach dem Eintreffen des Prinzen<br />

Wilhelm<br />

1. Persönliche Bemühungen des<br />

Prinzen<br />

2. Vorhaltungen Napoleons<br />

3. Unterstützung durch Graf Tolstoi<br />

4. Überlegungen Brockhausens<br />

5. Verzögerungen<br />

6. Erneute Verhandlungen<br />

7. Vorlage des Vertragentwurfs vom<br />

9.3.1808<br />

8. Napoleon in Bayonne<br />

9. Erneute russische Bemühungen<br />

10. Zwischenfall Sack<br />

11. Verhältnis Brockhausens zum<br />

Prinzen Wilhelm<br />

12. Zwischenfall Le Roux<br />

13. Hoffnungen Brockhausens<br />

14. Verhandlungsbereitschaft<br />

Napoleons<br />

15. Zwischenfall Stein<br />

16. Abschluß des Vertrages vom<br />

8.9.1808<br />

III. Audienz Brockhausens bei Napoleon<br />

IV. Zwischen Krieg und Frieden 1808/09<br />

1. Kongreß zu Erfurt<br />

2. Bündnis Rußland - Frankreich<br />

3. Ausbruch des Krieges Österreich -<br />

Frankreich<br />

4. Stimmung im Innern<br />

5. Napoleon auf der Höhe seiner<br />

Macht<br />

6. Die Rheinbundkönige in Paris<br />

7. Napoleon und die Seinen<br />

8. Öffentliche Stimmung<br />

9. Verhältnis zu Preußen<br />

10. Vorstellungen Brockhausens<br />

zugunsten Preußens<br />

11. Erneute Verhandlungen betr.<br />

Kriegsentschädigungen<br />

12. Genehmigung der preußischen<br />

Anleihe in Holland<br />

V. Abberufung Brockhausens<br />

1. Mißstimmung gegen Preußen<br />

2. Verdächtigungen des Gesandten<br />

3. Napoleons Unzufriedenheit mit<br />

Brockhausens<br />

4. Verteidigung Brockhausens gegen<br />

Napoleons Vorwürfe<br />

5. Durchführung der Abberufung<br />

Brockhausens


SCHLUß<br />

5<br />

6. Verhalten Brockhausens<br />

7. Abschied <strong>von</strong> Paris<br />

8. Untersuchung der Gründe für die<br />

Abberufung<br />

Weitere diplomatische Verwendung<br />

Mitgliedschaft im Staatsrat<br />

Ende


BENUTZTE AKTEN<br />

Zu A. Erste diplomatische Anfänge<br />

A. I. 1. Reise nach Paris.<br />

R. 96-148 K. Frankreich, Gen. 1786/1795, Vol. II<br />

A. I. 2. Reise nach London.<br />

R. 96-150 A. Großbritannien, Gen. 1787/1794<br />

A. II. Sonderauftrag Brüssel<br />

R. 96-168 B. Belgien 1790<br />

A. III. Gesandtenzeit in Stockholm<br />

R. 96-162 K.L.M.N. Vol. 1-4, Schweden 1791/1794<br />

R. XI. 249 a 3 Fase. 168-174, Schweden 1791/1794<br />

Zu B. Gesandtenzeit in Dresden<br />

R. 96 -172. N.O.P. Vol. 1-3, Kursachsen, 1795/1797<br />

R. 41- N. 39. Depéches du et áu S. r. de Brockhausen 1795/1800<br />

R. 41- N. 39. Vol. 161, 146, 127, 138 desgl. 1801/1805<br />

R. 41- N. 39. desgl. 1806<br />

R. I. Sachsen, N. 1, 1807<br />

Zu C. Gesandtenzeit in Paris<br />

R. I. N. 15 Paris 1807/1810<br />

R. I. N. 5 Frankreich<br />

R. I. N. 8. Vol. 1-4, Frankreich 1808 und 1809<br />

Zum Schluß<br />

R. I. N. 22 Niederlande<br />

R. 81 Haag 2 und 2a<br />

R. IV. N. 39 Anstellungen.<br />

R. 80 Staatsrat, Gen. N. 7 Vol. 1<br />

6


R. 80 Staatsrat, V. Für Handelsangelegenheiten, N. 1<br />

R. 80 Staatsrat, V. Sect. Für Gewerbe und Handel, N. 5<br />

Bemerkung. Die Gesandtenberichte Brockhausens sowie die Erlasse des Berliner<br />

Kabinetts, welche als Grundlage für die Darstellung dienen, sind, soweit nicht im<br />

Einzelfalle eine besondere Hervorhebung erforderlich erschien, am Eingang jedes<br />

in der Einteilung aufgeführten Abschnittes in Form einer Anmerkung einheitlich<br />

zusammengestellt.<br />

SCHRIFTEN<br />

Allgemeine Deutsche Biographie, Duncker und Humblot, Leipzig und München<br />

1876. Bd. III.<br />

Allgemeine Preußische Personalchronik 1820.<br />

Arndt, Ernst Moritz: Schwedische Geschichte unter Gustav III., vorzüglich aber<br />

unter Gustav IV. Leipzig 1839<br />

Bailleu, P.: Briefwechsel König Friedrich Wilhelms III. und der Königin Luise mit<br />

Kaiser Alexander I. S. Hirzel, Leipzig 1900<br />

-: Preußen und Frankreich 1795-1807. Bd. 1 und 2. S. Hirzel, Leipzig 1885<br />

-: König Friedrich Wilhelm III. und die Genesis des Friedens <strong>von</strong> Basel. Hist.<br />

Zeitschrift, Bd. 75, N.F. Bd. 39, S. 274<br />

Bitterauf, Th.: Studien zur preußischen Politik im Jahre 1805. Forschungen zur<br />

Brandenburg-Preuß. Geschichte, 27<br />

Boyen, Hermann <strong>von</strong>: Erinnerungen aus dem Leben. Hg. <strong>von</strong> Friedrich Nippold. S.<br />

Hirzel, Leipzig 1889<br />

Droysen, J.G.: Das Leben des Feldmarschalls Graf York <strong>von</strong> Wartenburg.<br />

Inselverlag 1913<br />

Duncker, Max: Aus der Zeit Friedrichs d. Gr. und Friedrich Wilhelms III. Duncker<br />

und Humblot, Leipzig 1876<br />

-: Aufsätze in den Preußischen Jahrbüchern. Bd. 39 und 42<br />

Flammermont, J. : Les Correspondances des agents diplomatiques etrangers en<br />

France avant la Révolution. Paris 1896<br />

Fournier, A.: Napoleon I. Bd. II. 2. Auflage. Wien und Leipzig 1904<br />

7


Gagern, H. <strong>von</strong>: Mein Anteil an der Politik. 5. Bd. Stuttgart und Leipzig 1823-45.<br />

Bd. 1.<br />

Gaide, Br., Der diplomatische Verkehr des Geheimen Kabinettsrats Lombard mit<br />

den Vertretern auswärtiger Mächte nach den Urkunden und seiner<br />

Rechtfertigungsschrift. Greifswalder Dissertation 1911<br />

Gebhardt: Handbuch der deutschen Geschichte. 6. Auflage, Bd. II. Deutsche<br />

Verlagsgesellschaft 1986<br />

Geschichte Gustavs 111. Königs <strong>von</strong> Schweden. Von einem schwedischen Offizier.<br />

Hg. und fortgesetzt <strong>von</strong> H. <strong>von</strong> Bülow, Verfasser des Geistes des neuen<br />

Kriegssystems. Th. 1-3. Frankfurt a.M. und Leipzig 1810<br />

Glagau, H.: Die französische Legislative und der Ursprung der Revolutionskriege<br />

1791-92 (Rist. Studien I.) 1896<br />

Griewank, K.: Königin Luise. Briefe und Aufzeichnungen. Biogr. Institut Leipzig<br />

1924<br />

Haake, P.: Zur Errichtung des preußischen Staatsrats im März 1817. Forschungen<br />

zur Brandenb.-Preuß. Geschichte. Bd. 27<br />

Hardenberg, Fürst <strong>von</strong>: Eigenhändige Memoiren, hg. <strong>von</strong> L. <strong>von</strong> Ranke. Bd. I. und<br />

II nebst 1 Bd. Aktenstücke. Duncker und Humblot, Leipzig 1877<br />

Hassel, P.: Das Verhältnis Kursachsens zu den Präliminarien des Baseler Friedens<br />

1794-95. N. Archiv f. sächs. Geschichte. 12.1891. Angeführt unter Hassel<br />

Kursachsen<br />

-: Geschichte der preußischen Politik 1807-15. Bd. 1. 1807-08. S. Hirzel, Leipzig<br />

1881. Angeführt unter Hassel, Preußische Politik<br />

Häusser, L.: Deutsche Geschichte vom Tode Friedrichs d. Großen bis zur Gründung<br />

des deutschen Bundes. Bd. I. 3. Aufl. Leipzig 1854<br />

Hegner, W.: Die politische Rolle des Grafen Senft <strong>von</strong> Pilsach und seine<br />

Memoiren. Greifswalder Dissertation 1910<br />

Heigel, K.Th. <strong>von</strong>: Deutsche Geschichte vom Tode Friedrichs d. Großen bis zur<br />

Auflösung des alten Reiches. Bd. 2. Cotta, Stuttgart 1911<br />

Herrmann, Ernst: Gustav III. und die politischen Parteien Schwedens im 18.<br />

Jahrhundert. Hist. Taschenbuch, hg. <strong>von</strong> Friedrich <strong>von</strong> Raumer. 3. Folge. 8.<br />

Jahrgang. F.A. Brockhaus, Leipzig 1857<br />

Hüffer, H.: Die Kabinettsregierung in Preußen und Johann Wilhelm Lombard.<br />

Duncker und Humblot, Leipzig 1891<br />

Kieseritzki, E.: Die Sendung <strong>von</strong> Haugwitz nach Wien. Nov. und Dez. 1805.<br />

Göttinger Dissertation 1895<br />

Krauel, R.: Graf Hertzberg als Minister Friedrich Wilhelms II. Berlin 1900<br />

-: Die Beteiligung Preußens an der 2. bewaffneten Neutralität im Dez. 1801.<br />

Forschungen zur Brandenb.-Preuß. Geschichte, Bd. 27<br />

8


Lehmann, Max: Freiherr vom Stein. Bd. 1-3. Leipzig 1902<br />

-: Scharnhorst. Bd. 1 und 2. Leipzig 1886<br />

Mangelsdorff, M.K.E.: Allgemeine Geschichte der europäischen Staaten. Neuntes<br />

Heft: Der Staat <strong>von</strong> Schweden. Halle, Johann Keller 1792<br />

Mellin, Gustav Heinrich: Geschichte Schwedens <strong>von</strong> den ältesten bis auf die<br />

gegenwärtigen Zeiten für gebildete Leser. Nach Auflage II aus dem Schwedischen<br />

übersetzt <strong>von</strong> G.E. Freese-Berlin. 1844<br />

Müsebeck, E.: Freiherr vom Stein in: Meister der Politik. Bd. II. Deutsche<br />

Verlagsanstalt Stuttgart und München 1922<br />

Ô-Byrn, Frh.: Camillo Graf Marcolini, Kgl. sächs. Kabinettsminister. Dresden 1877<br />

Otto, K. E.: Die französische Verwaltung in Sachsen im Jahre 1806. Leipziger<br />

Dissertation 1904<br />

Paul, Joh.: Nordische Geschichte. Hirt; Breslau 1921<br />

Pertz, G.H.: Das Leben des Ministers Freiherrn vom Stein. Bd. 1-6. Berlin 1849-55<br />

Pölitz, K.H.L.: Die Regierung Friedrich Augusts, Königs <strong>von</strong> Sachsen. 2 Bd. Leipzig<br />

1830<br />

Preuß, Ewald Friedrich <strong>von</strong> Hertzberg: Programm des Gymnasiums Insterburg<br />

1859/60<br />

Ranke, L. <strong>von</strong>: Die Deutschen Mächte und der Fürstenbund. Ges. Werke Bd. 31-<br />

32. Duncker und Humblot, Leipzig 1875. Angeführt als Ranke Deutsche Mächte<br />

-: Hardenberg. und die Geschichte des preußischen Staates. Bd. 1-3. Leipzig 1881.<br />

Angeführt als Ranke Hardenberg<br />

Roloff, G.: Die Errichtung des Großherzogtums Warschau. Forschungen zur<br />

Brandenburg-Preuß. Geschichte. Bd. 23. 1909<br />

Rühlmann, P.: Die öffentliche Meinung in Sachsen 1806-12. Gotha 1912<br />

Schäfer, Dietrich: Deutsche Geschichte. Bd. 2. G. Fischer, Jena 1912<br />

Schiemann, Th.: Zur Geschichte des Posener Friedens 1806. Hist. Zeitschrift. Bd.<br />

60. 1888<br />

Schmidt, Franz: Sachsens Politik <strong>von</strong> Jena bis Tilsit 1806-07. Leipziger Dissertation<br />

1913<br />

Srbik, Ritter Heinrich <strong>von</strong>: Metternich, der Staatsmann und der Mensch. 2 Bde. F.<br />

Bruckmann München 1925<br />

-: Metternich, in: Meister der Politik. Bd, III. Deutsche Verlagsanstalt Stuttgart und<br />

München 1922<br />

Stern, A.: Abhandlungen und Aktenstücke zur Geschichte der Preuß. Reformzeit<br />

1807-15. Duncker und Humblot, Leipzig 1885<br />

9


Sybel, H. <strong>von</strong>: Geschichte der Revolutionszeit 1789-1800. Wohlfeile Ausgabe, 10<br />

Bde. Cotta, Stuttgart 1897<br />

Tatistcheff, S.: Alexandre I. et Napolèon d'après leur correspondance inédite de<br />

1801 à 1812. Paris 1891<br />

Treitschke, H. <strong>von</strong>: Deutsche Geschichte des XIX. Jahrhunderts. 7. Aufl. Bd. I-V. S.<br />

Hirzel, Leipzig 1919<br />

Ulmann, H.: Russisch-Preußische Politik unter Alexander I. und Friedrich Wilhelm<br />

III. bis 1806. Leipzig 1899<br />

Vandal, A.: Napolèon et Alexandre 1. L'alliance sous le premier empire. Bd. I-III.<br />

Paris 1891. 93. 95.<br />

Weber, K. <strong>von</strong>: Zur Geschichte des sächsischen Hofes unter Friedrich August I.<br />

Archiv für sächsische Geschichte. 12 Bde. Leipzig 1863 ff. Bd. VIII<br />

-: Zur Geschichte Sachsens während der letzten drei Monate des Jahres 1806.<br />

Archiv für sächsische Geschichte. 12 Bde. Leipzig 1863 ff. Bd. XI.<br />

Wegele, F. X. <strong>von</strong>: Zur Kritik der neuesten Literatur über den Rastatter<br />

Gesandtenmord. Hist. Zeitschrift. N.F. 10 (der ganzen Reihe, Bd. 46)<br />

Wittmann, Dr. Pius: Kurzer Abriß der schwedischen Geschichte (Auf Grund<br />

neuester Quellen und Hilfsmittel). Breslau 1896<br />

Zwiedineck-Südenhorst, H. <strong>von</strong>: Deutsche Geschichte <strong>von</strong> der Auflösung des alten<br />

bis zur Gründung des neuen Reiches. Bd. 1. Cotta, Stuttgart 1897<br />

10


EINLEITUNG<br />

F A M I L I E, JUGEND, ER Z I E H U N G<br />

Carl Christian Friedrich <strong>von</strong> Brockhausen 1) wurde laut amtlichen Auszuges aus<br />

dem Kirchenbuch am 23.2.1766 in Stargard a. Ihna geboren und hat wegen<br />

Schwächlichkeit die Nottaufe erhalten. Sein Vater war der Kgl. Preußische Major<br />

a.D. Friedrich Wilhelm Sigismund, geb. 24.2.1740, gest. 30.4.1820 zu Rützenhagen<br />

2). Seine Mutter war Gottliebe Christiane Emilie, Tochter des Kgl. Preußischen<br />

Landrats in Pyritz, Christian Friedrich, Graf <strong>von</strong> Küssow auf Megow, geb. 3.9.1750,<br />

gest. 14.12.1796 zu Rützenhagen. Seine Schwester Dorothea wurde durch ihre<br />

Ehe mit Philipp Carl Ludwig <strong>von</strong> Borcke, Stammutter der Grafen <strong>von</strong> Borcke-<br />

Stargordt.<br />

Bereits früh kam Carl Christian der Sitte der Zeit gemäß in die Kadettenanstalt in<br />

Stolp. Am 29.4.1781 wurde er, wie aus der Stammliste der Kadetten <strong>von</strong> 1717-91<br />

unter N. 4517 ersichtlich, „aus der Stolpeschen Kadettenschule kommend in die<br />

Berliner Anstalt aufgenommen“ und dann bereits nach einem Jahr, am 1.4.1782,<br />

„bei die Académie militaire versetzt“. Diese Académie militaire war die <strong>von</strong><br />

Friedrich dem Großen geschaffene Einrichtung, in welcher junge Adlige ihre<br />

Berufsausbildung, insbesondere auch für den diplomatischen Dienst, erhalten<br />

sollten.<br />

Der jugendliche Brockhausen muß dem gleichfalls aus Hinterpommern<br />

stammenden Minister Graf Hertzberg gut empfohlen gewesen sein, da er auf<br />

seine persönliche Verwendung bereits mit 20 Jahren zum Legationsrat ernannt<br />

wurde.<br />

11


ABHANDLUNG<br />

A. ER S T E D I P L O M AT I S C H E AN F Ä N G E<br />

I. Reisen<br />

Zunächst als Begleiter älterer Vertreter Preußens, später dann auch selbständig,<br />

wurde er auf Reisen ins Ausland zwecks Beobachtung der dortigen Zustände und<br />

Feststellung gewisser wichtige Dinge entsandt.<br />

1. Paris<br />

So machte er in den Jahren 1787-88 gemeinsam mit dem Gesandten, späteren<br />

Minister <strong>von</strong> Alvensleben eine Fahrt durch die Niederlande nach Paris. Seine <strong>von</strong><br />

der Reise aus gesandten Berichte fanden Beifall 3) . Man begann auch <strong>von</strong> anderer<br />

Seite den jungen Diplomaten zu schätzen und ihm Gutes für die Zukunft<br />

zuzutrauen. Besonders bemerkenswert ist ein wahrscheinlich an den Minister<br />

Graf Hertzberg gerichteter Brief Brockhausens. Er schildert in lebendiger Weise<br />

die Eindrücke der Reise. In Paris war er mit Alvensleben am 21.10. eingetroffen. 4)<br />

Wenige Tage zuvor hatten die Preußen unter Ferdinand <strong>von</strong> Braunschweig, nach<br />

Niederwerfung des ständischen Aufstandes, den Erbstatthalter Wilhelm wieder<br />

im Haag eingesetzt und Amsterdam genommen. Brockhausen zeigt, wie dieser<br />

preußische Erfolg überall Bewunderung und Eifersucht erregt hat. Einsichtige<br />

Franzosen freilich müssen die Klugheit und Zielsicherheit der preußischen Politik<br />

anerkennen. Man scheint sich in Frankreich offenbar vor Preußen zu fürchten. 5)<br />

Und nun geht Brockhausen auf eine nähere Darstellung der inneren Zustände<br />

Frankreichs ein, die er sehr klar und in überzeugender Weise als recht bedenklich<br />

schildert. Frankreich befindet sich, so sagt er, in einer erstaunlichen Krise. In<br />

außenpolitischer Hinsicht ist man empört über die beschämende Rolle, die man<br />

ihm bereitet hat: „Les Français avouent que le mal est irréparable pour<br />

longtemps, que la Françe par la lâcheté de son gouvernement ne jouera<br />

dorénavant qu'un raôle subalterne“.<br />

Sehr düster klingt, was Brockhausen damals bereits über das Verhältnis des<br />

Volkes zum Königshaus mitteilt. Die ganze Königliche Familie mit einziger<br />

Ausnahme des Grafen <strong>von</strong> der Provençe (des späteren Ludwigs XVIII.) ist verhaßt.<br />

Der König wird unter die „Rois fainéants“ gezählt. Man vermisst selbst einen<br />

Ludwig XV. Besonders groß ist auch der Hass gegen die Königin, die in den öf-<br />

fentlichen Schauspielen geradezu ausgezischt wird.<br />

2. London<br />

12


Eine weitere Reise führte Brockhausen im Jahre 1788 nach London, wo das<br />

Vertrauen Hertzbergs ihm sogar persönliche Verhandlungen mit dem Leiter der<br />

englischen Politik, Pitt, übertrug. Unter der Überschrift „Beobachtungen über<br />

England“ 6) bringt Brockhausen in seinem Reisebericht wertvolle Mitteilungen<br />

über den damaligen Zustand des Inselreichs und insbesondere eine höchst<br />

bezeichnende eindrucksvolle Darstellung der zur Zeit im Amte befindlichen<br />

Minister, sowie einiger ihrer hervorragendsten Gegner.<br />

Man muß verwundert sein - sagt Brockhausen -, wie sich England in so kurzer Zeit<br />

<strong>von</strong> den Schicksalsschlägen des amerikanischen Krieges und anderer<br />

unerfreulicher Ereignisse erholt hat. Die festeste Grundlage für das Wohlergehen<br />

Englands ist und bleibt der große Reichtum an Fabriken und gewerblichen<br />

Unternehmungen. Brockhausen verweist auf den Gegensatz zwischen Frankreich<br />

und England. England, das man niedergeworfen, schwach und gedemütigt<br />

glaubte, befindet sich seinerseits in einem ruhigen und blühenden Zustande. Die<br />

Art seiner Regierung ist in keiner Weise jenen Missbräuchen, jenen versteckten<br />

Treibereien, jenen Räubereien ausgesetzt, wie dies in Frankreich ungestrafte<br />

Übung ist. Die Steuererträge steigern sich wiederum, und das ist bedeutsam in<br />

Ansehung der Unterhaltung fremder Truppen. Die Vereinigten Staaten, soeben<br />

noch feindlich und im Aufruhr, suchen Englands Freundschaft. Ein Handelsvertrag<br />

ist vorgeschlagen. Dies wird große Vorteile für England im Gefolge haben ohne die<br />

großen Kosten, welche bisher die Verwaltung und Verteidigung dieser Kolonie<br />

verursachte. Voraussetzung für das weitere Wohlergehen Großbritanniens ist,<br />

daß es den äußeren Frieden und die innere Ruhe bewahrt.<br />

Ganz besonders fein und auch heute noch für uns <strong>von</strong> Belang ist, was<br />

Brockhausen im Jahre 1788 über die Persönlichkeit William Pitts, des<br />

Lordschatzkanzlers und leitenden Ministers, in diesem Berichte sagt.<br />

Es ist sicher, daß der Genius und die Fähigkeiten des großen Chatam auf seinen<br />

würdigen Sohn übergegangen sind. Wenn man nach seinen bisherigen Taten<br />

seine Zukunft beurteilen will, so wird seine staatsmännische Laufbahn vielleicht<br />

noch glänzender sein, wie die seines unsterblichen Vaters. Eine klare, leichte und<br />

schnelle Auffassungsgabe, eine jederzeit flüssige, männliche und zielbewusste<br />

Beredsamkeit, eine große Festigkeit, ein gewaltiger geistiger Mut, den nichts<br />

erschüttern kann, eine bewundernswerte Weisheit in der Wahl seiner Mittel und<br />

bei ihrer Durchführung, eine erstaunliche Eignung für die Arbeit und ein<br />

andauernder Fleiß, der ihn das Gewicht seiner außerordentlichen Arbeit stets<br />

überwinden läßt: alle diese Eigenschaften, belebt durch den glühendsten Ehrgeiz,<br />

dies alles zusammengenommen gibt ein Bild dieses bedeutenden Mannes. Die<br />

großen Fähigkeiten und die trefflichen Grundsätze, welche Pitt während des<br />

Verlaufs seines Ministeriums und besonders beim glücklichen Ausgang der<br />

allgemeinen Krise bewies, haben nur das Vertrauen des Volkes zu ihm stärken<br />

können, welches für einen leitenden Minister in England so unbedingt nötig ist.<br />

Entgegen den Anschuldigungen seiner Gegner hält Brockhausen Pitt für einen<br />

Freund der Freiheit und der Verfassung, die er beide sicherlich auch gegen<br />

Missbräuche der Königlichen Macht verteidigen würde. Was endlich am meisten<br />

dazu beiträgt, Pitt die Verehrung des ganzen Volkes zu gewinnen, das ist die<br />

13


Schlichtheit und Reinheit seiner Sitten. Keiner seiner Vorgänger hat mit so<br />

geringen Wünschen für seine eigene Person so viel Mäßigung, so viel glänzende<br />

Eigenschaften verbunden, wie dieser Minister. Seine Seele ist nur erfüllt <strong>von</strong> den<br />

Pflichten seines Amtes. Aus diesen nämlichen Gründen besitzt er in vollem Maße<br />

das Vertrauen seines Königlichen Herrn, der in der Tat seine wichtigen Belange in<br />

keine bessere Hand legen könnte, als in diejenige eines so in jeder Hinsicht<br />

einwandfreien Mannes. Es wird daher auch der König darauf bedacht sein, ihn<br />

sich zu erhalten. Aus diesem Grunde wird Pitt auch an der Spitze der öffentlichen<br />

Angelegenheiten so lange verbleiben, bis ein großes Ereignis den König zwingt,<br />

den Minister zu wechseln. England wird jedenfalls so lange blühend und glücklich<br />

sein, als der Sohn Chatams die Zügel der Regierung in der Hand behalten wird.<br />

Da der gegnerische hohe Adel keine großen Leute und Redner zurzeit mehr<br />

hervorbringt, so beschränkt er sich darauf, seine Börse aufzutun und die für die<br />

Unterhaltung der Gegenpartei nötigen Kosten zu tragen. So gibt man ansehnliche<br />

Jahrgelder, da man nicht gut bezahlte Regierungsstellen verleihen kann. Die<br />

Anstrengungen der Gegenpartei, obwohl an sich bisher noch immer unfruchtbar<br />

und <strong>von</strong> Parteigeist und eigensüchtigen Absichten eingegeben, sind, nach<br />

Brockhausens Ansicht, doch dem Vaterlande eine außerordentliche Wohltat,<br />

indem sie der Machtfülle der Minister, die sonst schließlich keine Grenzen kennen<br />

würde, Zügel anlegen. Diejenigen, welche sich beharrlich an der Spitze dieser<br />

Partei befinden, sind vor allem Fox, Burke, Sheridan, Adams und Grey.<br />

Fox ist vielleicht der außerordentlichste Mensch dieses Jahrhunderts. Er vereinigt<br />

in sich die weitestgehenden Fähigkeiten und Leidenschaften, einen glühenden<br />

und ungezügelten Ehrgeiz, einen himmelstürmenden Genius, eine fabelhafte<br />

Einbildungskraft, einen heroischen Mut, eine unerschütterliche Festigkeit, eine<br />

furchtbare und zugleich doch überzeugende Beredsamkeit, einen erstaunlichen<br />

Fleiß. Das sind im großen die Züge dieses geradezu unbesiegbaren Mannes. Er hat<br />

das Zeug dazu, leitender Minister zu werden, doch ist er zurzeit dem König nach<br />

seinem ganzen Anschauungskreise zu entfremdet. Wenn - sagt Brockhausen - das<br />

Glück vielleicht in einiger Zeit seinen Plänen gemäß, sich ihm zuwenden würde, so<br />

würden wir in diesem Lande die außerordentlichsten Erscheinungen erblicken.<br />

Wenn ich mich nicht täusche, so ist Fox in seiner gegenwärtigen Stellung für die<br />

Verfassung Englands ebenso nötig, wie er der geschickteste Ministerpräsident<br />

sein würde.<br />

Anlässlich dieser, hier nur im Auszuge teilweise wiedergegebenen bedeutsamen<br />

Denkschrift Brockhausens, berichtet Hertzberg unterm 29.6. höchst befriedigt an<br />

den König:<br />

„Der Legationsrat <strong>von</strong> Brockhausen ist dieser Tage <strong>von</strong> seiner Reise nach England<br />

zurückgekehrt. Er beglückwünscht sich zu dem gütigen Empfange, den ihm Ew.<br />

Majestät in Cleve bereitet hat, und hat mir die beigefügte Denkschrift vorgelegt,<br />

welche eine eingehende Übersicht über dasjenige enthält, was er in England<br />

beobachtet hat. Es scheint mir nach dieser Arbeit, daß für einen jungen Mann <strong>von</strong><br />

22 Jahren Herr <strong>von</strong> Brockhausen viel und gut gesehen hat, und daß er großen<br />

Nutzen gehabt hat <strong>von</strong> der ihm durch die Gnade Ew. Majestät möglich gemachten<br />

Reise. Ich glaube ihn nicht geeigneter für den Staatsdienst machen zu können, als<br />

daß ich ihn jetzt in meinem Ministerium verwende zur Anfertigung <strong>von</strong><br />

Verfügungen in allen auswärtigen Angelegenheiten, durch ständige Übung, durch<br />

14


meine Anweisungen und durch eingehendes Lesen der alten Akten 7) . Das wird<br />

umso mehr <strong>von</strong> Erfolg sein, als er viel Eifer und Fleiß besitzt, aber kein Vermögen,<br />

welches doch für die auswärtigen Missionen nötig ist.“<br />

Aus dem gleichen Grunde schlägt Hertzberg vor, für Brockhausen eine<br />

Gehaltserhöhung <strong>von</strong> 500 Talern zu genehmigen, damit er im ganzen 800 Taler<br />

jährlich erhält, weil er mit den bisherigen 300 Talern, die er als Legationsrat<br />

bekommen hat, nicht auskommen kann.<br />

II. Sonderauftrag Brüssel 8)<br />

Bald sollte Brockhausen eine größere Aufgabe zuteil werden. In den<br />

österreichischniederländischen Provinzen hatte sich gegenüber den scharf<br />

durchgreifenden Verordnungen Kaiser Josephs bereits im Herbst 1789 eine sehr<br />

ernst zu nehmende Bewegung eingestellt. Es bildete sich der „Kongreß der<br />

belgischen Provinzen“. Die habsburgischen Behörden und Truppen wurden<br />

verjagt. Der Aufstand nahm immer weiteren Umfang an. Dies schien dem König<br />

Friedrich Wilhelm II. ein willkommener Anlaß zu sein, die Verlegenheiten des<br />

Habsburgers nach Möglichkeit zu vergrößern. Durch einen mit entsprechendem<br />

Sonderauftrag versehenen Vertreter sollte das Feuer des Aufruhrs unter der Hand<br />

geschürt werden. In militärischer Hinsicht wurde dieses Vorgehen unterstützt<br />

durch Gewinnung eines früheren hessischen Generals und Bereitstellung<br />

geeigneter Vorräte für die Festungen durch preußische Vermittlung 9) .<br />

Brockhausen, der Land und Leute schon <strong>von</strong> seiner Pariser Reise her kannte, war<br />

bestimmt, dem Kongreß im Sinne preußischer Politik mit Rat zur Seite zu stehen<br />

und andererseits ein stets klares und übersichtliches Bild über die tatsächlichen<br />

Verhältnisse nach Berlin zu übermitteln. Seine Berichte 10) sind recht<br />

bemerkenswert und verständig. Es spiegelt sich in ihnen die ganze Aufregung der<br />

belgischen Bevölkerung mit ihrem Haß gegen das Haus Habsburg, mit ihren<br />

revolutionären Gedankengängen im Sinne der soeben siegreich einsetzenden<br />

französischen Revolution, mit dem ganzen Zwiespalt zwischen den Orthodoxen<br />

und dem Hochadel einerseits, den Liberalen und dem Mittelstande andererseits.<br />

Aber diese Berichte und geringe Festigkeit lassen auch die große Schwäche der<br />

ganzen Bewegung offenbar werden. Bald erkennt man, daß die leidenschaftliche<br />

Aufwallung der Belgier vor den schnellen, zielbewußten Zugriffen Leopolds, bei<br />

gleichzeitig großem Entgegenkommen auf allen hierzu sich eignenden Gebieten,<br />

nicht stand zu halten vermochte. Statt einig im Kampfe wider die landfremde<br />

Herrschaft zu sein, verzettelte man sich in bedauerlichen und zum Teil<br />

widerlichen inneren Kämpfen. Immer fanatischer wurde gerade auch das streng<br />

orthodoxe Volk. Ein Beispiel für viele: die Beschimpfung eines Kapuziners in einer<br />

Prozession genügte, um sofort die Beleidiger im Wege der Lynchjustiz auf das<br />

Blutgerüst zu bringen. Man befürchtete ernstlich Gewalttaten gegen alle gemä-<br />

ßigten Mitglieder des Kongresses. Auf der anderen Seite war die militärische Kraft<br />

der Aufständischen eine äußerst geringe. Der Angriff der Truppen scheiterte. Die<br />

große Frage war nun, ob nicht zwecks Ermöglichung einer ruhigeren Betrachtung<br />

der Dinge ein Waffenstillstand abgeschlossen werden könnte. Nach Brockhausens<br />

15


Bericht vom 19.10. hatte sich der Kongreß am 17.10. versammelt. Noch rechnete<br />

man auf die Hilfe Frankreichs. Man suchte Dumouriez zu gewinnen. 500<br />

französische Bastillesieger zeigten sich, zwei weitere französische Regimenter<br />

sollten folgen. Es wurde denn auch zunächst der Wunsch nach Zurückweisung des<br />

Waffenstillstandes laut. Gleichwohl sah man sich infolge Schwächung des Kredits<br />

und der militärischen Mißerfolge doch genötigt, einzulenken. Bereits unterm<br />

27.10. kann Brockhausen die Auswirkungen des preußischösterreichischen<br />

Vertrages <strong>von</strong> Reichenbach vom 27.7.1790 feststellen. Der klugen, kühlen Politik<br />

Leopolds war es gelungen, Größeres unter Aufgabe <strong>von</strong> Geringerem zu retten.<br />

Nachdem sich herausgestellt hatte, daß zwischen Preußen und Österreich der<br />

Frieden erhalten bleiben würde, kam es dann zu dem Haager Schlußvertrag vom<br />

10.12.1790 11) . In diesem verbürgten Preußen, England und Holland dem Kaiser<br />

den Besitz der belgischen Provinzen, wogegen dieser sich verpflichtete, die unter<br />

der Voraussetzung der freiwilligen Unterwerfung gemachten Zugeständnisse zu<br />

verwirklichen.<br />

Am 1.1.1791 meldete sich Brockhausen nach glücklicher Erledigung der ihm<br />

übertragenen Aufgabe in Berlin zurück 12) .<br />

III. Gesandtenzeit in Stockholm<br />

1. Zu Lebzeiten König Gustav III.<br />

a) Empfang und erste Aufgaben 13)<br />

Zum Gesandten und bevollmächtigten Minister in Stockholm nach dem Ableben<br />

des Grafen Borcke ernannt, traf Brockhausen nach eiliger Reise 14) am 8.3.1791 in<br />

Stockholm ein und hatte bereits mehrfache Besprechungen mit König Gustav III.,<br />

bevor er seine öffentliche Audienz zwecks Überreichung seines<br />

Beglaubigungsschreibens erhielt.<br />

Die erste Aufgabe des preußischen Gesandten war, im Verein mit dem englischen<br />

Gesandten Liston, Schweden zu einer diesen beiden Mächten freundlichen<br />

Stellung zu bewegen.<br />

Demgegenüber suchte Katharina II., die mit Gustav III. am 14.8.1790 den Frieden<br />

<strong>von</strong> Wärela 15) geschlossen hatte, ihn durch entsprechende Verhandlungen zwecks<br />

Ausführung dieses Friedens, auf ihre Seite zu ziehen.<br />

Gustav gefiel sich in der Rolle des <strong>von</strong> zwei Seiten Umworbenen und suchte die<br />

Dinge hinzuziehen. Ihm kam es darauf an, reichliche Geldmittel zu erhalten, auch<br />

zur Ausführung seines Lieblingsplans einer Gegenrevolution in Frankreich.<br />

b) Vertrag Gustavs mit Rußland 16)<br />

16


Im Laufe des Sommers traten die Gegensätze zwischen Preußen, England und<br />

Rußland infolge gegenseitiger Verständigung zurück. So schloss denn Gustav<br />

Anfang Oktober, zu seinem Glücke noch kurz vor dem Tode Potemkins, des<br />

„aufrichtigen Freundes“ Schwedens, einen Vertrag mit Rußland ab, der ihm<br />

immerhin gewisse Vorteile, auch geldlicher Art, sicherte. Am 15.11. vermag Brock-<br />

hausen seinem Hof Mitteilung zu machen über die ihm vertraulich zugegangenen<br />

Geheimartikel dieser Abmachung. Sie bestehen<br />

1. in russischen Subsidien,<br />

2. in der Möglichkeit für Gustav, auch <strong>von</strong> der Türkei fernerhin Subsidien zu<br />

beziehen,<br />

3. in der Inaussichtnahme gemeinsamer Maßnahmen gegen Frankreich.<br />

Über alle diese und mancherlei andere Begebenheiten des inneren und äußeren<br />

politischen Lebens Schwedens unter Gustav III. lässt sich Brockhausen in seinen<br />

Berichten nach Berlin, wie es wohl so die Art junger strebender Anfänger ist, in<br />

einem fast zu reichlichen Maße bis ins einzelne aus.<br />

Nicht das geringste Ereignis, nicht die kleinste Wendung, nicht das<br />

Unscheinbarste entgeht ihm. Alles zieht er in den Kreis seiner Beobachtungen. Er<br />

weiß ebenso angenehm zu plaudern, wie die ernsteren Saiten kühl diplomatischer<br />

Berichterstattung anzuschlagen.<br />

Es würde unmöglich sein und weit über den Rahmen dieser Arbeit hinausgehen,<br />

wollte man den Versuch machen, auch nur einen namhaften Teil dieser<br />

Erörterungen und Beobachtungen einigermaßen wiederzugeben. Gewiss, vieles<br />

da<strong>von</strong> ist auch heute noch <strong>von</strong> unleugbarem Werte. Insbesondere würde der<br />

Schilderer der kulturellen Entwicklung jener Tage manches bemerkenswerte<br />

finden. Andererseits bezieht sich vieles wiederum auf rein schwedische Dinge und<br />

Personen, die nur der heimatliche Geschichtsschreiber auszuwerten vermag.<br />

Ich werde mich darauf beschränken, aus der gewaltigen Fülle des Stoffes einiges<br />

Wenige <strong>von</strong> allgemeinem Interesse anzuführen, das zugleich einerseits das<br />

persönliche Erleben des preußischen Gesandten berührt, andererseits in einem<br />

gewissen Zusammenhange mit den weltgeschichtlichen Begebenheiten steht.<br />

c) Stellung Gustavs zur französischen Revolution 17)<br />

Da ist zunächst die Stellungnahme Gustavs III. zu der französischen Revolution.<br />

Schon immer trieb es ihn als Verteidiger und Rächer der Legitimität aufzutreten.<br />

Gleichzeitig wünschte sein romantischer Sinn, als Ritter der schönen Königin <strong>von</strong><br />

Frankreich sein Schwert zu ziehen. Diese legitimistischen und romantischen<br />

Gedanken nehmen ihn je länger je mehr gefangen.<br />

Daher die Reise im Sommer 1791 nach Aachen, daher der unausgesetzte<br />

Briefwechsel mit Artois, Condé und anderen Emigranten, daher die Einstellung<br />

hoher französischer Offiziere, z.B. Bouillés, in seine Armee.<br />

17


Auch die Vereitelung der <strong>von</strong> ihm auf alle Weise geförderten Flucht des<br />

Königspaares, einen so großen und tiefen Eindruck auf Gustav sie auch macht,<br />

vermag ihn in seinen Grundsätzen nicht zu erschüttern. Im Gegenteil, mehr denn<br />

je erfüllt ihn mit der ganzen Leidenschaftlichkeit seines unruhigen Geistes der<br />

Gedanke der Gegenrevolution in Frankreich. Diese Gegenrevolution nach seinen<br />

Wünschen zu leiten, hierbei die erste Führerrolle zu spielen, dahin geht sein<br />

Verlangen. Seine lebhafte Einbildungskraft lässt ihn alle Gefahren gering<br />

einschätzen.<br />

Ludwig XVI. sei als Gefangener anzusehen inmitten einer aufrührerischen<br />

Bevölkerung und unsicherer Nationalgarden. Sein Pariser Gesandter muss Ludwig<br />

XVI. das Bedauern aussprechen, daß die bekannten traurigen Ereignisse über ihn<br />

gekommen sind, ihn gleichzeitig aber vor einer bedingungslosen Annahme der<br />

Verfassung dringend warnen. Gustav wünscht ein einheitliches Zusammengehen<br />

aller Staaten gegen Frankreich, eine Liga, in erster Linie Madrid, Neapel, Turin, die<br />

die Kosten zahlen sollen. Er selbst hat den Ehrgeiz, Höchstkommandierender der<br />

ganzen Armee sein zu wollen, wobei, Bouillé unter ihm leiten würde. Er steht auf<br />

dem Standpunkt, daß die Sache der Bourbonen, und damit zugleich die Sache<br />

aller Souveraine verloren sei, wenn es nicht gelinge, noch 1791 einen<br />

entscheidenden Schlag zu führen 18) . In einer vertraulichen Besprechung<br />

verheimlicht Gustav Brockhausen nicht, daß für ihn die Herstellung des<br />

unbeschränkten Königtums unerlässlich sei als Voraussetzung und einziges Mittel,<br />

um Europa vor dem Gift der Demokratie zu bewahren. Brockhausen erhebt den<br />

Einwand, wie schwierig doch die Wiederherstellung der Parlamente, der<br />

Privilegierten, des Adels sowie der geistlichen Güter sei. Gustav antwortet, daß<br />

ohne ein solches „Retablissement“ die königliche Macht keinen Bestand haben<br />

werde. Brockhausen ist es nicht einen Augenblick zweifelhaft, daß, mag auch die<br />

Lage der herrschenden Partei in Paris eine schwierige sein, Gustav sich die<br />

Gegenrevolution doch gar zu leicht vorstellt, ganz abgesehen <strong>von</strong> den Folgen im<br />

eigenen Lande. Am 9.8.1791 berichtet Brockhausen über eine eingehende längere<br />

Unterhaltung mit dem am 3.8. aus Aachen zurückgekehrten Gustav bei der letzten<br />

Hofcour. Gustav erzählte hierbei unaufhörlich <strong>von</strong> den französischen Dingen. Es<br />

sei für alle Souveräne eine zwingende Notwendigkeit, gemeinsam einen Wall<br />

aufzuwerfen gegen die drohende Demokratie und unter diesem Gesichtspunkte<br />

zunächst einmal dem Hause Bourbon zu Hilfe zu eilen. Gustav hat im Geheimen<br />

dem französischen Gesandten in Stockholm bedeuten lassen, er möge sich zur<br />

Vermeidung <strong>von</strong> Unliebsamkeiten nicht amtlich bei Hofe zeigen. Diese Weisung<br />

hat jener befolgt. Gustav verlangt <strong>von</strong> allen seinen Offizieren, daß sie Feinde der<br />

Nationalversammlung. und Verteidiger des französischen Hofes seien. Auf die<br />

Gegenrevolution könne man nicht verzichten in Anbetracht des Adels und der<br />

übrigen Freunde der guten Sache, die ihr Glück hierbei mit aufs Spiel gesetzt<br />

hätten. Mehr denn je trachtet Gustav danach, auf Grund des mit Rußland<br />

geschlossenen Bundes, einen gemeinsamen Kriegsplan herbeizuführen 19) .<br />

Bei der letzten Hofcour sagte er in seiner freimütigen Art zum spanischen<br />

Gesandten in aller Öffentlichkeit: „Katharina und ich sind bessere Bourbonen als<br />

die meisten <strong>von</strong> ihnen selbst. Ich werde die spanischen Bourbonen eines Tages<br />

anklagen müssen, daß sie gegen das eigene Interesse gehandelt haben.“<br />

18


Die Erklärung <strong>von</strong> Pillnitz ist für Gustav ein Gegenstand großer Freude. Diese wird<br />

nur durch den Gedanken getrübt, daß er nun nicht mehr als der „Erste“ an der<br />

Spitze der Gegenrevolution stehen kann. Er fürchtet zur Rolle des „Zweiten“<br />

verurteilt zu sein, was ihm unerträglich wäre.<br />

d) Innere Politik 20)<br />

So leidenschaftlich verfocht dieser Mann seine weltumfassenden Pläne. Aber er,<br />

der die Welt aus den Angeln zu heben sich vermaß, vermochte doch nicht einmal<br />

im eigenen Lande, so sehr er auch sich bemühte, seinen unumschränkten<br />

Herrscherwillen restlos durchzusetzen. Im Innern häuften sich die<br />

Schwierigkeiten. Die Schulden wuchsen ins Unermessliche. Ein letztes<br />

Rettungsmittel schien die Einberufung eines Reichstages, die denn auch nach<br />

mancherlei Schwanken nicht in der Reichshauptstadt, vielmehr in der kleinen<br />

Hafenstadt an der Ostküste, Gefle, zum Ende Januar 1792 erfolgte 21) . Mit allen<br />

auch unerlaubten Mitteln suchte Gustav sich seiner Gegner zu entledigen, um<br />

sich eine Mehrheit zu schaffen. Durch rücksichtslose Fernhaltung aller<br />

Unzuverlässigen erreichte er dieses Ziel. Brockhausen vermag eine große Zahl<br />

solcher Einzelzüge zu berichten. Schließlich gleicht Gefle einem großen Heerlager.<br />

Gustav ist sich des Ernstes der Lage völlig bewusst. Er betrachtet sie selbst als<br />

bedenklich. „Mein Thron ist wankend, ich muß ihn zurückerobern.“ Indes taub<br />

gegenüber allen Vorstellungen etwaiger Gefahren und Bedrängnisse erklärt<br />

Gustav, daß er sein Ansehen und seine Rechte unter allen Umständen und wäre<br />

es um den Preis seines Lebens verteidigen werde. Niemals werde er dulden, daß<br />

seiner königlichen Machtfülle auch nur der geringste Abbruch geschehe.<br />

Brockhausen hatte Gelegenheit, selbst verschiedentlich Äußerungen dieser Art<br />

aus Gustavs Munde zu hören. So sagte dieser gelegentlich des französischen<br />

Schauspiels zu Brockhausen: „Der künftige Reichstag wird keineswegs ruhig<br />

abgehen. Seien Sie auf stürmische Szenen gefasst. Aber es tut nichts. Ich werde<br />

Europa zeigen, daß ich eine Nationalversammlung nicht fürchte.“<br />

Brockhausen selbst nahm mit den übrigen Gesandten an der Eröffnung des<br />

Reichstages als geladener Gast teil. Nach zweitägiger Fahrt werden sie in einem<br />

zwei Wegstunden vor Gefle gelegenen Landhause untergebracht. Am 27.1.92<br />

wohnen sie dem Lever des Königs bei. Sodann schreitet Gustav mit Königsmantel<br />

und Krone angetan, begleitet vom Kronprinzen, dem Seneschall Grafen Wacht-<br />

meister und dem Reichsmarschall Grafen Oxenstierna zur Kirche, dort <strong>von</strong> den<br />

Ständen begrüßt. Nach dem Eröffnungsgottesdienste beginnen die Sitzungen in<br />

dem aus Holz neben dem Schlosse errichteten Sitzungssaale. Gustav selbst gibt<br />

einen Kronbericht und verbreitet sich über die Möglichkeiten der Abhilfe der<br />

verschiedenen Übelstände. Vier Redner, aus jedem Stande einer, danken. Hierauf<br />

wird die gemeinsame Mahlzeit gehalten. Am 28.1. erfolgte die Rückreise der<br />

Gesandten nach Stockholm 22) .<br />

Schon die königlichen Teilerfolge des am 24.2. geschlossenen Reichstages<br />

genügten, um die Leidenschaften der Gegenpartei aufzureizen. Übelste<br />

Verleumdungen. wurden geflissentlich verbreitet. Zielbewußt wurde gegen den<br />

19


König Stimmung gemacht. Es wurde Wahrheit, was Brockhausen schon früher<br />

vorausgesagt hatte: „Wenn es den Gegnern Gustavs nicht gelingt, im Reichstage<br />

sich durchzusetzen, dann werden sie nicht davor zurückschrecken, die Geister<br />

gegen ihn aufzurühren und gewaltsame Mittel zu gebrauchen.“<br />

Das furchtbare Ereignis der Ermordung Gustavs erhellte wie ein greller Blitz die<br />

ganze Lage.<br />

2. Ermordung Gustavs III. 23)<br />

„Avec un sentiment bien douloureux“ so beginnt der Bericht Brockhausens vom<br />

17.3.1792 Nr. 21 soll ein „horrible événement“ beschrieben werden: „Le Roi<br />

Gustave III a été assassiné à un bal masqué!“<br />

Für die nachträglich aufgeführten Tatsachen kann sich Brockhausen selbst<br />

verbürgen, da er einen Augenblick nach der Tat gemeinsam mit dem spanischen<br />

Gesandten auf dem Balle eintraf und die ganze Nacht hindurch den unglücklichen<br />

Fürsten persönlich sah.<br />

Um Mitternacht vom 16. zum 17.3. 24) hatte Gustav, ungerührt durch die Warnung<br />

eines Ungenannten, gemeinsam mit dem Baron Essen den Maskenball betreten.<br />

Angetan mit einem einfachen Domino und einer Maske hatte er zweimal den<br />

ganzen Saal durchschritten. Plötzlich schlich sich ein Elender <strong>von</strong> hinten herzu und<br />

schoß ihn über der linken Hüfte in die Gegend des Rückgrats.<br />

Trotz dieser schweren Verwundung ließ sich Gustav in die Untergemächer des<br />

Ballsaales hinabtragen. Brockhausen durfte den König alsbald sehen und ihm<br />

seine Teilnahme aussprechen. Wir fanden, sagt er, den König auf einem Sofa<br />

liegend. Kaltblütig und mit bewundernswerter Ruhe sprach er uns an: „Es ist<br />

ärgerlich, wenn man im Kriege dem feindlichen Feuer getrotzt hat, um nun <strong>von</strong><br />

hinten verwundet zu werden.“ Seinen Freund Armfeldt tröstete er in mutigster<br />

Weise und gab ihm die nötigen Befehle zur Aufrechterhaltung der öffentlichen<br />

Ordnung. Mehr als eine Stunde unterhielt sich Gustav mit seiner Umgebung. Die<br />

Ärzte kamen und betrachteten die Wunde, ohne helfen zu können.<br />

Der Schuß hatte zwar edlere Teile nicht verletzt; aber die Ärzte waren besorgt,<br />

weil sich die Bleistücke nicht aus dem Körper entfernen ließen. Obwohl noch kein<br />

Fieber sich eingestellt hatte, fürchtete man, daß der hohe Kranke unter der<br />

Gewalt der natürlichen Vorgänge vergehen müsse. Nach Anlegung des ersten<br />

Verbandes wurde Gustav nach dem Schlosse gebracht. Man erlaubte<br />

Brockhausen, zu folgen. Gustav bewies stets die gleiche Festigkeit des Gemütes<br />

und seine gewöhnliche Fröhlichkeit, die ihn sich öfters in witzigen Wendungen<br />

ergehen ließ. So hörte Brockhausen ihn sagen: „Ich werde wohl einen guten<br />

Unterhaltungsgegenstand für die Herren Brissot, Bazire und Condorcet abgeben.<br />

Welch ein Triumph für die Jakobiner, ihre Maxime so gut befolgt zu sehen. Ich<br />

möchte nur noch so lange leben, um ihre Erzeugnisse lesen zu können.“<br />

Selbst seine Feinde waren beim Anblick des Verwundeten gerührt. So auch der<br />

alte Graf Fersen, ein entschiedener Gegner des Königs, den dann beim<br />

20


Hinausgehen doch auch der Haß wieder übermannte. Fersen sagte: „Gustav<br />

stirbt, sein Schicksal erfüllt mich mit Teilnahme, obwohl er mir und meinem<br />

Vaterlande viel übles getan hat. Lange wird sich Schweden dieses verderblichen<br />

Regiments noch erinnern.“<br />

Auch sonst geben die großen Familien der Gegenpartei ein nachahmenswertes<br />

Beispiel der Teilnahme. Freilich wohl schon deswegen, um keinen Verdacht gegen<br />

sich aufkommen zu lassen. Alle Parteien scheinen <strong>von</strong> einem so blutigen Ereignis<br />

überrascht und erschüttert, man bewundert den König. Gustav hat alles<br />

vorbedacht.<br />

Die Nacht vom 17. zum 18. war, so fährt Brockhausen in seinen späteren<br />

Berichten fort, teilweise sehr unruhig. Nach heftigem Fieber ist Gustav in dumpfes<br />

Hinbrüten versunken. Die Ärzte geben nur schwache Hoffnung, fürchten bereits<br />

das schlimmste für die nächste Zukunft. Stockholm ist in großer Sorge und<br />

höchster Spannung.<br />

Nach und nach lüftete sich der Schleier des tiefen Geheimnisses. Man hatte im<br />

Saale zwei Pistolen und ein Messer gefunden. Mit letzterem entdeckte man am<br />

17.3., vormittags 10 Uhr, durch Befragen des Verkäufers den Mörder, Es war<br />

Ankarström, gebürtig aus Gothland, ehemals Gardeoffizier, aber wegen<br />

schlechten Betragens entlassen Ankarström war geständig. über das Messer<br />

befragt, antwortete er: „Mit diesem hätte ich Gustav durchbohrt, wenn ich ihn<br />

mit dem Schusse gefehlt hätte.“ Nun kam man auch hinter die Absichten der<br />

Verschwörer, <strong>von</strong> denen man bereits Graf Horn und Graf Ribbing verhaftet hatte.<br />

Trotz großer Schmerzen in der linken Seite blieb Gustav immer derselbe gefestete<br />

und starke Mann. Er umarmte den Grafen Brahe, eines der Häupter der<br />

Gegenpartei, „solche Ereignisse müssen dazu dienen, mich den alten Freunden zu<br />

nähern“.<br />

Überaus traurig hat ihn der Verrat des Obersten Liliehorn gestimmt, der den<br />

Warnungsbrief jenes Ungenannten schrieb und bei seiner Kenntnis des trotzigen<br />

Charakters Gustavs ihn hierdurch geradezu in den Tod trieb. Einst brav wie sein<br />

Degen, tüchtig in seinem Beruf, geliebt und geachtet vom König bis zu einem<br />

Grade, der die Eifersucht der anderen erregte. Und nun mitschuldig! „Auch du,<br />

mein Liliehorn!“ rief er tief bekümmert. Hiernach verfiel er in eine düstere<br />

Träumerei. Man sah ihn weinen.<br />

Das Schicksal des Königs, seine feste männliche Haltung, seine Milde und Güte<br />

haben die Stimmung in weiten Kreisen zu seinen Gunsten verwandelt.<br />

Insbesondere war bei den Bewohnern der Reichshauptstadt die alte Liebe des<br />

Volkes zu Gustav wieder erwacht. Alles vereinigte sich, um die Lage ähnlich zu<br />

gestalten wie beim Tode Karls XII.<br />

In der Nacht vom 25. zum 26.3. trat eine erhebliche Verschlechterung ein. Am<br />

29.3., vormittags 11 Uhr, ist, wie Brockhausen berichtet, das seit zwei Tagen<br />

erwartete traurige Ereignis eingetreten. Gustav III. ist nach einem langen aber<br />

ruhigen Todeskampfe eingeschlafen mit einem Mut, der bewundernswert ist. Er<br />

hat nacheinander den Herzog <strong>von</strong> Südermannland und seine Minister kommen<br />

lassen und jedem die genauesten Anweisungen mitgegeben. Er hat alle mit<br />

größtem Eifer ermahnt, doch ja die Rechte seines Sohnes zu schützen. Alsdann<br />

21


hat Gustav noch verschiedene Verfügungen gezeichnet. Eine da<strong>von</strong> war die<br />

Ernennung Armfeldts zum Gouverneur <strong>von</strong> Stockholm; zu ihm sagte Gustav: „mit<br />

sterbender Hand zeichne ich den letzten Beweis unserer Freundschaft, nun habe<br />

ich mich nur noch mit meinem Herrgott auseinanderzusetzen“. Aus der Hand des<br />

Bischofs Walquist nahm er das Sakrament. Nachdem lehnte er sich zurück und<br />

sagte mit klarer Stimme: „Lebt wohl, ihr Freunde, ich sterbe!“ Bei diesen Worten<br />

hat er ruhig sein Leben ausgehaucht 25) .<br />

Darauf erschien Prinz Karl, um den Versammelten den Thronwechsel<br />

anzukündigen. Er trat an König Gustav IV. heran und leistete ihm als erster den<br />

Untertaneneid. Sodann las er mit lauter Stimme das Testament vor, wonach er<br />

Regent und Vormund Gustavs IV. war. Als nun Karl und sein großes Gefolge<br />

Gustav IV. den Eid leisteten, da schrie der Jüngling in tiefstem Schmerze auf:<br />

„Guter Gott, meinen Vater haben sie gemordet, mir schwört man Treue, welch<br />

ein Schicksal ist mir vielleicht beschieden!“<br />

Die drei untern Stände waren der königlichen Sache nach wie vor ergeben. In<br />

Stockholm selbst herrschte tiefste Trauer. Die braven Bürger gedachten mit<br />

zerrissener Seele ihres trotz allem geliebten Königs. Tiefes Schweigen herrschte,<br />

als kurz nach dem Tode ein Wappnherold überall auf den Straßen und Plätzen<br />

Stockholms die Trauernachricht verkündete. Man sieht hier, sagt Brockhausen,<br />

den 29.3. als den letzten Atemzug des bejammernswerten Schweden an.<br />

Bemerkenswert ist die Beschreibung der Leichenfeier für den verstorbenen König<br />

in der Kirche <strong>von</strong> Riddarsholmen, zu der Brockhausen mit den übrigen Gesandten<br />

gleichfalls geladen war. Ein gewaltiger Zug, Gustav IV., Karl und der Hof würdig<br />

voran, bewegte sich zur Kirche, wo ihn die Gesandten und verschiedenen<br />

Kollegien bereits erwarteten., Erzbischof Troil <strong>von</strong> Uppsala hielt die Leichenfeier.<br />

Nach der Trauerrede erfolgte eine Darstellung der wichtigsten Begebenheiten aus<br />

dem Leben des Königs, wie es die alte Sitte vorschrieb. Brockhausen war entzückt<br />

und gerührt <strong>von</strong> der edlen und ernsten Weise der Feier. Viel bewundert wurde<br />

eine Büste des Königs <strong>von</strong> der Hand des bedeutendsten Künstlers Schwedens,<br />

Sergels 26) , welche am Monument auf dem Katafalke angebracht war. Dieser war<br />

auf das sinnigste geschmückt. Die ernste Beleuchtung der Kirche, die wunderbare,<br />

dem Gegenstande angepaßte Musik, die gewaltige, unter der Wirkung des<br />

Geschehenen stehende Trauerversammlung machten auf Brockhausen einen<br />

tiefen Eindruck.<br />

Was die Bestrafung der Mörder anbelangt, so wurden im ganzen 32 Personen<br />

verhaftet, <strong>von</strong> denen. 18 wieder frei gelassen wurden. Allein Ankarström, auf<br />

dessen Gnadengesuch Karl in derber schwedischer Art sagte: „Die Gnade ist<br />

erschossen, die Gesetze leben“, wurde hingerichtet, Die anderen wurden auf<br />

Lebenszeit verbannt oder in schwedischen Festungen gefangen gehalten, aus<br />

denen sie aber bald entwichen.<br />

3. Charakter Gustavs III. 27)<br />

22


Häufig und fein beobachtet sind die Bemerkungen Brockhausens über Gustav III.<br />

Mosaikartig zusammengestellt ergeben sie ein recht anschauliches Charakterbild<br />

dieses hochstrebenden und unglücklichen Fürsten.<br />

Was zunächst vor allem ins Auge fiel, war der außerordentliche Freimut, die<br />

liebenswürdige Offenheit, die lebendige ursprüngliche Art seines ganzen Wesens.<br />

Man fühlte, daß Gustav nicht nur eine glänzende Rolle unter den Fürsten Europas<br />

spielen wolle, sondern seiner ganzen Natur nach geradezu spielen müsse. Eine<br />

tiefe, heiße, alles durchdringende Leidenschaft lebte in ihm, ein förmlicher Durst<br />

nach Ruhm und Größe. Eine hohe, ja zu hohe Auffassung seines Königtums läßt<br />

ihn die Dinge nicht immer vom nüchternen Standpunkt klarer und zielbewußter<br />

Realpolitik aus beurteilen. Nur zu leicht gibt er sich übertriebenen Hoffnungen,<br />

phantastischen Gedanken, unwirklichen Träumen hin. Die Plötzlichkeit seiner<br />

Entschlüsse, entspricht nicht immer ruhiger Überlegung. Oft packt und schüttelt<br />

ihn die Ungeduld. Sofort will er erreichen und halten, was doch vielleicht nur das<br />

Ergebnis langsam reifender und weit vorausschauender Pläne und Taten sein<br />

kann. Jetzt schnaubt er vor Wut und Rache, um im nächsten Augenblick im ge-<br />

raden Gegenteile liebenswürdig und entgegenkommend zu sein. Mit Recht zeiht<br />

man ihn oft des Wankelmuts, der ihn dahin führt, soeben getroffene Beschlüsse<br />

wieder zu verleugnen. Nicht ist er frei zu sprechen <strong>von</strong> Eitelkeit, und der<br />

Schmeichelei ist er nicht unzugänglich. Selbst seine Günstlinge klagen über die<br />

„Rapidität“ seiner Pläne und das Übermaß <strong>von</strong> Wünschen, deren Erfüllung sich<br />

doch in Wirklichkeit als unmöglich erweist. Heute betrachtet er sich im Geiste als<br />

Höchstkommandierenden aller die Gegenrevolution nach Frankreich<br />

hineintragenden Heere, um morgen bereits wieder über dem armseligen Einerlei<br />

des Alltags fast zusammen zu brechen. Freundlich heiter und scharfen Witzes auf<br />

der einen Seite, zieht er sich doch oft als Menschenfeind in die Einsiedelei <strong>von</strong><br />

Haga zurück, mit einer „Humeur sombre et chagrine“. Und doch: „nehmt alles nur<br />

in allem, er war ein Mann“, er verleugnete die nahen verwandtschaftlichen<br />

Beziehungen zu einem Friedrich dem Großen nicht. Persönlich tapfer und<br />

unerschrocken, wie er einmal sich ausgedrückt hat, nicht nur, wie sein Bruder Karl<br />

„mit dem Herzen“, sondern auch „mit dem Verstande“, hochstrebend und in<br />

seiner Art bedeutend, leutselig und gerecht, ernst und milde, hochgesonnen und<br />

ehrliebend, ein echter Fürst 28) : So war dieser Herrscher beschaffen, der die<br />

Tugenden zweier großer deutscher Geschlechter in sich vereinigte, nicht ohne<br />

ihrer Fehler zu ermangeln. So ging er durch das Leben in Krieg und Frieden, so<br />

ging er in den Tod, immer „alles an alles setzend“.<br />

4. Zeiten der Regentschaft 29)<br />

Mit dem Tode Gustavs III. war eine ganz andere Zeit für Schweden<br />

heraufgekommen. Auch der preußische Gesandte konnte dies in mehr als einer<br />

Hinsicht wahrnehmen.<br />

Der Regent Karl <strong>von</strong> Südermannland, finster, mißtrauisch, unzugänglich, nach<br />

einer kurzen Periode <strong>von</strong> Reformversuchen arbeitsunlustig und tatenscheu, zog<br />

23


sich mehr und mehr <strong>von</strong> jeder außenpolitischen Betätigung zurück. Indem er<br />

überall strengste Sparsamkeit walten ließ, richtete er sein Hauptaugenmerk auf<br />

die Wiederherstellung der zerrütteten Finanzverhältnisse Schwedens. Jener un-<br />

gezwungene freimütige Verkehr, wie ihn Gustav III. mit den Gesandten zu<br />

unterhalten pflegte, kam in Fortfall.<br />

Auch mit dem jungen König Gustav IV. selbst kam Brockhausen doch nur selten in<br />

nähere Berührung. Sein Urteil über ihn ist günstig: „Man lobt seinen scharfen Ver-<br />

stand, seine Geeignetheit für Studien, seinen militärischen Geist, seinen<br />

entschlossenen und festen Charakter. Ein verständnisvolles feines Gefühl und<br />

große Liebenswürdigkeit gesellen sich zu dieser außerordentlichen Grundlage. Sie<br />

können ihm nur die Herzen gewinnen. Allerdings können Neigung zur Eitelkeit<br />

und zur weitgehenden Repräsentation, wenn sie nicht abgeschliffen werden, das<br />

hübsche Bild verdunkeln.“<br />

5. Stimmung im Innern Schwedens<br />

a) Einfluß der französischen Revolution 30)<br />

In den späteren Berichten Brockhausens treten je länger je mehr die<br />

Betrachtungen über den Einfluß der französischen Revolution auf Schweden<br />

hervor. Es ist unstreitig ein Verdienst Brockhausens, mit aller, Schärfe und Klarheit<br />

hierauf hingewiesen zu haben. Er zeigt, wie namentlich in den Kreisen des<br />

Mittelstandes und der Bauern der Umsturz in Frankreich sich nach und nach<br />

ausgewirkt hat. Gerade diese Zusammenhänge und Verbindungen aufgedeckt und<br />

sie ihrer Bedeutung nach gewertet zu haben, gibt Brockhausens Ge-<br />

sandtenberichten eine ganz besondere Note. Zum Ehrgeiz des Adels gesellt sich<br />

die offensichtliche Neigung der unteren Stände, auch ihrerseits an der Verwaltung<br />

und Regierung teilzunehmen. Man hatte die Menschenrechte drucken lassen und<br />

ging damit erfolgreich hausieren. Schon hielt der Bauer sehr ähnliche Reden. Seit<br />

Aufhebung aller Pressebeschränkungen über die Ereignisse in Frankreich gut<br />

unterrichtet, nahm man mit großer Teilnahme Kenntnis <strong>von</strong> der dortigen<br />

Bewegung, trat zugunsten der Demokratie ein und gab öfters dem Wunsche<br />

Ausdruck, auch in Schweden ähnliches zu vollbringen. Es erschien nunmehr auch<br />

schon eine Zeitschrift „le patriote“. Ihre Sprache war kühn und frei. Jedenfalls<br />

griffen die Grundsätze der Neuerer immer mehr um sich. Die Häupter der<br />

Bürgerpartei begannen Klubs zu gründen, deren Zweck es war, die Fortschritte<br />

der französischen Revolution zu feiern. Bisher waren ihre Versammlungen ge-<br />

heim. Jetzt ließ man die Hülle fallen. Die Sitzungen wurden öffentlich, der Zustrom<br />

viel größer. Die Grundsätze, die man verkündete, wurden immer kühner. Zu spät<br />

ergriff die Regierung Mittel zur Unterdrückung 31) . Die Sitzungen der Klubs wurden<br />

immer lebhafter. Man bedrohte die Polizei, deren Tätigkeit mißfiel. Die<br />

Freiheitsbewegung nach französischem Muster machte nicht nur in Stockholm,<br />

sondern in fast allen Städten die Runde. Bei einem Teil des Adels schienen<br />

Erinnerungen an die berühmte Nacht des 4.8. nachzuklingen. Man erließ den<br />

Hintersaßen Getreiderenten und machte manchmal noch dazu große Geschenke.<br />

24


„Es wäre zu wünschen“, meint Brockhausen, „daß alle Standesgenossen<br />

wenigstens bezüglich der ersteren Maßnahme folgen möchten“.<br />

Einen Abschluß hatte diese Bewegung beim Fortgang Brockhausens noch nicht<br />

erreicht.<br />

b) Verschwörung des Generals Armfeldt 32)<br />

Ebenso befand sich die sogenannte Verschwörung des früheren Günstlings<br />

Gustavs III., des nunmehr als Gesandten nach Neapel gleichsam verbannten<br />

Generals Armfeldt 33) , der beschuldigt wurde, im Verein mit anderen<br />

Unzufriedenen die Regierung stürzen zu wollen, noch im Flusse, als Brockhausens<br />

Abberufung erfolgte.<br />

6. Abschied Bockhausens, Rückblick auf seine Tätigkeit 34)<br />

Am 31.1.1794 erbittet Brockhausen zur Wiederherstellung seiner Gesundheit<br />

Urlaub für einige Zeit. Das Gesamtministerium berichtet hierüber an den König<br />

unter dem 11.2. Hierbei gibt es folgende bemerkenswerte Schilderung<br />

Brockhausens. „Die große Geeignetheit und die hervorragende Veranlagung<br />

Herrn <strong>von</strong> Brockhausens verlangen besonders auch im Interesse des öffentlichen<br />

Wohls die Wiederherstellung und Erhaltung der Gesundheit desselben, die unter<br />

dem außerordentlich rauhen Klima Stockholms gelitten hat.“<br />

Rückschauend kann man sagen, daß die 3 ½ Jahre des Aufenthalts in der<br />

nordischen Hauptstadt ebenso interessant und erfreulich, wie bedeutsam und<br />

lehrreich für den jungen Diplomaten gewesen sind. Betrachtet man seine<br />

Tätigkeit während dieser ganzen Zeit, so kann man nur mit Anerkennung<br />

feststellen, mit welch gespannter Aufmerksamkeit Brockhausen den politischen<br />

Ereignissen und zwar sowohl den außen wie innenpolitischen, nachgegangen ist,<br />

mit welchem außerordentlichen Fleiß er den Volkscharakter, die Verhältnisse am<br />

Hof wie draußen verfolgt hat. Er gibt sich die allergrößte Mühe, seine Berichte<br />

anschaulich zu gestalten. Stets versucht er, sie durch Überreichung <strong>von</strong> Ab-<br />

schriften, <strong>von</strong> Verordnungen, Erlassen, Bestimmungen, Bekanntmachungen,<br />

Briefen und sonstigen Unterlagen zu ergänzen und zu vertiefen. Er beherrscht das<br />

Französische in der Vollendung. Es ist ein Genuß, seine Berichte zu lesen. Seine<br />

Schilderung ist ebenso lebendig wie sein Freimut und seine Ehrlichkeit<br />

lobenswert.<br />

Übrigens mögen es nicht nur Gesundheitsrücksichten gewesen sein, welche<br />

Brockhausen veranlaßten, seine Tätigkeit als Gesandter in Stockholm zu<br />

unterbrechen. Vielleicht und mit Recht lag ihm daran, wieder nähere Fühlung mit<br />

dem Kabinett in Berlin zu gewinnen. Sein Gönner Graf Hertzberg war inzwischen<br />

gestürzt worden, eine für den weiteren Werdegang Brockhausens zweifellos sehr<br />

bedeutsame Tatsache. Wie die neuen Herren sich ihm gegenüberstellen würden,<br />

mußte erst die Zukunft erweisen. Jedenfalls erschien es zweckmäßig, sich einmal<br />

25


persönlich zu zeigen. Welches aber auch immer die Gründe für seinen Fortgang<br />

gewesen sein mögen, er sollte nicht mehr nach Stockholm zurückkehren. Anderes<br />

war ihm bestimmt.<br />

B. GESANDTENZEIT IN DRESDEN<br />

I. Politisches und Persönliches<br />

1. Art und politische Bedeutung der Dresdener Stellung<br />

Bezeichnend für die Wertschätzung, deren sich damals Brockhausen. auch bei den<br />

leitenden Kabinettsministern erfreute, ist die Tatsache, daß Graf Haugwitz am<br />

19.11.94, als es sich um schleunige Entsendung eines Bevollmächtigten zu den<br />

Friedensverhandlungen <strong>von</strong> Basel handelte, entweder den Grafen Goltz oder „den<br />

jungen Baron Brockhausen“ persönlich vorschlug 35) . Da schließlich ersterer mit<br />

dieser Sendung beauftragt wurde, so mußte für Brockhausen ein anderes Feld der<br />

Tätigkeit geschaffen werden.<br />

Im Frühjahr des Jahres 1795 wurde Brockhausen zum Gesandten am Hofe des<br />

Kurfürsten <strong>von</strong> Sachsen ernannt. Diese Stellung war ihrer ganzen Art nach eine<br />

wesentlich andere, wie seine bisherige. Bisher hatte er in einem Brennpunkte der<br />

nordischen Politik der skandinavischen Mächte gestanden, wo doch die großen,<br />

weltbewegenden Fragen einen wesentlichen Teil seiner Arbeit bilden mußten.<br />

Sein jetziges Amt schien zunächst jedenfalls ein sehr viel leichteres und<br />

bequemeres zu sein, gewissermaßen ein Stilleben am Hofe eines mittleren<br />

deutschen Fürsten.<br />

Man würde aber doch fehl gehen, wollte man annehmen, daß die<br />

Gesandtenstelle in Dresden lediglich einen Ruheposten dargestellt hätte. Es muß<br />

daran erinnert werden, daß das Kurfürstentum Sachsen, noch im Besitze der<br />

beiden Lausitzen und größerer Teile der heutigen Provinz Sachsen, beim Mangel<br />

süddeutscher Mittelstaaten zu jener Zeit doch eine erheblich höhere Bedeutung<br />

hatte als später. Andererseits war Dresden damals sozusagen eine Art Drehpunkt<br />

der deutschen Politik. Mehr inmitten Deutschlands gelegen, wie etwa Wien,<br />

München oder Berlin, hatte es lebhafte Beziehungen nach der alten Kaiserstadt,<br />

nach den süddeutschen Kurfürstentümern und nach der preußischen Hauptstadt.<br />

Gleichsam als Abhörer und Vermittler der ganzen Beziehungen innerhalb des<br />

Reiches war es das werden wir vielfach bestätigt sehen doch kein unwichtiger<br />

Posten. Insbesondere war ja die Stellung Sachsens für die norddeutschen Verhält-<br />

nisse und damit für Preußen <strong>von</strong> größter Wichtigkeit 36) .<br />

a) Ansicht der politischen Lage<br />

26


Um uns in die Lage der Dinge, wie sie Brockhausen vorfand, hinein zu versetzen,<br />

müssen wir rückschauend uns die Ereignisse des letzten Jahrzehnts etwa<br />

vergegenwärtigen. Gegenüber den josephinischen Einheitsbestrebungen hatte<br />

Friedrich der Große, in Wahrung der durch sein Lebenswerk geschaffenen<br />

Vormachtstellung Preußens, im Fürstenbunde alle für die Selbständigkeit ihrer<br />

Herrschaft eintretenden Staaten gegen das Haus Habsburg vereinigt. Dann<br />

allerdings war man durch die Abmachungen <strong>von</strong> Reichenbach und den darauf<br />

gemeinsam mit dem Kaiser unternommenen Krieg gegen den Umsturz in<br />

Frankreich <strong>von</strong> dieser Linie abgewichen. Schließlich hatte sich aber wieder durch<br />

den an sich und in seinen Folgen gewiß bedauernswerten Frieden <strong>von</strong> Basel doch<br />

wenigstens die Rückkehr zu den alten Grundsätzen einigermaßen angebahnt 37) .<br />

Gerade nach Abschluß dieses Friedens trat nun Brockhausen sein Dresdener Amt<br />

an. Die große politische Frage war, ob Kursachsen 38) <strong>von</strong> der Möglichkeit der<br />

Vermittlung Preußens Gebrauch machen und in seinem Gefolge Frieden mit<br />

Frankreich schließen würde, ähnlich wie es HessenKassel getan hatte 39) .<br />

b) Staatsmännische Erkenntnis Brockhausens 40)<br />

Am 24.4.1795 in Dresden angelangt, am 26. bereits zur Überreichung seiner<br />

Beglaubigung vom Kurfürsten empfangen, hat Brockhausen sofort die richtige<br />

Erkenntnis der Dinge gewonnen. Er vertritt überzeugt die Notwendigkeit eines<br />

stärkeren Einflusses Berlins auf Dresden und hält ein engeres Bündnis zwischen<br />

Preußen und Sachsen schon damals unbedingt für nötig.<br />

c) Haltung des Berliner Kabinetts 41)<br />

Um dieses Ziel zu erlangen, bedarf er ständiger Fühlungnahme und eingehender<br />

Unterrichtung seitens des Berliner Kabinetts. Leider muß festgestellt werden, daß<br />

es hieran <strong>von</strong> vornherein gefehlt hat.<br />

Durch die gesamte Berichterstattung Brockhausens während seiner mehr als<br />

12jährigen Tätigkeit in Dresden zieht sich die immer wiederkehrende Klage, daß<br />

er nicht hinreichend Anweisung und Mitteilung erhalte, daß dagegen vielfach<br />

wichtige Sachen, etwa durch den in Berlin gern gesehenen sächsischen Gesandten<br />

Grafen Zinsendorf, unmittelbar nach Dresden gehen.<br />

Man hat durchaus den Eindruck, daß das Berliner Kabinett den Gesandtenposten<br />

in Dresden in erster Linie nicht als einen zur Vermittlung politischer Maßnahmen,<br />

sondern mehr als einen zur eingehenden und sorgfältigen Berichterstattung<br />

bestimmten ansah. In Wirklichkeit hat sich Brockhausen dieser Seite seiner<br />

Pflichten auch <strong>von</strong> vornherein mit besonderer Hingebung angenommen. In dieser<br />

Hinsicht wird ihm denn auch namentlich in der ersten Zeit vielfach Lob und<br />

Anerkennung, auch Dank zuteil 42) .<br />

27


Umgekehrt fehlt es häufig, wie Brockhausen klagen muss, an genügenden<br />

Nachrichten <strong>von</strong> Seiten Berlins. Über wichtige Dinge wird er entweder gar nicht<br />

unterrichtet, oder nur „zur persönlichen Information“, was einem Schweigegebot<br />

gegenüber den Dresdener Stellen gleichkommt 43) .<br />

2. Politische Aufgaben Brockhausens<br />

a) Sachsen und der Basler Frieden 44)<br />

Vielleicht ist es mit hierauf zurückzuführen, daß die lebhaften und ernsten<br />

Bemühungen Brockhausens, Sachsen zum Anschluss an die<br />

Friedensverhandlungen im Gefolge und unter Vermittlung <strong>von</strong> Preußen und zum<br />

Zurückziehen seiner Truppen zu bewegen, gegenüber der mit allen Mitteln<br />

zielbewußt arbeitenden Diplomatie Wiens und den am Hofe selbst waltenden<br />

geheimen Einflüssen katholischhabsburgischer Einstellung mehr oder weniger<br />

zum Scheitern verurteilt waren. Ihm fehlte der starke Rückhalt einer klaren, nüch-<br />

ternen, sich gleichbleibenden Politik seiner heimatlichen Vorgesetzten. Ohne<br />

bestimmte Einsicht in deren letzte Ziele, ohne genaue Kenntnis ihrer Pläne im<br />

Einzelnen, konnte die Tätigkeit Brockhausens trotz allen Eifers und aller Sorgfalt<br />

doch nicht so fruchtbar sich gestalten, wie es sonst wohl hätte der Fall sein<br />

müssen.<br />

Zu seinem Glück kamen ihm dann später die Umstände. zu Hilfe 45) . Diese führten<br />

trotz aller Gegenwirkungen Wiens und auch, zeitweise wenigstens der anderen<br />

Höfe, dahin, daß man in Dresden je länger je mehr einsah, wie das Heil Sachsens<br />

letzten Endes doch bei Preußen liege 46) . Man überzeugte sich, daß eine<br />

Verbindung mit Preußen auf der Grundlage der strengsten Neutralität zurzeit<br />

jedenfalls das nach Lage der Dinge Ersprießlichste sei 47) . Man wusste es Brock-<br />

hausen Dank, daß nicht zuletzt infolge seiner Bemühungen eine Vermittlung<br />

durch den preußischen Gesandten in Paris <strong>von</strong> SandozRollin mit Billigung Berlins<br />

zustande kam. Brockhausen konnte diese Entwicklung immerhin als einen<br />

persönlichen Erfolg buchen.<br />

b) Sachsen und der Schutz Norddeutschlands 48)<br />

Es mußte Brockhausen darauf ankommen, einen möglichst engen<br />

Zusammenschluß Sachsens mit Preußen auch für die Zukunft zum Zwecke der<br />

Verteidigung der durch die Demarkationslinie geschützten Neutralität<br />

Norddeutschlands zu erreichen. Auch dem Berliner Kabinett war es ernstlich zu<br />

tun um die Aufrechterhaltung der Neutralität, welche gewissermaßen bereits zu<br />

einem Glaubenssatze der preußischen Politik geworden war, den sie mit einer<br />

sonst seltenen Zähigkeit verteidigte. Es lag ganz auf der Linie seiner<br />

28


Bestrebungen, wenn auf der Hildesheimer Tagung die beteiligten Staaten zur<br />

gemeinsamen Verteidigung ihrer Selbständigkeit und Unabhängigkeit die Kosten<br />

der Unterhaltung des dazu erforderlichen Heeres anteilig übernahmen. Es gelang<br />

auch, den Dresdener Hof <strong>von</strong> der Notwendigkeit dieser Verteidigungsmaßnahmen<br />

zu überzeugen, wenngleich die Verteidigung des eigenen Landes hier immer<br />

oberstes Gesetz blieb und zuweilen Sonderwege einschlagen ließ.<br />

Brockhausen stellte einen großzügigen Verteidigungsplan auf, der allerdings auch<br />

in Berlin als zu weitgehend befunden wurde. Überhaupt ließ man den jungen<br />

Gesandten mit seinen zweifellos vielfach durchaus sachgemäßen und richtigen<br />

Plänen mehr als einmal ziemlich kühl abfallen. Man unterstützte seine<br />

Anstrengungen zur Herbeiführung eines innigen Zusammengehens der beiden<br />

Länder keineswegs in genügendem Maße, ja behandelte diese wichtige und ganz<br />

im Sinne friderizianischer Politik liegende Frage recht lau. Für Brockhausen als<br />

Preußen der alten Schule stand es unbedingt fest, daß die Sicherheit<br />

Norddeutschlands einzig und allein auf der durch Bündnisse gestützten Stärke<br />

Preußens beruhe. Schließlich setzte er denn auch durch, daß ein sogenanntes<br />

„Mémoire militaire“ 49) nebst Karte <strong>von</strong> einem Ausschuß preußischer und<br />

sächsischer Offiziere nachgeprüft und als Grundlage für etwa kommende Kämpfe<br />

diese sah er nur zu genau voraus festgelegt wurde. Er muß bei dieser Gelegenheit<br />

sowohl die auch sonst oft beobachtete Saumseligkeit und Langsamkeit der<br />

sächsischen Dienststellen wie auch das nicht hinreichende Interesse Berlins<br />

bedauern. Nur der militärische Vertreter Preußens am Dresdener Hofe im Jahre<br />

1806 wird als wirklich bedeutende Persönlichkeit bezeichnet und erhält reiches<br />

Lob <strong>von</strong> Seiten Brockhausens. Es ist dies der später als Verteidiger Schlesiens<br />

rühmlich bekannt gewordene Graf Götzen.<br />

c) Sachsen und die Frage der Entschädigung 50)<br />

War das Verhältnis zwischen dem Dresdener Hofe und Berlin in den letzten<br />

Jahren ein immerhin recht freundliches gewesen, so sollte sich dieser Zustand<br />

erheblich ändern, als in Ausführung des Friedensschlusses zu CampoFormio und<br />

später Lunéville über die Frage der Entschädigung aller derjenigen Staaten<br />

verhandelt wurde, welche Gebietsteile auf dem linken Rheinufer verlieren<br />

mußten.<br />

Auf dem Rastatter Kongreß waren die Meinungen schon bezüglich der zu<br />

beachtenden Form, noch mehr aber in sachlicher Hinsicht geteilt 51) . Sachsen<br />

hatte nichts verloren, daher auch keine Aussicht, etwas zu gewinnen. Es nahm<br />

naturgemäß einen erheblich anderen Standpunkt zu dieser Frage ein als Preußen.<br />

Das nämliche galt <strong>von</strong> den Bestrebungen für Verweltlichung der geistlichen<br />

Besitztümer. Sachsen trat bewußt und eifrig ein für die Aufrechterhaltung des<br />

alten Reichsgebäudes, in dem sich die Mittelstaaten solange wohlgefühlt hatten.<br />

Der katholische Fürst widersetzte sich dem wider die geistlichen Fürsten<br />

gerichteten ketzerischen Vorhaben. Im Gegensatz zu ihm hätten sich seine<br />

Minister hiermit schließlich abgefunden. Aber sie konnten nicht ohne Unruhe die<br />

29


so erhebliche Vergrößerung und Machterweiterung ihres zwar geschätzten, aber<br />

doch auch gefürchteten Nachbarn mit ansehen. Andererseits läßt Brockhausen<br />

sich durch die anscheinend aufrichtigen Liebenswürdigkeiten Bonapartes nicht<br />

täuschen. Die Versammlung so meint er im Bericht vom 2.12.1797 scheine be-<br />

stimmt zu sein, blindlings zu zeichnen, was man bereits in den früheren Verträgen<br />

festgesetzt habe. Sein Standpunkt ist jetzt und später: Deutschland soll seine rein<br />

deutschen Angelegenheiten selbst und zwar schnellstens regeln. Hierbei kann<br />

dann auch Preußen die ihm gebührende Rolle spielen und sein König großen<br />

Ruhm erwerben, zugleich auch der revolutionäre Geist gebändigt werden 52) .<br />

Es sollte anders kommen. Wien rüstete zu neuem Kampf und suchte die<br />

deutschen Staaten mit hineinzuziehen. Ein kaiserliches Kommissionsdekret<br />

annullierte sämtliche in Rastatt bewilligten Zugeständnisse. Der Kongreß wurde<br />

als aufgelöst und weiteres Verhandeln als „unkonstitutionell“ betrachtet.<br />

Bemerkenswert für die Feststellung der Ursachen des Gesandtenmordes, für den<br />

Brockhausen nur Worte tiefsten Abscheus findet, ist folgende bereits unterm<br />

16.4.1799 anscheinend aus guter Quelle geschöpfte Nachricht: Erzherzog Karl<br />

werde, um die Auflösung des Kongresses zu vollenden, dafür sorgen, daß die<br />

französischen Vertreter, sei es gutwillig, sei es gewaltsam, sich entfernen (faire<br />

partir), da ihre Anwesenheit in unmittelbarer Nachbarschaft des österreichischen<br />

Heeres während der jetzigen Umstände große Unzuträglichkeiten haben könnte<br />

53) .<br />

Nach den trotz anfänglich glänzender Erfolge eingetretenen schweren<br />

Schicksalsschlägen zwang der unglückliche Friede <strong>von</strong> Lunéville, den Cobenzl<br />

unter Berufung auf die Vorgänge beim Frieden zu Rastatt und Baden 1714, zu-<br />

gleich im Namen des Reiches abschloß, alle Beteiligten aufs neue an den<br />

Verhandlungstisch. Diesmal war es der Ausschuß des Reichstages, der die<br />

Entschädigungs und Verweltlichungsfrage zu regeln hatte. In Wahrheit waren es<br />

freilich Frankreich und Rußland, die ständig durch ihre Gesandten in die<br />

Verhandlungen bestimmend eingriffen und deren Wünsche pflichtschuldigst und<br />

liebedienerisch zu erfüllen man sich bemühte. Brockhausen sah sehr bald, daß auf<br />

Entgegenkommen Sachsens gegenüber Preußens Wünschen nach Lage der Dinge<br />

nicht zu rechnen sein werde, daß vielmehr eine offenbare Schwenkung Dresdens<br />

nach der Hofburg hin mit Sicherheit eintreten müsse. Als Preuße <strong>von</strong> altem Schrot<br />

und Korn beklagte Brockhausen es tief, daß wie er sich ausdrückt es seit der<br />

Erhebung Preußens zum Königreich kein Beispiel gebe, wo Preußen als Glied einer<br />

Reichsdeputation unter so weitreichendem Einfluß des kaiserlichen Hofes<br />

gestanden habe 54) . Die Mitteilung der schließlich für Preußen erwachsenen<br />

Entschädigungen rief, wie vorauszusehen, große Unzufriedenheit in Dresden<br />

hervor. Mit absichtlicher Kälte empfing der Minister des Auswärtigen diese<br />

Nachricht.<br />

Brockhausen. schildert in lebhaften Farben die Unruhe, mit der man in Dresden<br />

die weitere Entwicklung der Dinge in Ansehung der Reichsverfassung verfolgte;<br />

denn in dieser sahen die kleineren und mittleren Staaten ihren letzten<br />

Rettungsanker, den sie nun aber als verloren betrachten mußten 55) .<br />

30


3. Politische Einstellung Brockhausens 56)<br />

Brockhausen erkannte die Notwendigkeit, Sachsen bei Preußen zu halten. Er sah,<br />

daß zumeist und in erster Linie der Neid auf den glücklichen Nebenbuhler die<br />

Triebfeder für dies ablehnende Verhalten Sachsens war. Er wünschte daher ein<br />

gewisses Entgegenkommen seitens Preußens und regte einen Ausgleich in Form<br />

eines Austausches der für Sachsen wichtigen Stadt Erfurt gegen eine<br />

entsprechende Grenzberichtigung, etwa in der Lausitz, an. Er kam mehrfach auf<br />

diese Sache zurück. Berlin winkte aber auch in dieser Hinsicht ab. Man wird es<br />

verstehen, wenn es Brockhausen unter diesen Umständen nicht gelingen wollte,<br />

freundlichere Beziehungen zwischen den beiden Höfen wieder herzustellen.<br />

a) Verhältnis zum Berliner Kabinett 57)<br />

Hinzu kam, daß gerade in jener Zeit auch das Verhältnis Brockhausens zu seiner<br />

vorgesetzten Behörde in Berlin sich getrübt hatte. Schon früher hatte das Berliner<br />

Kabinett verschiedentlich in recht kleinlicher Weise Berichte gefordert über<br />

Dinge, die entweder <strong>von</strong> vornherein belanglos waren, oder doch nach erfolgter<br />

Aufklärung sich als ganz unwichtig darstellten 58) . Des weiteren hatte man Brock-<br />

hausen bei Gelegenheit unnötig scharf angelassen 59) . Vielleicht war dies darauf<br />

zurückzuführen, daß er in seinen Ausdrücken nicht immer vorsichtig genug war<br />

und sich auch des öfteren mit an sich ganz vernünftigen, aber nicht gerade zu den<br />

Absichten des Kabinetts passenden Vorschlägen an dieses wandte 60) . Er sagt:<br />

„Weit entfernt <strong>von</strong> der Eitelkeit, zu glauben, daß meine Vorschläge, <strong>von</strong> reinster<br />

Vaterlandsliebe eingegeben, unfehlbar seien, bitte ich. wenn sie im Augenblick<br />

nicht durchführbar sind, um Nachsicht, wegen der Lauterkeit meiner Absichten.“<br />

Er ließ sich eben nicht aus seiner Ruhe bringen und wahrte seinen Standpunkt.<br />

Bereits mehrfach hatte er sich freimütig zu der Notwendigkeit offener und<br />

ehrlicher Berichterstattung bekannt. In diesem Sinne beschwerte er sich, daß der<br />

Vorschlag zur anderweitigen Aufteilung Deutschlands auf Grund des Vertrages<br />

vom 3.6.1802 zwischen Paris und Petersburg ihm nicht zur Kenntnis zugegangen,<br />

und ihm dadurch die Möglichkeit genommen sei, den Dresdener Hof zugunsten<br />

Preußens zu beeinflussen. Berlin hält demgegenüber die Bekanntgabe für<br />

unnötig, gibt aber Brockhausen „zur persönlichen Information“ Kenntnis <strong>von</strong> den<br />

Vorgängen. Der Ausdruck Brockhausens in seinem Bericht vom 25.9.02, daß er in<br />

diesem Verhalten Berlins ein „Rätsel“ erblicke, gibt Haugwitz Veranlassung zu<br />

einem Immediatbericht an den König, auf Grund dessen Brockhausen eine scharfe<br />

Zurechtweisung zugeht 61) . Der Hauptgrund für die Verstimmung Berlins<br />

gegenüber dem Dresdener Gesandten lag eben im Freimut und der Offenheit, mit<br />

welchen Brockhausen seine oft erheblich abweichenden Ansichten hinsichtlich<br />

der Politik vortrug, wobei er auch, mehrfach vor einer manchmal recht scharfen<br />

Beurteilung des Verhaltens der Berliner Kabinettsregierung nicht zurückschreckte.<br />

Dies bezieht sich nicht zuletzt auf die Stellung Brockhausens gegenüber Wien, zu<br />

dessen ausgesprochenem Gegner er sich immer mehr entwickelte. „Seit 30<br />

Jahren“ sagt er „ist Preußen gewohnt, mit Wien seinen Einfluß in Deutschland zu<br />

31


teilen. Keine bedeutsame Sache ist während dieser Zeit entschieden ohne ihr<br />

Zusammenwirken. Man darf daher nicht dulden, daß nach Regelung der Dinge<br />

zwischen Paris und Wien aus den Händen dieser Staaten die den einzelnen<br />

zugedachte Entschädigung empfangen wird“. 62) „Man sieht“ fährt er später fort –<br />

„mit Kummer die Erniedrigung Deutschlands infolge des befehlshaberischen<br />

Auftretens der Mediatmächte Frankreich und Rußland, man hätte die Sache auch<br />

beschleunigen können, ohne sich einer Sprache zu bedienen, die vielleicht<br />

gegenüber der besiegten Schweiz, und dem niedergeworfenen Italien denkbar ist,<br />

die sich aber hier gegen eine Vereinigung <strong>von</strong> Mächten richtet, worunter sich eine<br />

solche befindet, die nur das Recht des Siegers kennt“. 63)<br />

Der ganze Stolz des Altpreußen, der sein geliebtes Vaterland über alles stellt,<br />

spricht aus solchen Worten. Aber es ist eine Sprache, die man namentlich bei der<br />

damaligen Einstellung Berlins dort nicht verstand. Jedenfalls hatte sich um diese<br />

Zeit die sonst recht guten Beziehungen zwischen den beiden Nachbarländern<br />

Sachsen und Preußen in wenig erfreulicher Weise gelockert.<br />

In noch höherem Grade wurde die einst feste Grundlage gegenseitiger<br />

Freundschaft zwischen Preußen und Sachsen erschüttert durch die Unruhe und<br />

Unzufriedenheit, welche die abwartende, schwächliche, ja zweideutige Politik des<br />

Berliner Kabinetts gegenüber den sich stets mehrenden Übergriffen des<br />

französischen Usurpators hervorgerufen hatte.<br />

Bereits die im Jahre 1801 auf Betreiben Frankreichs erfolgte Besetzung Hannovers<br />

durch die Preußen, Hamburgs durch die Dänen, hatte auch in Dresden lebhaftes<br />

Mißfallen erregt. 64) Es waren gewiß in erster Linie wichtige Handelsbelange, die<br />

für den sächsischen Kaufmann und damit für das ganze Land auf dem Spiele<br />

standen, deren Beeinträchtigung lebhafte Beunruhigung hervorrief. Es war aber<br />

auch die höhere, edlere Auffassung <strong>von</strong> der sittlichen Verpflichtung<br />

Norddeutschlands, insonderheit Preußens, zu einer ernsten, würdige, stetigen<br />

Haltung gegenüber Frankreich, welche diese Mißstimmung verursachte.<br />

Noch wurde die militärische Machtstellung Preußens allgemein als kraftvoll<br />

betrachtet. „Es ist“, sagt Brockhausen, „sehr glücklich, daß es in Europa eine<br />

Macht gibt, die Bonaparte fürchtet und beachtet“ 65) . Von diesem Gesichtspunkte<br />

aus ist Brockhausen sehr erfreut, sowohl aus Gesprächen mit dem französischen<br />

Gesandten Larochefoucauld. wie auch sonst zu entnehmen, daß die damaligen<br />

preußischen Truppenverschiebungen „einige Unruhe“ verursacht haben, „eine<br />

Unruhe bei einer Regierung, die sonst alles Schwache mit Füßen tritt und nur<br />

diejenigen achtet, die ihr Übles tun können“.<br />

Die Sicherheit des Nordens Deutschlands hängt für ihn allein <strong>von</strong> Preußen ab.<br />

Nicht lange jedoch und man verliert allgemein mehr und mehr das Vertrauen zu<br />

Preußens Stärke. Die klägliche Haltung Preußens anläßlich der im Jahre 1803 <strong>von</strong><br />

den Franzosen wider alles Recht vorgenommenen Besetzung Hannovers und der<br />

dadurch eingetretenen Bedrohung ganz Norddeutschlands hatte in Dresden<br />

größte Bestürzung und Verwirrung zur Folge gehabt. 66) Trefflich sind<br />

Brockhausens <strong>von</strong> echt staatsmännischem Geiste getragenen Betrachtungen,<br />

insbesondere auch über Bonapartes Gewaltpläne, die er weitschauend bereits<br />

voraussieht. Brockhausen zeigt sich hier stets als echter Preuße und sagt seiner<br />

Regierung, mit deren Haltung er aufs äußerste unzufrieden ist, in der Maske der<br />

32


Dresdener bittere Wahrheiten. Er warnt vor einer allzu rosigen Auffassung der<br />

Lage, weist auf die Unzuverlässigkeit Frankreichs und die „gigantischen“ Pläne<br />

eines neuen „Charlemagne“ hin und hält höchst unerfreuliche Überraschungen<br />

für wahrscheinlich.<br />

b) Schriftwechsel mit dem Berliner Kabinett betr. Besetzung Hannovers 67)<br />

Ein anschauliches Bild <strong>von</strong> der vertrauensseligen, unsicheren, unentschlossenen<br />

Haltung des Berliner Kabinetts betr. Besetzung und der klarblickenden,<br />

kraftvollen, zielbewussten Stellungnahme Brockhausens gibt der beiderseitige<br />

Schriftwechsel nach Ausbruch des Krieges zwischen Frankreich und England im<br />

Jahre 1803 68) , der im folgenden auszugsweise wiedergegeben werden soll.<br />

Erfreulicherweise herrscht bestes Einvernehmen mit der französischen Republik,<br />

so rühmt das Berliner Kabinett noch am 31.5.1803, Bonaparte werde gemäß<br />

früherer Zusagen keinen ernstlichen Schritt tun, ohne sich mit Preußen ver-<br />

ständigt zu haben. Man habe ihm vorgestellt, wie gefährlich die gefürchtete<br />

Besetzung Hannovers in verschiedenster Hinsicht sei. Man erwarte zunächst<br />

Nachricht auf den Vorschlag eines gemeinsamen Vorgehens.<br />

Die Antwort (Dresden 6.6.1803) ist bezeichnend für Brockhauen. „Es wäre Verrat<br />

an der Pflicht eines treuen Staatsdieners, im kritischsten Augenblick, in dem sich<br />

Preußen seit 1756 befunden hat, nicht mit der vollen Offenheit eines eifrigen<br />

Vaterlandsfreundes zu sprechen. Die „Konsternation“ sei allgemein. Sie sei um so<br />

größer, als man nicht die geringsten Bewegungen zu Vorbereitungen im<br />

preußischen Heere sehe, um den Franzosen in der Besetzung Hannovers und<br />

überhaupt des Landes zwischen Weser und Elbe zuvorzukommen. Mit dieser<br />

Besetzung sei das Heil der Monarchie verbunden. Er höre aus jedem Munde und<br />

sehe aus aller Augen Vorwürfe über den Mangel tätiger Maßnahmen Preußens<br />

gegenüber den Franzosen, die sich wie ein reißender Strom über<br />

Norddeutschland ergießen.<br />

Nicht genug kann Brockhausen (13.6.1803) die Bestürzung in Sachsen infolge des<br />

französischen Einfalls in Hannover schildern. Man finde es unerhört, daß<br />

Bonaparte mitten im Frieden ein gemäß alten und neuen Verträgen unter dem<br />

Schutze Deutschlands stehendes Land angreife. Man halte es für eine Mißachtung<br />

der bedeutenden Staaten in diesem Teile Deutschlands, wenn er sich hier als<br />

absoluter Herr aufzuspielen wage. Der Vergleich Preußens mit dieser feindlichen<br />

Macht, die stets zu handeln und mit großer Kühnheit in jedem Augenblick weiter<br />

um sich zu greifen bereit sei, falle nicht zugunsten Preußens aus.<br />

Man höre demgegenüber die schwächliche Haltung des Kabinetts 69) . (Berlin,<br />

18.6.1803.) Es würde <strong>von</strong> England abhängen, diesem traurigen Zustand ein Ende<br />

zu machen, wenn England die annehmbaren Vorschläge, die man ihm gemacht<br />

habe, nämlich die Handelsfreiheit der neutralen Nationen, anerkannt hätte. In<br />

diesem Falle hätte Bonaparte gemäß seiner ausdrücklichen Erklärung, die<br />

Neutralität der deutschen Staaten des Königs <strong>von</strong> England geachtet. Nun da<br />

England nicht im Geringsten auf die Vermittlung des Berliner Kabinetts<br />

eingegangen sei, glaube Bonaparte, freie Hand zu haben und seinen Vorteil<br />

33


sichern zu können. Zur Zeit bleibe nichts weiter übrig, wie seinen Blick auf die<br />

freien Städte, auf Elbe und Weser zu richten. Das Kabinett habe soeben <strong>von</strong><br />

Bonaparte die außerordentlich beruhigende Nachricht erhalten, daß angesichts<br />

der erneuten Vermittlung die Neutralität der Hansestädte beachtet werden solle.<br />

Das Kabinett arbeite daran, zu versuchen („s’il est possible“ eigenhändiger Zusatz<br />

<strong>von</strong> Haugwitz) auch für die Zukunft die Neutralität dieser Städte zu erhalten und<br />

ebenso des Handels der Elbe und Weser. So bedauerlich auch die Umstande sein<br />

mögen, Norddeutschland vor dem Ärgsten, d.h. Zerstörung seines Handels, zu<br />

bewahren, das sei zur Zeit die Aufgabe.<br />

Brockhausen antwortet (Dresden 23.6. und 27.6.1803): Sachsen und die<br />

Nordstaaten, 22 Jahre lang an den Schutz durch Preußen gewöhnt, sähen sich<br />

plötzlich vom Feinde umringt. Die Bitte eines treuen Vaterlandsfreundes gehe<br />

dahin, daß die Zahl der Franzosen in Hannover auf höchstens 20 000 beschränkt<br />

werde und Frankreich sich verpflichte, seine Truppen <strong>von</strong> Elbe und Aller<br />

zurückzuziehen. Dann würde wenigstens eine gewisse Beruhigung eintreten bei<br />

denen, die Ruhe und den Bestand ihres Vaterlandes lieben. Die Sicherheit<br />

Hamburgs und der Elbmündungen werde sonst nur <strong>von</strong> kurzer Dauer sein.<br />

Wir täuschten uns nicht, fährt Brockhausen fort, als wir trotz aller schönen<br />

Redensarten die Besetzung Kuxhavens und die Schließung der Elbe als das Ziel<br />

Bonapartes ansahen. Neueste Nachrichten meiden den Einmarsch der Franzosen<br />

in das Amt Ritzebüttel, trotz „der heiligsten Versprechungen, die dem treuen<br />

Freund gegeben waren“. Man erwarte mit Recht eine Menge stufenweise immer<br />

energischer werdender Schritte, die endlich Norddeutschland zwingen, die<br />

nationale Ehre und Unabhängigkeit zu verteidigen. Der Handel Sachsens sei<br />

naturgemäß auch der Schlesiens. Die Sendung der Waren aus der Oberlausitz<br />

nach Hamburg habe bereits ausgesetzt, die kräftigsten Quellen des Wohlstandes<br />

seien auf lange verstopft. „Wie traurig und betrübend für den, der den Ruhm<br />

seines Vaterlandes liebt, dies Sichausbreiten einer Macht in Norddeutschland, die<br />

ihre Wurzeln bald vertiefen und sich auf unsere Kosten nähren wird.“<br />

Man verstehe, erwiderte das Kabinett (Berlin 1.7.1803), die Unruhe in Dresden.<br />

Sein besonderes Augenmerk müsse man richten auf die freien Städte und die<br />

Freiheit des neutralen Handels. Kaum sei das Ministerium <strong>von</strong> der Besetzung<br />

Kuxhavens unterrichtet worden, als es auch bereits lebhafte Vorstellungen habe<br />

ergehen lassen, sowohl an den französischen Gesandten in Berlin, wie durch<br />

Lucchesini. Es sei richtig, man könne die militärischen Maßnahmen Frankreichs<br />

nicht mit Ruhe ansehen. Mortier habe sich bei Lüneburg gelagert. Das in Yssel<br />

gesammelte Korps unter Desolles werde in Osnabrück einmarschieren. Ein drittes<br />

Korps sammele sich zwischen Köln und Düsseldorf am Niederrhein, mit noch<br />

geheimer Bestimmung. Bonaparte habe indes Zusicherungen an Hamburg durch<br />

Reinhardt gemacht.<br />

Demgegenüber Brockhausen: (Dresden 11.7.1803.) Die Zusicherungen seien als<br />

Einschläferungsversuche anzusehen. Die Maßnahmen der Franzosen sprächen<br />

dem Hohn. Man solle nur verhindert werden, beizeiten geeignete Gegenmaß-<br />

nahmen zu treffen. Die Sammlung der Reservearmeen könne nur als Mittel<br />

angesehen werden zur Verdeckung der großen Pläne gegen Dänemark und dann<br />

gegen Preußen und Sachsen. Der Augenschein lehre, daß Bonaparte alle<br />

kontinentalen Mächte zwingen wolle, sich gegen England zu erklären.<br />

34


Das Kabinett „sieht ein“, hat „Verständnis“, „billigt“. Aber man müsse den Erfolg<br />

der neuen Schritte abwarten betreffend „Arrangement“ zwischen den zwei<br />

„belligerentes“, das die Handelsfreiheit wiedergebe. (Berlin 18.7.1803.)<br />

Brockhausen erwidert: (Dresden 25.7.1803.) Bei dem großen Interesse Sachsens<br />

an der einzigen zum Meere führenden Handelsstraße nach Hamburg sei die Nach-<br />

richt der Doppelblockade Hamburgs in Sachsen mit einer diesem übel<br />

entsprechenden Bitterkeit empfunden worden. Der ganze Handel werde bald<br />

stillstehen. Der Bestand aller Staaten Norddeutschlands sei fragwürdiger<br />

geworden denn je. Weitblickende argwöhnten, daß Bonaparte selbst sich an die<br />

Spitze einer großen Armee zu gewaltigen Operationen setzen werde, um die<br />

Staaten des Nordens Europas zu zwingen, sich für oder gegen Frankreich zu<br />

erklären.<br />

Das Kabinett (Berlin 29.7.1803) versteht vollkommen die Schmerzen Sachsens.<br />

„Seien Sie versichert, daß alle dies Betrachtungen, deren Berechtigung man<br />

unmöglich übersehen kann, dem Kabinett nicht entgangen sind.“ Zunächst indes<br />

müsse vor allen Dingen das Ergebnis der Auseinandersetzungen zwischen<br />

Lombard und Bonaparte in Brüssel betreffend Aufhebung der Blockade der Elbe<br />

abgewartet werden. In einem Briefe Talleyrands an Lucchesini vom 16.7. finde<br />

sich die bestimmte Zusicherung, daß die Armee in Hannover nicht andere<br />

Verstärkungen erhalten werde, als um Lücken aufzufüllen.<br />

Dänemark habe keine Mitteilungen gemacht über Zumutungen Bonapartes. Die<br />

plötzlich ergriffenen Maßnahmen in Holstein ließen indes erkennen, daß<br />

Dänemark <strong>von</strong> den alarmierenden Nachrichten Kenntnis habe.<br />

Unter dem 5.8.1803 benachrichtigt das Kabinett Brockhausen sehr erfreut „zur<br />

persönlichen Information“, daß obwohl offizielle Antwort noch ausstehe die<br />

ersten Ergebnisse der Mission Lombards bereits gewisse Zusicherungen für die<br />

Ruhe Norddeutschlands enthielten.<br />

Diese Zusicherungen wären tröstlich, meint Brockhausen (Dresden, 13. und<br />

18.8.1803), wenn man nicht soeben erst Gelegenheit gehabt hätte, sie auf ihren<br />

wahren Wert einzuschätzen. Entgegen den positivsten Versicherungen gegenüber<br />

Lucchesini habe Bonaparte das Gebiet Hamburgs erneut durch die Militärposten<br />

in Ritzebüttel verletzt. Seine Zusicherungen seien bereits für ganz Europa Gegen-<br />

stand der Unglaubwürdigkeit. Brockhausen wage schon gar nicht, sie in Dresden.<br />

zu erwähnen, um nicht gegenteilige bittere Reden herbeizuführen.<br />

Glücklicherweise befinde sich Preußen in der Lage, Achtung vor seinen<br />

Besitzungen einzuflößen. Ein Observationskorps würde zur eigenen Sicherheit und<br />

zur Beruhigung der Nachbarn wünschenswert sein. Wenn Frankreich keine<br />

größeren Absichten habe, warum unterhalte es in Hannover 35 000 Mann?<br />

Warum wolle es an der Elbe Fuß fassen? Warum nähere es sich der Ostsee?<br />

Warum schicke es Ingenieure selbst nach Holstein, das Gelände<br />

auszukundschaften? Die Wünsche des Patrioten werden nicht eher befriedigt und<br />

seine Erregung nicht eher beruhigt sein, bis eine formelle und authentische<br />

Abmachung zwischen Preußen und Frankreich bestimmt, daß:<br />

nicht mehr als 10 000 Mann in Hannover gehalten werden dürfen, um die<br />

Besetzung zu markieren,<br />

35


keine Truppen über die Elbe geschickt werden, etwa nach Lauenburg, das durch<br />

Preußen zu besetzen ist,<br />

Ritzebüttel evakuiert wird und die Elbe frei für den Handel aller Nationen ist.<br />

Wenn diese drei Punkte zugestanden sind, ist fürs erste die Sicherheit<br />

Norddeutschlands gewährleistet. Was würde Frankreich sagen, wenn z.B.<br />

Preußen in Holland einrückte?<br />

Alles blicke gespannt auf die Doppelblockade Hamburgs. Man glaube, Bonaparte<br />

werde doch Holstein besetzen, um Dänemark gefügig zu machen. Nachher werde<br />

er Preußen zur Schließung der Ostseehäfen zwingen. Man brauche gar nicht<br />

geheime Quellen, um die Geheimnisse des Kabinetts <strong>von</strong> St. Cloud zu erfahren.<br />

Man müsse nur mit unbeeinflußtem Blick seine militärischen Anordnungen verfol-<br />

gen. Die militärischen und topographischen Untersuchungen, die bedeutenden<br />

Magazine an Weser und Elbe, tausend kleine Züge: Alles spreche für die<br />

Richtigkeit der vorgetragenen Auffassung. Darauf entgegnete das preußische<br />

Kabinett seinem Gesandten in Dresden (Berlin 22.8.03): Alle diese Betrachtungen<br />

sind auch dem Kabinett nicht entgangen. Es wird wenigstens versuchen, die<br />

bedauerlichen Folgen, die schon eingetreten sind und sich in Zukunft voraussehen<br />

lassen, nach Möglichkeit herabzumindern. Man kann wenigstens im Augenblick<br />

sagen, daß es sich nicht um Vermehrung der Truppen in Hannover handelt und<br />

daher auch nicht um gefährliche Pläne <strong>von</strong> dieser Seite. Zur Zeit liege kein Anlaß<br />

vor, die Wahrheit der französischen Versicherungen anzuzweifeln.<br />

c) Bündnis zur Verteidigung Norddeutschlands 70)<br />

Immer näher rückt nun <strong>von</strong> Westen her die Gefahr einer furchtbaren Bedrohung<br />

Norddeutschlands 71) . Selbst das sonst so vertrauensselige in dieser Hinsicht<br />

geradezu blinde Berliner Kabinett muß endlich die Zeichen der Zeit verstehen.<br />

Zwar hält es auch fernerhin an der zur fixen Idee gewordenen Neutralität<br />

krampfhaft fest, ja wünscht diese nicht nur nach Westen gegen Frankreich,<br />

sondern auch nach Süden gegen Österreich, nach Osten gegen Rußland, zu<br />

bewahren. Man versucht dies auch, nachdem der Krieg zwischen Napoleon und<br />

der dritten Koalition ausgebrochen ist, aber man fühlt doch, daß man ganz allein<br />

den Dingen nun nicht mehr gewachsen ist, und kommt jetzt endlich auf die <strong>von</strong><br />

Brockhausen früher so häufig vorgetragenen, aber zurückgestellten Pläne eines<br />

engeren Zusammenschlusses mit Sachsen zurück. Aber noch immer werden die<br />

Dinge nicht unter Ausnutzung aller Möglichkeiten, insbesondere auch einer<br />

ersprießlichen Verwendung des Gesandten, behandelt 72) . Auch jetzt wiederum<br />

häufen sich die Bitten Brockhausens um nähere Anweisungen und Mitteilungen.<br />

Nicht etwa Neugierde, so erklärt er unter dem 25.10.1804 ganz treuherzig,<br />

sondern der Wunsch, zu helfen, sei es, der ihn zu diesen Vorstellungen bewege 73) .<br />

Mehrfach gerade auch in dieser Zeit muß Brockhausen darüber klagen, daß er seit<br />

Wochen ohne Nachricht und Anweisungen sei. Und doch handelte es sich damals<br />

um die überaus wichtige Frage, Kursachsen bei dem sich immer mehr<br />

zuspitzenden Streite sich geneigt zu erhalten. Es war immerhin nicht ganz leicht,<br />

die oben erwähnten Verstimmungen zu beseitigen. Hier nun tritt die<br />

36


Persönlichkeit Brockhausens entschieden in den Vordergrund. In der Stunde der<br />

Not hat er erreicht, daß man sich seiner Vermittlung bedient. Er ist der<br />

Überbringer der wichtigen Privatschreiben Friedrich Wilhelms an Friedrich<br />

August, in welchen dieser um Ausharren an Preußens Seite ersucht wird. Schon<br />

aus seinen früheren Berichten kann mit Recht entnommen werden daß<br />

Brockhausen diesen, <strong>von</strong> ihm schon immer befürworteten Schritt mit allen ihm zu<br />

Gebote stehenden Mitteln beim Kurfürsten und seinen Ministern unterstützt hat.<br />

Mit Freude kann er feststellen, daß nach den Mitteilungen des Außenministers<br />

Grafen Loß, Sachsen sich bei den kommenden großen Begebenheiten als ein Glied<br />

des Neutralitätssystems unter Preußens Ägide betrachtet 74) . Ebenso kann er<br />

voller Genugtuung berichten, daß Friedrich August in einer Audienz vom<br />

19.10.1805 ihm erklärt habe, wie er in Anerkennung der bisherigen Fürsorge<br />

Preußens für die Sicherheit beider Länder auch seinerseits nicht in den Gefühlen<br />

der Anhänglichkeit an Preußen wanken werde.<br />

So gelang es denn schließlich, Sachsen bei der Sache Preußens zu erhalten. Nun<br />

mußte es Brockhausens Bemühen sein, alles aufzubieten, um die Rüstungen<br />

Sachsens nach Möglichkeit zu beschleunigen und zu fördern. Er hat dies nach<br />

Kräften getan 75) .<br />

Sicherlich nicht zuletzt um dieser Verdienste willen wurde Brockhausen um jene<br />

Zeit <strong>von</strong> seinem Königlichen Herrn der Rote Adlerorden I. Klasse verliehen 76) .<br />

4. Persönliches Erleben<br />

In seinem ganzen Werte zeigte sich Brockhausens Persönlichkeit aber erst, als es<br />

nun wirklich ernst wurde, als nach dem Verlust der Schlachten <strong>von</strong> Jena und<br />

Auerstädt und dem Zusammenbruche Preußens es galt, für das geliebte Vaterland<br />

zu retten, was noch zu retten war, und auf dem ihm angewiesenen Posten zu<br />

verbleiben. Auf diese Ereignisse kommen wir des Näheren noch später zurück.<br />

Nachzutragen bleibt noch einiges über das persönliche und dienstliche Erleben<br />

Brockhausens.<br />

a) In der Familie 77)<br />

Am 27.7.1797 verheiratete sich Brockhausen mit Johanna Charlotte (auch<br />

Constanze genannt) <strong>von</strong> Unruh, geboren 15.11.1775 zu Clausdorf. Zu diesem<br />

Zwecke war ihm mit der Allerhöchsten Genehmigung auch zugleich ein längerer<br />

Urlaub erteilt, während er bis dahin nur verhältnismäßig kurze Zeit seinem Amte<br />

fern gewesen war 78) . Seine Gattin schenkte ihm 4 Kinder, 2 Knaben und 2<br />

Mädchen, wurde ihm dann aber bereits nach 7jähriger glücklicher Ehe, Ende<br />

August 1804, durch den Tod entrissen. Brockhausen hatte seine Frau auf das<br />

zärtlichste geliebt und beklagte ihren frühen Tod aufs tiefste. Er hat sich nie<br />

wieder entschließen können, zu heiraten. Es ist nur zu begreiflich, daß dieser<br />

schwere Verlust ihn seelisch außerordentlich niederdrückte, wofür allerdings der<br />

37


geschäftsmäßig kühle Hardenberg in seinem Beileidschreiben kein Verständnis<br />

zeigte 79) .<br />

b) Im Dienste 80)<br />

Hierzu kamen dienstliche Verdrießlichkeiten. Noch im Jahre 1797 hatte er beim<br />

Tode Friedrich Wilhelms II. und der Thronbesteigung seines Sohnes in wärmsten<br />

Worten seinen Dank zum Ausdruck gebracht, daß ihn sein König auch fernerhin in<br />

seinem Amt belassen wolle 81) . Seitdem aber war so mancherlei eingetreten, was<br />

ihm den Aufenthalt in Dresden verleiden konnte. Wir sahen bereits, wie das<br />

Verhältnis zwischen Preußen und Sachsen ohne das Verschulden des Gesandten<br />

nicht mehr das gleiche war wie früher. Dies mußte auf die Stellung Brockhausens<br />

zum Hofe in Dresden um so mehr Einfluß ausüben, als seine Gegnerschaft gegen<br />

Habsburg und seine streng protestantische Gesinnung ihn nicht gerade beliebter<br />

zu machen imstande waren.<br />

Man könnte sich außerdem denken, daß Brockhausen Dresden nicht ungern mit<br />

einem größeren Felde der Tätigkeit vertauscht hätte. Er fühlte sich innerlich wohl<br />

berufen, auch einem wichtigeren Posten zum Nutzen seines Vaterlandes<br />

vorzustehen. Und in der Tat, seinen Gaben und Fälligkeiten hätte dies auch<br />

entsprochen. Allein seine Gegnerschaft gegen Frankreich und damit seine<br />

ablehnende Haltung gegen die schwächliche, noch immer in Friedenshoffnungen<br />

schwelgende Politik eines Hardenberg waren zu bekannt, um ihn in Berlin für eine<br />

größere Rolle geeignet erscheinen zu lassen. Jedenfalls hatte er nicht die<br />

genügende Fühlung mit Berlin, um etwaige Bedenken gegen seine Person in<br />

überzeugender Weise unter Berufung auf seine bisherige hingebende und<br />

vaterlandsliebende Tätigkeit zu zerstreuen. Bezeichnend für die<br />

Rücksichtslosigkeit, mit der man in Berlin den Dresdener Gesandten trotz dessen<br />

gerade in jener Zeit bedeutenden Aufgabe, nämlich der Erhaltung Sachsens beim<br />

preußischen Bündnisse, behandelte, ist das Verhalten <strong>von</strong> Haugwitz auf seiner<br />

Reise nach dem Hauptquartier Napoleons im November 1805 82) . Obwohl <strong>von</strong><br />

Berlin ausdrücklich angesagt, hielt Haugwitz es nicht für nötig, den Gesandten<br />

aufzusuchen, sondern fuhr, ohne sich bei ihm zu entschuldigen oder ihn auch nur<br />

zu benachrichtigen, nach einer in Dresden verbrachten Nacht alsbald weiter. Auf<br />

Vorstellung erfährt Brockhausen, daß Haugwitz in Dresden keine Zeit für ihn<br />

gehabt habe. Obwohl Brockhausen dringend näherer Nachrichten über die Pläne<br />

und Absichten Berlins bedurfte und ihm ausdrücklich in Aussicht gestellt war, daß<br />

Haugwitz ihn persönlich unterrichten würde, hielt dieser es nicht einmal der<br />

Mühe wert, mit dem Gesandten unmittelbare Fühlung aufzunehmen. Es geht<br />

zwar aus den Gesandtenberichten nicht hervor, man möchte aber in der<br />

Annahme nicht fehl gehen, daß ein derartiges Verhalten Brockhausen<br />

außerordentlich kränken und ihm die Lust an tätigem Eingreifen mindern würde.<br />

Um so erfreulicher ist das gegenteilige Verhalten Brockhausens.<br />

38


II. Brockhausens Betrachtungen über die sächsischen Verhältnisse<br />

Wir wenden uns nunmehr den Betrachtungen zu, welche Brockhausen über die<br />

sächsischen Verhältnisse und zwar zunächst über den Hof, sein Leben und Treiben<br />

und seine Parteiungen anstellt. Alles dies findet ganz besonders häufig<br />

Niederschlag in seinen Gesandtenberichten. Vielfach sind es freundliche, sauber<br />

und fein gezeichnete, auch in den kleinsten Zügen wirkungsvoll herausgearbeitete<br />

Kulturbilder.<br />

1. Die Kurfürstliche Familie<br />

a) Kurfürst Friedrich August 83)<br />

In der Person Friedrich Augusts <strong>von</strong> Sachsen tritt uns eine recht eigenartige<br />

Fürstengestalt entgegen. Unbedingt klar und unerschütterlich ist seine religiöse<br />

Einstellung. Überzeugter Katholik, sucht er sein Bekenntnis überall da, wo er dies<br />

unbeschadet seines Gewissens tun kann, zu fördern. Aber er hängt auch an<br />

seinem Volk und seinem Vaterland 84) . Er zeigt sich als Hüter der Reichsverfassung<br />

und Gegner der Abtretung des linken Rheinufers. Seine Anhänglichkeit an die<br />

Reichsverfassung wird manchmal geradezu als übertrieben bezeichnet 85) .<br />

Persönlich durchaus ein Ehrenmann, ernst und sittenrein, ein guter, aber strenger<br />

Familienvater 86) , sparsam, fast geizig zu nennen, pünktlich und genau, langsam<br />

<strong>von</strong> Entschluß, ein treuer Freund seinen Freunden, Legitimist durch und durch,<br />

<strong>von</strong> einer Beharrlichkeit, die geradezu in Starrheit ausmündet, dem Einfluß seiner<br />

Beichtväter und der Prinzen seines Hauses gleichwohl vielfach unterworfen, daher<br />

manchmal schwankend, leicht beunruhigt und <strong>von</strong> Besorgnissen geplagt, oft<br />

unzufrieden, finster und grämlich, erscheint er uns doch im großen ganzen letzten<br />

Endes nur als „ein kleiner Mann“. Er liebt sein Volk auf seine Art. Er will seine<br />

Untertanen nicht „verschachern“, aber man kann sich des Eindrucks nicht<br />

erwehren, daß er sie am liebsten alle katholisch sähe. Er sucht nach Möglichkeit<br />

auch in zahlenmäßiger Hinsicht Gleichstellung der katholischen Partei mit der<br />

protestantischen. Er kann sich darum in die Verweltlichung der geistlichen<br />

Fürstentümer nicht finden, ganz abgesehen da<strong>von</strong>, daß es sich u.a. um den<br />

Verlust einer Pfründe seines Bruders, des Erzbischofs <strong>von</strong> Trier, handelt. Mit den<br />

Grundsätzen der Entschädigung, wie sie der Reichsdeputationshauptschluß<br />

vorsah, vermag er sich nicht zu befreunden. Nur widerwillig findet er sich in die<br />

Vergrößerung des trotz allem doch nicht ohne Mißtrauen betrachteten Nachbars<br />

Preußen.<br />

Der Gegensatz Berlin/Wien, zwischen denen Dresden inmitten sich befindet, ist<br />

der Angelpunkt, um den sich mehr oder weniger sein ganzes Sinnen und Handeln<br />

dreht. Im Herzen, auch unter dem Einfluß seiner Beichtväter und seiner<br />

Günstlinge, wohl mehr katholischhabsburgisch, glaubt er dennoch um seines<br />

39


Landes willen dem evangelischen Hohenzollern Gefolgschaft leisten zu sollen 87) .<br />

Aber er sucht stets nach einem tunlichen Ausgleich, einer Verständigung, er will<br />

mit Berlin und Wien arbeiten 88) . Daher sein schwankendes Verhalten bezüglich<br />

der Stellung seines Heereskontingents. Daher auch andrerseits später sein<br />

unerschütterliches Festhalten am <strong>von</strong> Preußen eingenommenen System der Neu-<br />

tralität, dies trotz Ärgers der Hofburg 89) . Daß der feste Zusammenhalt mit<br />

Preußen, der schließlich doch das Rückgrat der sächsischen Politik bildete, sich<br />

später, wie wir oben sahen, einigermaßen lockerte, darf man Friedrich August<br />

wohl nicht allzusehr zur Last legen. Wenn man hierbei <strong>von</strong> einer Schuld sprechen<br />

will, so lag sie doch mindestens ebenso sehr bei Preußen selbst. Immerhin hat<br />

sich ja Friedrich August noch über die Tage <strong>von</strong> Jena und Auerstädt hinaus als ein<br />

anhänglicher, wenn auch lauer Bundesgenosse Preußens erwiesen. Nun aber<br />

kommt der beim Charakter Friedrich Augusts doch schließlich unerwartete völlige<br />

Umschlag. Wer hatte, wie er, die französische Revolution gehaßt, wer, wie er die<br />

Demokratie gefürchtet! Welche fast lächerlich wirkenden Etikettefragen hatten<br />

ihn <strong>von</strong> einem Frankreich getrennt, welches den legitimen Herrscher ermordet,<br />

seine Angehörigen vertrieben, die Republik aufgerichtet hatte. Und nun war es<br />

die Eifersucht auf die süddeutschen Fürsten 90) , die Napoleon geflissentlich mit<br />

Ehren und Gunst überschüttet hatte, es war das Bestreben, seinem Sachsen und<br />

sich auch ähnliche Vorteile zuwenden zu lassen, es war die Furcht vor dem<br />

allgewaltigen Diktator Europas, was ihn in die Arme des einst so verachteten<br />

Emporkömmlings trieb. Bei dieser ganzen. Einstellung und Veranlagung erklärt<br />

sich auch für den tieferschauenden Beobachter ganz zwanglos, warum dieser<br />

Mann später der treueste Freund Napoleons selbst in den Tagen des Unglücks<br />

blieb 91) .<br />

b) Die Kurfürstin 92)<br />

Die Kurfürstin tritt im Allgemeinen nicht sonderlich hervor. Sie lebt still, ernst und<br />

zurückgezogen ohne nennenswerten politischen Einfluß. Ihr Kummer ist, daß sie<br />

ihrem Gatten keinen Sohn geschenkt hat. Darunter leidet er und leidet das Land.<br />

Im Jahre 1797 scheint sie noch einmal guter Hoffnung zu sein. Man glaubte<br />

damals an die Fortsetzung der Linie Friedrich Augusts im Mannesstamme. Allein<br />

die Zeit verstrich, ohne daß das erwartete Ereignis eintrat. Die Vorbereitungen<br />

waren in aller Form getroffen. Man hatte bis ins kleinste alles vorbedacht, sogar<br />

öffentliche Gebete angeordnet. Noch schwankten die Ärzte, glaubten aber doch,<br />

gute Auskunft geben zu können. Immer näher rückte der für den Eintritt des<br />

Ereignisses in Aussicht gestellte Zeitpunkt. Die braven Dresdener freuten sich wie<br />

die Kinder mit ihrem hochbeglückten Landesvater. Allein Tag um Tag, Woche um<br />

Woche, Monat um Monat ging dahin. Schon erweckte die Erwähnung der<br />

Mutterfreuden der Kurfürstin stille Heiterkeit. Dann wurde es zur Gewißheit, die<br />

Ärzte und mit ihnen das kurfürstliche Paar hatten sich getäuscht. Es war ein<br />

schwerer Schlag für den Fürsten und seine Gattin, um so mehr, als nach den<br />

Umständen der Spott nicht ausbleiben konnte. Die für die Beleuchtung<br />

vorgesehenen Lichtlein mußten nun anderen Zwecken dienen, und schließlich<br />

40


geriet die ganze Sache in Vergessenheit. Nur ab und an erinnerte ein Spaßvogel<br />

sich und andere an die berühmt gewordene Schwangerschaft der Kurfürstin.<br />

Nun sank ihr Einfluß wieder auf den früheren Grad herab. Die Heirat ihrer<br />

einzigen Tochter Auguste war es, der sie sich nunmehr mit all ihren mütterlichen<br />

Gefühlen hingab. Sie trat, wie <strong>von</strong> vornherein, so auch später noch, stets für den<br />

Erzherzog Karl ein. Überhaupt war sie gefühlsmäßig für Österreich eingestellt.<br />

Gegen Preußen war sie mindestens kühl. Sie liebte den preußischen Gesandten<br />

schon aus dem Grunde nicht, weil sie Preußen nicht lieben konnte. Noch einmal<br />

tritt sie dann in den Berichten Brockhausens hervor, als sie bezeichnenderweise<br />

aufs äußerste empört war, daß ihre Nichte, die Tochter des Kurfürsten <strong>von</strong><br />

Bayern, an den Stiefsohn Napoleons, Eugen Beauharnais, verheiratet werden<br />

sollte.<br />

c) Prinzessin Auguste 93)<br />

Mehr Teilnahme als der Mutter wendet Brockhausen der Tochter zu. Über deren<br />

Leben schwebt ein eigenartiges Geschick. Schon 1795, als sie noch im zartesten<br />

Mädchenalter stand, wurden Heiratspläne für sie geschmiedet. Es war der Prinz<br />

<strong>von</strong> Asturien, der künftige Thronerbe <strong>von</strong> Spanien, für den sie als Gattin<br />

geworben wurde. Auf der anderen Seite tritt schon damals der Erzherzog Karl als<br />

Bewerber auf. Brockhausen entwirft <strong>von</strong> der Prinzessin ein recht freundliches<br />

Bild. Ohne schön zu sein, hatte sie ein angenehmes Wesen, eine treffliche<br />

Erziehung, einen guten Charakter. Allerdings war sie derartig streng gehalten, daß<br />

sie zuerst im Jahre 1802 das deutsche Schauspiel besuchen und auf den Hofbällen<br />

dieses Winters tanzen durfte. Auch später bezeichnet Brockhausen sie als<br />

pflichtvoll, feingeistig und wohlgebildet.<br />

Dieses Spiel und Gegenspiel zwischen Asturien und Karl <strong>von</strong> Österreich wogte<br />

mehrere Jahre auf und ab. Friedrich August, mehr für Asturien eingenommen,<br />

angesichts der glänzenden Zukunft, die seiner Tochter in Spanien als der Gattin<br />

des katholischen Königs zuteil würde, glaubte aber doch, daß man erst nach<br />

Vollendung ihres 14. Lebensjahres über sie Entscheidung treffen dürfe. Später<br />

machte er den Abschluß eines allgemeinen Friedens zur Bedingung, zu dem es<br />

nun leider nicht kommen wollte. Es spielten sich dabei allerhand scherzhafte<br />

Dinge ab, wie z.B. das Vorgehen des spanischen Geschäftsträgers in Paris, der auf<br />

eigene Faust die Sache durch einen kühnen Vorstoß zu Ende bringen will, infolge<br />

der Weigerung Friedrich Augusts aber hierbei in Ungnade fällt, und wie schließlich<br />

alles doch beim alten bleibt. Im Jahre 1802 scheidet dann nach einer kurzen<br />

Wiederbelebung seiner Aussichten Asturien endgültig aus, indem schließlich die<br />

kluge Neapolitanerin durch eine Doppelhochzeit ihrer Kinder mit den Madrider<br />

Verwandten den Sieg da<strong>von</strong>trägt. Nun bleibt nur Karl übrig, der aber wegen<br />

häufiger Krankheit auch ausscheidet. Ferner der Erzherzog Palatin, sowie der<br />

inzwischen zum Witwer gewordene Großherzog <strong>von</strong> Toskana, der spätere<br />

Kurfürst <strong>von</strong> Salzburg, endlich dessen Sohn. Wiederum entbehrt die Brautfahrt<br />

des Großherzogs <strong>von</strong> Toskana nicht des Lächerlichen. Sie beginnt für den überaus<br />

41


pünktlichen Friedrich August mit dem Ärger einer dreitägigen Verspätung des<br />

künftigen Bräutigams. Sie nimmt dann aber doch einen günstigen Fortgang, um<br />

schließlich infolge äußerst niedriger Bemessung der Mitgift durch den gar zu<br />

geizigen Brautvater ergebnislos zu verlaufen. Nun muß neuerdings der Erzherzog<br />

Palatin herhalten. Später erscheint die Heirat mit Ferdinand doch wieder<br />

genehmer, da der Kaiser erkrankt und die Hoffnung, seine Würde zu beerben, in<br />

Frage käme. Allein der Kaiser wird gesund und die Verlobung kommt nicht<br />

zustande. Den einzigen wirklich tieferen Eindruck machte auf das jugendliche<br />

Mädchenherz der Sohn Karl Augusts <strong>von</strong> Weimar, der aber bereits an eine<br />

russische Großfürstin versagt war. Aber selbst wenn dies nicht der Fall gewesen<br />

wäre, Friedrich August hielt doch das Bekenntnis des Gatten seiner Tochter zur<br />

katholischen Kirche für ein Grunderfordernis der zukünftigen Ehe. Nicht ohne ein<br />

gewisses schmerzliches Gefühl mag die junge Prinzessin Auguste die Nachricht<br />

<strong>von</strong> der Heirat des Prinzen <strong>von</strong> Weimar erhalten haben.<br />

Später erscheint auch noch der Kurprinz <strong>von</strong> Bayern, für dessen Bewerbung,<br />

nachdem er durch Erhebung seines Vaters zum König Kronprinz geworden ist, sich<br />

auch Napoleon verwendet. Ferner wird, wenn auch ohne wirkliche Aussicht, der<br />

Herzog <strong>von</strong> Genua genannt. Schließlich erfährt der Dresdener Hof zu seinem<br />

Schrecken, daß Napoleon allen Ernstes beim Onkel, Erzbischof Klemens <strong>von</strong> Trier,<br />

um Auguste für Jerome geworben habe 94) . Das Entsetzen, welches diese<br />

Nachricht auslöst, kann man sich bei der damaligen Einstellung Friedrich Augusts<br />

und seiner Gemahlin denken. Daher muß, um das Lustspiel zu vollenden, der seit<br />

einiger Zeit verwitwete Onkel Max herhalten. Ganz ernsthaft wird seine<br />

Verlobung in Betracht genommen, trotzdem Napoleon Erfurt, Anhalt und den<br />

Königstitel in Aussicht stellt. Übrigens kommt es nun doch nicht dazu, Die Er-<br />

eignisse <strong>von</strong> 1806 gehen darüber hinweg, und so ist denn die gute Auguste, trotz<br />

einiger sich noch bietender Gelegenheiten, durch die Kleinzügigkeit, Knauserei<br />

und Bigotterie ihres Vaters glücklich sitzen geblieben.<br />

d) Die Prinzen 95)<br />

Eine Sondergruppe am Hofe bildet der Kreis der beiden Prinzen Anton und Max<br />

und ihrer Gattinnen.<br />

Insbesondere Prinz Anton war ein ausgesprochener Parteigänger Wiens.<br />

Einerseits, weil seine Gemahlin eine Tochter des Erzhauses war, sodann aber, weil<br />

er, aufs stärkste religiös, unter katholischen Einflüssen stand. Seine Bigotterie<br />

überschritt alle Grenzen. Er war durchaus in der Hand seiner Beichtväter.<br />

Brockhausen sagt <strong>von</strong> ihm: „Bigotterie und Apathie machen ihn für alle<br />

staatlichen Geschäfte untauglich“ 96) .<br />

Im Frühjahr 1796 wird die Prinzessin Anton <strong>von</strong> einem Knaben entbunden, der<br />

noch an demselben Tage stirbt. Anton ist ganz gefaßt: Das Kind hat die Taufe<br />

erhalten, ist in die heilige Mutter Kirche aufgenommen, damit gibt er sich<br />

zufrieden. Ähnlich, als gleich darauf eine Tochter stirbt und nicht anders, wenn im<br />

Jahre 1799 ihm eine weitere Tochter genommen wird.<br />

42


Für Anton und seine Frau gelten nur Wien und Habsburg. In den evangelischen<br />

Kreisen des Volkes sorgte man sich daher, daß die Regierung einmal an ihn<br />

gelangen könnte, wie es denn ja später, allerdings unter gänzlich veränderten<br />

Verhältnissen, auch tatsächlich geschehen ist. Man atmete daher auf, als das<br />

einzige männliche Kind der Familie alsbald mit dem Tode abging. Andererseits<br />

und das ist bezeichnend für den ganzen Tiefstand der damaligen Auffassungen<br />

trotz aller Aufklärung ließ sich Anton <strong>von</strong> seinen Beichtvätern einreden, daß der<br />

unglücklicherweise protestantische Leibarzt das Kindlein gewaltsam zum Tode<br />

befördert habe.<br />

Weniger hervor treten Prinz Max und seine Gattin, obwohl dieses Ehepaar<br />

schließlich der Träger des ganzen kursächsischen Geschlechts wurde. Die<br />

Bevölkerung begrüßte die im Frühjahr 1797 erfolgte Geburt eines Sohnes mit<br />

einer gewissen freudigen Teilnahme.<br />

Neben diesen beiden prinzlichen Höfen spielt noch der alte Prinz Xaver eine Rolle.<br />

Als er im Jahre 1805 mit hohen Jahren im Sterben liegt, da bedroht er seinen<br />

Leibarzt: „Ich will“, sagt er, „trotz einer 80 noch leben“. Aber auch der Arzt kann<br />

kein Wunder tun. Xaver starb, und niemand weinte ihm nach in Erinnerung an die<br />

Strenge seiner Verwaltung, wie er sie während der Minderjährigkeit Friedrich<br />

Augusts bewiesen hatte. Zudem ersparte man 80 000 Taler jährlicher Apanagen,<br />

die nun für andere Zwecke frei wurden. Seine erheblichen Ersparnisse erbten<br />

seine aus morganatischer Ehe stammenden Töchter.<br />

2. Marcolini 97)<br />

Eine weitere sehr bemerkenswerte Persönlichkeit am Hofe war die des<br />

Stallmeisters Marchese Marcolini, der im vertrautesten Verhältnis zu seinem<br />

kurfürstlichen Herrn stand. Marcolini war einer der vielen Ausländer, insbeson-<br />

dere Oberitaliener, welche sich in jener Zeit an den verschiedenen Höfen<br />

Deutschlands eine gewisse Stellung zu verschaffen gewußt hatten. Es war ein<br />

bedauernswertes Geständnis kultureller Unreife, daß die deutschen Höfe dieser<br />

Zeit jene geistig hervorragenden, gewandten und feingebildeten Ausländer nicht<br />

entbehren zu können glaubten. Es ist ein bitteres, aber wahres Urteil, welches der<br />

Feldmarschall Boyen in seinen Erinnerungen über diese Unart fällt 98) . Am kur-<br />

sächsischen Hofe in Dresden wurde die Notwendigkeit, derartige Günstlinge zu<br />

halten, noch besonders damit begründet, daß bei dem gänzlichen Mangel eines<br />

heimischen katholischen Adels, der Kurfürst zu seinen Vertrauten Per-<br />

sönlichkeiten aus katholischen Ländern heranziehen müsse. Wie sich wohl <strong>von</strong><br />

selbst versteht, war Marcolini der Träger der katholischösterreichischen<br />

Neigungen. Er hat in diesem Sinne vielfach und mit steigendem Eifer zu wirken<br />

gewußt und auch hinsichtlich der Heirat Augustens seinen Einfluß nach dieser<br />

Richtung ausgeübt. Der Bestechung war er zugänglich. Als Vermittler bei der<br />

Heirat Antons hatte er ein „Ehrengeschenk“ <strong>von</strong> 100 000 Talern erhalten. Er<br />

mochte auch jetzt auf eine ähnliche Erkenntlichkeit hoffen. Tragikomisch wirkt es,<br />

daß er ausgerechnet bei diesem Anlasse mit seinem bisherigen Freunde und<br />

Landsmann, dem Marchese Manfredini, dem Günstling des Großherzogs <strong>von</strong> Tos-<br />

43


kana, sich überwerfen mußte. Er selbst verheiratete seine Tochter mit dem<br />

Grafen Nimptsch, einem österreichischen Magnaten.<br />

3. Leben am Hofe 99)<br />

Das Leben am Hofe spielte sich im großen ganzen recht steif und langweilig, nach<br />

einem ganz bestimmten, streng innegehaltenen Zeremoniell ab. Den Sommer<br />

verbrachte der Hof zumeist in Pillnitz, den Winter in Dresden. Im Sommer wurden<br />

die Gesandten nur ab und an vom Kurfürsten zur Tafel gezogen. Im Winter war<br />

die Geselligkeit etwas lebhafter. Vor allen Dingen wurde, wenn auch in be-<br />

scheidenen Formen, der Karneval gefeiert. Zumeist waren es zwar nur Redouten.<br />

Eine Bilderausstellung wurde viel bewundert 100) . Größere Feste fanden nur selten<br />

statt. Im allgemeinen herrschte ein recht sparsamer, nüchterner Geist 101) .<br />

Anerkennen muß Brockhausen, daß der Hof vielfach die Zufluchtsstätte der in den<br />

Revolutionskriegen Vertriebenen wurde. Es erschienen zeitweise die Erzbischöfe<br />

<strong>von</strong> Trier, Mainz und Köln, der Landgraf <strong>von</strong> Hessen, der Kurfürst <strong>von</strong> Bayern,<br />

besonders auch viele Emigranten. Im Herbst 1796 kam der Kurfürst Karl Theodor<br />

mit seiner munteren, oft übertrieben lustigen, leicht verliebten jungen Gattin<br />

nach Dresden 102) . Diese reizte den strengen Sinn des Kurfürsten ebenso wie die<br />

Erzherzogin Christine, die Gattin des Herzogs Albert <strong>von</strong> SachsenTeschen. Daß<br />

diese lebenslustige und harmlos heitere Wienerin sich ohne Scheu und recht<br />

freimütig auch der niederen Bevölkerung zeigte, so z.B. gar in einer ländlichen<br />

Wirtschaft mit Dorfleuten und deren Kindern sich vergnügte, war dem engher-<br />

zigen und steifen Kurfürsten höchst unerfreulich.<br />

Groß wie überall an den Höfen sind Klatsch und Intrige. Mit Behagen trägt man<br />

die kleinen Histörchen, wie etwa vom Grafen Montenovi, dem Liebhaber der<br />

Kurfürstin Karl Theodor, oder <strong>von</strong> der Duellaffäre des Chevalier de Saxe, oder <strong>von</strong><br />

den verschiedenen Fällen, in denen sich fürstliche Damen in anderen Umständen<br />

befinden oder befinden sollen, mit boshaften Sticheleien untermischt, weiter.<br />

Dinge, wie die Frage des Vorantritts unter den Gesandten, der Bewilligung der<br />

Anrede Exzellenz, der Möglichkeit, bei Hofe in der Uniform des ehemaligen<br />

polnischen Staates zu erscheinen, des Verbots, das Ludwigskreuz zu tragen und<br />

ähnliches bewegen die Gemüter aufs höchste und geben Anlaß zu den<br />

verschiedensten Anmerkungen.<br />

4. Interessante Persönlichkeiten<br />

a) Preußische Prinzen 103)<br />

So manche interessante Persönlichkeit lernt Brockhausen am Hofe kennen.<br />

44


Preußische Prinzen tauchen zuweilen auf, so Prinz Heinrich 104) als<br />

Sondergesandter seines königlichen Neffen, so ferner Prinz Louis Ferdinand<br />

zwecks Teilnahme an den österreichischen Manövern.<br />

b) Gustav IV. 105)<br />

Gustav König Gustav IV. <strong>von</strong> Schweden, Brockhausen <strong>von</strong> früher bekannt,<br />

erschien unter dem Decknamen eines Grafen <strong>von</strong> Haga. Obwohl er im<br />

allgemeinen unerkannt bleiben wollte, so gewährte er doch Brockhausen auf<br />

Grund seiner alten schwedischen Beziehungen persönliche Besprechungen, in<br />

denen er sich außerordentlich freimütig über die Weltlage und seine Pläne<br />

äußerte 106) .<br />

c) Lafayette 107)<br />

Schemenhaft huscht einmal das Bild Lafayettes über die Bühne, der im Herbst<br />

1797 nach Entlassung aus seiner Festungshaft, begleitet <strong>von</strong> seiner treuen Gattin,<br />

Dresden berührt, um sich in Hamburg einzuschiffen<br />

d) Alopäus 108)<br />

In ein näheres Verhältnis trat Brockhausen zu dem später bekannt gewordenen<br />

Baron Alopäus. Dieser, ein Finne <strong>von</strong> Geburt, hatte sehr gesunde politische<br />

Ansichten. Er war preußenfreundlich und wußte sich mit Brockhausen gut zu<br />

stellen. Eigentlich sollte er als russischer Gesandter nach Kopenhagen gehen. Mit<br />

Rücksicht auf den schlechten Gesundheitszustand seiner Frau, die auch später in<br />

Dresden starb, wünschte er zunächst in der sächsischen Hauptstadt zu bleiben<br />

und wurde nun als Geheimagent mit Sonderaufträgen beschäftigt. Ganz allgemein<br />

galt er als Aufpasser über den russischen Gesandten Mestmacher, dessen<br />

ausgesprochener Gegner er war. Er stand hoch in der Gunst zunächst Katharinas,<br />

später auch ihrer Nachfolger. Brockhausen bedauerte sehr, als dieser geistvolle<br />

und <strong>von</strong> ihm geschätzte Mann Dresden verließ, um die Armee Condés in russische<br />

Dienste zu nehmen.<br />

e) Antraigues 109)<br />

45


Einen gewissen Ersatz hierfür bot später der nun in russischen Diensten stehende<br />

französische Emigrant Graf d’Antraigues. Schon <strong>von</strong> Kaiser Paul mit Vertrauen<br />

beehrt, auch bei Alexander wegen seiner bemerkenswerten Berichte gut<br />

angeschrieben, war er mit 8 000 Rubel Jahresgehalt als geheimer Berichterstatter<br />

in Dresden angestellt. Das Kabinett <strong>von</strong> St. Petersburg liebte es, gerade in<br />

Dresden, als dem Mittelpunkte für die Beobachtung Deutschlands, derartige<br />

Sondervertreter unter teils gesellschaftlichen, teils geschäftlichen Vorwänden zu<br />

halten. D’Antragues ist ein eingeschworener Feind Bonapartes, dem er die<br />

scheußlichsten Verbrechen vorwirft, und dessen Pläne und Handlungen er als<br />

überaus gefährlich für die Unabhängigkeit Europas bezeichnet. Von besonderem<br />

Interesse für Brockhausen war die Freundschaft d’Antraigues mit dem derzeitigen<br />

schwedischen Gesandten in Wien, dem General Armfeldt, einst Günstling Gustavs<br />

III. und daher Brockhausen <strong>von</strong> Stockholm her bekannt. Trotz mancher <strong>von</strong><br />

Dresden geführten Beschwerden hält Alexander d’Antraigues auf seinem Dres-<br />

dener Platze und gibt seiner Unzufriedenheit über das Verhalten des sächsischen<br />

Hofes Ausdruck. So kann denn d’Antraigues nach wie vor eine bedeutende<br />

Wirksamkeit entfalten und bekämpft das napoleonische System mit großer<br />

Kühnheit und Gewandtheit.<br />

f) La Harpe 110)<br />

Auch der Oberst La Harpe, ehemaliger Erzieher Alexanders, der <strong>von</strong> Paris nach<br />

Petersburg ging, blieb einige Zeit in Dresden, wo er sich ein Landhaus gemietet<br />

hatte. Er ist nicht etwa ein Bote Napoleons, sondern vielmehr ein über die<br />

Behandlung seines Vaterlandes empörter Schweizer. Er äußert sich sehr abfällig<br />

über Napoleon und dessen Familie. Der Empfang seiner Brüder und Schwestern<br />

beweise, wie irrig es gewesen sei, Personen so hoch zu erheben, die in der<br />

Öffentlichkeit keine Achtung genießen und deren Lächerlichkeiten auf Napoleon<br />

selbst zurückfallen. Man muß, sagt La Harpe, den französischen Charakter<br />

kennen, um zu wissen, was das bedeutet. Er kennt den „gigantischen,<br />

ambitiösen“ Plan Napoleons, der das Reich Karls des Großen errichten will.<br />

Napoleon verbirgt diese Absicht so wenig daß man in ganz Frankreich da<strong>von</strong><br />

spricht. Selbst kleine Umstände gelegentlich der Krönung, z.B. der mit der Biene,<br />

dem Wappen Napoleons, übersäte verbrämte Kaisermantel beweisen dies. Erst<br />

muß England überwunden sein, dann wird das festländische Europa völlig<br />

bezwungen werden.<br />

g) Gentz 111)<br />

Von Berlin wird der später so bekannt gewordene Gentz, in England mit Gunst<br />

und Gaben überschüttet, früher Kgl. Preußischer Kriegsrat, aber mit der<br />

preußischen Politik unzufrieden und darum ausgeschieden, angekündigt 112) . Er er-<br />

scheint Anfang Februar 1801 zu kurzem Aufenthalt in Dresden. Er empfängt alle<br />

seine Freunde und Parteigänger. Seine Absicht war zunächst, die Ankunft seines<br />

Gönners, des Grafen Stadion, abzuwarten. Einige Unannehmlichkeiten mit<br />

46


Wechselbriefen haben ihn aber veranlaßt, schleunigst nach Wien zu fahren. Am<br />

Tage vor seiner Abfahrt kam er zu Brockhausen und hat ihm lang und breit über<br />

seine Beobachtungen betreffend England, sein jetziges Ministerium, über Krieg<br />

und Frieden berichtet. Er verhehlte nicht, daß Fox viel eher Malta und Ägypten<br />

aufgeben würde, wie bei den Zufälligkeiten eines neuen Krieges Gefahr zu laufen<br />

113) . Er würde eben beim ersten Kanonenschuß sich nicht halten können und dem<br />

Ministerium Pitt Platz machen. Da aber die Ministerposten in England höchst<br />

angenehm sind, so könne man damit rechnen, daß die größten Opfer ihm nicht zu<br />

teuer wären, wenn sie nur den Frieden bewahrten. Gentz behauptete, daß die<br />

öffentliche Meinung besser wie je wäre, und daß ein neuer Krieg, weit entfernt,<br />

sie niederzuschmettern, ihr nur neue Kraft einflößen würde. Andererseits dächte<br />

Napoleon keineswegs daran, den Frieden mit England zu bewahren. Wenn man<br />

ihn nicht schon bräche, so geschehe das nur mit Rücksicht auf die Unglücksfälle in<br />

St. Domingo und den traurigen Zustand der Finanzen.<br />

Bezüglich Österreichs vertrat Gentz die Auffassung, daß, solange Graf Cobenzl,<br />

schwach an Geist und Körper, das Ministerportefeuille hätte, England nicht auf<br />

die tätige Mithilfe dieser Macht rechnen könnte. Nach seiner Meinung jedoch<br />

würde dieser unverläßliche Minister 114) bald ersetzt werden durch Thugut oder<br />

Trautmannsdorff.<br />

Man darf, sagt Brockhausen, Gentz nicht eine Fülle <strong>von</strong> Talent und ausgebreitetes<br />

Wissen absprechen, die nun leider seinem Vaterlande verloren gehen 115) . Er ist<br />

nur auf eine Partei eingeschworen, ihr ist er vollständig hingegeben, für ihre<br />

Grundsätze begeistert. Leider kann man ihm nicht ganz vertrauen. In seinen<br />

Augen ist man in Hinsicht auf Vaterlandsliebe entweder Franzose, Engländer oder<br />

Russe 116) .<br />

Das Schicksal Gentzens erscheint problematisch. Man hat ihn in England mit etwa<br />

35000 Pfund Sterling ausgerüstet. Wahrscheinlich ist die letztere Summe die<br />

richtige, weil er einen Teil seiner Schulden bezahlt und außerdem noch teure<br />

Einkäufe macht. Ferner erhält Gentz eine Pension vom Wiener Hofe in Höhe <strong>von</strong><br />

4000 Fl.<br />

In Dresden stand er in naher Verbindung mit dem Grafen Golowkin, ebenso mit<br />

Metternich 117) , dem Grafen d’Antraigues und dem Konferenzminister Grafen<br />

Hohenthal. Da Elliot, der englische Gesandte, der Gentz in London eingeführt<br />

hatte, inzwischen auf den Posten in Neapel berufen, noch nicht zurückgekehrt<br />

war, so hat ihn Gentz nicht gesehen. Den Geschäftsträger hat er nicht erst aufge-<br />

sucht.<br />

h) Nelson 118)<br />

Wie aber geriet die Hofgesellschaft in Aufregung, als im Oktober 1800 der Sieger<br />

<strong>von</strong> Abukir, der berühmte englische Admiral Lord Nelson, mit dem englischen<br />

Gesandten in Neapel, Hamilton, und seiner in der Öffentlichkeit bereits sattsam<br />

bekannten Frau in Dresden angekommen und bei Hofe vorgestellt war. Eigentlich<br />

wollten die Gäste bereits am 7.10. die Weiterfahrt nach Hamburg antreten. Allein<br />

Nelson und Hamilton blieben länger als beabsichtigt. Brockhausen berichtet<br />

47


hierüber Folgendes: „Man versichert, daß London unzufrieden sei mit der<br />

geringen Leistung Nelsons und diesen deswegen aus dem Mittelmeer<br />

zurückgezogen habe. In der Tat, wenn man die zarte Beflissenheit der Lady für<br />

den berühmten Seehelden sieht, und auf der anderen Seite seine Leidenschaft,<br />

die sie ihm eingeflößt zu haben scheint, dann ist es nicht schwer, sich zu sagen,<br />

daß eine Art Liebeswahn seine ganze Person in Ketten geschlagen und gleichgültig<br />

gemacht hat gegen allen noch zu erwerbenden Ruhm. Wahrhaft komisch und<br />

peinlich zugleich wirkt es, einen Mann, bedeckt mit Wunden, mit nur einem Arm,<br />

in der Erinnerung an einen der größten Siege des Jahrhunderts, sich bemühen zu<br />

sehen im Gefolge dieser Dame, deren Kolossalgestalt seltsam absticht gegen seine<br />

dürftige Figur, geschmückt mit Orden und Ehrenzeichen der verschiedensten<br />

Souveräne. Hamilton, 72 Jahre alt, scheint bei diesem wirklich äußerst<br />

eigenartigen Liebesverhältnis nur den Ruhm Nelsons zu sehen, der auf ihn zu-<br />

rückstrahlt.<br />

i) Zar Alexander 119)<br />

Als eine glänzende Persönlichkeit, die aller Herzen gewinnt und mit sich fortreißt,<br />

erscheint dann schließlich der Zar Alexander <strong>von</strong> Rußland auf seiner Reise <strong>von</strong><br />

Potsdam nach Brünn im November 1805, voll bestrickender Liebenswürdigkeit<br />

und <strong>von</strong> entzückendem Wesen.<br />

k) Fürst Hohenlohe 120)<br />

Um diese Zeit ist es auch, wo die in Marsch gesetzte preußische Armee unter<br />

Hohenlohe auf dem Durchmarsch nach dem Süden Dresden mit einzelnen<br />

Verbänden berührt, wobei sich sowohl die Hofgesellschaft wie auch die städtische<br />

Bevölkerung an der vorzüglichen Haltung der Truppen erfreute. Die Regimenter<br />

„Heising Kuirassiere“ und „Prinz August“ marschierten vor dem Schlosse vorüber.<br />

Friedrich August und seine Familie schauten vom Balkon herab. Eine unzählige<br />

Menschenmenge umdrängte das Schloß und die umliegenden Wege. Man<br />

bewunderte die Haltung der Mannschaft, welche trotz anstrengenden Märschen<br />

auf grundlosen Wegen tadellos war. Die im Majorsrange stehenden Offiziere<br />

wurden <strong>von</strong> Friedrich August zur Tafel eingeladen. Hohenlohe, übrigens recht<br />

frisch, gefällt Friedrich August derartig, daß er ihm unter Zurücksetzung des<br />

Herzogs <strong>von</strong> Weimar den Oberbefehl über die <strong>von</strong> Sachsen gleichfalls in Marsch-<br />

bereitschaft gesetzten Truppenteile überträgt.<br />

5. Fremde Gesandte<br />

Wie bereits während seiner schwedischen Gesandtenzeit, so verstand es<br />

Brockhausen auch in Dresden, mit den fremden Gesandten in einem möglichst<br />

48


freundschaftlichen, oder doch wenigstens gesellschaftlich angenehmen Verhältnis<br />

zu verkehren.<br />

a) Österreich 121)<br />

Leicht wurde es ihm, wenigstens zeitweilig, gemacht. Namentlich in der ersten<br />

Zeit hatte er, angesichts der tiefgehenden Gegensätze zwischen Preußen und<br />

Österreich, gegenüber dem Gesandten der letzteren Macht oft einen schweren<br />

Stand. Trotz aller Meinungsverschiedenheit wußte Brockhausen aber stets,<br />

wieder ein leidliches Verhältnis herzustellen. Der österreichische Gesandte war<br />

damals Graf Eltz, der Schwiegersohn des angeblich preußenfreundlichen Grafen<br />

Colloredo in Wien.<br />

Im Jahre 1801 wurde Eltz durch den später berühmt gewordenen Metternich<br />

ersetzt, dessen besondere Fähigkeiten damals aber noch nicht hervortraten 122) .<br />

Brockhausen erwähnt hauptsächlich einen etwas kleinlichen Streit Metternichs<br />

mit dem sächsischen Außenminister Grafen Loß. Metternich wollte diesem aus<br />

gewissen Prestigegründen nicht den Titel Exzellenz zugestehen, der zwar streng<br />

genommen <strong>von</strong> Loß nicht beansprucht werden konnte, ihm aber gewohn-<br />

heitsmäßig <strong>von</strong> allen übrigen Mächten, so auch <strong>von</strong> Preußen, zugebilligt wurde.<br />

Schließlich gab die Hofburg nach unter der Voraussetzung, daß ihrem Gesandten<br />

bei allen Empfängen grundsätzlich der Vorrang vor allen übrigen zustehe. Nach<br />

dreijähriger Tätigkeit wurde Metternich nach Berlin versetzt 123) .<br />

Er wurde abgelöst durch den erst 22jährigen Grafen Zichy. Brockhausen glaubte<br />

hierin ein Zeichen dafür erblicken zu sollen, daß seitens Wiens Sachsen nicht mehr<br />

die frühere Bedeutung beigemessen wurde.<br />

49


) Rußland 124)<br />

Der russische Gesandte, Mestmacher, nach Brockhausens Schilderung ein kleiner<br />

unbedeutender Mann, spielte keine hervorragende Rolle am Dresdener Hofe. Nur<br />

die Tatsache, daß er ein Feind Preußens und Freund Österreichs war, verschaffte<br />

ihm in einigen Kreisen des Hofes gewisse Geltung.<br />

Im Juli 1799 wurde Bibikoff mit der Leitung der Gesandtschaft betraut. Infolge der<br />

selbst <strong>von</strong> seinen Verbündeten gemißbilligten Laune Zar Pauls, die diplomatischen<br />

Beziehungen sowohl mit Dresden wie auch mit Berlin abzubrechen, ging Bibikoff<br />

bereits im Herbst 1799 nach Teplitz, während in Dresden nur eine<br />

Geschäftsträgerstelle, bestehen blieb.<br />

Sodann wurde Krüdener 125) , ohne amtlich beglaubigt zu sein, mit der<br />

Wahrnehmung der Gesandtenstelle in Dresden und Berlin betraut.<br />

Schließlich erhielt dann der General Chanikoff die Stellung in Dresden. Dieser<br />

fühlte sich bei seiner Beglaubigungsaudienz gekränkt, weil man ihm nicht, wie es<br />

sonst den russischen Generälen zustand, erlauben wollte, mit dem Rohr in der<br />

Hand sich dem Kurfürsten vorstellen zu lassen. Brockhausen seinerseits kann<br />

Chanikoff nur loben. Er kommt mit ihm vorzüglich aus und führt, wie man in<br />

diplomatischen Kreisen Dresdens sich zuflüstert und wie er selbst nicht ganz ohne<br />

eine gewisse Befriedigung berichtet, ihn angeblich „an der Nase“. Chanikoff ist<br />

übrigens auch insofern Brockhausens Freund, als er gleich ihm sehr scharf wegen<br />

der polnischen Unruhen Ausschau hält.<br />

c) England 126)<br />

Bei der Betrachtung der englischen Gesandtschaft kommt Brockhausen zu dem<br />

richtigen Schlusse, daß schon damals England seine Hand überall mit im Spiel<br />

hatte und vielfach den Knoten der diplomatischen Verwicklungen nach seinen<br />

Wünschen schürzte. Er muß aber auch anerkennen, daß es in seinen Gesandten<br />

wohlunterrichtete, tätige, scharfblickende, rücksichtslos zugreifende Gehilfen<br />

besaß. Dies gilt auch vom langjährigen englischen Gesandten in Dresden, Elliot,<br />

einem Bruder des englischen Gesandten in Wien, des späteren Lord Minto.<br />

Überall sind die englischen Gesandten die treibenden Kräfte bei der<br />

Zusammenschweißung der Koalition, die an die Stelle des notdürftig zusam-<br />

mengekleisterten „gegipsten Friedens“ <strong>von</strong> CampoFormio wieder den<br />

Kriegszustand setzen will. Haugwitz bestätigt die Auffassung Brockhausens, daß<br />

die Engländer es sind, die tatsächlich die Fäden der Koalition in der Hand<br />

behalten. Hiermit stimmt überein, wenn Elliot, das Echo der festen Wil-<br />

lensmeinung des englischen Kabinetts, es zu Brockhausen ausspricht: „Nun wohl,<br />

Preußen will nicht, wir werden allein den Kampf aufnehmen und ausfechten, bis<br />

die Republik zerstört und das Königtum widerhergestellt ist; das ist unser Zweck.“<br />

127)<br />

50


d) Frankreich 128)<br />

Im Frühjahr 1798 trat als erster französischer Gesandter der ehemals Schweizer<br />

Geschäftsträger Helflinger auf. Allerdings war seine Stellung unklar. Er wurde<br />

nicht amtlich als Gesandter anerkannt, sondern mußte mit einer untergeord-<br />

neten, geduldeten Stellung vorlieb nehmen 129) . Da Sachsen während dieser Zeit<br />

seinerseits in Paris keinen Gesandten unterhielt, so wurde Helflinger auch nicht<br />

bei Hofe vorgestellt und empfangen. Er verhandelte lediglich mit dem Grafen Loß.<br />

Gleichwohl entfaltete er <strong>von</strong> Anbeginn eine sehr rege und rührige Tätigkeit. Wenn<br />

er auch wegen Mangels an Beziehungen zu den maßgebenden Mitgliedern des<br />

Direktoriums nicht gerade eine große Stellung einnahm, so hielt er doch Fühlung<br />

mit dem in Berlin beglaubigten Siéyes und wußte auch Brockhausen manches<br />

über diesen merkwürdigen Menschen zu berichten.<br />

Im Februar 1800 erschien als Vertreter Frankreichs der bisherige Flügeladjutant<br />

Bonapartes, Lavallette, dessen Frau mit dem ersten Konsul durch<br />

verwandtschaftliche Beziehungen verbunden war. Brockhausen schildert ihn als<br />

einen durchaus angenehmen liebenswürdigen Menschen <strong>von</strong> großen Fähigkeiten<br />

und erheblicher Rührigkeit. Brockhausen spricht die Vermutung aus, daß<br />

Lavallette, obschon als früherer Flügeladjutant Bonapartes zu Höherem berufen,<br />

deshalb die Stellung in Dresden bekommen habe, um Bonaparte über die<br />

Ostfragen bestens zu unterrichten und die polnischen Beziehungen aufrecht zu<br />

erhalten, insbesondere auch die Anwerbungen der Polen durchzuführen. „Man<br />

muß sich wundern, daß man Lavallette in einer so wenig vorteilhaften und<br />

äußerlich so unscheinbaren Stellung beläßt. Die Annahme, daß er einen<br />

Geheimzweck bezüglich Rußlands und Polens hat, scheint sich zu bewahrheiten.“<br />

130) Zweifellos bediente er sich der Polen, um geeignete Nachrichten aus dem<br />

Osten zu erhalten. Was Brockhausen Lavallette ganz besonders hoch anrechnet,<br />

ist, daß dieser trotz der gewaltigen Siege Frankreichs stets derselbe bescheidene,<br />

liebenswürdige, freundliche Mann bleibt, der er war, was, wie Brockhausen<br />

hinzufügt, bei den meisten Franzosen im allgemeinen selten ist. Nur zu früh,<br />

bereits im März 1801, wurde er abberufen.<br />

An seine Stelle trat Larochefoucauld, einst Mitschüler Bonapartes auf der<br />

Militärschule, eine sehr viel leidenschaftlichere, energischere Natur als sein<br />

Vorgänger. Man will ihm ebenso begegnen, wie dem früheren Gesandten; er will<br />

es sich nicht gefallen lassen 131) . Die Zeiten haben sich auch geändert. Berlin selbst<br />

empfiehlt Entgegenkommen. Insbesondere ist Larochefoucauld ungeduldig, daß<br />

noch immer kein Gesandter Sachsens in Paris ernannt wird. Er hofft durch<br />

Brockhausens Vermittlung auf den Dresdener Hof einwirken zu können. Es<br />

entwickelt sich ein fast freundschaftliches Verhältnis zwischen den beiden<br />

Gesandten. Larochefoucauld ist daher häufig recht offenherzig zu Brockhausen.<br />

So erklärt er, daß Frankreich nicht die Zertrümmerung der deutschen Verfassung<br />

wünsche, vielmehr mit einem Föderativsystem besser auszukommen hoffe.<br />

51


Trotz solcher Vertraulichkeiten läßt Brockhausen sich nicht „einwickeln“, er hegt<br />

nach wie vor Zweifel an der Aufrichtigkeit der französischen Politik. Er sucht<br />

seinerseits näheres über die Pläne Bonapartes und Talleyrands in Erfahrung zu<br />

bringen.<br />

Es gelingt ihm, Larochefoucaulds gelegentlich überschäumende<br />

Leidenschaftlichkeit zu besänftigen, der bei allen möglichen, auch oft<br />

verhältnismäßig geringen Anlässen, scharf gegen den Dresdener Hof vorgeht. So<br />

beklagt er sich bitter über die Haltung <strong>von</strong> Geheimagenten seitens der<br />

sächsischen Regierung in Paris. Er bringt zur Sprache, daß in dem in Sachsen<br />

erscheinenden Almanach immer noch die Bourbonen, nicht Napoleon als Inhaber<br />

der Regierungsgewalt aufgeführt seien. Er entrüstet sich über die Vorstellung<br />

eines Breteuil bei Hofe und das Verbleiben eines d’Antraigues 132) . Er verlangt<br />

Ablegung des Ludwigskreuzes 133) <strong>von</strong> allen bei Hofe vorgelassenen Personen, was<br />

zu sehr unangenehmen Streitigkeiten Anlaß gibt. Angeblich handelt er auf Befehl<br />

Bonapartes selbst, der auch anscheinend so unbedeutende Dinge mit der ihm<br />

eigenen Heftigkeit verfolgt. Larochefoucauld gesteht Brockhausen, daß er Auftrag<br />

hat, d’Antraigues zu überwachen. Trotz dieser Vertraulichkeiten hält Brockhausen<br />

die Augen offen und ist sich klar darüber, daß die Politik Frankreichs auf ein<br />

Hinhalten Preußens und auch Sachsens hinausläuft, bis man soweit ist, daß man<br />

gegen den Norden Deutschlands vorgehen könne 134) .<br />

Im September 1804 sieht Brockhausen deutlich, daß Napoleon den Krieg braucht<br />

und bringt wenig später die bezeichnende Äußerung Napoleons: „Wenn ich nur<br />

erst den Winter erreicht habe, gehe ich über die Leichen meiner offenen und<br />

versteckten Feinde.“ 135)<br />

Er sieht auch weiter. Er weiß, worauf Napoleons gewaltiger Plan abzielt.<br />

Das hindert nicht, daß Brockhausen Larochefoucauld in seiner Art auch weiterhin<br />

schätzt und seinen Fortgang im Januar 1805 bedauert. Bezeichnend für die Art<br />

dieses, seine herzogliche Abstammung denn doch nicht ganz verleugnenden<br />

Mannes ist es, daß er, wie Brockhausen meint, um sich für manche kleine Unbill<br />

zu rächen, das sonst üblicherweise im Vorzimmer des Kurfürsten dem fremden<br />

Gesandten verabfolgte Abschiedsgeschenk nur in seiner Privatwohnung<br />

entgegennehmen will.<br />

An Stelle des nur ganz kurz die Gesandtenstelle in Dresden verwaltenden<br />

Legationssekretärs de Moustiers 136) trat dann bald Durand, ein „angenehmer<br />

manierlicher Mann“, sehr reich, <strong>von</strong> Talleyrand nach Dresden mit dem<br />

ausdrücklichen Hinweis auf die zentrale Lage Dresdens versetzt, <strong>von</strong> wo aus man<br />

ganz Deutschland beobachten könne 137) .<br />

6. Polen 138)<br />

Bei den vielfachen engen Beziehungen, die gerade seitens der französischen<br />

Regierung und der französischen Gesandten in Dresden mit den Polen<br />

unterhalten wurden, mag hier eine Darstellung der hierauf bezüglichen Be-<br />

trachtungen Brockhausens folgen.<br />

52


Nach der ganzen geschichtlichen Entwicklung lag es nahe, daß die aus ihrer<br />

Heimat flüchtigen Polen gerade in Sachsen und besonders am Dresdener Hof eine<br />

Zufluchtsstätte zu finden hofften, worin sie sich auch nicht täuschten.<br />

Bezeichnenderweise durften z.B. die ehemaligen polnischen Offiziere bei Hofe in<br />

der Uniform ihrer früheren Regimenter vorgestellt werden.<br />

Brockhausen verfolgte alle Bestrebungen und Bewegungen der Polen mit größter<br />

Genauigkeit. Angesichts der Haltung des Kurfürsten gehörte hierzu ein nicht<br />

geringes Maß <strong>von</strong> Geschick und Takt. Zweifellos ist es ein Verdienst<br />

Brockhausens, <strong>von</strong> vornherein mit Ernst und Nachdruck auf die Gefahren<br />

hingewiesen zu haben, die unter Umständen Preußen <strong>von</strong> Seiten der Polen<br />

drohen könnten.<br />

Unter den in Dresden ansässigen Polen seien einige jüngere Revolutionäre, die<br />

aber kaum zu fürchten seien. Keiner <strong>von</strong> ihnen habe einen bekannten Namen<br />

oder, hinreichende Mittel, um eine Partei zu bilden. Sollte freilich Preußen in<br />

einen Krieg verwickelt werden, so könnten immerhin ihre „chimärischen Ideen“<br />

Gestalt gewinnen.<br />

Die durchreisenden Polen, die immer zahlreicher würden, zu überwachen, sei<br />

mangels geeigneter Einrichtungen der Dresdener Polizei unmöglich. Die Jungen<br />

wanderten zumeist nach Italien aus, wo der bekannte General Dombrowski sie an<br />

sich ziehe, sie revolutioniere und veranlasse, dieses Gift dann weiter zu<br />

verbreiten. Vorausgesetzt, daß sie nicht zurückkehrten, sei ihre Auswanderung<br />

vielleicht ein Glück für Preußen. Immerhin bedürfe der Briefwechsel dieser Polen<br />

der Überwachung.<br />

Ein neuer Plan tauchte damals auf: Teile Polens sollten an Erzherzog Karl fallen,<br />

der dann die Tochter Friedrich Augusts heiraten könnte, was aber, wie<br />

Brockhausen meint, der Kurfürst nicht billigen würde 139) .<br />

Jedenfalls waren Dresden und Leipzig in erster Linie der Schauplatz polnischer<br />

Wühlarbeit. Professor ErhardtLeipzig, angeblich Direktor eines naturhistorischen<br />

Kabinetts, begünstigte die polnischen Auswanderer.<br />

Wenig später kehrten nach Brockhausens Bericht viele unzufriedene Polen aus<br />

Paris zurück. Gerade die früher als schlimmste Gegner Preußens bekannten<br />

wollen jetzt „treueste Untertanen“ sein. Brockhausen macht freilich ein Frage-<br />

zeichen und spricht die Befürchtung aus, daß diese Polen seitens des Direktoriums<br />

zur Heimkehr veranlaßt seien, um dort den Gedanken des Umsturzes zu fördern<br />

140) . Brockhausen empfiehlt dringend Beaufsichtigung durch die Polizei.<br />

Die Polen sprächen es laut aus, daß Frankreich sie unterstütze. Graf Kosciusko<br />

erfreute sich großer Gunst der französischen Regierung.<br />

Brockhausens Voraussagen bezüglich der Folgen der französischen Verbindung<br />

mit den Polen gehen 1805 nach der Niederwerfung Österreichs in Erfüllung. Nach<br />

dem Zusammenbruch der österreichischrussischen Heeresmacht versammelten<br />

sich im Dezember 1805 die Polen in viel größerer Zahl wie bisher in Dresden.<br />

Noch betrugen sie sich ruhig. Es war aber zu bemerken, wie die Nachrichten vom<br />

Kriegsschauplatz sie erregten. General Dombrowski zog <strong>von</strong> Königsbrod aus mit<br />

einer großen Anzahl <strong>von</strong> Polen nach Dresden, wo er trotz seiner Verkleidung<br />

erkannt wurde. Die Zahl der Polen wuchs zusehends. Brockhausen nimmt an, daß<br />

53


dies mit der bekannt gegebenen Abreise Kosciuskos aus Paris zusammenhängt.<br />

Man müsse einen plötzlichen Aufstand der Polen befürchten. In der Tat gebe es<br />

verräterische Pläne der Polen. Es gelte daher, schärfstens aufzupassen. Kurz<br />

darauf kommen neue Wellen polnischer Flüchtlinge herüber. Immer deutlicher<br />

werden ihre revolutionären Absichten. Die Ereignisse <strong>von</strong> 1806 sollten diese<br />

Auffassungen bestätigen.<br />

7. Minister 141)<br />

Aus der großen Zahl der sächsischen Minister treten uns einige charakteristische<br />

Persönlichkeiten entgegen. Vor allem der Minister des Äußern, Graf Loß, welcher<br />

diese Stelle schon beim Dienstantritt Brockhausens 1795 inne hatte und sich,<br />

soweit möglich, stets für ein gutes Einvernehmen mit Preußen einsetzte, bis er<br />

nach den Unglückstagen <strong>von</strong> 1806, ein Opfer der französischen Politik, <strong>von</strong><br />

seinem Fürsten trotz langjähriger treuer Dienstzeit in Ungnaden entlassen wurde<br />

142) .<br />

Für die inneren Angelegenheiten war in erster Linie der alte Minister Freiherr <strong>von</strong><br />

Gutschmied zuständig, der sich eines außerordentlichen Vertrauens beim<br />

Kurfürsten erfreuen durfte. Er war einer der wenigen Minister, welche jederzeit<br />

Gehör fanden und auf dessen Ratschläge man auch tatsächlich einzugehen pflegte<br />

143) . Gutschmied war im Jahre 1795 für den Frieden, schon in Anbetracht der Fi-<br />

nanzlage. Zwar war dieselbe keineswegs irgendwie erschüttert. Im Gegenteil<br />

hatte der Minister noch über einen namhaften Kredit zu verfügen, den die Stände<br />

beim letzten Zusammensein bewilligt hatten. Allein man war damals noch so<br />

vorsichtig, derartige Kredite nicht vorzeitig ohne Not anzugreifen.<br />

Gutschmied wie Loß waren aufrichtige Freunde eines Zusammengehens mit<br />

Preußen 144) . So waren sie in den Jahren 1795 und 1796 für die Zurücknahme des<br />

zum Reichskriege gestellten Kontingents und vollkommene Neutralität. Ihre<br />

gemeinsame Meinung ging dahin, daß das linke Rheinufer allerdings unter allen<br />

Umständen Deutschland zu erhalten und nicht zu republikanisieren sei. Sie<br />

wollten, wie es der Kurfürst wünschte, sowohl mit Berlin wie mit Wien in Frieden<br />

leben. Charakteristisch für die damaligen Zustände in Deutschland ist es, daß die<br />

Minister ganz harmlos <strong>von</strong> einer Veränderung der Lage zum Nachteil Österreichs<br />

Vorteile für Sachsen erhoffen. Für sie ist die Erhaltung des „Corps Germanique“<br />

etwas sehr wesentliches. Sie erbitten daher auch im Juli 1796 die guten Dienste<br />

Preußens und billigen die Übertragung der Vollmacht zu Verhandlungen an den<br />

Preußischen Gesandten <strong>von</strong> SandozRollin in Paris. Im Jahre 1797 ist ihr Bestreben<br />

darauf gerichtet, nach Möglichkeit den Norden zu schützen und so zur Erhaltung<br />

der Reichsverfassung beizutragen, wobei naturgemäß der Schutz des eigenen<br />

Landes die Hauptrolle spielt. Die Sorge wegen demokratischer Revolutionierung<br />

Süddeutschlands anläßlich der Umsturzbewegung in Frankreich teilen sie<br />

durchaus. Mit den Geheimartikeln des Friedens <strong>von</strong> CampoFormio sind sie wegen<br />

der darin vorgesehenen Abtretungs und Entschädigungsabsichten unzufrieden.<br />

Trotz des Drängens der Wiener Regierung im Jahre 1799 wollen sie ein Kontingent<br />

nicht stellen, höchstens vielleicht etwas Geld schicken 145) .<br />

54


Auch später sind die Minister HohenthaI und Zinzendorf, letzterer längere Zeit<br />

Gesandter in Berlin, sowie wenigstens in der ersten Zeit der Minister <strong>von</strong> Löben,<br />

im allgemeinen preußenfreundlich. Jedenfalls bleibt Dresden einstweilen dem<br />

Berliner System der Neutralität ergeben. Mit der Regelung der<br />

Entschädigungsfrage sind die Minister nicht einverstanden. Sachsen „hat nichts<br />

gewonnen, will auch nichts verlieren“ und jedenfalls nichts zur Unterhaltung der<br />

abgesetzten Fürsten beitragen. Über den Ausgleich katholischer und<br />

protestantischer Belange gehen die Meinungen der Minister und Friedrich<br />

Augusts auseinander. Die Minister stehen der Säkularisation gelassener als der<br />

Kurfürst gegenüber, wünschen allerdings die Ersetzung der katholischen Stimmen<br />

durch protestantische. Nach der Verfassung hat in Sachen der Religion der<br />

Geheime Rat keine Befehle des Kurfürsten anzunehmen. Im allgemeinen pflegen<br />

die Minister dem Kurfürsten gegenüber sich willfährig zu erweisen. Brockhausen<br />

kann aber in diesem Falle die Beobachtung nicht unterdrücken, daß die Minister<br />

im Gegensatz zu ihrem katholischen Herrn übereifrig protestantisch sind und den<br />

Widerstand des Kurfürsten zu überwinden suchen.<br />

Ganz besonders beschäftigt die Minister die Bedrohung Norddeutschlands durch<br />

Frankreich. 1806 wollen die meisten Minister auch weiter wie bisher an Preußen<br />

festhalten.<br />

55


8. Stände 146)<br />

Den ständischen Einrichtungen läßt Brockhausen in seinen Berichten eine<br />

weitgehende Berücksichtigung zuteil werden.<br />

Nach altem Brauche mußte der Landtag in Kursachsen sich alle sechs Jahre<br />

versammeln. Die letzte Versammlung fand im Jahre 1793 statt. Die<br />

Vorbereitungen für einen solchen Landtag sind immer sehr weitschauender Art.<br />

Schon im Juni 1798 wird eine „Proklamation“ veröffentlicht. Sie umfaßt die<br />

verschiedenen „Ordres“, die den Ständen zur Beratung vorzulegen sind. Der<br />

Zusammentritt selbst ist auf den 6.1.1799 festgelegt. Brockhausen meint, daß die<br />

sparsame Haltung Friedrich Augusts viel dazu beitrage, bei den Ständen eine<br />

versöhnliche Stimmung aufkommen zu lassen. Unruhen seien nicht zu erwarten,<br />

zumal nicht einmal die auf der letzten Tagung bewilligten 2 Millionen aufge-<br />

braucht seien. Voraussichtlich werde es zu einer Weiterbewilligung derselben<br />

kommen. Gleichzeitig werde wiederum die einstweilige Unterbrechung der<br />

Kapitalzahlungen auf die alte Schuld <strong>von</strong> 800 000 Talern ausgesprochen werden,<br />

die man ,unter dem Namen „Steuer“ zusammenfaßt. (Brockhausen benutzt im<br />

französischen Text dieses Wort in deutscher Sprache.) Man wünsche an<br />

maßgebender Stelle, daß diese Schuld zu einer dauernden und fundierten werde,<br />

zumal der Kredit durchaus blühe. Nach den ihm gewordenen Mitteilungen hält<br />

Brockhausen die Stände für friedlich und ungefährlich. Freilich an „obskuren<br />

Pamphlehten“ fehle es nicht. Der neue Adel und die bürgerlichen Landbesitzer<br />

wünschen die gleichen Rechte und Vorrechte wie der alte Adel zu besitzen. Von<br />

einer ernsteren Bewegung sei indes nichts zu spüren. Man wisse: Nicht die Zahl<br />

der Mitglieder, sondern die völlige Übereinstimmung zwischen Fürst und Volk<br />

gewährleiste gute Maßnahmen.<br />

Am 6.1.1799 wurde der Landtag feierlichst eröffnet. Kurz vorher, am 30.12.1798<br />

war der Kabinettsminister <strong>von</strong> Gutschmied, der Vertreter Friedrich Augusts vor<br />

den Ständen, 78 Jahre alt gestorben. Friedrich August, sowohl menschlich tief<br />

betrübt, wie wegen seiner Vertretung vor dem Landtage besorgt, sagte zu<br />

Brockhausen: „Ich habe einen sehr guten und treuen Freund verloren, einen<br />

Diener, den ich niemals ersetzen kann, dessen Verlust mir doppelt schmerzlich ist<br />

in diesem kritischen Augenblick.“ 147)<br />

Es mußte nun schließlich auch ohne Gutschmied gehen. Die Eröffnungsfeier fand<br />

im großen Saal des kurfürstlichen Schlosses statt. Es waren die 3 Stände<br />

erschienen:<br />

die Geistlichkeit,<br />

der Adel,<br />

der Bürgerstand.<br />

Zunächst erfolgte die Thronrede, sodann die Bekanntgabe der<br />

Beratungsgegenstände. Hier handelte es sich insbesondere um die Notwendigkeit<br />

der Bereitstellung außerordentlicher Hilfsmittel und die Beibehaltung der<br />

56


vorläufigen Aufhebung <strong>von</strong> Rückzahlungen auf die alte Schuld. Die Ausschüsse<br />

werden gewählt und tagen. Es herrscht ein Geist aufrichtiger Einigkeit und<br />

Eintracht unter den verschiedenen Ständen. Brockhausen lobt den „urbanen<br />

Ton“. Der Bürgerstand, „geläutert durch Erfahrungen anderer Völker“, hat seine<br />

Forderungen ermäßigt. Umgekehrt ist der Adel eifrig in der Pflege guter<br />

Beziehungen zu den städtischen Vertretern. Über die „Steuer“ und die 2 Millionen<br />

Kredit wurde eine Verständigung leicht erreicht. Einzelne Klagen der Landleute<br />

wegen Wildschadens wurden beschwichtigt. Ernstliche Beschwerden wurden,<br />

nachdem seit der Bauernrevolte 148) <strong>von</strong> 1792 Maßnahmen zur Minderung des<br />

Wildschadens getroffen worden waren, nicht vorgebracht. Man hätte, meint<br />

Brockhausen, gut getan, <strong>von</strong> solcher Einigkeit Nutzen zu ziehen. Z.B. bezüglich der<br />

Aufnahme <strong>von</strong> Anleihen für die Nationalmiliz und die Magazine. Man glaubte<br />

jedoch, sich an gut gefüllten Kassen, dem 2 Millionenkredit und notfalls<br />

besonderen Beitreibungen genügen lassen zu können. So verlief der Landtag ohne<br />

bemerkenswerte Zwischenfälle.<br />

Sechs Jahre später wurden wiederum die Vorbereitungen zur Einberufung eines<br />

neuen Landtages getroffen. Wieder gerade wie vor 6 Jahren mußte der<br />

zuständige Kabinettsminister <strong>von</strong> Löben, <strong>von</strong> Friedrich August gleichfalls aufrichtig<br />

betrauert, kurz vorher sterben. An seiner Stelle ward Hopfgarten<br />

Kabinettsminister, ein „ehrenwerter guter Charakter“, aber, da Friedrich August<br />

wenig bekannt, <strong>von</strong> geringem Einfluß. Es wird wie Brockhausen ausführt schwer<br />

halten, Friedrich August zu leiten. Die Arbeit eines Kabinettsministers erfordere<br />

viel „Takt, Routine und Lebhaftigkeit“. Übrigens bedeute der Wechsel nicht<br />

allzuviel in einem so ruhigen Lande wie Sachsen.<br />

Genau am 6.1.1805 wie vor 6 Jahren wurde der Landtag mit der üblichen<br />

Feierlichkeit eröffnet. Friedrich August saß unter einem Baldachin, umgeben <strong>von</strong><br />

den Ministern und Deputierten. Den Diplomaten als geladenen Zuschauern waren<br />

angemessene Plätze angewiesen. Der Doyen Burgsdorff begrüßte feierlichst die<br />

Stände im Namen Friedrich Augusts und gab einen Rückblick auf die Ereignisse<br />

seit 1798. Seitens der Versammlung sind Vorstellungen angekündigt wegen<br />

besserer Besoldung der Offiziere niederer Grade sowie der Professoren und<br />

Lehrer der Schulen, deren Gehalt so kärglich ist, daß sie zum Teil notgedrungen an<br />

fremde Universitäten oder Schulen gehen. Nicht ohne Überraschung stellte man<br />

fest, daß bei den Deputierten des Adels eine erhebliche Minderung der Zahl<br />

eingetreten ist. Etwa nur ein Drittel ist wiedergekehrt. Der Grund meint Brock-<br />

hausen sei zu suchen im Übergang der Landgüter (z.B. nahe Leipzig) in die Hand<br />

der Advokaten und früheren Kaufleute. In Ermangelung eines dieser Entwicklung<br />

vorbeugenden Gesetzes werde vielleicht in 10 Jahren alles in andere Hand<br />

übergegangen sein.<br />

Die ständischen Ausschüsse tagen häufig. Es sind aber keine Gegenstände <strong>von</strong><br />

besonderer Bedeutung, um welche es sich handelt. Wenn man nicht bezüglich<br />

ihres Zusammentretens alter Gewohnheit folgte, würde man wohl besser tun, sie<br />

in Anbetracht der hohen Kosten nicht zusammen zu berufen. Der<br />

Gehaltsaufbesserung der Offiziere wurde trotz allseitigen Verlangens mangels<br />

geeigneter Mittel nicht stattgegeben. Auch bezüglich anderer Wünsche blieb alles<br />

beim alten, so hinsichtlich der Erhaltung der Kavalleriepferde durch das platte<br />

Land. Die Arbeit der Stände, sagt Brockhausen einige Wochen später, geht ihren<br />

57


Gang, ohne daß sie auch nur im geringsten für die auswärtigen Länder Bedeut-<br />

sames böte. Die Eifersucht der Städte gegen das platte Land ruft die altbekannten<br />

Erörterungen über die Rechte und Freiheiten des Adels hervor. Es werden die in<br />

gleichem Geiste geschriebenen „Pamphlete“ hervorgesucht. Man liest sie und<br />

vergißt sie wieder.<br />

In ihrer Dankadresse bestehen die Stände, wie sonst auch üblich, diesmal aber mit<br />

etwas festerem Ton auf der Erhaltung des Grundgesetzes, daß nämlich die<br />

lutherische Lehre die allein herrschende sei, daß die Posten bei Hof und in den<br />

Departements nur an Evangelischlutherische vergeben werden dürfen. In einem<br />

anderen Artikel wird ernsthaft um die Erhöhung der Bezüge der Zivilbeamten<br />

gebeten, die beinahe unter der Last des Elendes erliegen. Die Verbesserung der<br />

Schulen und des Loses der Professoren ist ein weiteres Begehren, worauf die<br />

Antwort aber erst nach 6 Jahren erfolgen wird.<br />

Die Deputation des Landtages, bestehend aus 7 Vertretern des Adelsstandes und<br />

4 Städtern, hat eine Bewilligungsschrift aufgesetzt. Längere Beratungen<br />

erforderte der Beschluß betreffend Lieferung <strong>von</strong> 2 Scheffel Hafer je Morgen,<br />

gleich 140 000 Scheffeln, wo<strong>von</strong> ein Viertel für die Kavallerie, drei Viertel für die<br />

Magazine bestimmt war. Für 1805 wurde der Antrag abgelehnt, so daß die<br />

Magazine Weißenfels, Torgau, Hubertsburg keinen Haferbestand aufweisen<br />

können.<br />

Der Schluß des Landtages fand am zweiten Osterfeiertage gleichfalls mit der<br />

üblichen Feierlichkeit statt. Zuerst sprach der Doyen, so dann der Erbmarschall.<br />

Der Adel hat einen großen Vorteil erreicht, indem ihm erlaubt wurde, die <strong>von</strong> ihm<br />

angestellten Justizbeamten künftig unter Umständen auch wieder entlassen zu<br />

dürfen. Das „Don gratuit“ <strong>von</strong> 150 000 Talern wurde weiter bewilligt. Die<br />

dringend nötige Aufbesserung der Gehälter der Offiziere hätte erfolgen können,<br />

wenn man die Schuldentilgung eingeschränkt hätte. Die Anlage in Anleihen ist<br />

eine angenehme Art der Unterbringung der Kapitalien, die sich durch die Industrie<br />

ansammeln. Man hat erwogen, einen Teil zur Herstellung der Kunststraßen zu<br />

verwenden, die sich je länger je mehr verschlechtern. Für die Gehälter der<br />

Schulmeister und Professoren, sowie für deren Hinterbliebenenversorgung hat<br />

man gewisse Beträge in Aussicht genommen.<br />

Wie Brockhausen unter dem 30.12.1805 berichtet, ist der engere ständische<br />

Ausschuß in jener Zeit versammelt gewesen, um nach altem Brauche die<br />

außerordentlichen Vorlagen zu beraten, z.B. die Aussetzung der Abzahlung auf die<br />

Nationalschuld und der Belieferung der Magazine für die preußische und<br />

sächsische Armee.<br />

Wenn auch die Minister mit Brockhausen darin überein stimmten, daß Sachsen,<br />

welches sich 10 Jahre hindurch unter dem Schutze Preußens der Ruhe erfreute,<br />

keinen Grund hat, sich über die Anforderungen im Augenblick beschwert zu<br />

fühlen, so hören die Klagen in den Verhandlungen des ständischen Ausschusses<br />

nicht auf über Lieferungen, die dem Volke zu schaffen machen. Nach den Vor-<br />

schlägen des Ausschusses soll Friedrich August sich für die Lieferungen der Hilfe<br />

<strong>von</strong> Unternehmern bedienen, was zwar etwas mehr kosten, aber auch das Land<br />

nicht „ruinieren“ würde. Man würde sich erbieten, bis zu 4 Millionen bar zu<br />

zahlen.<br />

58


Mitte Februar 1806 geht der ständische Ausschuß nach dem Berichte<br />

Brockhausens auseinander. Der Kurfürst hat der Aussetzung der Abzahlung auf<br />

die alte Schuld während zweier Halbjahre zugestimmt. Die ersparte Summe soll<br />

zum Ankauf <strong>von</strong> Getreide verwendet werden. Dem Drängen Brockhausens<br />

entsprechend sollen Magazine für die Truppe hergerichtet werden.<br />

9. Öffentliche Stimmung 149)<br />

Schon im Jahre 1796 waren die Landleute unzufrieden mit der Einberufung der<br />

Urlauber und wollten militärische Requisitionen mit Gewalt zurückweisen.<br />

Mehrfach machte sich Teuerung in Sachsen bemerkbar 150) . So im Dezember 1799<br />

im Vogtland, im Mai 1802 in Thüringen, wo der Scheffel Roggen 5 Taler kostete,<br />

so im Jahre 1804, wo die Ernte äußerst schlecht war und staatliche Roggenkäufe<br />

in Danzig und Riga getätigt werden mußten. So ferner im Jahre 1805, wo die<br />

Regierung Getreide unter Anrechnung des Marktpreises an Minderbemittelte<br />

abgab, da der Scheffel in der Lausitz 21 Taler kostete. Insbesondere aus den<br />

Bergen lauteten die Erntenachrichten sehr trübe. Man bat damals Preußen um<br />

Abgabe <strong>von</strong> Getreide.<br />

Hierzu traten dann vielfach Überschwemmungen der, wie Brockhausen rügt,<br />

leider in ihren Läufen nicht genügend geregelten Flüsse, namentlich in den<br />

bergigen Gegenden 151) . Ganz besonders schwer waren die furchtbaren<br />

Verwüstungen, welche im Sommer 1804 durch den Austritt fast sämtlicher Ge-<br />

wässer verursacht wurden.<br />

Ebenso ist mehrfach eine gewisse Unruhe in der industriellen Bevölkerung und<br />

den Handelskreisen über wirtschaftliche Maßnahmen, durch welche Handel und<br />

Wandel beeinträchtigt werden könnten, bemerkbar. So war der Leipziger Handel<br />

sehr beunruhigt über den Einfluß, welchen die Bedrohung Norddeutschlands im<br />

Jahre 1799 auf die Leipziger Messe ausübte. Des weiteren war man sehr nieder-<br />

geschlagen infolge des Einmarsches der Preußen in Hannover und Besetzung der<br />

Nordhäfen durch die Dänen im Jahre 1801.<br />

Von einem größeren Einfluß der Umsturzbewegung in Frankreich auf die<br />

sächsische Bevölkerung hörte man im allgemeinen wenig. Im Jahre 1798 hatte<br />

Brockhausen den damaligen französischen Gesandten Helflinger stark in Ver-<br />

dacht, selbst und durch seine Agenten zu wühlen. In der Tat hatte Frankreich so<br />

manche guten Freunde in Sachsen, die auch den freiheitlichen Grundsätzen<br />

zugetan waren, doch beschränkte sich diese Feststellung in der Hauptsache auf<br />

Dresden selbst.<br />

Mehrfach litt das Land unter ansteckenden Krankheiten, die teils <strong>von</strong> auswärts<br />

eingeschleppt wurden, teils aber auch in Sachsen selbst aufkamen. Dies gab dann<br />

gewöhnlich Anlaß zu einer Beunruhigung der öffentlichen Stimmung.<br />

Im Jahre 1803 veranlaßte, wie wir bereits sahen, der Einfall der Franzosen in<br />

Hannover Ausbrüche leidenschaftlicher Mißstimmung. Dresden war auf der Höhe<br />

der Bestürzung und Erregung.<br />

59


10. Sächsische Herzogtümer 152)<br />

Im allgemeinen stand das Haupt der Albertinischen kurfürstlichen Linie zu den<br />

verschiedenen Ernestinischen Vettern im Verhältnis eines anerkannten<br />

Schutzherrn 153) . Die Beziehungen waren im wesentlichen freundschaftliche und<br />

<strong>von</strong> gegenseitigem Wohlwollen getragen. Immerhin traten auch unter Umständen<br />

gewisse Verstimmungen auf. So kann bereits im Juni 1796 Brockhausen <strong>von</strong> einer<br />

Denkschrift der sogenannten „Unzufriedenen“ berichten, welche gegen den<br />

katholischen Friedrich August für den protestantischen Karl August <strong>von</strong> Weimar<br />

eintreten. Man nahm an, daß sie aus Kreisen des Adels der Lausitz<br />

hervorgegangen war. Daß Karl August <strong>von</strong> Weimar angesichts der Möglichkeit des<br />

Aussterbens der kurfürstlichen Linie im Mannesstamme, für alle Fälle damals<br />

Anhänger zu gewinnen suchte, mochte begreiflich erscheinen. Jedenfalls<br />

unterhielt der Herzog Agenten in Sachsen, voraussichtlich sogar Angestellte in den<br />

Departements. Diese geheimen Agenten genügten ihm, wie Brockhausen im<br />

Herbst 1796 berichtet, auf die Dauer nicht. Vielmehr stellte er mit Vorwissen der<br />

kurfürstlichen Regierung einen gewissen Assessor Richter mit 300 Talern<br />

Jahresgehalt ganz öffentlich an. Der Wunsch, diesen zum Residenten zu er-<br />

nennen, wurde allerdings <strong>von</strong> Dresden abgelehnt. Jedenfalls glaubte der Herzog<br />

nunmehr besser mit Nachrichten bedient zu werden. Er will über die Zeu-<br />

gungsfähigkeit der Prinzen Max und Anton und das Betragen ihrer Gattinnen<br />

genau unterrichtet werden. Auch <strong>von</strong> politischen Dingen will er Kenntnis haben.<br />

Er möchte gern eine große Rolle spielen, so z.B. den Oberbefehl über die Armee<br />

bekommen, wogegen sich aber der katholischhabsburgisch eingestellte Marcolini<br />

entschieden wendet. Man kann sich denken, wie beunruhigend für den Herzog<br />

die Nachricht <strong>von</strong> der angeblichen Schwangerschaft der Kurfürstin sein mußte. Er<br />

hatte schon früher mit größter Sorgfalt die ganze Entwicklung der Dinge beob-<br />

achten lassen. Nunmehr verdoppelte er seine Aufmerksamkeit. Man sprach<br />

da<strong>von</strong>, daß sein Geheimrat Goethe in Dresden erscheinen solle, dessen Ankunft,<br />

da er auch sonst mit Dresdener Freunden zusammen komme, bei Hofe nicht allzu<br />

großes Aufsehen hervorrufen würde. Einige Zeit später berichtet Brockhausen,<br />

daß Goethe noch nicht gekommen sei 154) . So sehr befriedigt der Herzog <strong>von</strong><br />

Weimar vom Ausgang dieser vermeintlichen Schwangerschaft war, so unzufrieden<br />

mußte er mit der Geburt eines Sohnes beim Prinzen Max am 20.5.1797 sein.<br />

Brockhausen berichtet hierüber: „Karl Augusts Interesse befindet sich im<br />

Widerspruch mit der kurfürstlichen Familie und der Herzog zeigt bei dieser<br />

Gelegenheit eine Unzufriedenheit, die niemand entgangen ist.“ 155)<br />

Schließlich bringt Brockhausen noch im März 1816 die bemerkenswerte<br />

Nachricht, der Herzog <strong>von</strong> Weimar habe Friedrich August gedrängt, den<br />

Königstitel anzunehmen, um dann selbst Kurfürst zu werden.<br />

11. Armee 156)<br />

60


Brockhausen gibt während der ganzen Zeit seines Dresdener Aufenthaltes sehr<br />

genaue Nachrichten über den Zustand des sächsischen Heeres. Es wächst sich<br />

diese Darstellung gewissermaßen zu einem besonderen Kulturbilde aus, das in<br />

Anbetracht der Heereseinrichtungen dieses immerhin doch namhaften deutschen<br />

Staatswesens Beachtung beansprucht. Wir begleiten daher auf Grund der<br />

Brockhausenschen Mitteilungen die sächsische Truppenmacht in den ver-<br />

schiedenen Entwicklungszeiten während der Jahre 1795 bis 1806.<br />

Nach Abschluß des Baseler Friedens ist die große Frage für Sachsen, ob und in<br />

welchem Umfange die bisher auf Grund einer besonderen Militärkonvention mit<br />

Preußen im Verbande fechtenden Truppenteile nunmehr dem Beispiele der<br />

Preußen folgend nach Hause zurückkehren oder sich mit den Österreichern<br />

vereinigen sollen. Gegen letzteres werden nicht nur <strong>von</strong> den leitenden<br />

Staatmännern, sondern gerade auch aus den Kreisen der Militärs selber Bedenken<br />

erhoben. Man weist darauf hin, daß man sich zwar mit den Preußen allezeit gut<br />

vertragen habe und namentlich seitens ihrer Führer größte Rücksicht geübt<br />

worden sei 157) . Dagegen sei mehrfach bereits Streit zwischen Sachsen und<br />

Österreichern entstanden, der um so mehr sich fortpflanzen und vergrößern<br />

würde, als namentlich auch <strong>von</strong> Seiten der leitenden österreichischen Stellen, vor<br />

allem auch des Oberbefehlshabers Grafen Clerfait selbst, keinerlei Freundlich-<br />

keiten zu erwarten seien 158) . Nachdem erst am 1.6.1795 die Vereinigung mit den<br />

Österreichern vollzogen war, wurde gleichwohl sehr bald der Rückmarsch des<br />

Kontingents nach Sachsen angeordnet und durchgeführt. Nur Kavallerie blieb an<br />

der Grenze stehen.<br />

Inzwischen gelang es den Einwirkungen Wiens, insbesondere auch des<br />

kaiserlichen Gesandten Grafen Eltz, den treu zur Reichsverfassung stehenden<br />

Kurfürsten vom Abschluß eines Sonderfriedens abzuhalten und ihn zur Rück-<br />

sendung des Kontingents zu bestimmen.<br />

Anfang März 1796 beginnt dann der Wiederausmarsch mit dem<br />

Versammlungsziel Bamberg. Es ist eine Militärkonvention zwischen Österreich<br />

und Sachsen, nach dem Muster der früher mit Preußen abgeschlossenen,<br />

zustande gekommen, mit dem Unterschiede, daß Friedrich August vollkommen<br />

Herr über seine Truppen verbleibt und über sie allein Bestimmung treffen kann.<br />

Man wollte die Sachsen teilen, um sie sicherer in der Hand zu haben und<br />

verwenden zu können. Allein Friedrich August lehnte diese Teilung ab. Sie<br />

blieben, unter Führung des Generals <strong>von</strong> Lindt, geschlossen im Verbande der<br />

Österreicher. Erzherzog Karl, der Oberfeldherr des Ganzen, bewies viel größeres<br />

Entgegenkommen, als vorher Clerfait. Er veranlaßte auch die Unterführer, sich in<br />

gleicher Weise zu betätigen. Das Verhältnis war nunmehr zunächst leidlich. Im<br />

Gefecht bei Wetzlar am 15.6.1796 war es hauptsächlich der sächsischen Kavallerie<br />

zu danken, daß der Feind geworfen wurde. Karl war über diese Leistung des Lobes<br />

voll. Allein bald traten doch wieder Mißhelligkeiten auf. Schon im Hochsommer<br />

weiß Brockhausen <strong>von</strong> Klagen der sächsischen Generäle zu berichten, welche<br />

dahin gehen, daß man gerade die Sachsen immer in die gefährlichsten Stellungen<br />

bringe und sie über Gebühr auszunutzen suche. Aus diesen und politischen<br />

Gründen erfolgte dann die erneute Zurückziehung des Kontingents 159) und die<br />

Einbeziehung Sachsens in das preußische System der Neutralität.<br />

61


Immerhin blieb zunächst den Winter über <strong>von</strong> 1796 zu 97 fast die ganze Armee in<br />

Kriegsbereitschaft. Man wollte die Zahl der Bewaffneten auf insgesamt 30 000<br />

bringen, was, wie Brockhausen meint, ein wenig nach Großmannssucht Sachsens<br />

schmecke, das eben über seinen „subalternen Standpunkt“ unter allen<br />

Umständen sich zu erheben wünsche. Für den Fall des Anrückens der Franzosen<br />

wurde sogar die Schaffung einer Miliz erwogen. Die Gesinnungen sowohl der<br />

höheren Führer wie auch des gemeinen Mannes neigten sich weiterhin durchaus<br />

auf preußische Seite.<br />

Den Zeitverhältnissen entsprechend wurde im Jahre 1798 ein aus Truppenteilen<br />

verschiedener Waffengattungen zusammengesetztes Kontingent zur Herstellung<br />

eines Grenzkordons im Verein mit den übrigen an der Neutralität beteiligten<br />

Staaten bestimmt, der je nach der außenpolitischen Lage verringert öder verstärkt<br />

wurde, bis er dann im Jahre 1801 aufgelöst werden konnte.<br />

Wenn bis dahin durch Krieg und Grenzschutz eine gewisse militärische Schulung<br />

bei der Truppe aufrecht erhalten wurde, so mußten jetzt, da völliger<br />

Friedenszustand eingetreten war, wenigstens nach dem Wunsche der Militärs,<br />

wieder Manöver stattfinden. Auf Anordnung Friedrich Augusts sollte sich die<br />

ganze Armee Anfang September 1802 in einem Militärlager bei Dresden<br />

versammeln, um in der Zeit vom 4. bis 18.9.1802 „Evolutionen“ jeder Art<br />

durchzuführen. Bei dieser Gelegenheit sollte die „leichte Artilleriekompagnie“ ihr<br />

erstes Probestück ablegen. Wenn dieses Militärlager erheblich größer wurde, wie<br />

in früheren Jahren, so war es der dringende Wunsch, die solange „stillgestandene<br />

und darum eingerostete Maschine“ wieder in Gang zu bringen.<br />

Die Übungen tun, wie Brockhausen meint, den Sachsen dringend not. Anzug und<br />

Reglement sind ein buntes Gemisch <strong>von</strong> preußischer, österreichischer,<br />

französischer Art. Die Armee ist dieselbe, wie sie seit 30 Jahren bestand, da die oft<br />

geplanten Änderungen nur Wünsche blieben. Die Langsamkeit, mit der man<br />

solche Pläne angreift, ist überraschend. Friedrich August, <strong>von</strong> der Notwendigkeit<br />

und Nützlichkeit solcher Änderungen an sich durchdrungen, breitet die<br />

Vorschläge oft genug über seinem Arbeitstische aus, kann sich aber nicht<br />

entschließen, sie in die Wirklichkeit umzusetzen. Vor allem ist es die Sparsamkeit,<br />

die ihn da<strong>von</strong> abhält. Er liebt es mehr, Schätze anzusammeln, als Geld aus-<br />

zugeben, selbst für so heilsame Dinge wie das Heer. Aber neben dieser schlecht<br />

angewandten Sparsamkeit ist es auch die Intrige, die sich hineinmischt. General<br />

Christiani ist eingenommen für die Einführung einer leichten Infanterie, eines,<br />

dem preußischen genau nachgebildeten Exerzierreglements und einer gleichfalls<br />

sich der preußischen nähernden Uniform. Alle diese Bestrebungen finden ihren<br />

Widerstand in der Eifersucht des Generals <strong>von</strong> Lindt, der zwar die Änderungen<br />

auch für nötig hält, sie aber nicht durch einen jüngeren General veranlaßt sehen<br />

möchte. Bis dahin hatte Lindt nach Brockhausens Ansicht beim völligen Mangel<br />

geeigneter höherer Militärführer in Sachsen noch als der beste gelten dürfen.<br />

Stets aber zeigte er sich langsam, schwierig und leicht gekränkt. Immerhin gelang<br />

es ihm, den Abmarsch der Sachsen im Jahre 1795 einigermaßen reibungslos<br />

durchzuführen und die Truppe ohne größere Schädigungen zurückzubringen. Im<br />

nächsten Jahre ebenfalls zum Befehlshaber ernannt, führte er die Sachsen, nicht<br />

gerade freudigen Herzens, den Österreichern wieder zu, vermochte aber doch,<br />

wie bemerkt, einige Kriegslorbeeren zu pflücken. Andererseits gehörte auch er zu<br />

62


denen, die nach Hause drängten. So führte er denn unter Belobigung seines<br />

Kurfürsten das Heer erneut ziemlich unversehrt in die Heimat 160) . Nur die<br />

Kavallerie hatte diesmal gelitten. Daheim richtete er sein Hauptaugenmerk auf die<br />

Vermehrung und Verbesserung der Truppe, nicht ohne den Hintergedanken, daß<br />

ihm der Posten als Oberbefehlshaber der vergrößerten Streitmacht sicher sei.<br />

Schon war er unzufrieden mit der zögernden Haltung des Kurfürsten und sprach<br />

sich offen genug darüber aus. Brockhausen hielt ihn jetzt für Preußen<br />

wohlgesinnt. Der Rote Adlerorden, den Lindt erhielt, hatte Wunder getan und,<br />

wie Brockhausen sagt, aus einem „Antagonisten einen Partisan“ gemacht. Lindt<br />

möchte die Beförderung hauptsächlich, um Exzellenz zu werden, und wies ganz<br />

geschickt auf die Notwendigkeit einer solchen Rangerhöhung im Falle der<br />

Vereinigung mit den Preußen hin. Endlich im Frühjahr 1799 wurde Lindt denn<br />

auch befördert. Er hatte unter Friedrich August im Jahre 1802 den Oberbefehl.<br />

Später hielt er sich infolge seiner Gegnerschaft gegen Christiani mißvergnügt fern<br />

und starb, 72 Jahre alt, noch vor Eintritt der großen Ereignisse im Frühjahr 1806.<br />

Am Samstag, den 11.9.1802, beginnt nach Versammlung der Truppe das<br />

eigentliche Manöver. Für den Kurfürsten und seine Familie ist ein Zelt auf dem<br />

linken Flügel des Feldlagers errichtet. Von hier aus läßt die kurfürstliche Familie<br />

das ganze Treffen bei sich vorüberziehen. Friedrich August zu Pferde, begrüßt die<br />

Kavallerie, besonders das Dragonerregiment „Prinz Klemens“, und lobt dieses<br />

wegen seiner Bravour im letzten Kriege. Um Mittag bezog die erste Linie das Lager<br />

nach der gewohnten Ordnung. Es drohte zu regnen, aber gegen 11 Uhr vormittags<br />

drang die Sonne durch und beschien ein sehr hübsches militärisches Bild im<br />

schönen Elbtal. Die Armee lagerte in zwei Linien, Kavallerie auf beiden Flügeln.<br />

Husaren vorne weg. Lindt, ausgestattet mit allen Ehren und der Macht eines<br />

Höchstkommandierenden, leitete das Ganze. Der Zustrom der Fremden war<br />

bedeutend. Der Herzog <strong>von</strong> MecklenburgSchwerin mit zwei Söhnen hat dauernd<br />

die Prinzessin Auguste begleitet. Die Infanterieregimenter haben neue Fahnen er-<br />

halten. Die Kavallerie hat einige Bewegungen vor Friedrich August ausgeführt. Die<br />

Husaren machten Scheinangriffe nach ihrer Art.<br />

In den folgenden Tagen setzte die Armee die Bewegungen fort. Bei der<br />

Hauptbesichtigung am 16.9.1802 waren alle Truppen in Gala: Um 8 Uhr<br />

vormittags bereits defilierten sie vor der kurfürstlichen Familie. Friedrich August<br />

zu Pferde, begleitet vom alten Onkel Xaver und seinen Brüdern Max und Anton,<br />

zeigte sich. Friedrich August und seine Brüder haben sich an die Spitze ihrer<br />

Regimenter gestellt und sie vorgeführt. Besonders die Kavallerie hat aller Blicke<br />

auf sich gezogen wegen der Güte der Pferde und der trefflichen Haltung der<br />

Leute. Alle Zuschauer und militärischen Richter haben die Einzelheiten in den<br />

Bewegungen der Kavallerie für alles Lobes würdig gehalten. „Das ganze aber<br />

mangelt“, wie Brockhausen sagt, „an System, an Prinzipien und Einheit.“ Man<br />

hatte lange Zeit keine Übungen. Es fehlte ein Führer. Wenn ein solcher gefunden,<br />

kann die Kavallerie „exzellent, vielleicht die zweite Europas“ werden. Für den<br />

Preußen Brockhausen bleibt natürlich die preußische Kavallerie allezeit die erste<br />

der Welt! Karabiniers und GersdorfDragoner haben am besten bestanden. Die In-<br />

fanterie wird in einigen Jahren gut sein. Kleidung und Kleinheit der Leute geben<br />

ihr z.Zt. das Aussehen einer Miliz. Besonders ausgezeichnet hat man die Brigade<br />

des Generals Christiani gefunden, der vielleicht die größten Fähigkeiten unter den<br />

sächsischen Militärs besaß, bald aber nur zu früh starb.<br />

63


Es hing wohl in erster Linie mit der Überalterung der hohen sächsischen Militärs<br />

zusammen, daß, wie Brockhausen andauernd klagt, die Armeereform nicht <strong>von</strong><br />

der Stelle wollte. Die alten sächsischen Generäle haben ein „höllisch langes<br />

Leben“ 161) . Der Kriegsminister <strong>von</strong> Low ist 72 Jahre und, obwohl redlich, eifrig und<br />

für seine Jahre noch lebhaft genug, dennoch nicht der Mann einer großzügigen<br />

Reform. Insbesondere wurde trotz ständiger Mahnung Brockhausens die<br />

Auffüllung der Magazine angesichts der immer näher rückenden napoleonischen<br />

Gefahr nicht durchgeführt. Teils lag dies an der Knauserei des Kurfürsten, teils am<br />

Widerstreben der Stände, teils auch an den verhältnismäßig recht häufig<br />

eintretenden Teuerungen.<br />

Das geplante Feldlager in Torgau mußte demzufolge verschoben werden, was im<br />

Interesse der Ausbildung der Offiziere und Mannschaften sehr beklagt wurde. Seit<br />

Oktober 1805 wurden nach und nach 15 Bataillone und 15 Schwadronen, gleich<br />

im ganzen etwa 20 000 Mann, in Kriegsbereitschaft gesetzt. Sie sollten die<br />

Stellung aus dem Jahre 1797 wiederum beziehen. Aber die Mobilmachung ging<br />

überaus langsam vor sich. Am 28.10.1805 waren, wie Brockhausen berichtet, die<br />

Befehle über die Einberufung der Urlauber, Aushebung der Pferde, Zahlung der<br />

Unterstützungen noch nicht ergangen. Endlich war die Marschbereitschaft<br />

einigermaßen erreicht. General <strong>von</strong> Zeschwitz, dem das Kommando anvertraut<br />

war, wird <strong>von</strong> Brockhausen als überaltert, krank und unentschlossen bezeichnet.<br />

Außerdem hatte Friedrich August jede Angriffshandlung verboten. Schließlich war<br />

denn glücklich unter dem obersten Befehl des Fürsten Hohenlohe die Aufstellung<br />

vollendet, aber kaum, daß dies geschehen war, erfolgte bereits der Befehl zur<br />

Rückkehr der Regimenter. Die Kosten der Mobilmachung erschienen sowohl dem<br />

Hof wie auch dem Volke als gar zu hoch. Nun galt es für Brockhausen, wenigstens<br />

zu verhindern, daß die Truppen sämtlich wieder in den Friedenszustand<br />

zurücktraten. Man hoffte in Berlin, daß Friedrich August einen Teil der Truppen<br />

noch im Kriegszustand belassen werde. Brockhausen gab sich alle Mühe, dies<br />

wärmstens zu empfehlen. Gleichwohl kehrte ein Teil der sächsischen Regimenter<br />

in die Garnison zurück. Eigenhändige Briefe Friedrich Wilhelms an Friedrich Au-<br />

gust wurden <strong>von</strong> Brockhausen in persönlicher Audienz überreicht, und<br />

Brockhausen tat sein möglichstes, um die darin ausgesprochenen Wünsche zu<br />

fördern. Es gelang auch, wenigstens einige Truppenteile mobil zu erhalten. So<br />

kam die Entscheidungsstunde, in welcher Sachsen sich zwar Seite an Seite mit<br />

Preußen befand, aber, wie wir sahen, trotz aller Bemühungen Preußens und<br />

seines Gesandten, nicht in genügender Ausrüstung und hinreichender Stärke.<br />

III. Brockhausen nach dem Niederbruche Preußens<br />

Die laue und schwächliche Haltung Sachsens war insbesondere dadurch zum<br />

Ausdruck gekommen, daß auf Anordnung Friedrich Augusts bei angriffsweisem<br />

Vorgehen der Preußen gegen die Franzosen die sächsischen Truppen ihre<br />

Mitwirkung versagen sollten 162) . Napoleon, der hier<strong>von</strong> benachrichtigt war,<br />

konnte die Hoffnung hegen, nach der unglücklichen Schlacht <strong>von</strong> Jena, in welcher<br />

6000 Sachsen gefangen wurden, den sächsischen Kurfürsten seinem<br />

Bundesgenossen Preußen abspenstig zu machen und zu sich herüberzuziehen 163) .<br />

64


Diese Bestrebungen Napoleons wurden insbesondere gefördert durch eine<br />

franzosenfreundliche Partei am Dresdener Hofe unter Führung der Grafen<br />

Marcolini und Bose 164) . Nach langen Verhandlungen des letzteren kam es dann<br />

schließlich am 11.12.1806 zum Frieden <strong>von</strong> Posen, der als ein „vollständiger<br />

Mißerfolg“ der sächsischen Politik und Diplomatie anzusehen ist 165) .<br />

1. Verbleiben in Dresden 166)<br />

Hier setzen nun die Berichte Brockhausens wieder ein. Zur Vermeidung <strong>von</strong><br />

Beschlagnahmen und anderen Unliebsamkeiten sind sie mehrfach ungezeichnet<br />

abgesandt. In Ermangelung unmittelbarer Verbindungen gingen sie über die<br />

Gesandtschaft in Wien. Gleichwohl scheinen verschiedene verloren gegangen zu<br />

sein. Aus dem Januar 1807 sind jedenfalls keine Berichte feststellbar.<br />

Brockhausen hatte es für seine Pflicht angesehen, <strong>von</strong> seinem Posten nicht zu<br />

wanken und zu weichen 167) , weil er glaubte, durch die Mitteilungen über die<br />

Vorgänge in Sachsen seinem Hofe ein sachgemäßes Bild der Gesamtlage der<br />

Dinge geben zu können. In der Tat war ja Dresden hierzu nunmehr ganz<br />

besonders geeignet. Brockhausen zeigte sich durchaus nüchtern und unbefangen.<br />

So hatte er anfänglich selbst dem damals noch im Amte befindlichen Minister des<br />

Auswärtigen, Grafen Loß, den schnellen Abschluß eines Vertrages zwecks Herbei-<br />

führung der Neutralität empfohlen. Inzwischen mußte er nun freilich erkennen,<br />

daß Sachsen weit darüber hinaus den Wünschen Napoleons entgegengekommen<br />

war. Am 12.12., also noch vor Bekanntwerden des am 17.12. der Öffentlichkeit<br />

mitgeteilten Posener Friedens 168) , berichtet er über außerordentliche<br />

Änderungen am Dresdener Hofe. Der alte verdiente Graf Loß war seines Amtes in<br />

Ungnade enthoben und damit der Übergang Sachsens vom preußischen zum<br />

französische System entschieden 169) . Und an Stelle des Kriegsministers <strong>von</strong> Low<br />

wurde Generalmajor <strong>von</strong> Cerrini, ein Katholik, mit diesem Ministerium betraut.<br />

Gewiß waren hierbei ebenso die Wünsche Napoleons, wie die Intrigen der Partei<br />

Marcolini ausschlaggebend. Besonders bezeichnend in dieser Hinsicht war die<br />

Ernennung des Günstlings Marcolinis, des Grafen Bose, zum Minister des<br />

Auswärtigen, mit dessen Amtszeit die völlige Abhängigkeit Sachsens <strong>von</strong><br />

Frankreich beginnt.<br />

Vor allem beunruhigten Brockhausen die freilich amtlich noch nicht bestätigten<br />

Nachrichten über die Abtretung des preußischen Kreises Kottbus an Sachsen und<br />

die Ausrüstung eines sächsischen Hilfskorps gegen Preußen. Nicht nur der Friede,<br />

berichtet er unter dem 12.12.1806, sondern sogar ein Bündnis scheint in Aussicht<br />

unter Verletzung alter freundschaftlicher Beziehungen zu Preußen. In einem<br />

scharf gehaltenen Schreiben an den Minister des Innern, Grafen Hopfgarten, vom<br />

20.12., beklagt er sich bitter darüber, daß Sachsen an der Beraubung Preußens<br />

65


teilnehmen wolle. „Man darf sich nicht auf Kosten eines Freundes entschädigen<br />

lassen, dessen einziges Unrecht es ist, unglücklich gewesen zu sein“ 170) . Dieses<br />

Schreiben verstimmte am Hofe so sehr, daß man es unbeantwortet ließ und die<br />

Beziehungen zu Preußen nunmehr vollkommen abbrach. Amtliche Mitteilungen<br />

gelangten nicht mehr an Brockhausen.<br />

Recht bitter äußert sich Brockhausen wenige Tage später, am 21.12.1806. Der<br />

Kurfürst, den er auch weiterhin so zu nennen beliebt, hat die Königswürde<br />

angenommen. Rauschende Feste mit Te deum, Salven, Illuminationen sind aus<br />

diesem Anlaß gefeiert worden. Bezeichnenderweise hat die sächsischen Truppen<br />

bei dieser Gelegenheit ein französischer Offizier, Thiard, „Großkreuz und Inhaber<br />

des badischen Ordens <strong>von</strong> der Treue“, befehligt 171) . Heer und Bevölkerung sind<br />

aber keineswegs in festlicher Stimmung 172) . Die Offiziere sind in Verzweiflung<br />

wegen der Verpflichtung, gegen Preußen zu marschieren. Man wünscht die<br />

Truppen wenigstens nur als Garnisonen in den preußischen Festungen benutzt zu<br />

sehen.<br />

Auf der anderen Seite ist ein großer Teil der lutherischen Bevölkerung<br />

unzufrieden mit dem Artikel V. des Posener Vertrages, durch welchen die<br />

bürgerliche und politische Gleichberechtigung der Katholiken mit den<br />

Protestanten festgestellt wurde 173) .<br />

Demgegenüber ist ein Teil des Hofes und der Minister vom Frieden begeistert und<br />

glaubt an eine große Erhebung Sachsens, welche diejenige Preußens übertreffen<br />

sollte.<br />

Der letzte Bericht Brockhausens vom 1.2.1807 weist darauf hin, daß er bisher<br />

allen Gefahren, die in der Tat im Hinblick auf die Vorgänge mit Rumbold, Enghien<br />

und Palm 174) keineswegs so gering einzuschätzen waren, getrotzt habe im<br />

Glauben, daß sein verlängerter Aufenthalt in Dresden doch dem Vaterlande<br />

nützlich sein könnte. Nach Eintritt Sachsens in den Rheinbund und Abmarsch der<br />

Truppen gegen Preußen sei seine Lage naturgemäß schwieriger geworden.<br />

Trotzdem will Brockhauen bleiben, bis die Truppen zu Feindseligkeiten<br />

übergegangen sind. Auch jetzt wiederum beklagt er sich über die<br />

Wankelmütigkeit alles dessen, was zum Hofe gehört, insbesondere den ausschlag-<br />

gebenden Einfluß Marcolinis. Man gab ihm auf das unzweideutigste zu verstehen,<br />

daß er baldigst abreisen möge, und verpflichtete ihn, seine Pässe zu fordern.<br />

Infolgedessen sah sich Brockhausen veranlaßt, am 3.2. einen entsprechenden<br />

Antrag zu stellen. Am 4.2. erhielt er an Stelle seiner Pässe eine sehr scharf<br />

gehaltene Zuschrift Boses, in welcher dieser auf schroffste Weise ihn zum<br />

Verlassen des Landes aufforderte 175) . Nur aus besonderer Rücksicht auf König<br />

Friedrich Wilhelm habe man auf Grund persönlicher Entschließung des Königs<br />

Friedrich August Brockhausen noch gestattet, bisher zu verweilen. Nunmehr<br />

müsse er aber in kürzester Frist, und zwar mit seiner Kanzlei und sonstigem<br />

Gefolge, das Land verlassen. Seine Majestät hoffe, daß er seine Einrichtungen<br />

demzufolge schleunigst treffen werde. Für die Folgen seines verlängerten<br />

Aufenthalts in Sachsen müsse er allein die Verantwortung übernehmen. Brock-<br />

hausen betrachtete diesen Brief als ungeschrieben und würdigte ihn keiner<br />

Antwort. Da die Vorbereitungen für die Überführung einer Familie mit vier kleinen<br />

Kindern ohne Mutter, mitten in einer harten und kalten Jahreszeit, sich nicht mit<br />

der gewünschten Schnelligkeit durchführen ließen, so mußte er seinen Aufenthalt<br />

66


is zu 9.2. verlängern. Mit Rücksicht auf eingetretene starke Schneefälle, welche<br />

die Wege in Böhmen versperrten, konnte er sich schließlich erst am 12.2. in<br />

Marsch setzen. Inzwischen hatte Bose, empört über die widerstrebende Haltung<br />

Brockhausens, ihm am 10.2. einen Brief zugehen lassen, in welchem er ihm unter<br />

allerschärfsten Ausdrücken seine Ausweisung ankündigte, falls er nicht am<br />

nächsten Tage bereits Dresden verlassen habe. Im Weigerungsfalle drohte er,<br />

unter dem etwas höhnisch gehaltenen Vorwande, daß Brockhausen seine Reise<br />

bis zur Grenze wohl nicht für genügend gesichert halte, alles Ernstes an, daß er<br />

ihn durch eine Eskorte am ersten Tage bis Pirna, am darauffolgenden bis zur<br />

Grenze abschieben lassen werde. Diese empörenden Formen (formes révoltantes)<br />

wurden auch vom König Friedrich Wilhelm III. ernstlich gemißbilligt, wenn er auch<br />

eine gewisse Berechtigung der sächsischen Regierung zum Einschreiten nicht ganz<br />

verkennen zu wollen erklärte 176) . Einem solchen Drucke mußte Brockhausen<br />

weichen. Gerne hätte er seinen langjährigen Legationsrat, den bewährten Lautier,<br />

unter dem Deckmantel eines einfachen Privatmannes zu Beobachtungszwecken in<br />

Dresden gelassen, aber man hatte mit größter Heftigkeit auf der Abreise auch<br />

Lautiers bestanden. Nicht ohne begründete Genugtuung kann Brockhausen<br />

fortfahren: „J’ai résisté à tous les dangers, à tous les inconvénients en denieurant<br />

ferme à mon poste où j’ai eu de nombreuses occasions d’être utile au service de<br />

l’Etat. J’ai fait ce que j’ai pu pour retarder le moment des hostilités effectives et<br />

de la marche des troupes saxonnes, mais les mauvaises intentions du ministère<br />

actuel, du favori, et d’une grande partie de la cour étaient si prononcés, qua mes<br />

peines étaient perdues.“ Bericht vom 20.2.1807 aus Teplitz.<br />

2. Aufenthalt in Teplitz 177)<br />

Die Partei Marcolini, stets preußenfeindlich, sah sich schon im Besitz <strong>von</strong><br />

Magdeburg des Saalekreises und der Altmark.<br />

Als ein besonderes Verdienst darf sich Brockhausen anrechnen, daß er eine<br />

bedeutende Trainkolonne, ebenso eine große Anzahl Versprengter, die<br />

unzweifelhaft in die Hände der mit großer Schnelligkeit anrückenden Bayern<br />

gefallen wären, gewarnt, mit Mitteln und Quartier versorgt und nach der<br />

schlesischen Grenze, Richtung Glogau, dessen schmählichen Fall er noch nicht<br />

ahnte, geschickt hatte.<br />

Einige Wochen später berichtet Brockhausen über Meutereien im sächsischen<br />

Heere, beim Übergang über die Warthe, wobei 2 Bataillone Grenadiere sich<br />

geweigert, zu marschieren und auf ihre Offiziere geschossen haben. Man glaubt,<br />

daß solche nur mit Mühe gedämpften Meutereien in Zukunft in größerem<br />

Umfange vorkommen werden. Die meisten Offiziere niederer Grade teilen die<br />

Mißstimmung. Die Generalität dagegen hofft auf bessere Beförderung.<br />

3. Hoffnungen und Vorschläge 178)<br />

67


Angesichts dieser Tatsachen empfiehlt Brockhausen, Proklamationen unter die<br />

Soldaten zu verteilen. Diese Proklamationen würden zugleich auch im ganzen<br />

Lande Sachsen zu verbreiten sein 179) . Der vernünftige Teil des Volkes verzeihe<br />

dem einst so beliebten Friedrich August seine Schwäche und seine<br />

Schmeicheleien gegenüber Napoleon nicht. Man könne seine Haltung nicht mehr<br />

als ein Nachgeben gegenüber der Gewalt, sondern als <strong>von</strong> einer wirklichen<br />

Zuneigung zu Napoleon (dies in der Urschrift unterstrichen) eingegeben<br />

betrachten. Allerdings bedauert Brockhausen in diesem Zusammenhang die<br />

inzwischen mitgeteilte Zerstreuung der schlesischen Truppenteile. Er hatte<br />

gehofft, daß diese Heeresverbände eine Stütze für seine Bestrebungen sein<br />

würden, das Sachsenvolk <strong>von</strong> der Seite der Feinde seiner Religion zu den<br />

Glaubensgenossen und deutschen Brüdern herüberzuziehen. Dies hätte um so<br />

wirksamer werden können, als diese Bewegung sich im Rücken des Feindes<br />

abgespielt hätte und sich wahrscheinlich bis nach Hessen hinein erstreckt haben<br />

würde.<br />

Brockhausen richtet nun sein Augenmerk auf Österreich, wo allerhand<br />

Kriegsvorbereitungen, z.B. Ankauf <strong>von</strong> Pferden, Urlaubsverbote, Instandsetzung<br />

<strong>von</strong> Festungen bemerkbar seien, die allerdings auch zu Verteidigungszwecken<br />

dienen könnten. Er ist Zeuge großer Aushebungen in Böhmen und Mähren. Das<br />

Volk ist für Krieg an der Seite Preußens, besonders auch die Armee. Man wird<br />

hierin bestärkt durch die Gerüchte, daß die Pforte sich auf die Seite Englands und<br />

Rußlands gestellt habe. Um die österreichische Diversion erfolgreich zu gestalten,<br />

bedürfe es nach Brockhausens Ansicht zweier Maßnahmen:<br />

eine Armee <strong>von</strong> 30 000 Mann müßte Sachsen besetzen, eine zweite nach dem Inn<br />

und dem Rhein gehen,<br />

England müßte 20 000 Mann bei Stade landen und nach Magdeburg schicken,<br />

auch Hameln und Nienburg besetzen.<br />

Entweder würde sich dann die französische Armee auf die Elbe zurückziehen oder<br />

sie würde den Norden einstweilen seinem Schicksale überlassen.<br />

Auch die Regierung in Memel hofft um diese Zeit auf eine Mitwirkung Österreichs.<br />

Im übrigen billigt man durchaus die <strong>von</strong> Brockhausen eingenommene Haltung. Er<br />

soll bis auf weiteres in Teplitz zu Beobachtungszwecken verbleiben. Dieser Erlaß<br />

ist gezeichnet „Ztw.“, also augenscheinlich vom General <strong>von</strong> Zastrow, der in der<br />

Zeit vom 18.12.1806 bis 26.4.1807 das Ministerium des Auswärtigen leitete 180) .<br />

4. Enttäuschungen und Ratschläge 181)<br />

Indes hält Napoleon die Österreicher durch eine Reservearmee in Schach. Man<br />

will sich nicht zu weit vorwagen. Bereits am 1.5. muß Brockhausen berichten, daß<br />

neuesten Nachrichten zufolge trotz der Beschlüsse des ungarischen Reichstages<br />

auf Erhöhung der Friedens und Kriegsstärke des Heeres, Österreich doch seinen<br />

eigenen Weg gehen und sich in nichts einmischen will. Wenige Tage später<br />

(11.5.1807): „Die Ruhe in Wien dauert an, die Erhebung ist bestenfalls noch sehr<br />

68


weit entfernt. Eine Friedenspartei hat die Maßnahmen des Kaisers und seiner<br />

Minister durchkreuzt. Man will äußerstenfalls bewaffnete Vermittlung.“<br />

Anfang Juni ist der letzte Schatten der Hoffnung auf ein Zusammenwirken mit<br />

Österreich entschwunden. Wien wird strengste Neutralität bewahren. Erzherzog<br />

Karls Einfluß ist gestiegen. Der Kaiser handelt nicht, ohne ihn zu hören. Karl ist ein<br />

Hindernis gegen jeden Krieg. Die Befehle zu Kriegsvorbereitungen, insbesondere<br />

zum Ankauf <strong>von</strong> Pferden, sind zurückgezogen. Der Reichstag in Ungarn ist<br />

nunmehr durchaus gegen jeden Krieg, zumal neuerdings wiederum Furcht wegen<br />

eines Einfalls der Türken und Beunruhigung wegen der Steuern herrschen.<br />

Ebenso werden Broekhausens Hoffnungen auf die kriegerischen Handlungen<br />

Englands und Schwedens nach und nach zu schanden. Zwar waren die<br />

schwedischen Erfolge zunächst nicht unerheblich, ihre Generäle hatten sich<br />

Rostocks und Schwerins bemächtigt, doch wurden sie durch Mortier und Lebrun<br />

wieder auf Stralsund zurückgeworfen. Brockhausen bedauert, daß die geplanten<br />

Landungen in Mecklenburg und an der Ems nicht rechtzeitig durchgeführt worden<br />

sind. Man hätte den Franzosen doch recht unangenehme Verlegenheiten bereiten<br />

können. Inzwischen hat Brune eine große Beobachtungsarmee längs der Ostsee<br />

<strong>von</strong> Stettin nach Hamburg in Stärke <strong>von</strong> 45 000 Mann aufgestellt und alle nötigen<br />

Verteidigungsmaßnahmen getroffen. Nun wird es schwierig sein, vorzudringen,<br />

zumal auch 28 000 Spanier zwischen Lüneburg und Braunschweig eingetroffen<br />

sein sollen. Wenn ihnen auch kein großer Gefechtswert beizumessen sei, so<br />

trügen sie doch zur Verstärkung der feindlichen Macht bei.<br />

Immer wieder war Brockhausen in dieser ganzen Zeit auf seinen Vorschlag, durch<br />

Proklamationen aufreizenden Inhalts das sächsische Volk und die sächsischen<br />

Truppen zum Abfall <strong>von</strong> Frankreich zu bewegen, zurückgekommen. Ein <strong>von</strong><br />

Bennigsen erlassener Aufruf erschien ihm zu lang und nicht genügend zugespitzt.<br />

Insbesondere müsse, meint Brockhausen, der religiöse Gesichtspunkt betont<br />

werden, auch müsse den Deserteuren, deren es reichlich gebe, Doppelsold<br />

versprochen werden. Besonders hofft er, die Erregung ausnutzen zu können,<br />

welche durch die Heranziehung des ohnehin unzufriedenen Regiments<br />

Niesemeuschel nach Neiße und starke Verluste der Sachsen in Schlesien und vor<br />

Danzig entstanden wären.<br />

Brockhausen steht in fortwährender Verbindung mit dem Verteidiger Schlesiens,<br />

dem Grafen Götzen, den er sehr hoch schätzt und auf alle Weise zu fördern sucht.<br />

Nach der Übergabe <strong>von</strong> Neiße haben sich die Reste der Truppen nach der<br />

Grafschaft Glatz begeben, wo Götzen die Trümmer sammelt. Brockhausen hebt<br />

rühmend hervor, daß Götzen sich bis zum letzten verteidigen wolle. Man müsse<br />

nur befürchten, daß die Verbindung außerhalb dieser Stellung ganz behindert sein<br />

werde.<br />

Die Juniereignisse in Preußen erschüttern den Vaterlandsfreund Brockhausen aufs<br />

tiefste. Er sieht die traurige Lage ganz klar. Schon früher hatte er Betrachtungen<br />

über die Aussichten Preußens angestellt und sich gefragt, ob Preußen auf die<br />

Dauer den beispiellos seltenen Heroismus der letzten 6 Monate fortzusetzen<br />

imstande sei. Er stellt bereits am 13.5.1807 zwei Fragen, die vorweg zu<br />

entscheiden seien:<br />

69


Kann Preußen mit Rußlands Hilfe ohne weiteres mit einem glücklichen Schlage<br />

den Krieg beenden?<br />

Und werden andere Länder, insonderheit Österreich, bereit sein, sich am Kriege<br />

zu beteiligen, um so den Sieg zu erringen?<br />

Müssen beide Fragen verneint werden, so sei zu erwägen, ob es nicht genug des<br />

Blutvergießens sei und ob nicht zweckmäßig in Verhandlungen einzutreten wäre,<br />

für welche die Verhältnisse im Frühjahr vielleicht noch günstiger lägen wie später.<br />

Für den Fall, daß die Verhandlungen im hierfür seiner Lage nach besonders<br />

geeigneten Teplitz geführt werden sollten, bot sich Brockhausen als<br />

Verhandlungsleiter an.<br />

Noch einmal kommt Brockhausen in eingehender Darstellung der Lage hierauf<br />

zurück (3.6.1807). Schon zweifelt er, ob selbst ein entscheidender Sieg an der<br />

Weichsel das französische Heer zertrümmern werde, so daß Napoleon sich zu<br />

einem günstigen Frieden bereit finden lassen würde. Nachdem auf die Hilfe<br />

Englands und Schwedens nicht mehr zu rechnen sei, müsse man sich ernstlich die<br />

Zukunft überlegen 182) . „Man wird sich zweifellos tapfer schlagen, aber man wird<br />

den Ruin des Landes vollenden. Man wird, nicht mehr durch das Versuchen des<br />

Kriegsglücks den Staat retten können. Noch ist es Zeit, an der Spitze bedeutender<br />

Kräfte zu verhandeln. Wenn wir noch mehr Mittel verlieren, noch weitere<br />

Rückschläge erleiden, wird man damit enden, die schlechtesten Bedingungen sich<br />

auferlegen lassen zu müssen.“ 183)<br />

Als Verhandlungsleiter schlägt er in erster Linie den General Kalkreuth vor, wenn<br />

die Verhandlungen <strong>von</strong> der Armee ausgehen sollen, sonst, wenn entfernt <strong>von</strong> der<br />

Armee, auch sich selbst, „plus mon zèle que mes talents“, zumal er den Franzosen<br />

„weder im guten noch im bösen Sinne bekannt“ sei.<br />

Dieser wohlgemeinte Ratschlag ging ad acta. Die Geschichte war bereits darüber<br />

hinweggeschritten, als der Bericht in Memel eintraf.<br />

5. Nach dem Tilsiter Frieden 184)<br />

Der Friede zu Tilsit war geschlossen.<br />

Schon früher hatte Brockhausen den trostlosen Niedergang der Wirtschaft,<br />

insbesondere der Industrie Berlins, und hier wiederum der Seidenfabriken,<br />

beklagt. Mit Empörung berichtet er die ihm mitgeteilten Verwüstungen in<br />

Schlesien und Südpreußen, welche in erster Linie Bayern und Württemberger sich<br />

hatten zu schulden kommen lassen. Er sagt.: „Das ist eine wahre Horde <strong>von</strong><br />

Barbaren, würdig des 15. Jahrhunderts. Man sollte nicht glauben (dies mit Bezug<br />

auf die Bayern), daß sie zu dem gleichen Stamme gehören, dessen Dasein durch<br />

Preußen einst gesichert worden ist, indem sie jetzt die schönsten Provinzen seines<br />

damaligen Beschützers verwüsten.“ Er rühmt den Geist der Schlesier, welche ihre<br />

Anhänglichkeit und Liebe zu König und Vaterland aufs treulichste bewiesen haben<br />

185) . Viele brave Soldaten haben den Wunsch, wieder zur Armee zu stoßen. Leider<br />

fehlt es an Geld, besonders seit der Belagerung <strong>von</strong> Glatz. Der mit ihrer<br />

70


Weiterbeförderung beauftragte Vertreter des Grafen Götzen hat sich, statt sie zu<br />

sammeln und mit Reisegeld zu versehen, in törichte Umsturzpläne eingelassen.<br />

Sehr interessant und für die damaligen Zeitläufte bedeutsam ist das <strong>von</strong><br />

Brockhausen überreichte Tagebuch eines ungenannten Reisenden, der <strong>von</strong><br />

Schweidnitz über BreslauGlogauPosen nach Gnesen fuhr und recht scharf zu<br />

beobachten gewußt hat 186) .<br />

Sehr hübsch sind auch die lebendigen Schilderungen eines echt preußischen<br />

kühnen Husarenstreichs unter dem Befehl Hirschfeldts. Dieser führte seine Leute,<br />

<strong>von</strong> Norden herunterstoßend, mitten durch die feindlichen Linien bis an die<br />

Grenzen der Lausitzen, nahm eine Menge französischer und sächsischer, Offiziere<br />

und Gemeiner gefangen und stürmte ein <strong>von</strong> Bayern und Württembergern ein-<br />

gerichtetes Munitionslager in Krossen. Bei Görlitz gestellt, entwich Hirschfeldt<br />

nach Verlust zweier Offiziere und eines Teiles seiner Leute auf Österreichisches<br />

Gebiet, um <strong>von</strong> dort aus sich nach Kolberg durchzuschlagen 187) .<br />

Nach den Friedensverhandlungen <strong>von</strong> Tilsit kann der Preuße Brockhausen nur mit<br />

bitterstem Schmerze an die geforderte Abtretung <strong>von</strong> preußischen Landesteilen<br />

denken, deren Bewohner so treu und voller Hingabe waren.<br />

Keinesfalls verkennt er die Schwierigkeiten der derzeitigen politischen Lage. „Die<br />

preußische Politik“, sagt er unterm 30.8.1807, „verlangt Beweglichkeit,<br />

Beharrlichkeit und weise Festigkeit“. Brockhausen ist sich vollkommen klar<br />

darüber, daß ein napoleonisches Frankreich unbedingter Gegner Preußens ist und<br />

bleiben wird. Er hat sichere Kunde, daß darüber hinaus Napoleon einen unaus-<br />

löschlichen Haß gerade auch gegen die Person Friedrich Wilhelms III. in sich trägt<br />

und glaubt, diese Tatsache, so peinlich sie ist, seinem königlichen Herrn nicht<br />

verschweigen zu dürfen.<br />

Er rechnet früher vielleicht wie andere, als mit einer sicheren Tatsache, daß die<br />

französischen Heere noch auf lange Zeit hinaus in den preußischen Ländern<br />

stehen bleiben werden.<br />

Brockhausens Beurteilung des Dresdener Hofes und seines Verhaltens war, wie es<br />

wohl nach dem Vorangegangenen nicht anders sein konnte, eine sehr scharfe.<br />

„Die kurfürstliche Familie“, so äußerte er sich bald nach seinem Fortgange, „freut<br />

sich über die Erfolge des Katholizismus und hofft, daß Proselytenmacherei das<br />

Werk der Bekehrung vollenden werde“.<br />

Der Artikel V. des Posener Friedens mit seiner weitgehenden Berücksichtigung der<br />

Katholiken tröste den Hof über alles, was ihm sonst widerfahren sei. Dies werde<br />

eines der Bande sein, die Sachsen am Rheinbunde festhalte. Freilich, die<br />

lutherische Bevölkerung denke entschieden anders. Die Abneigung gegen den<br />

Kurfürsten, wie ihn Brockhausen bis zur Beendigung der Feindseligkeiten beharr-<br />

lich nennt, steigerte sich auch weiterhin, so zwar, daß erneut <strong>von</strong> Übertragung<br />

der Regierung an Karl August <strong>von</strong> Weimar gesprochen wurde 188) . Die<br />

Zurückweisung des ersten Friedensangebots Napoleons durch Friedrich Wilhelm<br />

hatte in Dresden verstimmt. Man hatte gehofft, daß ein überstürzter und un-<br />

günstiger Frieden Sachsen alle gewünschten Erwerbungen sichern würde.<br />

Brockhausen äußert sich bald danach wiederholt aufs schroffste über den<br />

Dresdener Hof, „der immer nur geheuchelt, Preußen im Herzen stets verabscheut<br />

71


habe und nun freudig die Maske abwerfe“. Selbst die französischen<br />

Kommandanten seien verwundert über diesen Wechsel der Stimmung. Der Hof,<br />

die Minister, ein Teil des Adels fanden sich, je länger je mehr, in ein Wohlwollen<br />

für Frankreich hinein. Man habe die Stirn gehabt, sich über jede schlechte<br />

Nachricht, die Preußen betraf, zu freuen.<br />

Von der Armee könne man im Allgemeinen derartiges nicht sagen. Aber die<br />

Gewohnheit, die Anstrengungen eines übelwollenden Hofes, Schmeicheleien und<br />

Auszeichnungen würden die Neigung für Preußen mit der Zeit verschwinden<br />

lassen. Der Kriegsminister <strong>von</strong> Cerrini habe nunmehr Bekanntmachungen ganz<br />

nach der den Franzosen abgelauschten Art erlassen 189) . Ein französischer Mar-<br />

schall werde voraussichtlich die sächsische Armee neu gestalten. Über die Juni-<br />

ereignisse in Preußen sei man entzückt. Man suche mehr zu tun, als Napoleon<br />

verlange, in der Hoffnung auf erhöhte Gegenleistungen. Um so mehr sei man<br />

verstimmt über die Folgeerscheinungen des Friedens <strong>von</strong> Tilsit und die Ab-<br />

machungen in Dresden selbst. Man betrachte Westfalen mit Neid und Furcht.<br />

Man möchte nichts lieber, als sich auf Kosten Preußens bereichern. Dagegen<br />

verursachten die polnischen Dinge allerlei Verlegenheiten und Schwierigkeiten.<br />

Die Reise Friedrich Augusts nach Warschau werde immer wieder<br />

hinausgeschoben. Enttäuscht sei man auch über die Aufnahme verschiedener<br />

kleiner sächsischer Staaten in den Rheinbund, auf welche man nur gar zu gerne<br />

die Hand gelegt haben würde. Ebenso betrübt der Beitritt kleiner Nordstaaten<br />

zum Rheinbunde die Sachsen schwer. Nach Äußerungen Boses haben diese<br />

Staaten sich nur <strong>von</strong> Talleyrands Gnaden erhalten 190) .<br />

Alles aber war vergessen, sobald nun der Diktator Europas selbst sein Kommen<br />

nach Dresden ankündigte. Die größten Vorbereitungen wurden zum feierlichen<br />

Empfange getroffen. Friedrich August war Napoleon am 17.7. bis Bautzen<br />

entgegengefahren. Am 18. fand eine großartige Beleuchtung ganz Dresdens statt.<br />

Triumphbogen, militärische Schauspiele, festlicher Flaggenschmuck, Jagden,<br />

Theatervorstellungen und Essen wechselten sich in bunter Reihenfolge ab.<br />

Friedrich August hoffte bei dieser Gelegenheit auf eine Rangerhöhung in Bezug<br />

auf Polen 191) . Napoleon erklärte: „Nein, aber für später vielleicht möglich.“ Am<br />

24.7. verließ Napoleon Dresden. Noch vorher hatte Friedrich August einen neuen<br />

Orden „de la providence“ gegründet. Es fand ein gegenseitiger Austausch der Or-<br />

den statt. Napoleon war bei dieser Gelegenheit überaus freundlich zu Friedrich<br />

August. Gleichwohl improvisierte er seine Abreise 2 Stunden vor einem großen<br />

Ball. Er hoffte, bereits in 6 Tagen, also am 1.8., in Paris zu sein.<br />

6. Persönliches Erleben 192)<br />

Abschließend für diese Zeit noch einige Bemerkungen über Brockhausens<br />

persönliches Leben. Am 10.4. schildert er die üble Lage der sich im Auslande<br />

befindenden Staatsdiener, insonderheit auch seine eigene. „Mitten in einem<br />

fremden Lande, ohne Hilfsmittel. Der persönliche Kredit hat seine Grenzen.“ Er<br />

bittet um entsprechende Anweisungen an die Bank, die auch, <strong>von</strong> Hardenberg<br />

gezeichnet, erteilt werden 193) . Mehrfach wird ihm der Dank für seine Tätigkeit,<br />

72


insbesondere seine bemerkenswerten und wichtigen Berichte, ausgesprochen. So<br />

am 10.3., 1.4., 10.4., 4.5.1807.<br />

Am 22.7. fragt Graf Goltz bei Brockhausen an, ob er bereit sei, weil der König ihm<br />

einen ganz besonderen Beweis seines Wohlwollens zu geben beabsichtige 194) ,<br />

den Gesandtenposten in Paris zu übernehmen. Brockhausen bejaht dies. Bald<br />

darauf wird er zum Staatsminister und bevollmächtigten Minister in Paris ernannt,<br />

was er am 3.9. dankend bestätigt. Bescheiden fügt er hinzu, daß diese Gnade<br />

hervorgerufen sei mehr durch die Zeitumstände, als durch eigenes Verdienst. Er<br />

will versuchen, sich dieser Gnade würdig zu erweisen. Gern will er seine Ruhe,<br />

sein Glück auf dem Altar des Vaterlandes opfern 195) .<br />

Inzwischen war Brockhausen wiederum nach Dresden zurückgekehrt. Einer der<br />

wichtigsten Aufträge, die er dort zunächst noch zu erfüllen hatte, war eine<br />

Wiederverständigung mit Sachsen. Trotz aller früheren Vorgänge gelang es ihm in<br />

verhältnismäßig kurzer Zeit, sachgemäße Beziehungen wieder herzustellen.<br />

Hierüber kann er bereits am 18.9. zur vollkommenen Beruhigung der Memeler<br />

Regierung berichten, die ihm am 12.10. ihre vollste Genugtuung über das Er-<br />

reichte ausspricht.<br />

Unter dem 3. Oktober 1807 ist der letzte Bericht Brockhausens aus Dresden<br />

geschrieben, wo er 12 ½ Jahre seines Lebens, zuletzt unter so erschwerten<br />

Umständen, verbracht hatte. Den treuen Lautier ließ er zunächst dort noch<br />

zurück. Für ihn selbst hieß es: „Nach Paris, einer neuen bedeutenden Zukunft<br />

entgegen!“<br />

73


C. GESANDTENZEIT IN PARIS<br />

I. Bis zum Eintreffen des Prinzen Wilhelm<br />

1. Bestellung und Anfänge 196)<br />

Die mannhafte und tatkräftige Haltung Brockhausens in der schweren Zeit nach<br />

dem Zusammenbruche Preußens hatte den Gedanken nahegelegt, ihn nunmehr<br />

in bedeutenderen Angelegenheiten des königlichen Dienstes wie bisher zu<br />

verwenden. König Friedrich Wilhelm III., der viel <strong>von</strong> den Kenntnissen und<br />

Talenten Brockhausens hielt 197) , hatte sogar daran gedacht, ihm die Leitung des<br />

Außenministeriums anzuvertrauen. Dies hatte jedoch Hardenberg, dessen<br />

unfreundliche Einstellung gegenüber dem Dresdner Gesandten uns schon<br />

bekannt ist und der <strong>von</strong> der angeblichen „Starrköpfigkeit“ Brockhausens<br />

Reibungen innerhalb des Kabinetts befürchten zu sollen glaubte, zu verhindern<br />

gewußt.<br />

Gegen eine gleichfalls erörterte Übertragung des Wiener Gesandtenpostens an<br />

Brockhausen hatte sich die Hofburg ausgesprochen, weil dort <strong>von</strong> der Dresdener<br />

Zeit her die Gegnerschaft des protestantischen Altpreußen Hertzbergscher Schule<br />

gegen das katholischhabsburgische Österreich nur zu gut bekannt war 198) . Unter<br />

dem 22.7.1807 wurde nunmehr, wie wir gesehen haben, <strong>von</strong> Memel aus bei dem<br />

noch in Teplitz weilenden Brockhausen angefragt, ob er bereit sei, den wieder neu<br />

errichteten Gesandtenposten in Paris zu übernehmen, was er mit dem Ausdruck<br />

des Dankes bejahte. Durch Kabinettsorder vom 22.8.1807 wurde seine Ernennung<br />

zum außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister am Pariser<br />

Hofe ausgesprochen. Die Ausstellung des Beglaubigungsschreibens erfolgte unter<br />

dem 18.9. Weiter wurde dem inzwischen zum Staatsminister beförderten Ge-<br />

sandten eine besondere „Instruktion für die Verhandlungen bezüglich der<br />

Herabsetzung der im Tilsiter Frieden Preußen auferlegten Bedingungen“<br />

mitgegeben.<br />

Brockhausen war sich ganz klar über die ungeheuren Schwierigkeiten seiner<br />

Aufgabe. Er wünschte sich ebensoviel Glück für seine Unternehmung, wie er mit<br />

ernstem Eifer an die Dinge herangehen wolle. „Je ne me cache pas les difficultés<br />

et les chagrins qui m’attendent, mais je suis prêt à tout soutenir avec<br />

résignation.“ 199)<br />

Er war nüchtern genug, eine Besserung der Lage in erster Linie <strong>von</strong> den<br />

Vorstellungen und guten Diensten Rußlands zu erwarten, für welches Napoleon<br />

noch Beachtung zu zeigen scheine. In einem persönlichen Schreiben an den<br />

Außenminister Grafen Goltz aus dieser Zeit 200) bezeichnet er als die einzige<br />

Hoffnung Alexanders Teilnahme an Preußen Geschick. Er hält es für eine der<br />

ersten Pflichten des Pariser Gesandten, die Abneigung Napoleons gegen Preußen<br />

zu überwinden. Die Freundschaft zwischen Alexander und Napoleon sei zur Zeit<br />

die Garantie für den Bestand Preußens.<br />

74


Aber auch kleinere Mittel verschmähte Brockhausen, wie wir sahen, nicht. Die<br />

Wiederbefestigung der Beziehungen zwischen Sachsen und Preußen hielt er doch<br />

für nicht unwichtig.<br />

Um diese Zeit berührte der in Sondersendung bis zur Wiedereinrichtung einer<br />

Gesandtschaft nach Paris gehende General <strong>von</strong> Knobelsdorff Dresden 201) . Er war<br />

Träger eines <strong>von</strong> Friedrich Wilhelm an Napoleon gerichteten Schreibens<br />

betreffend Minderung der Kriegslasten, Beendigung der „Vexationen“, sowie die<br />

genaue Ausführung des Tilsiter Friedens und der Königsberger Konvention. Brock-<br />

hausen war, wie er unter dem 23.9. berichtet, seit mehr als 14 Tagen<br />

marschbereit, doch glaubte er seine Abreise nicht überstürzen zu sollen, da<br />

Napoleon nach den ihm gewordenen Nachrichten nach Italien abgereist sei und<br />

nicht vor Oktober zurückerwartet werde.<br />

Inzwischen suchte der zur Führung des französischen Außenministeriums<br />

betraute Graf Champagny sich bei Knobelsdorff über die Person des neuen<br />

Gesandten zu unterrichten 202) . Knobelsdorff berichtet darüber: „j’y ai répondu,<br />

que monsieur de Brockhausen était un brave Pomméranien, homme loyal et droit<br />

et élève du comte de Hertzberg, qui en faisait grand cas, que Mr. de Brockhausen<br />

était de ces hommes qui gagnent à être connus“ 203) .<br />

Am 20.10. war Brockhausen in Paris angekommen. Der Hof und alle Minister<br />

waren in Fontainebleau. Brockhausen erblickte seine erste Aufgabe darin, sich<br />

vom noch in Paris anwesenden Knobelsdorff über alle Verhältnisse und über die<br />

an ihn ergangenen Erlasse eingehend unterrichten zu lassen. Der Präsident der<br />

Friedenskommission, Sack, hatte einen Entwurf Darus betreffend die Kriegsent-<br />

schädigungen, nach Paris gesandt. Brockhausen erkennt sofort und betont dies:<br />

alle Verhandlungen betreffend Erlaß oder Minderung der Kontributionen in Paris<br />

sind <strong>von</strong> vornherein aussichtslos, weil Napoleon, listig ausweichend, alles Daru<br />

überlassen zu wollen erklärt. Auf der anderen Seite erscheint der im Tilsiter<br />

Frieden bis spätestens 1.12.1807 durchzuführende Bruch mit England eine<br />

unbedingte Voraussetzung für jegliches Zugeständnis <strong>von</strong> Seiten Napoleons.<br />

2. Aufgaben und Schwierigkeiten 204)<br />

Gleich bei seinem Dienstantritt hatte Brockhausen einen bitteren Vorgeschmack<br />

seiner schwierigen und undankbaren Aufgabe 205) .<br />

Nach Benehmen mit Champagny fährt Brockhausen in Knobelsdorffs Begleitung<br />

am ersten Sonnabend nach seiner Ankunft nach Fontainebleau, wo sie Sonntag<br />

früh ankamen. Champagny empfängt sie um 11 Uhr vormittags. „Ein be-<br />

dauerliches Versehen des Unterzeremonienmeisters verhindert heute eine<br />

Audienz. Vielleicht ist diese nächsten Sonntag möglich.“ Brockhausen überreicht<br />

sein Beglaubigungsschreiben und beginnt sofort die Verhandlungen. Er erhebt<br />

Vorstellungen wegen Beschlagnahme der Kassen und Verletzung der Archive. Mit<br />

einem Ton der Empfindlichkeit und zugleich der Würde fährt er fort: „Die<br />

ungeheuren Heeresleistungen berauben uns der Möglichkeit, die Kontributionen<br />

zu leisten. Andererseits schreitet die französische Besatzungsverwaltung sofort zu<br />

äußerst scharfen Zwangsmaßnahmen.“<br />

75


Champagny hört Brockhausen mit jener Freundlichkeit und jenem Interesse an,<br />

die Brockhausen stets, auch später, bei ihm gefunden hat. Er erwidert, die<br />

Friedenskommission selbst sei schuld an diesen unliebsamen Vorkommnissen. Sie<br />

häufe Schwierigkeiten über Schwierigkeiten. Napoleon habe sich berechtigt<br />

gefühlt, sich selbst bezahlt zu machen.<br />

Brockhausen erwidert hierauf, nur die Langsamkeit der sächsischen Behörden<br />

habe die Auslieferung der das Herzogtum Warschau betreffenden Archive<br />

verzögert.<br />

In ebenso eindringlicher wie beweglicher Weise erhebt er erneute Vorstellungen.<br />

Hierauf Champagny: „Napoleon will nicht die Zerstörung Preußens. Sobald die<br />

vereinbarten Bedingungen erfüllt sind, werden die Truppen Preußen verlassen.“<br />

Übrigens habe er selbst keinen Einfluß auf Darus Vorgehen. Er wolle aber<br />

Napoleon genauen Bericht erstatten.<br />

In der Hoffnung, vielleicht doch bald eine Audienz zu erhalten, bleiben<br />

Brockhausen und Knobelsdorff noch einige Tage in Fontainebleau. Brockhausen<br />

hat noch eine zweite Besprechung mit Champagny. Hierbei kommen folgende<br />

Punkte zur Erörterung:<br />

Die Freimachung des Landes <strong>von</strong> den französischen Truppen.<br />

Die Verringerung der Kriegsentschädigung.<br />

Die Zurückziehung des Befehls, daß die Staatseinkünfte nicht mehr für den König<br />

verwaltet werden dürfen.<br />

Die Unmöglichkeit, die Unterhaltung eines so großen Heeres auf die Dauer<br />

durchzuführen 206) .<br />

Champagny hört diese Darlegungen ruhig an und ergeht sich in allgemeinen<br />

Wendungen. Er bemerkt u.a., Napoleon sei sehr ungehalten (piqué), daß die<br />

Friedenskommission sich zu keiner Verständigung bereit finden lassen wolle.<br />

Zunächst müßten sofort einmal 30 Millionen Livres bezahlt werden. Brockhausen<br />

hält dem entgegen, daß die Aufbringung einer solchen Summe in so kurzer Zeit<br />

unmöglich sei.<br />

Da der Großzeremonienmeister schreibt, daß Napoleon noch keinen Tag zur<br />

Audienz festgesetzt und diese daher sich wohl noch einige Zeit hinauszögern<br />

werde, so begibt sich Brockhausen nach Paris zurück, um die inzwischen etwa<br />

eingegangenen Befehle des Kabinetts einzusehen. Er unterläßt nicht, den ihm<br />

gewordenen Auftrag bez. Herabsetzung der auf Grund des Tilsiter Friedens<br />

geforderten Leistungen nach Möglichkeit zu fördern und richtet in diesem Sinne<br />

einige persönliche Schreiben an Champagny, so am 30.10. und 1.11. Champagny<br />

sei wie Brockhausen meint nicht ohne Gefühl und Teilnahme für Preußens<br />

Geschick. Allein er besitze wenig Einfluß, Talleyrand werde die oberste Leitung<br />

übernehmen unter der Bezeichnung „Hof und Staatskanzler“.<br />

Brockhausen gibt sich keinen Täuschungen über den Ernst der Lage hin. Napoleon<br />

soll gegenüber der Prinzessin <strong>von</strong> Thurn und Taxis sich geäußert haben: „Ich<br />

verlange nur 100 Millionen, wenn bestimmte Zahlungsfristen angeboten werden.“<br />

Ferner: „Man wird sehen, daß ich nach zwei Jahren wiederum Krieg gegen<br />

76


Preußen machen muß, denn die jungen Offiziere schreiben das Gesetz vor, wie<br />

vor dem Kriege.“<br />

Brockhausen vermutet, daß man einen Vorschlag wegen Landabtretungen<br />

erwartet. Man lebt des Glaubens, daß Friedrich Wilhelm lieber eine halbe Provinz<br />

opfern wolle, als den Aufenthalt der Truppen in seinen Landen länger dulden 207) .<br />

Da ein solches Angebot nicht vorliegt, will man durch die außerordentliche<br />

Forderung der Abtretung bedeutenden Kronbesitzes einen Druck ausüben. „Das<br />

aber“, sagt Brockhausen, „hieße das Todesurteil Preußens unterschreiben“. Nicht<br />

genug kann er klagen über die Verlegenheiten und Schwierigkeiten seiner<br />

Stellung. Er möchte gern mit größerer Lebhaftigkeit handeln, und doch ist im vor-<br />

liegenden Falle das Wesentliche, wenig aber mit Verstand und zweckmäßig zu<br />

handeln und nichts zu verderben. Er hat sich diese Linie vorgezeichnet und hofft<br />

auf Billigung seines Standpunktes durch den König.<br />

Wieder kommt er zu der Auffassung, daß nur die Vermittlung Rußlands Preußen<br />

retten könne 208) . Napoleon lege dauernd größtes Gewicht auf die Freundschaft<br />

mit Alexander. Das kleinste Wölkchen, das dieses Verhältnis zu trüben scheine,<br />

beunruhige ihn. Aus diesem Grunde erwartet Brockhausen ungeduldig die<br />

Ankunft des neuen russischen Gesandten, des Grafen Tolstoi. Wenn seine An-<br />

weisung bestimmt und klar, wenn Tolstoi selbst in diesem Sinne tätig sei, dann<br />

könnte mit dem Ende der peinlichen Lage Preußens vielleicht gerechnet werden.<br />

Der Herzog <strong>von</strong> Benevent sei <strong>von</strong> größter Friedensstimmung erfüllt, er wolle, sagt<br />

man, sein möglichstes tun, um auch Napoleon so zu stimmen. Er erkläre laut, so<br />

gegenüber der Prinzessin Thurn und Taxis, daß dem furchtbaren Zustande<br />

Preußens ein Ende gemacht werden müsse.<br />

Indessen ist noch nichts entschieden.<br />

Auch die Angelegenheiten der übrigen deutschen Staaten gehen nicht vorwärts.<br />

Die verschiedensten Fürsten sind mit ihren Ministern erschienen, um sich einige<br />

„Beutestücke zu erwinseln“. Am angenehmsten erscheint noch das Betragen des<br />

Herzogs <strong>von</strong> Coburg. Dieser hat mit Napoleon und der Kaiserin gegessen, wobei<br />

die Kaiserin über die Königin Luise, Napoleon selbst sich über Friedrich Wilhelm in<br />

ehrenvoller Weise aussprach. Immerhin ist es Napoleon mit einem scharfen Ton<br />

der Empfindlichkeit entfahren, Friedrich Wilhelm zeige nicht genug Widerstand<br />

gegen den Ansturm der Militärs, die einen neuen Krieg wollten. Brockhausen<br />

glaubt, diese Äußerungen berichten zu müssen. Als drohendes Gespenst fügt er<br />

hinzu, daß nach neueren Gerüchten die Familie Braganza abgedankt, Portugal<br />

besetzt werden solle.<br />

Nach und nach verlassen die Fürsten, einer nach dem andern, Paris. Dalberg ist<br />

immer noch in Fontainebleau, ohne etwas zu tun. Man sagt, er habe nicht mehr<br />

den Einfluß wie einst. Man findet ihn sogar langweilig, das Schlimmste, was in<br />

Paris geschehen kann. Gerüchte jeder Art gehen um, so z.B. über die Schaffung<br />

eines neuen Rheinkönigtums (Nassau, Darmstadt, Berg usw.), und die Wiederher-<br />

stellung des Kurfürsten <strong>von</strong> Hessen, aber noch ist alles in der Schwebe.<br />

3. Vorstellungen und Verhandlungen 209)<br />

77


Mit der am 1.11. stattfindenden Ankunft des russischen Gesandten Grafen Tolstoi<br />

erhofft Brockhausen eine günstige Wendung der Dinge. Er setzt sich sogleich in<br />

Verbindung mit ihm und gibt ihm Kenntnis <strong>von</strong> den neuen Forderungen Darus und<br />

der Antwort der Friedenskommission hierauf. Tolstoi zeigt sich über die Fassung<br />

des Entwurfes dieser Konvention äußerst befremdet. Als guter Russe befürchtet<br />

er in den Bestimmungen betreffend die Festungen eine Kriegsdrohung gegen<br />

Rußland erblicken zu müssen. Er fragt besorgt, ob etwa schon die Unterzeichnung<br />

erfolgt sei, was Brockhausen nach den letzten Nachrichten verneinen zu können<br />

glaubt. Tolstoi erklärt, alles aufbieten zu wollen, um die schweren Bedrückungen<br />

Preußens zu erleichtern; er fürchtet nur, nicht soviel Einfluß zu haben, wie man<br />

unterstellt. Trotz Versicherung des Gegenteils durch Brockhausen glaubt Tolstoi,<br />

daß Napoleon nicht mehr den früheren Wert auf die Freundschaft Alexanders<br />

lege.<br />

Jedenfalls verabreden beide einen Plan, mit einer gewissen Mischung <strong>von</strong><br />

Freundlichkeit und. Festigkeit gemeinsam vorzugehen.<br />

Zunächst gestaltet Napoleons Aufenthalt in Fontainebleau die Verhandlungen<br />

langsam und schwierig. Auch Tolstois Audienz ist noch nicht festgesetzt.<br />

Brockhausen entbehrt immer noch einer Mitteilung bezüglich seines Empfanges.<br />

Verschiedene Anzeichen deuten darauf hin, dal seine Audienz verschoben werden<br />

soll bis nach dem Abschluß der Konvention. Man begründet dies damit, daß Napo-<br />

leon dem preußischen Gesandten nichts Unliebenswürdiges sagen wolle. übrigens<br />

sind auch andere Gesandte, wie z.B. der <strong>von</strong> Spanien und der Türkei, in gleichem<br />

Falle. Eine Einwirkung auf die Person des Kaisers selbst ist somit allerdings für<br />

Brockhausen z.Zt. unmöglich. Im übrigen wird er jedoch vollständig als Gesandter<br />

anerkannt. Er hat fortlaufende Besprechungen mit Champagny, der unter<br />

Talleyrand das Außenministerium fortführen wird.<br />

Auch Tolstoi hat verschiedentlich Aussprachen mit Champagny. Auf die dringende<br />

Bitte Brockhausens will er bei günstiger Gelegenheit die preußischen Dinge zur<br />

Sprache bringen. Der immerhin mögliche Eintritt Preußens in den Rheinbund<br />

scheint ihn zu schrecken 210) . Brockhausen benutzt sehr geschickt diese Besorgnis,<br />

um ihn für seine Zwecke gefügig zu machen.<br />

Man sucht Tolstoi <strong>von</strong> Seiten des Pariser Hofes mit allerhand<br />

Liebenswürdigkeiten, zu gewinnen. Insbesondere durch die Bereitstellung einer<br />

Wohnung im schönen, früher vom FürstPrimas bewohnten Palais Telusson. Tolstoi<br />

zeigt sich abwartend und zurückhaltend. Er empfiehlt Brockhausen, sich in ihrem<br />

Verkehr miteinander nach außen hin keinerlei Vertraulichkeiten zu gestatten. Er<br />

hoffe, dann um so mehr wirken zu können. Gleichwohl stellt Brockhausen fest,<br />

daß Tolstoi noch nicht mit dem <strong>von</strong> ihm erhofften Feuer für die preußische Sache<br />

eintritt, sondern erst auf Befehle <strong>von</strong> Petersburg zu warten scheint. Um diese zu<br />

beschleunigen und in einem für Preußen günstigen Sinne zu gestalten, rät Tolstoi<br />

Brockhausen, seinen König zu einem persönlichen Handschreiben an Alexander zu<br />

veranlassen. Schon jetzt aber ist er unbedingt gegen Einräumung der Sicherheits-<br />

plätze und gegen Hingabe der Domänen, die höchstens zur hypothekarischen<br />

Beleihung verwendet werden dürften. Seine ganze Einstellung geht darauf hinaus,<br />

eine allzu große Nachgiebigkeit Preußens zu verhindern. Unmittelbar nach seinem<br />

78


Empfang bei Napoleon stellt er Brockhausen vor, alles komme jetzt darauf an, den<br />

Forderungen Frankreichs mit Festigkeit entgegenzutreten: Allerdings verschweigt<br />

er, aus Besorgnis, andernfalls Brockhausen zu verzweifelten Schritten zu treiben,<br />

die Äußerungen Napoleons, wonach die Räumung Preußens vom zuvorigen<br />

Verzicht Rußlands auf die Erwerbung der Donauländer abhängig gemacht werden<br />

müsse 211) .<br />

Inzwischen wird Brockhausen <strong>von</strong> Champagny in zwei persönlichen Schreiben<br />

vom 4. und 6.11. über die Auffassungen des Pariser Hofes unterrichtet. Durch<br />

Vermittlung Champagnys war ein Handschreiben Friedrich Wilhelms an Napoleon<br />

übergeben worden. Dieser läßt, wie Champagny unter dem 4.11. mitteilt, hierauf<br />

erklären, alles getan zu haben, was dazu dienen könnte, die Konvention ohne<br />

Verzug zu erfüllen. Wenn auch Preußen in gleicher Weise verfahren wäre, dann<br />

wäre es bereits heute frei. Aber das Memeler Kabinett, obwohl es sich die Folgen<br />

dieser Stellungnahme klar machen müßte, leiste Widerstand, habe nichts<br />

beschlossen und nichts geantwortet. Wenn es sich <strong>von</strong> falschen Hoffnungen habe<br />

leiten lassen, so trage es selbst die Schuld. Die Sprache Napoleons sei stets klar<br />

und unwiderruflich gewesen. Zum Schlusse kehrt die bekannte Erklärung wieder,<br />

daß die Ausführung des Vertrages allein in der Hand Darus liege und nur in Berlin<br />

diese Fragen entschieden werden könnten.<br />

Im Schreiben vom 6.11. verweist Champagny den Gesandten auf die Bestimmung<br />

des Tilsiter Friedens, wonach am 1.12.1807, wenn England bis dahin keinen Frie-<br />

den geschlossen habe, Preußen sich den kriegerischen Maßnahmen Frankreichs<br />

anzuschließen habe. Wie die Dinge lägen, erwachse bei der durch das letzte<br />

Vorgehen gegen Dänemark hinreichend bekannt gewordenen Absichten Englands<br />

für Preußen die unabweisbare Pflicht, sich den übrigen Festlandsmächten<br />

anzuschließen. Durch Vermittlung Brockhausens soll Preußen zur Durchführung<br />

der Bestimmungen, Krieg gegen England, Abberufung des Gesandten, Schließung<br />

der Häfen, aufgefordert werden.<br />

Am 9.11. wird Brockhausen erneut nach Fontainebleau zu Champagny<br />

herausgebeten. Hier hat er Gelegenheit, die falschen Gerüchte über ein<br />

angebliches Abkommen Preußens mit England aus der Welt zu schaffen. Zu seiner<br />

Freude hört er, daß Napoleon Daru sein Mißfallen ausgesprochen habe über die<br />

Forderung <strong>von</strong> insgesamt fünf Festungen. Kolberg und Graudenz sollen nicht<br />

verlangt werden. Brockhausen schreibt diesen Verzicht nur dem russischen<br />

Einfluß zu. Er sucht nun die einzelnen Punkte der Forderungen bezüglich der<br />

Domänen, der Zahlungen usw. zu widerlegen. Die Domänen sollen anscheinend<br />

zu Dotationszwecken für die Marschälle Verwendung finden. Champagny meint,<br />

Friedrich Wilhelm könne ja die Domänen <strong>von</strong> den Beschenkten wiederkaufen. Er<br />

rät, möglichst im ganzen zu zahlen, nötigenfalls durch Aufnahme einer Anleihe.<br />

Erneuten Vorstellungen Brockhausens begegnet Champagny mit den Worten, er<br />

habe die Absichten des Kaisers gesagt, er könne nichts mehr hinzufügen.<br />

Brockhausen bringt zur Sprache, daß nur die Räumung Berlins dem Königshause<br />

eine würdige Daseinsmöglichkeit schaffen könnte. Dem Einwand Champagnys<br />

gegenüber, Berlin als eine der Grenze zu nahe gelegene Stadt sei nicht sicher<br />

genug, betont Brockhausen, daß Friedrich Wilhelm entscheidendes Gewicht<br />

darauf lege, bald nach Berlin zurückzukehren.<br />

79


Auf eine erneute Bitte wegen einer Audienz beim Kaiser kommt Champagny mit<br />

den bekannten Ausflüchten. Es solle aber die Weigerung, ihn zu empfangen, in<br />

keiner Weise eine Rückwirkung auf seine Stellung haben. Brockhausen glaubt auf<br />

diese äußerliche Seite der Sache angesichts der bedeutenden zu regelnden Dinge<br />

nicht immer wieder zurückkommen zu sollen. Um so weniger, als die große ihm<br />

am Herzen liegende Sache hierdurch an sich nicht berührt wird.<br />

Jener vorerwähnten Anregung Tolstois entsprechend befürwortet Brockhausen in<br />

einem Privatbriefe an Goltz, bei Friedrich Wilhelm eine Einwirkung auf den Zaren<br />

in dem Sinne herbeizuführen, daß dieser bestimmte Weisungen an seinen<br />

Gesandten gibt, in erhöhtem Maße für Preußen einzutreten. Tausend Gründe, die<br />

man nicht dem Papier anvertrauen könne, zwängen zu einem solchen Schritte,<br />

der nur mit größter „Delikatesse“ <strong>von</strong> Herrscher zu Herrscher ausgeführt werden<br />

könnte.<br />

Am gleichen Tage (10.11.1807) gibt er ein Stimmungsbild an den Präsidenten der<br />

Friedenskommission, Sack. Das Gerücht gehe um, daß Daru abberufen werden<br />

solle. Richtig sei, daß er zahlreiche Feinde habe. In Paris gebe es viel<br />

teilnehmende Seelen für Preußen, doch nütze das leider wenig. Wenn man in der<br />

Lage wäre, eine bedeutende Summe anzubieten, in bar oder in Wechseln, und für<br />

den Rest Schuldverschreibungen auf kurze Fristen, dann müsse man meinen<br />

werde sich die Sache doch machen lassen. Sack werde am besten beurteilen<br />

können, ob man so harte Bedingungen über sich ergehen lassen müsse. Rußland<br />

sei der letzte Hoffnungsanker für Preußen.<br />

Eine Note Brockhausens vom 13.11., an Champagny gerichtet, enthält alles, was<br />

zwischen beiden besprochen worden ist und was sich zur Durchführung des<br />

Auftrages Brockhausens sagen läßt.<br />

Des weiteren pflegte der Gesandte inzwischen Unterredungen mit Talleyrand.<br />

Dieser zeigte sich scheinbar gerührt <strong>von</strong> der traurigen Lage Preußens. Er<br />

versicherte Brockhausen, daß Champagny ebenso denke und sicherlich alles, was<br />

mündlich oder schriftlich an ihn gekommen sei, treulich an Napoleon ausgerichtet<br />

habe.<br />

Inzwischen hatte Sack seinerseits eine Note Darus an Brockhausen gelangen<br />

lassen, in welcher Daru neben anderen weitgehenden Forderungen 100 Millionen<br />

sofort ausgezahlt wissen wollte. Aus Memel waren verschiedentliche An-<br />

weisungen, Wünsche und Klagen gekommen. Insbesondere beschwerte man sich<br />

über die Ausschreitungen des Unmenschen Stassart, der die unglaublichsten Be-<br />

drückungen in Ost und Westpreußen verübt hatte.<br />

Die Hauptsache aber war und blieb für die preußische Regierung die<br />

Herabsetzung der Forderungen Napoleons. In dieser Hinsicht setzte sie ihre<br />

ganzen Hoffnungen auf einen Schritt, den man schon zu Beginn des Oktober 1807<br />

ins Auge gefaßt und vorbereitet hatte.<br />

4. Vorbereitung der Reise des Prinzen Wilhelm<br />

80


In den Berliner Kreisen war Brockhausen wie uns <strong>von</strong> früher her noch erinnerlich,<br />

nicht sonderlich beliebt. Seine oft scharfe und rücksichtslose Art hatte die Herren<br />

Geheimräte zu oft verstimmt. Man glaubte am. Erfolg seiner diplomatischen<br />

Tätigkeit zweifeln zu sollen, noch ehe er überhaupt in Paris eingetroffen war und<br />

die Verhandlungen begonnen hatte. Im Verkehr preußischer Regierungsbeamter<br />

mit höheren Offizieren der französischen Garnison, die angeblich im Gegensatze<br />

zu Daru sich wohlwollend zu Preußen stellten, war man übereingekommen, daß<br />

es zum größten Vorteil gereichen könnte, wenn der König sich entschlösse, über<br />

den Gesandten hinweg oder doch neben ihm eine unmittelbare Verhandlung mit<br />

Napoleon anzuknüpfen. Hierzu schien aber, um Reibungen zu vermeiden, die Ent-<br />

sendung eines Prinzen des königlichen Hauses zweckmäßig zu sein. Der<br />

Vorsitzende der Friedenskommission, Sack, ging bereitwillig auf diese Gedanken<br />

ein. Man stellte die Sache dem Könige vor. Auch Stein sprach sich, sonst ein<br />

Freund Brockhausens und fast immer in völliger Übereinstimmung mit seinen<br />

Anschauungen, für diese Plan aus. Zum Führer dieser Sondergesandtschaft wurde<br />

der jüngere Bruder des Königs, Prinz Wilhelm, bestimmt, der mit einigen<br />

Vertretern des Außenministeriums und dem in Paris wohlbekannten und<br />

geachteten Alexander <strong>von</strong> Humboldt demnächst die Ausfahrt antreten sollte 212) .<br />

Es ist wohl zu bedauern, daß die Entsendung des Prinzen nicht unter eingehender<br />

Darlegung der dafür maßgebenden Gesichtspunkte mit dem neu ernannten<br />

Gesandten in persönlicher Besprechung erörtert, sondern alles dem schriftlichen<br />

Verkehr überlassen worden war. Gewiß, die Entfernung war groß und die Zeit<br />

kostbar, gleichwohl hätte zum mindesten ein besonderer Beauftragter<br />

Brockhausen über die Sachlage unterrichten können, wobei dann zugleich die<br />

Möglichkeit gegeben war, über alle einschlägigen Fragen Anweisungen des<br />

Kabinetts im einzelnen zu übermitteln. Diese Unterlassung sollte sich rächen. Es<br />

wäre vom menschlichen Standpunkte nicht verwunderlich gewesen, wenn<br />

Brockhausen, als er einige Zeit nach seiner Ankunft in Paris, durch Vermittlung<br />

<strong>von</strong> Knobelsdorff, die Mitteilung <strong>von</strong> der Reise des Prinzen Wilhelm erhielt, durch<br />

diese ihn überraschende Wendung einigermaßen verstimmt worden wäre. Es<br />

wird zu untersuchen sein, ob und inwieweit Brockhausen, durch eine an sich<br />

begreifliche Mißstimmung beeinflußt, es an der erforderlichen Bereitwilligkeit<br />

und Tatkraft zur Durchführung der ihm übertragenen Aufgaben irgendwie hat<br />

fehlen lassen 213) .<br />

5. Haltung Bockhausens gegenüber der Reise des Prinzen Wilhelm 214)<br />

Die Reise war am 12.10.1807 befohlen. Der Befehl befand sich frühestens nach<br />

seiner Rückkehr aus Fontainebleau Anfang November in den Händen des<br />

Gesandten.<br />

Um diese Zeit wurde ein Ereignis bekannt, das, wie es den Fortgang der<br />

Verhandlungen im allgemeinen zu behindern drohte, so besonders hinsichtlich<br />

der Reise des Prinzen Schwierigkeiten erwachsen ließ. Napoleon trat eine in<br />

Hofkreisen schon des öfteren besprochene Reise nach Italien an 215) . Brockhausen<br />

klagte: „Die Abreise Napoleons wird den Marsch unserer Sache verlangsamen und<br />

unsere Anstrengungen zum Aufschub verurteilen.“ Als recht unvollkommenes<br />

81


Mittel zur Aufrechterhaltung der Fühlung blieb nur ein Briefwechsel mit<br />

Champagny.<br />

Die Lage war nun für Brockhausen besonders schwierig, weil er wegen der weiten<br />

Entfernungen sich unmöglich innerhalb der gestellten Frist über diese Sache<br />

verständigen konnte.<br />

Jetzt rächte es sich, daß nicht zuvor mit dem Gesandten eingehende Rücksprache<br />

über diese Sache genommen war. In Ermangelung einer solchen konnte<br />

Brockhausen nicht voll ermessen, welche außerordentliche Bedeutung der König<br />

der Sendung seines Bruders beigelegt wissen wollte. Er durfte sich daher auch<br />

wohl für berechtigt halten, die Angelegenheit in ihren Einzelheiten mit dem<br />

Prinzen allein zu regeln, ohne die Weisungen der Memeler Regierung in jedem<br />

Fall zunächst vorher einzuholen.<br />

Nach längerer Überlegung faßte er den Entschluß, dem Prinzen zu empfehlen, die<br />

Rückkehr Napoleons abzuwarten.<br />

Dies ist ihm wohl so ausgelegt worden, als habe er unter dem angeblichen Einfluß<br />

einer gewissen persönlichen Verstimmung die Ankunft des Prinzen hinauszögern<br />

wollen. Soweit wir den schlichten, geraden, seinem König so treu ergebenen<br />

Mann bisher kennen gelernt haben, kann nicht angenommen werden, daß<br />

eigensüchtige Gesichtspunkte seine Entschließung irgendwie bestimmten. Es<br />

waren vielmehr rein sachliche Erwägungen ernstester Art, die ihn veranlaßten, die<br />

Angelegenheit noch hinauszuziehen. War es nicht zweckmäßig, zunächst die<br />

Rückkehr Napoleons abzuwarten? Wäre der Prinz nicht auch unter die Schar jener<br />

keine sehr glückliche Rolle spielenden deutschen Fürsten gerechnet worden, die<br />

hier in Paris auch während der Abwesenheit des Kaisers sich aufhielten und <strong>von</strong><br />

der Gnade seiner Hofschranzen Vorteile erhofften? Wäre vor Klarstellung des<br />

Verhältnisses Preußens zu England überhaupt der Empfang des Prinzen<br />

genehmigt worden? Wäre es ihm in dieser Hinsicht nicht vielleicht ähnlich<br />

ergangen wie dem General Knobelsdorff und Brockhausen selbst? War nicht<br />

wenigstens zu besorgen, daß bei nicht rechtzeitiger Durchführung der im Tilsiter<br />

Vertrag gegen England in Aussicht gestellten Maßnahmen die Art der Aufnahme<br />

des Prinzen Wilhelm ungünstig beeinflußt werden würde? War es nicht auch<br />

wünschenswert, wenn zunächst jedenfalls eine gewisse Verhandlungsgrundlage<br />

geschaffen und dem Prinzen nur verblieben wäre, die letzte Hand im Sinne eines<br />

für Preußen günstigen Ausgleichs an das Werk zu legen, ohne etwa auf Berlin als<br />

Verhandlungsort verwiesen zu werden?<br />

Alle diese Fragen beschäftigten den Gesandten außerordentlich. Er hat sie mit<br />

den maßgebenden Persönlichkeiten der französischen Hofgesellschaft und der<br />

höheren Beamtenschaft verschiedentlich durchgesprochen. An abmahnenden<br />

Stimmen fehlte es keineswegs. Auch Talleyrand riet, die Ankunft des Prinzen<br />

wenigstens solange zu verschieben, bis der Kaiser aus Italien zurückgekehrt sei<br />

216) . In ähnlichem Sinne äußerte sich auch Graf Tolstoi. Dieser mit dem vielleicht<br />

auch <strong>von</strong> Brockhausen geteilten Hintergedanken, daß der Prinz möglichenfalls zu<br />

große Nachgiebigkeit bekunden werde.<br />

Brockhausen hat nun in diesem Sinne schleunigst nach Homburg, dem derzeitigen<br />

Aufenthaltsort des Prinzen, berichtet und ihm anheimgegeben, seine Reise<br />

zunächst zu verschieben<br />

82<br />

217) . In seinen sonst sehr eingehenden Berichten nach


Memel erwähnte er allerdings zunächst hier<strong>von</strong> nichts, wahrscheinlich, um in<br />

diese seines Erachtens zwischen dem Prinzen und ihm zu regelnde Angelegenheit<br />

keine Verwirrung hineinzutragen. Freilich sollte er hierdurch das gerade Gegenteil<br />

erreichen. Inzwischen zeigte man sich nämlich in Memel, wo man mit Spannung<br />

einem Ergebnisse der Sendung des Prinzen entgegensah, einigermaßen<br />

beunruhigt durch das Ausbleiben jeglicher Nachrichten über diesen Punkt. Bereits<br />

am 24.11. beklagt Goltz die „unerfreuliche Verzögerung“ der Reise und wünscht<br />

endlich unterrichtet zu sein über das Schicksal des am 12.10. an Knobelsdorff ge-<br />

sandten Briefes, ohne sich klar zu machen, daß er in so kurzer Zeit nach Lage der<br />

Dinge tatsächlich noch keine Nachricht erwarten durfte. Als am 11.12. noch<br />

immer keine Mitteilung über die Reise eingeht, spricht Goltz gegenüber<br />

Brockhausen seine Überraschung über die ungenügende Art seiner<br />

Berichterstattung aus. Er unterstellt, daß dieser im Unmut über die ohne seine<br />

Zustimmung und Kenntnis erfolgte Sendung des Prinzen Schwierigkeiten mache.<br />

Goltz habe ihn doch <strong>von</strong> vornherein darauf hingewiesen, daß der Prinz im<br />

Einvernehmen und in vollster Übereinstimmung mit Brockhausen arbeiten werde.<br />

Wenn Brockhausens Eifer und Anhänglichkeit für das Königreich so groß seien,<br />

wie er (Goltz) Grund habe anzunehmen, so habe er mit Sicherheit darauf zählen<br />

können, daß jener alles aufbieten werde, um in gleichem Geiste mit dem Prinzen<br />

zu handeln, ohne sich irgendwie beeinflussen zu lassen.<br />

In Wirklichkeit war diese Entrüstung nicht begründet. Schon längere Zeit, bevor<br />

dieser Erlaß überhaupt niedergeschrieben wurde und bevor die vom Prinzen<br />

zwecks Beschleunigung der Sache vorausgeschickten Abgesandten Humboldt und<br />

LeCoq eingetroffen waren, hatte Brockhausen aus freien Stücken, angesichts der<br />

Tatsache, daß die Reise Napoleons sich demnächst ihrem Ende näherte, die Pässe<br />

für den Prinzen aus Italien kommen lassen 218) . Bereits am 25.12. waren sie in<br />

seinen Händen. Aber eine Meldung über das in dieser Hinsicht Veranlaßte<br />

enthielten seine damaligen Berichte nach Memel allerdings nicht. Nun schlug die<br />

Empörung beim König und seinen Ministern in hellen Flammen hoch, um so mehr,<br />

da am 17.12. ein Schreiben des Prinzen Wilhelm einging, in welchem er unter<br />

Mitteilung der ihm <strong>von</strong> Brockhausen gemachten Vorschläge über diesen lebhaft<br />

Klage führte. In einem sehr geharnischt gehaltenen Erlaß vom 18.12. wurde der<br />

Gesandte auf seine Pflicht hingewiesen. Friedrich Wilhelm fügte diesem Erlasse<br />

folgenden eigenhändigen Zusatz bei: „Ich gestehe, daß ich aufs unangenehmste<br />

überrascht bin <strong>von</strong> der ungenügenden Befolgung meiner Befehle bezüglich der<br />

Reise meines Bruders Wilhelm, ebenso darüber, daß Sie sich unerklärlicherweise<br />

über einen Gegenstand <strong>von</strong> solcher Bedeutung gar nicht aussprechen. Ich gebe<br />

mich der Hoffnung hin, daß Sie das wieder gut machen durch den besonderen<br />

Eifer, mit dem Sie die Schritte meines Bruders zu fördern suchen. Ich kann nicht<br />

annehmen, daß ich mich in Ihnen getäuscht habe.“<br />

Gleichzeitig wurde in einem besonderen Handschreiben an den Bruder diesem<br />

durch Kabinettsordre die Befugnis verliehen, den Gesandten im Auftrage des<br />

Königs seines Amtes zu entheben, falls er sich widersetzlich erweisen sollte.<br />

Erfreulicherweise war es keineswegs nötig, diese Drohung auszuführen. Lange vor<br />

Eingang dieser Verfügungen war der Prinz bereits gleich nach Napoleon in Paris<br />

glücklich eingetroffen.<br />

83


Man kann durchaus verstehen, wenn der König in der außerordentlich schweren<br />

Lage, in welcher er sich im äußersten Winkel seines Reiches, <strong>von</strong> ungeheuren<br />

Gefahren bedroht, nur <strong>von</strong> wenigen treuen Ratgebern umgeben, befand, in der<br />

vielleicht auch künstlich geschürten Erregung ohne nähere Prüfung des<br />

Sachverhalts, zu derartig scharfen Maßnahmen greifen zu müssen glaubte. Der in<br />

erster Linie durch die Weite der Entfernungen verschuldete Mangel an ent-<br />

sprechenden Meldungen über die tatsächliche Lage mochte ihn zu einer<br />

mißverständlichen Auffassung bringen.<br />

Andernfalls aber darf man keinesfalls dem Gesandten gegenüber den Vorwurf<br />

erheben, wie es wohl schon geschehen ist, als habe er absichtlich aus<br />

eigensüchtigen Gründen die Reise des Prinzen hintertreiben wollen, während er<br />

doch nach dem Vorhergesagten, nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt zu<br />

haben, für sich in Anspruch nehmen konnte. Man muß sich folgendes hierbei<br />

vergegenwärtigen: Die Befehle Friedrich Wilhelms III. bezüglich der Reise seines<br />

Bruders vom 12.10.1807 und noch an Knobelsdorff gerichtet, können, da im<br />

allgemeinen die Bestellung <strong>von</strong> Memel nach Paris und umgekehrt, etwa 3<br />

Wochen in Anspruch nahm, frühestens in den ersten Novembertagen an Knobels-<br />

dorff gelangt und <strong>von</strong> diesem an Brockhausen weitergeleitet sein. Zwischen dem<br />

Empfang dieser Anordnungen und der Reise Napoleons war nur ein ganz geringer<br />

zeitlicher Zwischenraum. Wenn, wie wir anzunehmen Grund haben, die Reise<br />

bereits gerüchtweise bekannt war, so traten naturgemäß für Brockhausen jene<br />

schon erwähnten Erwägungen ein, die schließlich dazu führten, sich zunächst ab-<br />

wartend zu verhalten. Nach seinem Bericht vom 29.11., eingegangen in Memel<br />

am 21.12., hat Brockhausen pflichtgemäß Rücksprache genommen mit<br />

einflußreichen höheren Beamten. Einer derselben sagte, nachdem er zu<br />

Brockhausens Überraschung überhaupt an sich <strong>von</strong> der Reise des Prinzen abge-<br />

raten hatte, hinsichtlich des Zeitpunkts seines Kommens wörtlich folgendes: „Es<br />

gibt nichts anderes zu tun, als die Rückkehr Napoleons abzuwarten; dieser wird<br />

etwa gegen Weihnachten zurück sein. Unmöglich kann der Prinz ihm folgen, da<br />

der Aufenthalt des Kaisers nirgends fest bestimmt ist und er eine militärische<br />

Reise längs der Küste macht.“<br />

Bezüglich der Brockhausen gleichfalls zur unmittelbaren Aushändigung an<br />

Napoleon zugegangenen persönlichen Handschreiben des Königs und der Königin<br />

riet jener Würdenträger gleichfalls lieber zu warten, als sie den unsicheren<br />

Verkehrsverhältnissen Italiens anzuvertrauen. Immerhin entschloß sich<br />

Brockhausen doch, sie mit dem nächsten Kurier zu schicken. „Vielleicht“ sagt er<br />

„machen sie doch einen günstigen Eindruck“ 219) .<br />

Brockhausen betont, wie sehr es ihm am Herzen liegt, nicht das geringste in<br />

diesen Dingen zu versäumen. In seinem Bericht vom 4.12., eingegangen in Memel<br />

am 26.12., kommt Brockhausen auf die Angelegenheit noch einmal zurück.<br />

Nachdem Prinz Wilhelm Brockhausen <strong>von</strong> seiner Ankunft in Frankfurt a.M.<br />

benachrichtigt hatte, hat Brockhausen erneut Schritte im Ministerium unter dem<br />

Gesichtspunkt getan, ob eine Möglichkeit wäre, daß der Prinz auch in<br />

Abwesenheit des Kaisers, ohne <strong>von</strong> diesem ausgestellte Pässe zu besitzen, nach<br />

Paris kommen könnte.<br />

„J’ai été de suite en prévenir le premier chef de bureau pour savoir si le prince<br />

pourrait venir ici avant le retour de l’Empereur. On m’a dit, que s’il avait un<br />

84


passeport du Maréchal Soult pour Paris, qu’il n’y avait pas la moindre difficulté.<br />

Mais comme V. M. avait annoncé à l’Empereur l’arrivée de son Auguste Frére et<br />

demandé les passeports, il était peutêtre plus convenable qu’il les attendi à<br />

Frankfort ou Hombourg. J’ai eu l’honneur d’ecrire ceci à Son A. R. pour<br />

abandonner à ses lumières ce qu’Elle jugera à propos de faire.“ 220)<br />

„C’était le résultat des conseils des personnes les plus accréditées telles que, le Pr.<br />

de Bénévent. Toutes m’ont répété plus d’une fois qu’il était bien plus convenable<br />

que le prince n’arrivât que lors de retour de l’Empereur“ 221) .<br />

Auch sonst hatte Broekhausen für die Reise Stimmung zu machen gewußt.<br />

Insbesondere durch Vermittlung des Fürsten Benevent. Die öffentliche Meinung,<br />

versichert Brockhausen, auch die Kaiserin, sei der Reise durchaus günstig. Man<br />

nehme das beste an. Die Kaiserin habe sich sehr wohlwollend und mit großer<br />

Freude darüber ausgesprochen.<br />

Nach Empfang dieses Berichts war man denn auch in Memel ganz befriedigt. Man<br />

hoffte hiernach auf einen guten Empfang des Prinzen und erwartete mit<br />

außerordentlichem Interesse baldige Nachrichten. Man nehme an, daß der Prinz<br />

gleich nach der Rückkehr des Kaisers am 25.12., sich, <strong>von</strong> Brockhausen<br />

sekundiert, in voller Tätigkeit befinden würde, um die Angelegenheiten Preußens<br />

zum guten Ende zu bringen. An Stelle der Ungeduld und des Argwohns war<br />

nunmehr eine hoffnungsfreudige und auch dem Gesandten gegenüber durchaus<br />

freundliche Stimmung getreten. Man war um so mehr beruhigt, als Brockhausen<br />

unter dem 14.12. mitteilte, daß er die Pässe inzwischen längst erbeten habe und<br />

einen um den anderen Tag erwarte. Im Bericht vom 22.12. klärte Brockhausen<br />

dann noch das weitere auf. Er entschuldigte sich zunächst wegen der Kürze seiner<br />

letzten Berichte. Hiernach müsse man seine Tätigkeit nicht einschätzen, alle seine<br />

Schritte seien dauernd wohlerwogen.<br />

„Tout a été arrangé au mieux pour le voyage du prince. Rien n’a été omis et après<br />

le départ précipité de l’empereur il n’y avait pas d’autre parti à prendre que<br />

l’attendre les passeports de ce souverain.“ Brockhausen hoffte, daß selbst wenn,<br />

wie man sage, Napoleon bereits nach einem kurzen Aufenthalt in Paris nach<br />

Bordeaux gehen würde, der Prinz Wilhelm während dieser Zeit alles aufs beste<br />

beenden werde.<br />

„Toutes les personnes auxquelles j’ai parlé de nos affaires, ne cessent de me dire,<br />

que ce retour sera la fin de nos maux.“<br />

Am 25.12. berichtet er befriedigt, daß die Pässe soeben eingegangen und sofort<br />

unter Beifügung eines sehr freundlich gehaltenen Briefes Champagnys aus<br />

Mailand vom 19.12. nach Homburg weitergegangen seien. Brockhausen hoffte,<br />

der Prinz werde spätestens am 3.1.1808 in Paris sein, was auch der Fall war.<br />

6. Beurteilung des Verhaltens Brockhausens<br />

Wir müssen noch kurz zurückkommen auf die bereits vorhin erwähnte Tatsache,<br />

daß dem Gesandten wegen seines Verhaltens gegenüber der Sendung des Prinzen<br />

85


Wilhelm <strong>von</strong> der deutschen Geschichtsschreibung Vorwürfe gemacht worden<br />

sind. Zwar Duncker und Stern gehen über diesen Punkt ganz hinweg. Ranke drückt<br />

sich in seiner bekannten Eigenart kühl und vorsichtig aus: „Nicht so ganz war<br />

Brockhausen mit dieser Mission (des Prinzen Wilhelm) zufrieden, welche die seine<br />

unterbrach, oder doch ihre Bedeutung schwächte. Man schreibt es den<br />

Zögerungen desselben zu, daß Napoleon seine Reise nach Italien antrat, ohne,<br />

<strong>von</strong> der Absicht des Königs Nachricht erhalten zu haben.“ 222)<br />

Im Gegensatz dazu fährt Hassel in seiner „Preußischen Politik“ ganz grobes<br />

Geschütz auf. Zunächst nennt er Brockhausen <strong>von</strong> Natur „eben so eitel wie<br />

ehrgeizig“. Sodann wirft er ihm vor, er hätte „am liebsten die Reise des Prinzen<br />

gänzlich hintertrieben“ und daher „geflissentlich alle Gründe hervorgesucht, die<br />

für eine Vertagung sprechen“. Schließlich nennt er das Verhalten Brockhausens<br />

eine „höchst bedenkliche, ja unverzeihliche Eigenmächtigkeit und Ungehorsam“<br />

223) .<br />

Was zunächst den Vorwurf der Eitelkeit und des Ehrgeizes anbelangt, so hat sich<br />

Hassel augenscheinlich einen <strong>von</strong> der Hand irgendeines Geheimrats neben<br />

Brockhausens Bericht vom 11.8.1808 mit heute schon halb verwischtem Blei<br />

flüchtig hingeworfenen Randvermerk zu eigen gemacht: „quel égoisme et<br />

suffisance!“ 224) . Brockhausen hatte in diesem Bericht da<strong>von</strong> gesprochen, daß er,<br />

wenn der Prinz ihn unterstütze oder ihn gewähren lasse, doch noch einiges zu<br />

retten hoffe. Wer die Gesandtenberichte Brockhausens eingehend gelesen hat<br />

und seine ganze persönliche Lebensführung ins Auge faßt, muß die Annahme, als<br />

sei Eitelkeit ein hervorstechender Zug bei diesem im Gegenteil schlicht<br />

bescheidenen Manne gewesen, als unbegründet zurückweisen. Das gleiche gilt<br />

<strong>von</strong> der Behauptung eines zu weitgehenden Ehrgeizes. Es soll in keiner Weise<br />

bestritten werden, daß ein gewisser Ehrgeiz unbedingte Voraussetzung für das<br />

Vorwärtsstreben eines tüchtigen Staatsmannes ist 225) . Hier handelt es sich aber<br />

um das Übermaß eines Ehrgeizes, der Brockhausen zu falschen Schritten<br />

veranlaßt haben soll. Bedenkt man, wie oft immer wieder Brockhausen mit<br />

größtem Freimut und seltener Offenheit seine, der Einstellung der vorgesetzten<br />

Dienstbehörde zuweilen entgegengesetzte Auffassung vorgebracht hat, wie er es<br />

niemals an scharfer Kritik hat fehlen lassen, so wird man anerkennen müssen, daß<br />

so kein Mann handelt, der sich den Ehrgeiz zur alleinigen Richtschnur gesetzt hat.<br />

Wenn nun Hassel des weiteren dem Gesandten unterstellt, als hätte er am<br />

liebsten die Reise des Prinzen hintertrieben, so ist er recht weit da<strong>von</strong> entfernt,<br />

den wahren Charakter dieses durch und durch königstreuen und am Hause<br />

Hohenzollern mit aufrichtiger Verehrung hängenden Staatsdieners zu erkennen.<br />

Richtig ist, daß Brockhausen erst bei Rückkehr Napoleons die Ankunft des Prinzen<br />

wünschte. Es waren dies wohlerwogene Gründe, gestützt auf die Ratschläge einer<br />

großen Anzahl hochstehender Personen des französischen Hofes und der<br />

Diplomatie. Wenn dann Hassel ausführt, daß weder Knobelsdorff noch Brock-<br />

hausen sich mit einem Wort über die Reise des Prinzen vernehmen ließen, so ist<br />

dem folgendes entgegenzuhalten. Zunächst durfte Brockhausen damit rechnen,<br />

daß Knobelsdorff, der auf seinem Rückweg den Prinzen in Homburg aufsuchen<br />

wollte, ihn, wie es auch geschah, über die Lage unterrichten würde. Was so dann<br />

die Meldung nach Memel anbelangt, so konnte, wie oben bereits ausgeführt, das<br />

Kabinett „um Mitte November“ (so Hassel) unmöglich bereits bei den weiten Ent-<br />

86


fernungen, auf einen frühestens Anfang November in Paris eingetroffenen Befehl,<br />

Meldung erwarten.<br />

Der Vorwurf endlich „einer unverzeihlichen Eigenmächtigkeit und des<br />

Ungehorsams“ kann gleichfalls nicht aufrecht erhalten werden. Hassel selbst gibt<br />

zu, daß Brockhausen bereits vor Ankunft der Abgesandten des Prinzen, also aus<br />

freien Stücken und aus freiem Entschluß, vor Bekanntwerden auch irgendwelcher<br />

weiteren Befehle aus „Memel, <strong>von</strong> seiner „Starrköpfigkeit“, wie er sich ausdrückt,<br />

zurückgekommen war. In der Tat hat Brockhausen die Handschreiben des Königs<br />

und der Königin mit dem nächsten Kurier nachgesandt und die Pässe rechtzeitig<br />

erbeten, so daß der Prinz gleich nach Rückkehr Napoleons in Paris erscheinen<br />

konnte.<br />

Dagegen kann man nicht umhin, Hassel einen Vorwurf daraus zu machen, daß er<br />

die immerhin nicht unbedeutende und unwichtige, übrigens <strong>von</strong> Memel<br />

ausdrücklich befohlene Tätigkeit Brockhausens bei den Verhandlungen mit den<br />

französischen Ministerien bezüglich der Erleichterung der Tilsiter Bedingungen so<br />

gut wie gar nicht, oder doch fast nur im Sinne einer Behinderung des Prinzen Wil-<br />

helm erwähnt, und beim Abdruck der Berichte Brockhausens man kann sich des<br />

Eindrucks nicht erwehren absichtlich die betreffenden Teile gänzlich<br />

unberücksichtigt läßt.<br />

Es liegt auf der Hand, daß dadurch naturgemäß das Bild sich in erheblichem Maße<br />

zu ungunsten Brockhausens verschiebt. Irgendein Wort darüber, daß durch die<br />

ihm vollständig unerwartet kommende, ohne jede Fühlungnahme mit ihm<br />

angeordnete Sendung des Prinzen seine Tätigkeit <strong>von</strong> vornherein stark<br />

beeinträchtigt wurde und er selbst dadurch in eine schiefe Lage geriet, findet sich<br />

bei Hassel nirgends. Ranke dagegen, der große Meister der Geschichte, weist<br />

doch trotz aller Kürze seines klassischen Stiles darauf hin, wenn er sagt, daß<br />

„diese Sendung des Prinzen die Bedeutung der seinen (d.i. des Gesandten)<br />

schwächte“.<br />

II. Nach dem Eintreffen des Prinzen Wilhelm<br />

1. Persönliche Bemühungen des Prinzen 226)<br />

Leider sollten die Hoffnungen, welche Friedrich Wilhelm und seine Ratgeber auf<br />

die Sendung des Prinzen Wilhelm gesetzt hatten, nicht in Erfüllung gehen. Zwar<br />

empfing Napoleon den Prinzen bald nach seiner Ankunft in liebeswürdiger,<br />

freilich gemessener und auf seine Wünsche zunächst keineswegs näher<br />

eingehender Weise 227) . Gleichwohl sprach sich der Prinz in seinem ersten Brief an<br />

seinen Bruder vom 9.1. einigermaßen befriedigt und hoffnungsfreudig aus.<br />

Brockhausen hatte verschiedentlich Besprechungen zwischen dem Prinzen und<br />

Champagny zustande gebracht, bei welchen sich dieser aber gleichfalls recht<br />

zurückhaltend zeigte. Er weigerte sich, augenscheinlich entsprechend <strong>von</strong><br />

Napoleon angewiesen, auf irgendwelche Einzelheiten näher einzugehen.<br />

87


Die. Haltung Napoleons fand auch in der kaiserlichen Familie ihr Echo. Zwar<br />

wurde der Prinz, der in den nächsten Tagen seine Besuche machte, höflich<br />

aufgenommen, doch war eine gewisse Kälte nicht zu verkennen.<br />

Immer mehr wurde man sich der hinterhältigen Verhandlungsart Napoleons<br />

bewußt. Schon neigte der Prinz der Auffassung Brockhausens zu, daß man<br />

gewisse Zugeständnisse machen müsse mit dem Vorbehalt, später, wenn möglich<br />

durch Ausnutzung des russischen Einflusses, namentlich hinsichtlich der<br />

Einräumung der Festungen, noch für Preußen günstigere Änderungen<br />

herbeizuführen. Brockhausen suchte nach Kräften den Prinzen zu unterstützen.<br />

Unter dem 8.2. übergibt er Champagny eine Note, in welcher er nach seiner<br />

Gewohnheit die in den mündlichen Besprechungen zum Ausdruck gekommenen<br />

Ausführungen schriftlich niederlegt. Napoleon, der hier<strong>von</strong> Kenntnis erhalten<br />

haben muß, wurde daraufhin an demselben Abend höflicher wie je zuvor gegen<br />

den Prinzen. Er fragte ihn, vielleicht absichtlich, weshalb er eine so traurige und<br />

nachdenkliche Miene zeige. Dem Beispiel Napoleons folgend, bewegte sich dann<br />

die ganze kaiserliche Familie in Liebenswürdigkeiten. Besonders wurde der Prinz<br />

seither zu kleineren Essen eingeladen, was bis dahin noch nicht der Fall gewesen<br />

war. Ein Besuch Bertrands bei ihm bewies, daß der Plan bestand, sich<br />

auseinanderzusetzen. Bertrand war überaus höflich gewesen.<br />

In seinem Bericht vom 8.2. lobt Brockhausen den Prinzen wegen seiner Festigkeit<br />

und Ruhe.<br />

Vor Abreise des Kaisers nach Bayonne hatte der Prinz eine Audienz am 29.3.,<br />

welche freilich kein greifbares Ergebnis hatte, wenn sie auch für den Prinzen<br />

keinerlei Unannehmlichkeiten mit sich brachte. Immer mehr mußte man<br />

einsehen, daß auch mit weitgehendsten Vorstellungen und Bitten bei Napoleon<br />

nichts zu erreichen, daß vielmehr die preußische Frage unauflöslich verkettet mit<br />

der gesamten großen europäischen Politik jener Tage war. Insbesondere spielten<br />

die Verwicklungen mit England und die Auseinandersetzungen mit Rußland<br />

hierbei eine Rolle.<br />

2. Vorhaltungen Napoleons 228)<br />

Immer wieder wurde dem Gesandten vorgehalten, daß so lange nicht der bereits<br />

seit dem 1.12.1807 fällige Bruch mit England bis ins letzte hinein durchgeführt sei,<br />

an ein besseres Verhältnis zwischen Frankreich und Preußen nicht gedacht<br />

werden könne. Einerseits war es die Tatsache, daß der preußische Gesandte in<br />

London, <strong>von</strong> JakobiKlöst, sich noch immer in England aufhielt, wie Napoleon be-<br />

hauptete mit Wissen und Willen Preußens, wie dieses erklärte, infolge<br />

unglücklicher Zufälle und fehlender Verbindungen 229) . Endlich gelang es durch<br />

Brockhausens Vermittlung, Jakobi zurückzurufen. Wie sehr wunderte man sich<br />

allerdings, als Jakobi, obwohl mit der Erlaubnis, in Calais zu landen, ausgestattet,<br />

bei seinem Versuch, dort an Land zu gehen, unter Berufung auf einen<br />

ausdrücklichen Befehl des Kaisers abgewiesen wurde und wieder zurückfahren<br />

mußte. Die ganze Doppelzüngigkeit der französischen Politik kam hierbei zutage.<br />

88


Der andere Punkt, welcher Napoleons Unwillen erregte, waren die angeblich trotz<br />

der Kriegserklärung noch stattfindenden Handelsbeziehungen zwischen Preußen<br />

und England. Vergeblich wurde eine entsprechende Note Champagnys <strong>von</strong> Goltz<br />

selbst aufs eingehendste widerlegt, vergeblich gab sich Brockhausen die größte<br />

Mühe, die Unrichtigkeit und Irrtümlichkeit dieser vielfach auf Falschmeldungen<br />

beruhenden Angaben darzutun. Unkluge Handlungen der preußischen Regierung,<br />

wie z.B. das Gesuch um Zulassung der Salzeinfuhr <strong>von</strong> England nach Preußen,<br />

waren nur Wasser auf die Mühle des mißtrauischen Imperators und wurden für<br />

seine Zwecke weidlich ausgenutzt.<br />

3. Unterstützung durch Graf Tolstoi 230)<br />

Was nun Rußland betraf, so glaubte man sowohl <strong>von</strong> Seiten des preußischen<br />

Hofes wie auch <strong>von</strong> Seiten Brockhausens, auf die tatkräftige Unterstützung des<br />

alten Verbündeten rechnen zu dürfen. Insbesondere erschien der Graf Tolstoi als<br />

ein überzeugter und treuer Freund, der auch durch die größten<br />

Liebenswürdigkeiten und Geschenke <strong>von</strong> Seiten Napoleons sich nicht <strong>von</strong> seinem<br />

geraden Weg abbringen ließ. Er unterstützte Brockhausens Bestrebungen<br />

zugunsten Preußens wo und wie er konnte 231) . Insbesondere schien die Eröffnung<br />

der Feindseligkeiten zwischen Rußland und England als ein günstiger Umstand,<br />

wobei Tolstoi nur bedauerte, daß man nicht vor Erlaß der Kriegserklärung zu-<br />

nächst die Räumung Preußens gefordert hatte. Er war es, der, freilich auch <strong>von</strong><br />

seinem Standpunkt als Russe, die weitere Besetzung der preußischen Festungen<br />

zu verhindern suchte. Er regte die Schreiben Friedrich Wilhelms an Alexander<br />

hinsichtlich der Räumung der Donauländer, sowie die Garantie für die<br />

fristmäßigen Leistungen Preußens an. Er glaubte sich im Besitze einer<br />

ehrenwörtlichen Verpflichtung Napoleons, daß alsbald nach erfolgter Räumung<br />

der Donauländer die Räumung Preußens erfolgen werde. Allein er mußte nur zu<br />

häufig über mangelnde Unterstützung <strong>von</strong> Seiten seines Hofes und ungenügende<br />

Anweisung Klage führen. Er besorgte, daß hinter seinem Rücken ein geheimer<br />

Briefwechsel zwischen Alexander und Napoleon stattfand 232) . Dieser mochte<br />

zusammenhängen mit dem damals mehrfach auftauchenden Gerücht einer<br />

Verbindung Napoleons mit der Großfürstin Katharina nach erfolgter Scheidung<br />

seiner Ehe mit Josephine. Schließlich, nachdem noch einmal der Verkauf der<br />

russischen, im Tajo ankernden und <strong>von</strong> den Engländern bedrohten Flotte in<br />

Anregung gekommen, aber an der Haltung der französischen Regierung<br />

gescheitert war, mußte sich Brockhausen da<strong>von</strong> überzeugen, daß sich seine<br />

Hoffnungen nicht erfüllen, und daß die Vermittlung Rußlands je länger je mehr<br />

zunächst als wertlos anzusprechen sei 233) .<br />

4. Überlegungen Brockhausens 234)<br />

Und doch war und das ist bedeutsam für Brockhausens nüchterne, sachliche<br />

Auffassung der Dinge <strong>von</strong> vornherein ihm als das allerwichtigste erschienen,<br />

bezüglich der Ausführung des Tilsiter Friedens möglichst schnell reinen Tisch zu<br />

89


machen. Schon in seinem Bericht vom 29.11.1807 hatte er die Frage gestellt: Soll<br />

man abwarten, oder alsbald mit unseren Sachen zum Schluß kommen? Dieses zu<br />

entscheiden sei gewiß Sache des Königs und seiner Minister. Dürfe er sich aber<br />

einen Vorschlag erlauben, so sei er für möglichst umgehende Beendigung aller<br />

zwischen Preußen und Frankreich schwebenden Streitfragen. Freilich müsse an<br />

gewissen Bedingungen festgehalten werden. Man könne wohl 1 oder 2 Festungen<br />

einräumen, aber notwendig unter allen Umständen sei die Abänderung der<br />

verderblichen Bestimmungen über die Domänen, deren teilweise Übereignung<br />

Napoleon damals erstrebte. Noch sei es meinte Brockhausen nicht klar, ob<br />

Napoleon sie seinen Generälen geben, oder etwa einen dauernden Besitz für sich<br />

daraus machen wolle. Beides wäre ein großes Übel für Preußen. Immer wieder<br />

kam er auf die Sicherheitserklärungen Rußlands zurück. Wenn diese vorlägen,<br />

hoffe er, daß <strong>von</strong> der Übergabe der Festungen abgesehen werden könne.<br />

5. Verzögerungen 235)<br />

Bereits unterm 17.12.1807 hatte sich Brockhausen „untröstlich“ gezeigt, kein<br />

Vorwärtsschreiten dieser Dinge melden zu können. Sie unterlägen völligem<br />

Stillstand, so lange Napoleon abwesend sei. Das einzige sei, einflußreiche<br />

Personen zu gewinnen. Nach dieser Richtung gebe er sich die größte Mühe.<br />

Caulaincourt habe an den Fürsten <strong>von</strong> Benevent einen Brief geschrieben, wonach<br />

die Zustände in Berlin sofortiger Abhilfe bedürften. Selbst französische Generäle<br />

gäben traurige Bilder vom Elend der preußischen Provinzen. Alle diese, auch<br />

Talleyrand, seien der Meinung, daß das Schicksal Preußens sich bei Ankunft<br />

Napoleons günstiger gestalten werde. Leider sollten diese Hoffnungen auch nach<br />

Eintreffen des Prinzen Wilhelm täuschen.<br />

6. Erneute Verhandlungen 236)<br />

Bei Rückkehr Champagnys <strong>von</strong> der italienischen Reise Anfang Januar 1808<br />

überreichte ihm Brockhausen eine <strong>von</strong> ihm, im Einverständnis mit dem<br />

Präsidenten der Friedenskommission Sack aufgestellte Note betreffend die Kontri-<br />

butionen. Ebenso hatte, wie bereits bemerkt, Brockhausen es sich angelegen sein<br />

lassen, amtliche Beziehungen zwischen dem Prinzen Wilhelm und Champagny<br />

herzustellen. Leider äußerte sich Napoleon überaus. unzufrieden, weil Daru<br />

keinerlei Zuschriften <strong>von</strong> der Friedenskommission über deren Vorschläge erhalten<br />

habe. Brockhausen suchte diesen Eindruck zu verwischen. „Es ist unser letztes<br />

Hemde; das wir anbieten.“ Er bat die Kommission in Berlin, Daru möglichst bald<br />

Kenntnis <strong>von</strong> ihren Entschließungen zu geben. Inzwischen hegte Napoleon weiter<br />

größtes Mißtrauen gegen Preußen und hatte Champagny verboten, in nähere<br />

Verhandlungen bezüglich der Kontributionen einzutreten. Die Frage eines<br />

Bündnisses lief weiter. Napoleon schien z.Zt. kein großes Verlangen danach zu<br />

haben. Auf Brockhausens Andeutungen erfolgte nur ein tiefes Schweigen.<br />

Brockhausen bezweifelt in seinem Bericht vom 15.1., ob weitere Zögerungen<br />

wirklich vorteilhaft sein können. Er sagt: „Wir müssen befürchten, daß unsere<br />

Angelegenheiten in andere verwickelt werden und unsere Belange als<br />

90


Gegenstand des Handels zwischen England, Frankreich, Rußland betrachtet wer-<br />

den.“ 237) Auf die Frage Brockhausens, weshalb denn gar kein Vorwärtskommen in<br />

diesen für Preußen so wichtigen Dingen erreicht werden könne, bleiben die<br />

Antworten <strong>von</strong> französischer Seite stets dieselben. Es heißt: „Daru ist beauftragt,<br />

wendet Euch an ihn.“ Napoleon weicht sorglich allen derartigen Unterredungen<br />

selbst mit dem Prinzen Wilhelm aus. Und doch bleibt, wie unterm 5.3. aus<br />

Königsberg, mitgeteilt wird, Daru „toujours inflexible“. Trotzdem gibt sich Brock-<br />

hausen alle Mühe, wenigstens mit Champagny zu einer Verständigung zu<br />

gelangen, indem er hofft, daß auf der anderen Seite in Berlin Sack durch seine<br />

Festigkeit etwas erreichen werde. Am 5.2. fand mit Champagny eine eingehende<br />

Besprechung statt, wobei Brockhausen seinem Vertragsgegner nachwies, daß er<br />

s.Zt. derartig unzusammenhängende Dinge in seinen Forderungen<br />

zusammengestellt habe, daß man seinen Augen nicht habe trauen können. Er<br />

führte dann weiter aus, daß die Zahlung der <strong>von</strong> einem ganzen Volke für sein<br />

eigenes Dasein nötigen Summe unmöglich gefordert werden könne. Er führte<br />

dies, wie er sich ausdrückt, in „pathetischer Weise drastisch aus“.<br />

Der König werde auf Bitte der vom Kriege betroffenen Gegenden große Summen<br />

herausgeben müssen, die zum Wiederaufbau der Städte, Dörfer, Häuser, Wege<br />

und Brücken nötig seien. Auch zur Einrichtung bis dahin noch nicht bekannter<br />

Industriezweige, um einen bis dahin nicht vorhandenen Wohlstand<br />

herbeizuführen. Zur Herbeiholung <strong>von</strong> Kolonisten und anderen Dingen bedürfe er<br />

Summen, die nicht gestatteten, die geforderten hohen Beträge fortzugeben 238).<br />

Diese Gründe wurden <strong>von</strong> Champagny ohne Antwort gelassen. Sein Schweigen<br />

bewies nach Brockhausens Ansicht, wie unerhört auch ihm die Forderungen Darus<br />

erschienen. Im übrigen zuckte er wie üblich die Achseln, verwies auf Berlin als<br />

Verhandlungsort und erklärte zugleich, daß Napoleon nach wie vor ein geheimes<br />

Einverständnis zwischen Preußen und England argwöhne. Aber obwohl man, wie<br />

Brockhausen im einzelnen darzutun sich bemühte, sich ganz in die Arme<br />

Napoleons geworfen und z.B. hinsichtlich der Gesandtenstelle in Konstantinopel<br />

zunächst eine demütigende Anfrage an Napoleon gerichtet habe, blieb man doch<br />

auf jener Seite kalt und zurückhaltend. Nun sah Brockhausen wohl ein, daß<br />

Napoleon nur ein Doppelspiel mit Preußen trieb. Er durchschaute die ganze<br />

hinterhältige Politik des Imperators. Sie verfolgte doch das Ziel, unerfüllbare<br />

Forderungen aufzustellen, um die Räumung Preußens möglichst hinauszuziehen.<br />

Brockhausen sah, daß die Gründe eben nur Vorwände und die Antworten höchst<br />

zweideutig seien. Nun setzte Brockhausen nach seinem Bericht vom 9.3. seine<br />

ganze Hoffnung auf die Tätigkeit des Ministers vom Stein, der zum endlichen<br />

Abschluß der Verhandlungen mit Daru nach Berlin geeilt war, wo ausgerechnet<br />

am 9.3. beide den Vertragsentwurf zeichneten.<br />

Auch in der Hinsicht hatte Stein Brockhausen nicht enttäuscht, daß jener ebenfalls<br />

unter keinen Umständen für Landabtretungen zu haben war 239) . Wie Brockhausen<br />

hierüber stets gedacht hat, geht bereits aus einem Berichte vom 22.12.1807<br />

hervor. Er führt dort aus: „Eine große Menge uns feindlich gesonnener und<br />

eifersüchtig uns gegenüberstehender Nachbarn verlangen Gebietsabtretungen.<br />

Bei dieser Gelegenheit muß ich mit Schmerz feststellen, daß man in Berlin diese<br />

Gerüchte nährt und feige Seelen sie verbreiten. Nichts ist so gefährlich, als auf<br />

diese Weise solche Gedanken gleichsam zu beglaubigen, deren sich dann der<br />

91


Sieger nur zu gern bemächtigt. Ich wage es auszusprechen, daß, wenn auch nur<br />

einen Augenblick die Rede <strong>von</strong> solchen Abtretungen wäre, ich die traurige Ehre,<br />

eine solche Abmachung zu zeichnen, an Personen überlassen würde, die danach<br />

begehren.“<br />

Ebenso steht Brockhausen dem Eintritt Preußens in den Rheinbund durchaus<br />

ablehnend gegenüber. Er führt für seine Ansicht eine hochstehende<br />

Persönlichkeit in Paris an, die in dieser Hinsicht zu ihm sagte: „Warum wollt Ihr<br />

beitreten? Ich sehe nicht, was gutes für Preußen daraus erwachsen kann. Schluß<br />

machen müßt Ihr endlich mit der Sache der Kontributionen. Das allein muß man<br />

machen und alsdann die Wirtschaft und Finanzmaschine wieder in Gang bringen.“<br />

240)<br />

7. Vorlage des Vertragsentwurfs vom 9.3.1808 241)<br />

Wenn aber Brockhausen gehofft hatte, daß nunmehr, nachdem sogar Daru und<br />

Marschall Soult übereinstimmend die Genehmigung des Vertragsentwurfs vom<br />

9.3.1808 empfohlen hatten, endlich die Angelegenheit zu einem befriedigenden<br />

Abschluß gebracht würde, so hatte er sich gründlich getäuscht und Napoleons<br />

zweideutige und hinterhältige Politik denn doch unterschätzt. Als Napoleon noch<br />

vor seiner Abreise nach Bayonne mit dem Prinzen Wilhelm sich hierüber<br />

unterhielt, zeigte er zwar eine gewisse Liebenswürdigkeit, wußte aber jeglicher<br />

Bindung geschickt auszuweichen. Als der Herzog <strong>von</strong> Oldenburg an diesem Tage<br />

noch zu Tisch geladen war, zeigte Napoleon zum erstenmal nicht die sonstige, <strong>von</strong><br />

Haß gegen Preußen erfüllte Gesinnung. Im Gegenteil, er ließ der ehrenwerten<br />

Haltung des Königs in dem schweren Unglück eine gerechte Würdigung<br />

widerfahren. Freilich hinsichtlich der preußischen Bevölkerung, insbesondere<br />

Berlins, war sein Urteil auch jetzt noch sehr ungünstig. Brockhausen begleitet<br />

diese angebliche Teilnahme am Unglück seines Vaterlandes mit der Bemerkung,<br />

dieses Gefühl sei doch einigermaßen eigenartig, da Napoleon ja selbst der<br />

Urheber aller Leiden sei, aber auch allein die Macht habe, sie zu beheben.<br />

8. Napoleon in Bayonne 242)<br />

Kaum nach Bayonne gekommen, war Napoleon für niemanden zu sprechen und<br />

<strong>von</strong> den schwerwiegenden Entscheidungen über Spanien ganz in Anspruch<br />

genommen. Dumpfe unerfreuliche Gerüchte gingen inzwischen um; sie trafen<br />

auch das Ohr Brockhausens. Man sprach <strong>von</strong> Austausch <strong>von</strong> Teilen Schlesiens<br />

gegen SchwedischVorpommern. Andererseits werden Wünsche<br />

MecklenburgSchwerins auf SchwedischPommern erwähnt 243) .<br />

9. Erneute russische Bemühungen 244)<br />

92


Die einzige Hoffnung in diesem trüben Durcheinander blieb immer noch Rußland<br />

und insbesondere sein wackerer preußenfreundlicher Gesandter, Graf Tolstoi.<br />

Dieser kann unmöglich glauben, daß Napoleon <strong>von</strong> seinem ihm gegebenen<br />

Ehrenwort, wonach die Räumung Preußens nach Erledigung der<br />

russischtürkischen Zwischenfälle stattfinden sollte, abgehen könnte. Zur Freude<br />

Tolstois hatte Alexander eine recht weitgehende Erklärung zugunsten Preußens<br />

und seiner Wünsche durch den Grafen Tschernitscheff nach Bayonne etwa Mitte<br />

April überbringen lassen. Er bat in diesem Handschreiben um Annahme des<br />

Vertragsentwurfs vom 9.3. und zugleich um Erleichterung der drückendsten Be-<br />

stimmungen dieses Entwurfs. Dessen Unterzeichnung, die gleichzeitige<br />

Entfernung der Truppen und die Wiederherstellung der Regierungsgewalt des<br />

Königs werde Alexander stets als ein besonders hervorragendes Zeichen ihrer<br />

beiderseitigen Freundschaft ansehen. Die Note des Zaren ließ, wie Tolstoi<br />

betonte, es nicht fehlen am Ausdruck wärmsten Mitgefühls für die Leiden<br />

Preußens. Der russische Gesandte befolgte mit seltenem Eifer die Weisungen<br />

seines kaiserlichen Herrn und bedauerte nur, daß sie nicht erheblich früher ge-<br />

kommen seien.<br />

Was die Räumung anbelangt, so befürchtet Brockhausen allerdings, daß Napoleon<br />

im Hinblick auf die unsichere Lage an der Ostsee, ein Korps an der Oder<br />

zurücklassen werde. Doch stehe zu hoffen, daß dieses nicht die Verwaltungs-<br />

befugnisse beeinträchtigen werde, die der Steinsche Entwurf dem König<br />

zurückgeben will. Einen Hoffnungsstrahl für baldige Räumung biete die Rückkehr<br />

einer großen Anzahl <strong>von</strong> Frauen höherer französischer Offiziere. Sehr bedauerlich<br />

und zugleich für die ganze Stellungnahme Napoleons bezeichnend war ein durch<br />

Tolstoi Brockhausen übermitteltes Wort des Kaisers: Preußen habe noch zuviel<br />

Truppen, man müsse ihm die Zahl vorschreiben, die es halten dürfe: etwa 40 000<br />

Mann. Er habe das beim Abschluß des Friedens mit Österreich vergessen. Daher<br />

habe man dort so schnell das Heer in alter Stärke erstehen lassen können.<br />

Brockhausen befürchtet hiernach, daß eine Heeresverminderung Preußen an-<br />

gesonnen werden würde.<br />

10. Zwischenfall Sack 245)<br />

Ein anderes, Hindernis, welches Napoleon einen neuen Vorwand zu seiner<br />

ablehnenden Haltung gab und zugleich ihn aufs äußerste erzürnte, war die<br />

Beschwerde gegen die Errichtung eines großen französischen Feldlagers in der<br />

Nähe Berlins. Die märkischen Stände hatten hiergegen Verwahrung eingelegt.<br />

Was aber besonders bedauerliche Folgen hatte, war die Tatsache, daß<br />

augenscheinlich infolge einer landesverräterischen Anzeige, der Vorsitzende der<br />

Friedenskommission, der Geheimrat Sack, als Aufwiegler und Revolutionär<br />

gegenüber Napoleon hingestellt wurde. Dies gab Veranlassung zu seiner<br />

sofortigen Abberufung, da in der Tat nicht abgeleugnet werden konnte, daß der<br />

wackere Mann die märkischen Stände in ihrem Widerspruch gegen das Feldlager<br />

bestärkt hatte 246) .<br />

Schon immer hatte Brockhausen darauf hingewiesen, wie Mitteilungen auch<br />

vertraulicher Art gar zu leicht an die Öffentlichkeit kämen, insbesondere aber<br />

93


auch den französischen Offizieren und Beamten namentlich in Berlin zugetragen<br />

würden. Er nahm hingegen mehrfach schärfstens Stellung und wünschte strenge<br />

Vorsichtsmaßregeln für die Zukunft.<br />

11. Verhältnis Brockhausens zum Prinzen Wilhelm 247)<br />

Leider gestaltete sich das Verhältnis Brockhausens zum Prinzen Wilhelm doch<br />

nicht ganz so freundlich, wie man es im beiderseitigen Interesse hätte wünschen<br />

müssen. Zwar konnte Brockhausen für sich in Anspruch nehmen, daß er aufs<br />

äußerste bestrebt sei, dem Bruder seines verehrten Königlichen Herrn mit Rat und<br />

Tat nach besten Kräften zu dienen. Aber gerade dieses Bestreben erweckte bei<br />

dem jungen Prinzen ein gewisses Mißbehagen 248) . Schon kurz nach seiner Ankunft<br />

schrieb er an Goltz, daß er nicht sehr angenehm da<strong>von</strong> berührt sei, daß<br />

Brockhausen gewissermaßen seine Einsicht und Erfahrung ihm ständig aufdränge<br />

und begrüßt es dankbar, nötigenfalls <strong>von</strong> der Ermächtigung des Königs,<br />

Brockhausen abzusetzen, Gebrauch machen zu können.<br />

Zunächst war es geschäftsordnungsmäßig so gehalten worden, daß alle<br />

Dienstsachen in Angelegenheiten der Kontributionserleichterungen lediglich in<br />

Urschrift an den Prinzen gingen, <strong>von</strong> dem sich dann Brockhausen Abschriften er-<br />

bitten mochte. Auf die Vorstellung des Gesandten, daß dies doch ein auf die<br />

Dauer nicht mögliches Verfahren sei, wurden nunmehr alle, auch die<br />

Kontributionen betreffenden Dienstsachen Brockhausen zugleich mit einer<br />

Abschrift für den Prinzen zugesandt. Dabei wurde Brockhausen angewiesen, auch<br />

alle übrigen wichtigen Schriftstücke dem Prinzen zur Kenntnis vorzulegen. Da<br />

vielleicht die Wünsche des Prinzen nicht bis ins letzte hinein erfüllt worden waren,<br />

so wandte sich dieser beschwerdeführend an seinen Bruder. Hierauf ließ<br />

Brockhausen einen Bericht unterm 20.4.1808 abgehen, in welchem er nachwies,<br />

daß er durchaus allen seinen Verpflichtungen nachgekommen sei. Er schrieb<br />

hierüber:<br />

„Es ist unmöglich, daß der gerade und loyale Charakter des Prinzen den Beweisen<br />

des Eifers, die ich vom ersten Augenblick seiner Ankunft an gegeben habe, nicht<br />

volle Gerechtigkeit widerfahren lassen sollte. Unmöglich, daß er nicht überzeugt<br />

ist, wie sehr es mir am Herzen liegt, seine Verhandlungen hier zum Besten<br />

ausgehen zu sehen. Gestützt auf mein Gewissen und das Zeugnis eines großen<br />

Teils der Öffentlichkeit hier, will ich über das, was ich getan habe, nicht ins<br />

einzelne gehen. Ich habe mich erhoben über eine Menge Schwierigkeiten und<br />

Unerquicklichkeiten, welche die Sendung des Prinzen mit sich brachte, und nur<br />

den Zweck und die Mittel im Auge gehabt, sie gelingen zu lassen. Ich mag<br />

vielleicht die Diskretion und die Liebe zur Verschwiegenheit zu weit treiben, aber<br />

ganz gewiß nicht zum Schaden Ihrer Sache, Sire! Bei unserer Lage kann man<br />

da<strong>von</strong> nicht zuviel haben, denn das Interesse des Staates und die Ehre der<br />

Einzelnen hängen da<strong>von</strong> ab. Es sind mir eine Menge Mitteilungen zugegangen, die<br />

keinen Zweifel darüber lassen, daß die französischen Gewalten in Berlin sehr viel<br />

<strong>von</strong> dem, was ich an die Kommission berichtet habe, kennen. Es ist meine Pflicht,<br />

dem zuvorzukommen, und ich glaube, daß in einem Augenblick, wo die Zügel der<br />

Disziplin sich mehr als je lockern, man nicht zu schwierig und kleinlich sein sollte.<br />

94


Die Art zu verhandeln, die Menschen und ihre Neigungen zu nehmen und zu<br />

bearbeiten, die, sie anzuhören und auf ihre Beweisangaben zu erwidern, ist eine<br />

schwere Kunst, die man nur mit der Zeit, durch Übung und verschiedenartige<br />

Erfahrung lernt. Ich wage mir daher zu schmeicheln, daß Seine Königliche Hoheit<br />

auch ferner den Willen hat, jenes unbegrenzte Vertrauen, das er mir <strong>von</strong> Anfang<br />

an bezeugt hat und das jedenfalls nötig ist für den Erfolg der Verhandlungen auf<br />

dieser schlüpfrigen Bühne wie für meine Person, mir auch weiterhin bekunden<br />

wird.“<br />

Man darf bei dem Charakter Brockhausens annehmen, daß auch der in seinem<br />

Bericht vom 13.5.1808 gemachte Vorschlag, für den Fall der<br />

Kaiserzusammenkunft im Sommer, den Prinzen dorthin kommen zu lassen, um<br />

Napoleon unter Beistand Alexanders günstig zu beeinflussen, keineswegs <strong>von</strong><br />

eigensüchtigen Beweggründen eingegeben war, sondern nur dazu dienen sollte,<br />

die Angelegenheiten des Vaterlandes zu fördern.<br />

12. Zwischenfall Le Roux 249)<br />

Nun trat indes ein Zwischenfall ein, der in erster Linie dem Prinzen, dann aber<br />

auch dem Gesandten große Unannehmlichkeiten bereiten und zugleich wiederum<br />

einen Vorwand zu unfreundlicher Stellungnahme Napoleons bieten sollte. Eines<br />

Tages wurde Brockhausen durch den Polizeiminister Fouché unterrichtet, daß der<br />

diplomatische Begleiter des Prinzen, der Geheimrat Le Roux, alsbald auf<br />

besonderen Befehl Napoleons Paris zu verlassen habe. Nach den Gründen<br />

befragt, äußerte sich Fouché nicht in bestimmter Weise, gab aber der Ansicht<br />

Ausdruck, daß man <strong>von</strong> Seiten des preußischen Hofes Le Roux in keiner Weise<br />

bedauern dürfe. „Er verriet Sie während seiner ersten Anwesenheit unter der<br />

Gesandtschaft Lucchesinis. Er händigte mir Noten aus, er lieferte sie anderen. Er<br />

ist es, der mir bereits am nächstfolgenden Tage den entscheidenden Brief<br />

übergab, durch welchen Lucchesini den Krieg bei Ihnen entzündete. Ich ließ ihn<br />

bezahlen, er ließ sich <strong>von</strong> anderen bezahlen, auch <strong>von</strong> England und Rußland; er<br />

war ein Verschwender. Diesen beiden Schurken verdanken Sie Ihr Unglück. Jene<br />

haben angefangen, Sie zu betrügen und so sind Sie blindlings in den unseligen<br />

Krieg hineingestolpert.“ Zum Schluß betonte Fouché, daß die Ausweisung Le<br />

Rouxs sich nicht gegen die preußische Regierung oder gar den König oder den<br />

Prinzen richte, sondern nur seinetwegen allein geschehe. „Nichts“ sagt<br />

Brockhausen „machte mich so betroffen, wie der zuversichtliche und bestimmte<br />

Ton, mit dem Fouché diese Anschuldigungen vortrug und auf mein Ersuchen<br />

wiederholte. Freilich kam auch nichts dem leidenschaftlichen Hasse gleich, der ihn<br />

gegen Lucchesini und Le Roux beseelte. Er blieb dabei, sie die Urheber des Krieges<br />

zu nennen und erklärte, daß Le Roux niemals wieder nach Paris zurückkehren<br />

dürfe“.<br />

Brockhausen faßt seine eigene Meinung dahin zusammen, daß es schwer zu sagen<br />

sei, ob Le Roux in der Tat diese harten Maßnahmen verdient habe. Nicht<br />

ausgeschlossen sei es, daß er ehemals in einige Intrigen Lucchesinis verwickelt<br />

gewesen und hierbei in eine Falle der Pariser Polizei gegangen sei. Vielleicht seien<br />

auch persönliche Briefe <strong>von</strong> ihm aufgefangen worden. Wie dem auch sei, es wäre<br />

95


nichts weiter zu erlangen gewesen, als eine gewisse Erleichterung in den Formen,<br />

so daß ein unerquickliches Aufsehen vermieden werden konnte. Gleichwohl sei<br />

dieses Ereignis höchst unangenehm, man könne daraus schließen, daß man sich<br />

viel mit Preußen beschäftige. Man müsse also beim Schriftwechsel doppelt<br />

vorsichtig sein. Nach neueren Meldungen sollen es unvorsichtige, in einem<br />

zweideutigen Hause in Paris gesprochene Worte gewesen sein, welche Veran-<br />

lassung zur Ausweisung Le Rouxs gegeben hätten.<br />

Brockhausen hielt sich für verpflichtet, in einem Privatbrief an Goltz noch einmal<br />

auf diese Sache zurückzukommen. Er enthielt sich dann eines Urteils, ob Le Roux<br />

wirklich schuldig sei. Jedenfalls hätte sein langer Aufenthalt in Paris mit Lucchesini<br />

zusammen ihn unbedingt <strong>von</strong> der Begleitung des Prinzen ausschließen müssen. Er<br />

überließ Goltz die Entscheidung, ob Le Roux noch länger im auswärtigen Dienste<br />

bleiben dürfe. Jedenfalls dürfe er nichts gegen Frankreich schreiben.<br />

Goltz antwortete unterm 21.6.1808. Die Entschließungen über Le Roux, einen<br />

alten Staatsdiener, über den sich sonst zu beklagen niemand Anlaß habe, dessen<br />

Charakter und Aufführung in der Vergangenheit Anschuldigungen dieser Art<br />

auszuschließen schienen, würden dem König vorzubehalten sein. Allerdings sei es<br />

unwahrscheinlich, daß er jemals wieder in sein früheres Amt zurücktrete 250) .<br />

Man kann es Brockhausen wohl nachfühlen, wie unangenehm er berührt da<strong>von</strong><br />

war, daß dieses Ereignis seine. Absichten, ein wirklich gutes Verhältnis zu den<br />

französischen Gewalten herzustellen, beeinträchtigte. Die Folge da<strong>von</strong> war, daß<br />

ein Schreiben Champagnys, angefüllt mit Vorwürfen und Drohungen, ihm zeigte,<br />

wie fern er noch dem Ziel einer Verständigung sei. Eine vom Prinzen Wilhelm<br />

gebilligte Entgegnung wies in würdiger und geschickter Form diese Vorwürfe<br />

zurück. Die Gerüchte aber über neue Bedrückungen Preußens, insbesondere <strong>von</strong><br />

Abtretungen zugunsten Warschaus oder Westphalens, oder aber bezüglich der<br />

Besetzung der Küsten und des Verlangens einer Rückkehr Friedrich Wilhelms nach<br />

Memel, wollten nicht verstummen und zeigten einigermaßen die Stimmung am<br />

kaiserlichen Hofe an. Dazu kam, daß Brockhausen, der nicht wie andere, z.B. der<br />

sächsische Gesandte, eine Aufforderung nach Bayonne bekommen hatte, gänzlich<br />

außerstande war, mit einer höheren Dienststelle persönlich Fühlung zu nehmen.<br />

Dies machte sich besonders bemerkbar, als der Fürst <strong>von</strong> Benevent auf seinem<br />

Landsitz Valencey den jungen Thronerben <strong>von</strong> Spanien gleichsam bewachen<br />

mußte. Freilich war auch bei Talleyrand trotz eines gewissen persönlichen Wohl-<br />

wollens für Preußen doch nicht allzuviel zu erlangen. Brockhausen hatte auch hier<br />

das Gefühl, mit gleichgültigen Redensarten, „banalen Phrasen“ abgespeist zu<br />

werden. Aus glaubwürdiger Quelle erfuhr Brockhausen in jenen Tagen, daß<br />

Napoleon, gerade auch mit Rücksicht auf die letzten Zwischenfälle, wieder einmal<br />

<strong>von</strong> einem tiefen Haß gegen Preußen erfüllt sei. Im Augenblick einer schlechten<br />

Laune sollte ihm das böse Wort entfahren sein: „Man muß ein Ende machen mit<br />

Preußen, man kann diesen Staat nicht länger so belassen.“ Die Erklärung dafür<br />

bot ein Brief Champagnys vom 21.5., welcher schrieb, daß der Kaiser nur mit<br />

größtem Befremden gehört habe, wie eine das höchste Vertrauen des Königs<br />

genießende Persönlichkeit sich einen Schritt erlaubt habe, der geeignet sei, das<br />

gute Einvernehmen der beiden Staaten zu stören. Es handelte sich bei diesen<br />

absichtlich dunkel gehaltenen Äußerungen, wie sich nachher herausstellte, um<br />

den zeitlich zurückliegenden bereits oben erwähnten Fall des Präsidenten der<br />

96


Friedenskommission Sack. Wie unter diesen Umständen eine Milderung der<br />

harten Bedingungen zu erreichen sei, blieb zunächst noch ein Rätsel.<br />

13. Hoffnungen Brockhausens 251)<br />

Freilich konnte Brockhausen einige Zeit später berichten, daß die ungünstige<br />

Meinung über Preußen sich doch letzthin einigermaßen gemildert hätte. Die<br />

„Gazette de France“ habe sogar ein Bild der königlichen Familie ohne<br />

unfreundliche Betrachtungen gebracht. Immerhin blieb für Brockhausen noch als<br />

einzige Hoffnung die Vermittlung Rußlands. Rußland dürfe sagte er nicht etwa<br />

nur an eigene Erwerbungen denken und darüber Preußen ganz vergessen. Nur die<br />

Festigkeit Alexanders könne Preußen vor Abtretungen schützen. Man müsse fügt<br />

er aus früherer Erfahrung hinzu sowohl den Zaren wie Caulaincourt<br />

liebenswürdig behandeln, umschmeicheln, „kajolieren“ 252) .<br />

Wie zu erwarten, schöpfte er aus den für Frankreich wenig glücklichen Ereignissen<br />

in Spanien die Hoffnung, daß Napoleon sich bereit finden lassen würde, Truppen<br />

aus Preußen zurückzuziehen. Brockhausen war über den Verlauf der Dinge stets<br />

vorzüglich unterrichtet und wußte sie in eingehender, anschaulicher, lebendiger<br />

Weise darzustellen. Österreichs Kriegsrüstungen verfolgte er mit innerer Teil-<br />

nahme. Freilich vermochte er <strong>von</strong> vornherein gewisse Bedenken hinsichtlich der<br />

Kriegsbereitschaft der Hofburg nicht zu unterdrücken, wie ihm denn die spätere<br />

Entwicklung ja auch hierin recht gegeben hat.<br />

Auf die Kaiserzusammenkunft in Erfurt, welche, wie er meinte, über das Schicksal<br />

Europas bestimmen würde, setzte er dann eine gewisse Hoffnung, wenn es durch<br />

Vermittlung des Prinzen Wilhelm gelingen würde, Alexander zuvor zugunsten<br />

Preußens zu beeinflussen.<br />

14. Verhandlungsbereitschaft Napoleons 253)<br />

Die große Wendung in der Angelegenheit betreffend Genehmigung des<br />

Vertragsentwurfs vom 9.3.1808 trat ein mit der Rückkehr des Hofes aus Bayonne.<br />

Kaum war Champagny am 7.8. in Paris eingetroffen, als Brockhausen bereits die<br />

persönlichen Besprechungen sofort wieder aufnahm. Augenscheinlich unter dem<br />

Druck der spanischen Verwicklungen waren nunmehr die Auffassungen über die<br />

Art der Genehmigung und die Bereitwilligkeit zur Unterzeichnung ganz andere wie<br />

früher. Jetzt mit einem Male hieß es: „Die grundlegenden Bedingungen sind in<br />

Paris festzusetzen. Die Einzelheiten, namentlich in finanzieller Hinsicht, sollen in<br />

Berlin geregelt werden.“<br />

Auf die Frage Champagnys, ob Brückhausen befugt sei, abzuschließen, antwortete<br />

dieser: „Jawohl, nach zuvor hergestelltem Einvernehmen mit dem Prinzen<br />

Wilhelm.“ Champagny erklärte: Napoleon wolle jetzt ein Ende machen. Wenn es<br />

bisher noch nicht dazu gekommen sei, so nur deswegen, weil er zu sehr mit<br />

anderen Dingen beschäftigt gewesen sei. Napoleon finde im Entwurf vom 9.3.<br />

97


eine im allgemeinen annehmbare Grundlage, einige Punkte allerdings müßten<br />

geändert werden. So dürften die Leistungen Preußens seit dem 1.10.07 nicht auf<br />

die Kriegsschuld angerechnet werden. Auf die Übereignung der Domänen wollte<br />

er verzichten. Dagegen und das war etwas ganz Neues verlange er gewisse<br />

Sicherheiten. Diese erblicke er in einer Beschränkung der Zahl der Truppen.<br />

Brockhausen suchte diese Forderungen zu widerlegen, insbesondere sei eine<br />

Bestimmung über die Höhe der Truppenzahl unnötig, da der Kosten wegen doch<br />

nur ein Heer <strong>von</strong> geringer Stärke unterhalten werden könnte. Champagny meinte,<br />

25 000 Mann genügten für die Zukunft. Brockhausen wies mit allem Nachdruck<br />

darauf hin, daß sie auf keinen Fall genügten. Schließlich wiederholte Champagny,<br />

Napoleon sei bereit, den Tilsiter Frieden zu erfüllen, er wolle nicht das Unglück<br />

Preußens. Als er nun aber noch auf die schuldhafte Hinzögerung der preußischen<br />

Behörden hinwies, da konnte Brockhausen scharf und bestimmt auf die Tatsache<br />

verweisen, daß das Verschulden auf der Gegenseite zu finden sei.<br />

Auf Wunsch Champagnys übergab ihm Brockhausen eine aus Vorsicht<br />

glücklicherweise bereits zusammengestellte Übersicht über die Wünsche<br />

Preußens. Diese Unterredung gab Brockhausen neue Hoffnung. „Könnte man<br />

nicht Nutzen ziehen aus diesem erstaunlichen Wechsel der Dinge, um noch einige<br />

Vorteile zu erreichen für unser unglückliches Vaterland? Sollte man nicht das<br />

Maximum verlangen, um wenigstens das Minimum zu erreichen? Eine heilige<br />

Pflicht, eine Pflicht auch geheiligt durch eine gesunde Diplomatie, verpflichtet<br />

mich, diese Gesichtspunkte in allen Besprechungen mit Champagny nicht einen<br />

Augenblick lang aus den Augen zu lassen. Wenn der Prinz mich unterstützt, oder<br />

vielmehr mich gewähren läßt, so hoffe ich noch einige Bruchstücke zu retten.<br />

Sollte dies nicht erreichbar sein, so wird es immer noch möglich sein, den Entwurf<br />

auf der ungünstigeren Grundlage zu zeichnen. Durchdrungen <strong>von</strong> der Not-<br />

wendigkeit, auch unsererseits ein Ende zu machen, werde ich mich immer im<br />

Kampf für bestmögliche Bedingungen einsetzen. Eine einflußreiche, in ihren<br />

Urteilen selten fehlgehende Persönlichkeit hat mir gesagt, daß etwas zur Be-<br />

ruhigung der öffentlichen Meinung in Frankreich geschehen müsse, da man einen<br />

dreifachen Krieg fürchte. Daß die Schwierigkeiten Napoleons z.Zt. groß seien,<br />

dafür sei ein Beweis, daß der Fürst <strong>von</strong> Benevent aus einer Art Verbannung und<br />

Ungnade heraus wieder an den Hof befohlen sei.“<br />

Doch die Hoffnungen trogen abermals. Während zunächst ein gewisses<br />

Entgegenkommen bei den französischen Behörden unzweifelhaft vorhanden<br />

gewesen war, ließ bereits die zweite Unterredung mit Champagny offenbar<br />

werden, daß man die Dringlichkeit der Verhandlung nicht mehr anerkennen<br />

wollte und inzwischen überhaupt einen anderen Standpunkt eingenommen hatte.<br />

Brockhausen führte dies wohl nicht mit Unrecht in erster Linie darauf zurück, daß<br />

infolge jener berühmt gewordenen Ansprache Napoleons gelegentlich der Feier<br />

seines Namenstages an den österreichischen Gesandten Grafen Metternich, eine<br />

Klärung des Verhältnisses zu Österreich inzwischen vorbereitet war. Über diese<br />

öffentliche Ansprache hatte Brockhausen sehr genaue Nachricht durch<br />

Ohrenzeugen. Er gibt hierüber einen höchst lebendigen Bericht. Die<br />

wesentlichsten Äußerungen des Kaisers lauteten: „Eure Rüstungen sind<br />

erstaunlicher Art. Außer Eurer Armee versammelt Ihr eine Reserve und eine<br />

Nationalmiliz. Sie sind auch nicht für die Dauer. Sie können daher nur einem<br />

98


Angriffszweck dienen. Außerdem elektrisiert diese leve en masse die Köpfe und<br />

flößt Haß gegen die Franzosen ein. So kann man sich im Kriege befinden, ohne es<br />

zu wissen und zu wollen. Dieser Krieg, wenn er beginnt, wird ein Krieg auf Tod<br />

und Leben sein. Entweder der Kaiser <strong>von</strong> Österreich wird mitten nach Frankreich<br />

hineinkommen, oder ich werde bis an die äußersten Grenzen der österreichischen<br />

Staaten vordringen.“<br />

Der Schluß bestand im freilich in gemäßigtem und freundlichem, aber doch<br />

ernstem Tone vorgetragenen Wunsche nach Aufklärung und Beruhigung.<br />

Bei den Verhandlungen mit Preußen zeigte sich die inzwischen Napoleon zuteil<br />

gewordene Beruhigung seitens Österreichs in der Steigerung seiner Ansprüche<br />

gegenüber Preußen. Champagny eröffnete nunmehr, daß folgende Forderungen<br />

gestellt werden müßten:<br />

Von der Nichtzulassung der Anrechnung der Einkünfte seit dem 1.10.1807 könnte<br />

nicht abgegangen werden.<br />

Die französischen Garnisonen in den Festungen müßten insgesamt 1215000 Mann<br />

betragen.<br />

Zwecks Sicherung für die Zukunft könnte nur ein Heer <strong>von</strong> etwa 30 000 Mann<br />

gestattet werden.<br />

Brockhausen bat nochmals dringend, <strong>von</strong> diesen doch für Preußen ganz<br />

unannehmbaren Bedingungen abzusehen, wünschte aber andererseits baldige<br />

Erledigung.<br />

Zu Tolstoi sagte Champagny: „Beruhigen Sie sich, Sie können damit rechnen, daß<br />

die Änderungen nicht allzu nachteilig für Preußen sein werden. Im allgemeinen<br />

wollen wir ja Preußen gar nicht der Mittel für sein Dasein berauben, sondern sie<br />

ihm vielmehr bewahren.“<br />

In weiteren Besprechungen mit dem Prinzen regte Champagny wiederum die<br />

Bündnisfrage an. Brockhausen ging, da in erster Linie die Entfernung der Truppen<br />

und die geldliche Regelung in Frage stand, über diese Anregung mit<br />

liebenswürdigen Redensarten hinweg. Er fügte hinzu, da anscheinend die Truppen<br />

des Rheinbundes nach Spanien marschieren müßten, so wäre es traurig, wenn<br />

man auch das mitmachen und seine Befreiung mit dem Eintritt in diesen Bund<br />

erkaufen sollte. Es bliebe seinem Vaterlande dann ja nichts, wo<strong>von</strong> es bestehen<br />

könnte. Bezüglich der Frage Champagnys, welche Art Bündnis in Frage komme,<br />

sprach sich Brockhausen schließlich für diejenige Art aus, die am wenigsten die<br />

Unabhängigkeit Preußens berühre, also ein Sonderbündnis. Sollte später der<br />

Eintritt in den Rheinbund als unumgänglich gefordert werden, wäre dazu immer<br />

noch Zeit.<br />

Am 19.8. schrieb Champagny an den Prinzen, er könne ihm jetzt das Ergebnis des<br />

inzwischen bei Napoleon gehaltenen Vortrages mitteilen. Der Prinz ging darauf<br />

am 20.8. in das Auswärtige Ministerium, wobei ihn Brockhausen auf<br />

ausdrücklichen Wunsch des Prinzen begleitete. Champagny begann: Napoleon sei<br />

bis an die äußerste Grenze seines Entgegenkommens gegangen. Er verlas nun<br />

einen neuen, in einigen Artikeln auf den Berliner Vertrag sich stützenden Entwurf.<br />

Man ging Artikel für Artikel durch. Brockhausen bemerkte gleich anfangs, es fehle<br />

99


eine wesentliche Klausel, nämlich diejenige, welche dem späteren Ermessen der<br />

Friedenskommission bzw. der französischen Intendantur eine Abänderung der<br />

Höhe der Entschädigung ermögliche. Nach einigen Schwierigkeiten gestand<br />

Champagny dies zu. Der Prinz und Brockhausen suchten ihre früheren<br />

Vorstellungen zu erneuern. Champagny sagte, daß Napoleon keinesfalls hierauf<br />

eingehen werde. „Wir sahen“ sagt Brockhausen „zu unserem Erstaunen, daß die<br />

neue Fassung eines Artikels geradezu dem Artikel 25 des Tilsiter Friedens zuwider-<br />

lief“. Es entspannen sich lange Unterhaltungen hierüber. Brockhausen schlug eine<br />

abschwächende Fassung vor, die auch angenommen wurde. Sodann wurden alle<br />

Bestimmungen einzeln durchgesprochen. Äußerlich befleißigte sich Champagny<br />

eines freundlichen Tones und zeigte seinerseits augenscheinlich die Absicht, die<br />

Sache zu beenden. Der Plan wurde mit einer Gründlichkeit durchberaten, wie sie<br />

einer so wichtigen Sache geziemte. Nach Schluß bat Champagny, am nächsten<br />

Tage die Entscheidung des Kaisers entgegenzunehmen.<br />

Am 21.8. wurde den preußischen Vertretern eröffnet, daß Napoleon jede<br />

Aufnahme einer Bestimmung hinsichtlich des Abzuges gewisser Lieferungen, vom<br />

nunmehr geforderten Betrage <strong>von</strong> 154 Millionen ablehne. Die preußischen<br />

Vertreter erklärten, sie müßten unbedingt hierauf bestehen.<br />

Am 22.8. wurde ihnen eröffnet, daß Napoleon nunmehr der Aufnahme jener<br />

Forderung zustimmt. Er wolle aber sehen, wann endlich die preußischen<br />

Bevollmächtigten Schluß machen würden. Noch am gleichen Abend überreichte<br />

Champagny dem Prinzen einen <strong>von</strong> ihm abgeänderten Entwurf.<br />

Am 23.8., nachdem Brockhausen vormittags persönlich festgestellt hatte, daß<br />

Champagny den Prinzen nachmittags zwischen 5 und 6 Uhr erwarte, begaben sich<br />

der Prinz und Brockhausen um 5 Uhr nachmittags zu Champagny. Dieser eröffnete<br />

nunmehr, es seien im ganzen zu zahlen 152 Millionen. Man kann sich die<br />

schmerzliche Überraschung der preußischen Vertreter denken. Napoleon hatte<br />

aus den Rechnungen Darus den Vorwand dieser Mehrforderung entnommen. Es<br />

war für Brockhausen wie er schreibt tröstlich, daß der erlauchte Bruder Seiner<br />

Majestät Zeuge war <strong>von</strong> den Anstrengungen, die er machte, um diese Höher-<br />

forderung als nichtig und ungerecht hinzustellen.<br />

Am 24.8. gegen Mittag wurde den Vertretern Preußens eröffnet, die nunmehrige<br />

Endsumme betrage 140 Millionen. Über die Zahlungsfristen werde sich reden<br />

lassen. Der Prinz berief hierauf zunächst außer Brockhausen Humboldt und Le<br />

Coq zu einer gemeinsamen Besprechung. Alle waren ausnahmslos für die<br />

Unterzeichnung.<br />

Am 24.8., nachmittags 4 Uhr, erschienen der Prinz und Brockhausen zum Zwecke<br />

der Unterzeichnung auf dem Ministerium. Nun plötzlich wurde als endgültig<br />

festgestellter Kostenbetrag nicht 140, sondern 150 Millionen genannt. Der Prinz,<br />

in hohem Grade enttäuscht, konnte sich nicht entschließen, zu unterzeichnen 254) .<br />

Er suchte vergeblich eine Audienz bei Napoleon nach, um ihn für die preußische<br />

Sache günstiger zu stimmen. „Wir hatten“, führt Brocklausen etwas später aus,<br />

„nur die Waffen <strong>von</strong> Überlegung und Grundsätzen, und diese sind sehr schwach,<br />

wenn die Gewalt spricht, und der Kehrreim jedesmal lautet: der Kaiser will nicht“.<br />

Eine sachliche Betrachtung des Entwurfes ergab, daß, soviel Schlechtes er auch<br />

bringen mochte, er doch ein Gutes hatte, er gab eine Atempause, bewahrte<br />

100


Preußen die Provinzen unversehrt und verlangte keinen Eintritt in den unseligen<br />

Rheinbund, der nicht einen Schatten <strong>von</strong> Selbständigkeit gelassen hätte. Die<br />

Hauptsache blieb der Zahlungsbetrag und die Zahlungsweise. Wenn es unter allen<br />

Umständen nötig wäre, so würde Brockhausen, um diese Sache zu beenden, in<br />

voller Übereinstimmung mit dem Prinzen bis 140 Millionen gegangen sein,<br />

gleichzeitig aber möglichst lange Zahlungsfristen vorgesehen haben. Wenn aber<br />

Napoleon auf 150 Millionen bestehen blieb, dann ging das über die Grenzen des<br />

Möglichen, der Prinz und er würden alsdann zunächst weitere Entschließungen<br />

des Königs erbeten haben. Es durfte hierbei allerdings nicht außer acht gelassen<br />

werden, daß die Händel mit Österreich beigelegt zu sein schienen und die<br />

gegenseitige Auseinandersetzung eine völlige Beruhigung, sowohl in Paris wie in<br />

Wien, ergeben hatte, so daß letzteres wahrscheinlich sogar ganz abrüsten würde.<br />

Auch schien es nicht ausgeschlossen, daß die Spanier infolge innerer Streitigkeiten<br />

doch überwunden werden würden.<br />

Es waren gewiß höchst unerfreuliche Tage für den Gesandten, welcher sich für die<br />

ganzen Verhandlungen verantwortlich fühlte, ohne doch vollkommen Herr der<br />

Lage zu sein. In einem Privatbrief an den Grafen Goltz, bei welchem er auf<br />

Verständnis und Wohlwollen rechnen zu können glaubte, machte er seinem<br />

Herzen Luft. Er beklagte sich, daß nach einem früheren Erlaß ihm nur ein gewisser<br />

Anteil an den Verhandlungen zugedacht war, das sei aber bei einer so wichtigen<br />

Verhandlung unmöglich. „Entweder ich mußte die Sache richtungbestimmend in<br />

die Hand nehmen, oder zurückstehen und mit verschränkten Armen zusehen.<br />

Man verzeihe mir den Freimut meiner Darlegungen! Glücklicherweise hat der<br />

gesunde Sinn des Prinzen ihn bald erkennen lassen, daß eine gewisse<br />

Gewandtheit in der Behandlung der öffentlichen Angelegenheiten, eine<br />

bestimmte nun einmal nur durch reiche Erfahrungen zu erwerbende Kenntnis<br />

dieser Geschäfte zur Erfüllung derartiger Aufgaben erforderlich ist. Er hat mir<br />

daher die Rolle des Ausführenden überlassen und sich alsdann das weitere<br />

vorbehalten. Noch richtiger wäre es gewesen, wenn er nur mit dem Kaiser ver-<br />

handelt und mir die Verhandlungen mit den Ministern überlassen hätte. Er glaubt<br />

jedoch auf Grund seiner Anweisung auch zu den Verhandlungen mit letzteren<br />

verpflichtet zu sein. Ja noch mehr, der Prinz will die Vertragsurkunde selbst<br />

zeichnen, obgleich die Fürsten aus dem Hause Brandenburg die Zeichnung <strong>von</strong><br />

Verträgen stets ihren Ministern überlassen haben.“ Brockhausen hofft bald <strong>von</strong><br />

den Verlegenheiten, die aus diesem Verhältnis sich nun einmal ergeben, befreit zu<br />

werden. „Ich habe genug Geduld geübt, niemand kann mir nachsagen, daß ich zu<br />

ungeduldig, zu leicht erregbar und zu lebhaft gewesen bin.“<br />

Goltz beantwortete dieses Schreiben unterm 16.9. mit großem Mitgefühl und<br />

bezeichnete es als ein Zeichen des ihm geschenkten Vertrauens. Er verkannte<br />

keineswegs die großen Schwierigkeiten für Brockhausen. Er erwarte aber alles<br />

<strong>von</strong> seiner Vaterlandsliebe, seiner Treue. Er weist auf die liebenswürdige und<br />

entgegenkommende Persönlichkeit des Prinzen hin, an der man nicht<br />

vorbeigehen dürfe. Der Prinz habe stets Brockhausens Rat und Erfahrungen gern<br />

entgegengenommen und gewertet.<br />

15. Zwischenfall Stein 255)<br />

101


Noch war die Entscheidung auf den Bericht Brockhausens vom 31.8. nicht<br />

ergangen, als ein unglückliches Ereignis den ganzen Plan der preußischen<br />

Vertreter änderte und sie zu einem sofortigen Entschlusse zwang. Es war die<br />

Verhaftung des vom Staatsminister vom Stein mit gewissen Aufträgen nach Berlin<br />

und Doberan gesandten Assessors Koppe und die damit verbundene<br />

Beschlagnahme einer größeren Anzahl <strong>von</strong> Schriftstücken und Briefen, deren<br />

Inhalt zu ungunsten der preußischen Regierung ausgelegt werden konnte.<br />

Insbesondere war es jener bekannte Brief des Staatsministers vom Stein an den<br />

Prinzen Witgenstein in Doberan, dessen Inhalt den Kaiser Napoleon in äußerste<br />

Wut versetzte. Er gab sich den Anschein, als müsse hierin die Aufforderung des<br />

preußischen Volkes zu einer aufständischen Bewegung erblickt werden, und<br />

nahm diesen für die preußische Sache so unerwünschten Zwischenfall zum<br />

Vorwand, um neue Bedingungen für den Vertragsabschluß stellen zu können. Am<br />

3.9. lud Champagny, nachdem die Verhandlungen seit dem 29.8. geruht hatten,<br />

zu einer neuen Besprechung ein. Der Minister empfing den Prinzen und<br />

Brockhausen mit dem Bemerken, der Kaiser sei bis aufs äußerste gereizt durch die<br />

Verzögerungen und bedauere nur, nicht 180 Millionen gefordert zu haben. Auf<br />

die Weigerung der preußischen Vertreter hin, ohne die Entscheidung des Königs<br />

zu zeichnen, nahm er einen sehr ernsten Ton an und sagte, daß Napoleon in<br />

seinen Händen einen Briefwechsel habe, welcher beweise, wie sehr die<br />

preußische Regierung ein Feind Frankreichs sei. Champagny begann nun die<br />

Übersetzung jenes vertraulichen Briefes vorzulesen. Auf die Vorstellungen, daß<br />

hier vielleicht doch Nachbildungen oder Mißverständnisse vorliegen könnten,<br />

zeigte er die Urschrift des Briefes, dessen Echtheit weder anerkannt noch<br />

geleugnet werden konnte. Nach manchem Hin und Her erklärte Champagny auf<br />

das Entschiedenste: „Der Kaiser will in aller Kürze wissen, woran er bezüglich<br />

Preußens ist, ob er auf einen versteckten Feind oder auf einen Freund und<br />

Verbündeten rechnen kann. Er wünscht also, daß Sie sich in der allerkürzesten<br />

Frist für nein oder ja entscheiden.“ Prinz Wilhelm und Brockhausen überlegten.<br />

Außer zwei Punkten waren weitere Änderungen gegenüber dem früheren<br />

Entwurfe nicht verlangt. Die eine schon bekannt gegebene Änderung betraf die<br />

140 Millionen. Die andere betraf die neu aufzunehmende Bestimmung, wonach<br />

der König sich verpflichten mußte, keine Staatsdiener aus den abgetretenen<br />

Gebieten in seinem Dienst zu beschäftigen. Hierdurch glaubte Napoleon Stein zu<br />

treffen, den er für einen Westfalen hielt. Auf die erneute Vorstellung, daß es un-<br />

möglich sei, so große Summen in schnell aufeinanderfolgenden Fristen zu zahlen,<br />

sagte Champagny weitgehende Erleichterungen hinsichtlich der<br />

Zahlungsbedingungen zu.<br />

16. Abschluß des Vertrages vom 8.8.1808 256)<br />

Nach harten inneren Kämpfen und Überlegungen und Besprechungen<br />

entschlossen sich dann endlich der Prinz und Brockhausen, jenen Vertrag unterm<br />

8.9.1808 zu zeichnen. Sie waren sich der großen Verantwortung, die auf ihnen lag,<br />

wohl bewußt, glaubten aber, dem Wohl des Staates so am besten zu dienen, da<br />

102


es nicht zweifelhaft erschien, daß Napoleon angesichts der ihm gewordenen Mit-<br />

teilungen den Vertrag <strong>von</strong> Tilsit als gebrochen betrachten und das arme<br />

unglückliche noch <strong>von</strong> den Truppen stark besetzte Land die Rache des Siegers<br />

fühlen lassen werde.<br />

Der König hat dann auch später diese Gesichtspunkte gewürdigt und den Vertrag<br />

genehmigt 257) .<br />

Der Prinz Wilhelm selbst schied, wenn auch nicht durchweg vom Ergebnis seiner<br />

Sendung befriedigt, so doch mit dem Gefühl, eine schwere Pflicht für das<br />

Vaterland mit Würde und Ernst erfüllt zu haben, am 19.9.1808 aus Paris, um<br />

möglichst noch vor der in Aussicht genommenen Kaiserbegegnung den Zaren<br />

Alexander in einem für Preußen günstigen Sinne beeinflussen zu können.<br />

III. Audienz Brockhausens bei Napoleon 258)<br />

Nun war endlich die Zeit gekommen, wo Napoleon sich herbeiließ, den<br />

preußischen Gesandten in feierlicher Audienz zu empfangen. Der Prinz war<br />

alsbald nach Unterzeichnung des Vertrages hierum eingekommen.<br />

Über seine Audienz vom Sonntag, dem 11.9., berichtet Brockhausen unterm 16.9.<br />

folgendes: Ich wurde bei Seiner Kaiserlichen Majestät unter den bei einer solchen<br />

Gelegenheit üblichen feierlichen Formen eingeführt. Indem ich ihm mein<br />

Beglaubigungsschreiben überreichte, drückte ich ihm die unwandelbaren<br />

Absichten Seiner Majestät des Königs aus, eine Vereinigung und gutes<br />

Einvernehmen mit Frankreich aufrecht zu erhalten. Ich führte aus, wie glücklich es<br />

wäre, wenn ein vollkommenes Vergessen des Vergangenen neu erstehen ließe<br />

diese Gefühle des Vertrauens und der Freundschaft, <strong>von</strong> denen Preußen sich eine<br />

gute Zeit verspräche. Der Kaiser nahm den Ton einer freundschaftlichen<br />

Unterhaltung an und sagte mir: „Sie haben jetzt einen Vertrag. Ich werde ihn mit<br />

äußerster Genauigkeit erfüllen, aber ich werde nicht dulden, daß man auch nur im<br />

geringsten hier<strong>von</strong> abweicht.“<br />

Wir hofften, so erwiderte ich, daß Seine Kaiserliche Majestät im Artikel <strong>von</strong> den<br />

Kriegslasten mehr unseren guten Willen, wie unsere Fähigkeiten erkennen<br />

möchte. Wir hoffen ferner, daß wir nicht nur seiner Nachsicht hinsichtlich der<br />

Zahlungsfristen, sondern wegen der Anleihe in Holland seines Beistandes gewärtig<br />

sein dürften. Ohne eine solche würde Preußen, welches nur über Kupfermünzen<br />

verfüge, sich außerstande sehen, derartig große Summen zu zahlen. Der Prinz<br />

habe nur in diesem Vertrauen den Vertrag gezeichnet, welcher die<br />

schrecklichsten Bedingungen für das Land enthalte. Ohne die gerechte Hoffnung<br />

auf die nachsichtige Güte Seiner Kaiserlichen Majestät sei die Erfüllung derselben<br />

undenkbar. „Bezüglich der Geldsachen werden wir sehen,“ erwiderte der Kaiser,<br />

„aber hinsichtlich der anderen Dinge werde ich <strong>von</strong> einer unnachsichtlichen<br />

Strenge sein.“ Napoleon machte dann Bemerkungen über die Vorbehalte, über<br />

die Eventualverträge, die unsere Minister einer offenen Politik vorgezogen hätten.<br />

Er durchlief die verschiedenen Zeiten, wo wir Gegner Frankreichs gewesen seien,<br />

er hielt plötzlich bei jener an, welche den Krieg verursacht hatte, bei der<br />

Verletzung der Ansbachischen Lande, bei den Ereignissen in Berlin. Seine Majestät<br />

103


eklagte sich über die Doppelzüngigkeit des Marquis Lucchesini, über den<br />

geringen Grad <strong>von</strong> Ehrlichkeit und Kraft bei dem Grafen Haugwitz, der nach Wien<br />

und Paris gekommen sei, um einen Vertrag abzuschließen, welchen er nicht die<br />

Absicht hatte, zu halten. Der Kaiser behauptete, daß alle Kabinette Anlaß gehabt<br />

hatten, sich über uns zu beklagen, daß man auf eine solche Politik in Zukunft<br />

verzichten müsse, daß man vielmehr ehrlich Freund oder Feind gegen Frankreich<br />

sein müsse, daß, wenn jemals Rußland und Frankreich miteinander uneins<br />

würden, man dann mit Herz und Seele sich entweder für den einen oder den<br />

anderen entscheide, daß dies allein das Mittel sei, sich Achtung zu verschaffen.“<br />

Dann kam Seine Majestät auf die Beschwerden zu sprechen gegen unsere<br />

Offiziere, gegen die neuen Anordnungen bezüglich der Rückberufung der Ur-<br />

lauber wie er besorge , zum Zwecke einer Massenerhebung. „Ich habe“, sagte er,<br />

„die Briefe auffangen lassen, welche mir die Gefühle kund tun, die in Preußen<br />

noch herrschen. Aber ich werde sie nicht dulden. Seien Sie überzeugt, daß ich<br />

schnell wie ein Blitz dazwischen fahren werde, um die Ausbrüche des Übelwollens<br />

gegen mich zu unterdrücken, welche sonst für die Folge wieder bei Ihnen er-<br />

stehen könnten. Aus dem Brief eines Ihrer Minister habe ich ersehen, wie man in<br />

Hinsicht auf meine Person denkt und wieviel man aus dem spanischen Handel zu<br />

verdienen sucht. Man glaubt daraus ein ungünstiges Vorzeichen für Frankreich<br />

entnehmen zu können. Doch man täuscht sich. Frankreich hat eine ungeheure<br />

Macht, welche überallhin Front machen kann. Lassen Sie sich nicht einschläfern<br />

durch falsche Berichte, wie die des Marquis Lucchesini, der mit seinen Neuig-<br />

keiten Börsengeschäfte trieb, und wie die <strong>von</strong> Le Roux, welcher seiner Fährte<br />

folgte, <strong>von</strong> dem ich Briefe habe, in denen er meine Finanzen und meine Lage als<br />

verzweifelt bezeichnet. Diese lächerlichen Nachrichten gehen bei Euch um. Man<br />

rechnet hiermit, man baut auf diese zerbrechlichen Unterlagen. Ich weiß alles, ich<br />

kenne die Art, zu denken <strong>von</strong> Euren Ministern; es ist unmöglich, mich zu<br />

täuschen. Bei mir bedarf es des Freimuts und der Ehrlichkeit, man muß die Dinge<br />

bezeichnen, wie sie sind und sich nicht kleinlicher Ausflüchte bedienen.“ Nun zu<br />

mir gewandt: „Sie sind gegenwärtig in der Lage, alles zu sehen und das Vertrauen<br />

Ihres königlichen Herrn zu benutzen, um die Irrtümer zu zerstreuen. Ich wünsche,<br />

daß Preußen einen ehrenhaften Platz einnimmt unter den Mächten Europas. Ich<br />

werde in Zukunft hierzu beitragen, wenn ich Eure Ehrlichkeit sehe. Vor allem, daß<br />

Preußen nicht seine Nachbarn ärgert, für welche ich mich unter mehr als einem<br />

Gesichtspunkt interessiere. Ich achte den König, und ich habe Zutrauen gefaßt zu<br />

seiner Loyalität, aber ich habe noch nicht das gleiche Zutrauen zu seinen<br />

Ministern, welche Frankreich nicht lieben.“ Indem er die Audienz beendete, sagte<br />

er zu mir: „Schreiben Sie ihrem König, daß ich volles Vertrauen zu ihm habe und<br />

daß ich hoffe, er werde einen ruhigen Winter in Berlin verleben.“<br />

Brockhausen fährt dann fort, daß er aus den Äußerungen Napoleons nur das<br />

Wesentlichste an Friedrich Wilhelm wiedergegeben habe. Die Unterredung habe<br />

wohl eine Stunde gedauert. Sie fand statt in den persönlichen Räumen des Kaisers<br />

in Gegenwart einer großen Zahl <strong>von</strong> hohen Würdenträgern. Brockhausen<br />

verfehlte nicht, gegen einige Äußerungen sich zu wenden, soweit es die Feierlich-<br />

keit der Audienz gestattete. Er versuchte, die Vorwürfe gegen Preußen zu<br />

widerlegen. Preußen sei oft für Frankreich nützlich gewesen, und wenn es sich<br />

einmal geirrt habe, sei dies stets zugunsten Frankreichs ausgeschlagen. Er bat um<br />

Gerechtigkeit und Sachlichkeit, insbesondere hinsichtlich der Zahlungsfristen. Er<br />

104


war bestrebt, den schlechten Eindruck der Koppeschen Affäre zu verwischen und<br />

Steins hervorragendes Finanzgenie in das rechte Licht zu setzen. Man werde ohne<br />

Stein schwerlich auskommen und die sich bietenden Finanzquellen ohne ihn nicht<br />

völlig ausnutzen können. Napoleon lenkte hier ab, er meinte, der Haß der<br />

Offiziere gegen ihn sei unermeßlich und müsse mit Strenge geahndet werden.<br />

IV. Zwischen Krieg und Frieden 1808/09<br />

1. Kongreß in Erfurt 259)<br />

Am 20.9.08, einem Dienstag, fuhr Napoleon über Straßburg zur Kaiserbegegnung<br />

nach Erfurt. Die Dauer seiner Reise wurde auf etwa einen Monat festgesetzt. Mit<br />

Spannung verfolgt Brockhausen den weiteren Verlauf dieser „Entrevue illustre et<br />

éclatante“. Die Rheinbundfürsten waren sämtlich eingeladen, die Könige<br />

eigenhändig <strong>von</strong> Napoleon. Von entscheidender Bedeutung war, daß auch<br />

Alexander dem Rufe Napoleons folgte.<br />

Brockhausen sieht ganz klar, Napoleon braucht diese Aussprache mit dem Zaren<br />

dringend, da ihm dieser den Rücken freihalten und Wiens Ruhe gewährleisten<br />

soll. Man spricht <strong>von</strong> einem feierlichen Bündnis gegen Überlassung einiger<br />

Provinzen der Türkei an Rußland. Für Brockhausen ist diese Zusammenkunft vom<br />

Standpunkt Preußens deshalb wichtig, weil er durch Alexanders Einfluß die Be-<br />

strebungen zur Verbesserung des Loses Preußens gefördert zu sehen hofft. Zu<br />

diesem Zwecke hat er vor der Abreise Tolstois diesem eine genaue Aufstellung<br />

aller notwendigen Forderungen mitgegeben und auch den Prinzen Wilhelm ent-<br />

sprechend benachrichtigt, da er; wie bemerkt, <strong>von</strong> dessen Einwirkung auf<br />

Alexander sich Gutes verspricht.<br />

2. Bündnis RußlandFrankreich 260)<br />

An Stelle Tolstois wurde der russische Gesandte in Wien, Fürst Kurakin, nach Paris<br />

versetzt, was Brockhausen bei seiner Vertrautheit mit Tolstoi unter verschiedenen<br />

Gesichtspunkten bedauerte.<br />

Zunächst erschien Romanzoff, der dem preußischen Gesandten alsbald erklärte,<br />

er wolle mit ihm auf gutem Fuße leben entsprechend der Freundschaft beider<br />

Länder. Romanzoff tat besorgt wegen der Kriegsvorbereitungen in Wien, die sein<br />

System der Beruhigung Europas und der Verständigung mit Frankreich zerstören<br />

könnten. Es verlautete, die Trennung der beiden Kaiser in Erfurt sei nicht mit der<br />

gleichen Herzlichkeit erfolgt, wie das erste Zusammentreffen.<br />

Zwischen Romanzoff und Kurakin, der am 26.11. eingetroffen war, herrschte eine<br />

Kälte, die Brockhausen oft in Verlegenheit setzte. Solange Romanzoff in Paris war,<br />

schienen die Befugnisse Kurakins aufgehoben. Brockhausen glaubte den wahren<br />

Grund des Aufenthalts Romanzoffs, der <strong>von</strong> Napoleon wiederum ganz besonders<br />

105


evorzugt wurde, entdeckt zu haben: Romanzoff sollte einen Geheimvertrag mit<br />

Frankreich abgeschlossen haben über eine Unterstützung seitens Rußlands im<br />

Falle eines angriffsweisen Vorgehens Österreichs gegen Frankreich.<br />

3. Ausbruch des Krieges ÖsterreichFrankreich 261)<br />

Denn inzwischen hatten sich die Dinge freilich zwischen Österreich und Frankreich<br />

aufs äußerste zugespitzt.<br />

Brockhausen bringt in seinen in dieser Zeit besonders häufigen und eingehenden<br />

Berichten über die beiderseitigen Kriegsvorbereitungen der feindlichen Mächte<br />

eine große Menge <strong>von</strong> Einzelheiten. Ihre Aufzählung interessiert hier weniger,<br />

zumal wir über diese Dinge inzwischen aus zuverlässigeren Quellen unterrichtet<br />

sind, als es die notwendigerweise doch nur lückenhaften Berichte des<br />

preußischen Gesandten sein können.<br />

Wichtig ist die Feststellung, daß Brockhausen sich in dieser Zeit, entgegen seiner<br />

bisherigen Einstellung, für Pflege der Freundschaft mit Wien ausspricht 262) .<br />

Bemerkenswert ist ferner immerhin die Darstellung Brockhausens über den<br />

österreichischen Gesandten. Es war Metternich, mit dem er in Paris nun wieder<br />

zusammengetroffen war und den er diesmal doch ganz anders wie in Dresden<br />

einschätzte. Metternich zeigte sich hiernach als ein kluger, entschlossener,<br />

mutiger Charakter, der auch einem Napoleon gegenüber seinen Mann zu stehen<br />

wußte. Mit einer gewissen nachlässigen Unbekümmertheit trotzte er der Kälte,<br />

mit der man ihm allgemein begegnete. Mit Empörung brandmarkte er das<br />

völkerrechtswidrige Verhalten Napoleons, der ihm erst die Pässe, dann die<br />

nötigen Pferde zur Reise verweigern ließ, doch nur, um ihn solange wie möglich<br />

<strong>von</strong> persönlicher Beratung der Hofburg abzuhalten 263) .<br />

Ferner verdient die Bemerkung Napoleons zu Kurakin Erwähnung, daß, wenn er<br />

angesichts der drohenden Haltung der Österreicher seinerseits den Krieg erkläre,<br />

er nicht der „erste“ sei, da er sich augenscheinlich doch nur verteidigen müsse.<br />

Napoleon durfte nicht als Angreifer erscheinen, weil sich nur für den Fall eines<br />

Angriffs Österreichs Zar Alexander seine Hilfe zugesichert hatte 264) .<br />

Auch die wörtliche Wiedergabe der grimmigen Äußerung Napoleons anläßlich<br />

eines an sich ziemlich belanglosen Zwischenfalls ist hier der Erwähnung wert, da<br />

sie die ganze Leidenschaftlichkeit dieser ungebändigten Kraftnatur veran-<br />

schaulicht.<br />

Ein angeblicher Kurier, wie sich später herausstellte, ein mit gewissen kaiserlichen<br />

Papieren ausgestatteter französischer Offizier namens Scherlock, wurde in<br />

Braunau durch die städtischen Behörden verhaftet unter Beschlagnahme der<br />

Papiere, aber mit der Erlaubnis, weiter zu reisen. Napoleon erblickte hierin eine<br />

Verletzung des Völkerrechts, die zu rächen die Ehre der Nation erheischte. Nichts<br />

glich dem Zorn, der Napoleon an diesem Abend erfüllte. Er wiederholte ganz laut:<br />

„Diese niederträchtige Nation soll die Dummheit bezahlen, die sie soeben<br />

106


gemacht hat. Ich werde nach Wien gehen und den Schimpf rächen, der mir<br />

angetan ist, und den nicht einmal die Republik St. Marino dulden würde.“<br />

Napoleon sollte seine Drohung nur zu bald wahr machen. Um Mitternacht am<br />

12.4.1809 erfährt Napoleon, daß die Österreicher den Inn überschritten hätten.<br />

Noch in der gleichen Stunde wird die Abfahrt angeordnet. Er eilt, <strong>von</strong> der Kaiserin<br />

begleitet, zunächst nach Straßburg, indes die Kaiserin die Bäder <strong>von</strong> Plombières<br />

besucht. Mit unglaublicher Schnelligkeit weiß Napoleon nun den Stoß gegen die<br />

hierauf doch nicht vorbereiteten Österreicher zu führen. Bereits am 4.5. sieht<br />

Brockhausen klar: der Beginn des Krieges ist für Habsburg unglücklich. Österreich<br />

muß den Krieg im eigenen Lande aushalten, statt ihn in die Länder des<br />

Rheinbundes zu tragen.<br />

Kurakin ist niedergeschlagen über die österreichische Niederlage. Er sieht den Fall<br />

Habsburgs voraus. „Man muß, koste es, was es wolle, dies verhindern.“ Er hofft<br />

auf Alexanders Vermittlung.<br />

Trotz ihrer inneren Einstellung haben Kurakin und Brockhausen am Te deum in<br />

Notre Dame teilgenommen. Brockhausen ahnt, daß, wenn der Triumph<br />

Napoleons sich noch erhöhen sollte, neue Verlegenheiten auch für Preußen zu<br />

befürchten sein werden.<br />

4. Stimmung im Innern 265)<br />

Freilich erfolgt zunächst ein Rückschlag. Die Niederlage <strong>von</strong> Aspern wird in Paris<br />

außerordentlich vergrößert. Es herrscht eine trübe Stimmung. Die Urteilsfähigen<br />

erkennen sehr wohl die ganze Verlegenheit Napoleons, der, umstellt <strong>von</strong><br />

feindlichen Heeren, mit einer doch nicht mehr wie sonst den höchsten<br />

Ansprüchen genügenden Armee, der Zufuhr <strong>von</strong> Menschen, Lebensmitteln und<br />

Bewaffnungsgegenständen dringend bedürfend, sich auf einige Zeit still verhalten<br />

muß. Insbesondere fehlen Kavallerie und Train. Inzwischen waren die<br />

französischen Finanzen auf einem sehr ungünstigen Punkte angelangt. Es wurden<br />

Hilfstruppen herangeschafft, woher sie immer zu bekommen waren. Zum Beispiel<br />

läßt Napoleon <strong>von</strong> Boulogne auf Wagen Reserven kommen. Überhaupt entblößte<br />

er die Küsten in einem Maße, wie nie zuvor. Gleichzeitig wurde eine neue<br />

Aushebung ausgeschrieben. Hierüber fand eine Geheimberatung im Senat statt,<br />

wobei mancher Senator seine Gegnerschaft bekundete. Besondere Besorgnisse<br />

hegte man wegen einer Erhebung im Norden Deutschlands. Die unglaublichsten<br />

Nachrichten über Preußen begannen umzulaufen. Die Regierung sei in Auflösung<br />

und völliger Ratlosigkeit. Der größte Teil der Armee sei begeistert zum Kampf<br />

gegen Frankreich und entbehre jeder Disziplin. Die „Desertion“ Schills, wie sie in<br />

Paris genannt wurde, habe ein ungeheures Aufsehen erregt, ja sogar die Papiere<br />

fallen lassen. Man befürchtete, daß dem Beispiel Schills andere folgen würden<br />

266) . Vergebens suchte Brockhausen diesen Gerüchten auf das entschiedenste<br />

entgegenzutreten.<br />

Die große Ungewißheit, die manche Freunde einer Neuordnung der Dinge in eine<br />

noch schwierigere Lage Napoleons verwandelt zu sehen wünschten, hatte sich<br />

inzwischen durch Briefe des Fürsten <strong>von</strong> Benevent an Cambacérès und Marets an<br />

107


La Valette geklärt. Der Sieg vom 5.7. über Erzherzog Karl, dessen Heer, teils<br />

Böhmens, teils Mähren geschlagen aufsuchte, hatte aber immer noch keinen<br />

endgültig günstigen Eindruck auf die öffentliche Meinung gemacht. Zwar lassen<br />

sich Kanonenschüsse der Freude und das Te deum hören, aber die Ermüdung<br />

nach soviel Schlachten, soviel Siegen, soviel Blutvergießen hat doch auch zugleich<br />

die Herzen mit einer gewissen Trauer erfüllt, und, was noch bemerkenswerter ist,<br />

die öffentlichen Papiere sind nicht gestiegen; Der Waffenstillstand zu Znaim<br />

schaffte jenen Zustand zwischen Krieg und Frieden, der aber noch keineswegs<br />

Beruhigung und Sicherheit gab.<br />

Insbesondere werfen die Ereignisse in Spanien und Portugal ihre Schatten.<br />

Brockhausen hatte, vorzüglich hierüber unterrichtet, in lebhaften und<br />

farbenreichen Schilderungen die Entwicklung der Dinge auf der Pyrenäenhalbinsel<br />

seiner Regierung vorgetragen. Er verwies auf die Schwierigkeiten, die sich<br />

ergaben aus den gebirgigen Eigenschaften des Landes, dem Fanatismus der<br />

Einwohner, der starken Hilfe durch die Engländer, andererseits der Verluste durch<br />

Unfälle und Krankheiten und der Uneinigkeit und Eifersucht der französischen<br />

Generäle. Voller Hochachtung berichtete Brockhausen über den Heldenmut des<br />

spanischen Volkes, über die Wunder der Tapferkeit bei der Belagerung <strong>von</strong><br />

Saragossa, über die Festigkeit der spanischen Nation. Er sagt: „presque chaque<br />

hameau est le tombeau d’un Français.“ „Die neue Geschichte bietet nichts<br />

ähnliches wie diese Summe der Tapferkeit und übernatürlichen Kraft.“ Schon<br />

hatte Napoleon das Land hinter dem Ebro den Spaniern überlassen müssen, hielt<br />

aber den Rest mit 150 000 Mann für König Joseph, seinen Bruder. Saragossa war<br />

nach bewundernswerter Gegenwehr, die Broekhausen nur mit der Belagerung<br />

<strong>von</strong> Leyden vergleichen kann, gefallen. Die Engländer hatten sich nach Taten der<br />

Tapferkeit in Coronna eingeschifft. Gleichwohl blieb die Lage in Spanien gefähr-<br />

lich. Joseph entsandte Boten: Ohne 50 000 Mann könne er sich nicht halten.<br />

Später soll Joseph noch einmal 100 000 Mann und 60 Millionen Livres gefordert<br />

haben. Napoleon erklärt, diese Summe ihm nicht bewilligen zu können, wohl aber<br />

werde er nach Abschluß des Friedens selber an der Spitze <strong>von</strong> 100 000 Mann<br />

einrücken.<br />

Gefährlicher im Augenblick erschien die Bedrohung Frankreichs durch die<br />

Landung der Engländer mit angeblich über 40 000 Mann in Seeland. Brockhausen<br />

gibt eine lebhafte Schilderung <strong>von</strong> der gewaltigen Bestürzung, in welche Paris<br />

durch diese Landung geriet. Die Behörden sind in größter Verlegenheit. Auf dem<br />

Innenminister Fouché und dem Kriegsminister Clarke liegt die Hauptlast der<br />

Arbeit. Die Präfekten und Maires sind ratlos. Bernadotte sucht Mannschaften und<br />

insbesondere Artillerie zu sammeln. Die NationalGarden werden formiert.<br />

Zunächst sollen nur die Freiwilligen marschieren; im Notfalle würde aber auch<br />

Zwang eintreten, was Mißstimmung verursacht. Die Engländer machen zunächst<br />

Fortschritte. Vlissingen wird erobert. Die Bewegung durch ganz Frankreich ist<br />

außerordentlich und ruft die ersten Zeiten der Revolution ins Gedächtnis. Die<br />

gewaltige Aushebung überrascht aber doch und vermehrt die Mißstimmung.<br />

Brockhausen vermutet vielleicht nicht zu Unrecht, daß man regierungsseitig die<br />

Gelegenheit für günstig hält, durch eine gewisse Übertreibung der Gefahren sich<br />

eine größere Armee zu sichern. Überall wird die Anwesenheit Napoleons dringend<br />

gefordert. Die überaus schnelle Bildung der Nationalgarden ist Gegenstand<br />

größten Erstaunens und beweist, daß das Volk der Franzosen mit seiner Leiden-<br />

108


schaftlichkeit im Herzen doch leicht zu führen ist. Ein bloßes Schreiben des<br />

Polizeiministers, nicht einmal unterstützt durch einen Erlaß Napoleons oder einen<br />

Senatsbeschluß, hat im Augenblick mehr als 200 000 Mann in Bewegung gesetzt<br />

und zwar auch aus dem wohlhabenden Teil der Bevölkerung. Die Erfolge der<br />

Engländer, so schnell zunächst erreicht, zerrinnen bald. Die drohende Gefahr er-<br />

scheint nach dem Abmarsch der feindlichen Truppen vorüber.<br />

Auch in Schweden hatte sich die Lage der Revolution infolge Absetzung Gustavs<br />

Frankreichs gewandelt.<br />

Endlich kamen die Verhandlungen in Altenburg, wo die Festigkeit Metternichs,<br />

nach Brockhausens Ansicht, Österreich vor dem Äußersten bewahrt hatte, zum<br />

Abschluß. Hart genug waren immer noch die Bedingungen des Wiener Friedens<br />

für den Besiegten.<br />

5. Napoleon auf der Höhe der Macht 267)<br />

Napoleon schien auf dem Höhepunkt seiner Macht angelangt zu sein. Am 26.10.<br />

kehrte er zurück. Das diplomatische Korps machte ihm seine Aufwartung.<br />

Wappenherolde verkündeten an allen großen Plätzen der Stadt die<br />

Friedensbotschaft. Abends fand eine allgemeine Beleuchtung <strong>von</strong> Paris statt. Die<br />

kaiserliche Familie begab sich zunächst nach Fontainebleau. Immer noch zeigten<br />

sich bei Napoleon Spuren der Krankheit, welche ihn in Schönbrunn überfallen<br />

hatte. Damals hatte Berthier durch Duroc den Leibarzt Corvisardt nach<br />

Schönbrunn geholt, wodurch eine große Beunruhigung in Paris entstanden war.<br />

Zur Feier des gemeinsamen Festes der Krönung und des Sieges über Österreich<br />

war Napoleon in die Tuillerien zurückgekehrt.<br />

6. Die Rheinbundkönige in Paris 268)<br />

Zu dieser Feier waren auch die Rheinbundkönige geladen. Der Sachse, den<br />

Napoleon besonders aufgefordert hatte, zog den Württemberger, dieser den<br />

Bayern nach sich, welch letzterer mit seiner Gemahlin, freilich erst etwas später<br />

eintraf. Das Fest wurde durch ein Te deum und eine feierliche Messe begonnen.<br />

Napoleon saß mit einem zahlreichen und glänzenden Gefolge auf einem erhöhten<br />

Thron, zur Rechten den König <strong>von</strong> Westphalen, zur Linken den König <strong>von</strong> Neapel.<br />

Gegenüber befanden sich die Kaiserin, zur Rechten den König <strong>von</strong> Sachsen, zur<br />

Linken den König <strong>von</strong> Württemberg. Hierzu die Königinnen <strong>von</strong> Holland und West-<br />

phalen. Das diplomatische Korps war vor der kaiserlichen Tribüne aufgestellt. Der<br />

Bischof <strong>von</strong> Troyes zelebrierte die Messe. Nach der Messe hielt Napoleon an den<br />

gesetzgebenden Körper eine Ansprache, die, wie alles, was <strong>von</strong> ihm ausgeht,<br />

größtes Interesse bot. Später ging der feierliche Zug in die Tuillerien zurück,<br />

dessen Säle den glänzendsten und eindrucksvollsten Anblick boten.<br />

Der König <strong>von</strong> Sachsen war mit größten Ehren empfangen worden; in Meaux<br />

wurde er <strong>von</strong> Talleyrand begrüßt, in Paris wohnte er im Hotel Bourbon. Jeden Tag<br />

109


fand zu seinen Ehren Jagd in den herrlichen Forsten der Umgebung <strong>von</strong> Paris<br />

statt. Beim Essen stand jedesmal hinter seinem Stuhl ein Palastpräfekt in vollem<br />

Kostüm. Senft, der Bose als Außenminister ersetzen soll und als Gesandter die<br />

Verträge <strong>von</strong> Bayonne veranlaßte, durch welche die Kapitalien der privaten und<br />

der öffentlichen Institute im Herzogtum Warschau beschlagnahmt wurden,<br />

begleitet ihn. Wieder wie früher so oft tritt ein Heiratsplan bezüglich Auguste auf<br />

269) . Der Fürst Poniatowski soll Auguste heiraten und dann Nachfolger Friedrich<br />

Augusts in Polen werden. Allein Auguste hat sich nunmehr entschlossen, ledig zu<br />

bleiben, und weist diesen Antrag zurück.<br />

Der König <strong>von</strong> Württemberg tritt seinerseits mit großem Gefolge auf und hat alle<br />

Minister und einen Teil seiner Adjutanten und Kammerherren mitgebracht. Er<br />

wohnt im Luxembourg und lädt täglich eine Anzahl <strong>von</strong> Personen <strong>von</strong> Rang aus<br />

der Stadt und dem diplomatischen Korps zum Essen ein.<br />

Der König <strong>von</strong> Sachsen fährt dann ab, mit reichlichen Geschenken <strong>von</strong> Napoleon<br />

bedacht. Der König <strong>von</strong> Württemberg amüsiert sich in Paris vorzüglich, schließlich<br />

aber beklagt er sich darüber, daß er Napoleon nicht sieht, und fährt unzufrieden<br />

ab. Der König und die Königin <strong>von</strong> Bayern erscheinen dafür am 21.12. und<br />

wohnen im Palais des Königs <strong>von</strong> Spanien. Auch die Prinzessin Thurn und Taxis ist<br />

eingetroffen und gedenkt, den Winter in Paris zu verbleiben.<br />

Mit Befriedigung kann Napoleon auf das Erreichte zurückblicken. An schroffen<br />

Abgründen vorbei war er unbeirrt den Pfad zum Gipfel der Macht<br />

emporgeklommen, das festländische Europa mit Ausnahme des durch Bündnisse<br />

gefesselten Rußland lag zu seinen Füßen. Was Wunder, wenn sein ohnehin schon<br />

gehobenes Selbstgefühl sich zu einer Art Größenwahn steigerte und er sich zu<br />

geradezu despotischen Handlungen hinreißen ließ. Brockhausen erkennt dies klar<br />

genug, läßt aber im übrigen den großen Gaben und den hervorragenden<br />

Eigenschaften des gewaltigen Mannes volle Gerechtigkeit widerfahren.<br />

7. Napoleon und die Seinen 270)<br />

Interessant sind die Streiflichter die er bei verschiedenen Gelegenheiten auf den<br />

Charakter Napoleons, auf seine Familie und seine Umgebung fallen läßt. Brock-<br />

hausen führt, nicht mit Unrecht, als bemerkenswert an, daß eines der<br />

Abschiedsgeschenke an den Prinzen Wilhelm ein reich gewirkter Gobelin war,<br />

welcher den Tod Colignys darstellte. Die Wahl dieses „Heros, dieses Märtyrers der<br />

evangelischen Religion“, sei ein Zug feinen Verständnisses gegenüber dem<br />

protestantischen Fürstensohn, meint Brockhausen.<br />

Napoleon liebt es, sich mit großem Hofstaat, ähnlich dem früherer Zeiten, zu<br />

umgeben. Unter den 40 Kammerherren, welche er um jene Zeit ernennt, befinden<br />

sich auch einige Persönlichkeiten der alten „Noblesse“. In der Hauptsache ist er<br />

aber doch auf Nobilitierungen angewiesen. Seine Feldherren und Räte schmückt<br />

er mit hochtrabenden Titeln. Die ersteren sollen durch diese Verleihungen an ihre<br />

Siege erinnert werden. Berthier, der Prinz <strong>von</strong> Neufchatel, ist Fürst <strong>von</strong> Wagram<br />

geworden und hat Chambord, das Schloß einst des Marschalls. <strong>von</strong> Sachsen, zum<br />

Geschenk erhalten. Der Herzog <strong>von</strong> Auerstädt ist zum Fürsten <strong>von</strong> Eckmühl,<br />

110


Masséma zum Fürsten <strong>von</strong> Eßlingen ernannt. Bernadotte freilich, der Prinz <strong>von</strong><br />

PonteCorvo, ist in Ungnade gefallen. Die Eifersucht spielt hierbei eine Rolle. Man<br />

findet es geradezu gefährlich, ihm die Nationalgarden zu unterstellen, und hat ihn<br />

nach Deutschland zurückgerufen, wo man ihn für unschädlicher hält als inmitten<br />

<strong>von</strong> Frankreich. Ebenso ist die Ungnade des mit dem spanischen Abenteuer nicht<br />

einverstandenen, für die Befriedung Europas eintretenden Fürsten <strong>von</strong> Benevent<br />

eine völlige. Dagegen ist der König <strong>von</strong> Westphalen z.Zt. der Liebling Napoleons<br />

und wird am besten behandelt.<br />

Wenn auch ab und an Verstimmungen dieser oder jener Art eintreten, so<br />

erblicken doch alle Familienmitglieder in Napoleon den Führer und Urheber ihres<br />

Glücks und die festeste Grundlage desselben. Aus diesem Grunde wünschen sie<br />

auch dem Familienoberhaupte einen männlichen Nachkommen und betreiben<br />

daher zielbewußt die Scheidung Napoleons <strong>von</strong> Josephine. In der Tat fehlte dem<br />

Imperator zu seinem Glück ein Erbe, dem er seine gewaltige Machtfülle hinter-<br />

lassen könnte. Der Plan der Scheidung, schon früher einmal gefaßt, dann aber<br />

wieder aufgegeben, schien diesmal nun unwiderruflich festzustehen. Im Innern<br />

der Familie hatte es Sturm gegeben durch den lebhaften Widerstand Josephines,<br />

der allerdings jetzt als überwunden angesehen werden konnte. Sie hatte gebeten,<br />

in Frankreich, in Malmaison, bleiben zu dürfen, doch besorgte sie, daß diese Bitte<br />

nicht erhört werden würde 271) .<br />

Endlich trat das längst erwartete Ereignis ein. Am 16.12.1809 wurde die Ehe durch<br />

Senatsbeschluß geschieden. In der Familienversammlung vom 15.12. hatte<br />

Josephine die <strong>von</strong> ihr erwartete Erklärung verlesen wollen. Sie konnte die<br />

Verlesung nicht beenden, sie wurde unwohl und zog sich in ihre Gemächer<br />

zurück. Napoleon folgte ihr und blieb eine halbe Stunde bei ihr allein. Dann mußte<br />

der Erzkanzler die Verlesung beenden, da auch Napoleon vor großer Bewegung es<br />

nicht vermochte. Josephine hatte sich nach Malmaison, Napoleon nach Trianon<br />

zurückgezogen, <strong>von</strong> wo aus er sie mehrfach in Malmaison aufsuchte.<br />

Kardinäle und Erzbischöfe sind zusammengetreten, um über die geistliche Form<br />

der Scheidung zu beraten.<br />

Die Familie ist entzückt, da sie schon lange am Scheidungsplan arbeitete; sie hofft<br />

auf Heirat mit der Tochter Luciens. Auch die Trennung des Königs <strong>von</strong> Holland <strong>von</strong><br />

Hortense ist zu erwarten. So stehen sich die Familien Bonaparte und Beauharnais<br />

feindlich gegenüber. Nur Napoleon nimmt eine vermittelnde Stellung ein.<br />

Die große Frage war nur, wer an Stelle Josephines Kaiserin <strong>von</strong> Frankreich werden<br />

sollte. Es war ein offenes Geheimnis, daß Napoleon bereits mehrfach wegen Ver-<br />

mählung mit einer russischen Großfürstin Verhandlungen eingeleitet hatte. Man<br />

glaubte allgemein, daß Napoleon sich nunmehr um die Großfürstin Anna bemühe<br />

und mit Ungeduld eine Antwort aus Petersburg erwarte. Sollte diese bejahend<br />

ausfallen, so würde Jerome sich nach Petersburg begeben, um sich Anna „per<br />

prokurationem“ nach katholischem Ritus antrauen zu lassen. Angeblich soll aber<br />

die Kaiserinmutter dieser Heirat unüberwindlichen Widerstand entgegensetzen.<br />

Bemerkenswert ist ein Bericht, wonach Napoleon eine größere Anzahl <strong>von</strong> hohen<br />

Würdenträgern um ihre Meinung gefragt habe. Hierbei stimmten 6, darunter<br />

auch Benevent, für Marie Luise <strong>von</strong> Österreich, z.Zt. 19 Jahre alt, 3 für die<br />

Großfürstin Anna und einer für die unglückliche Auguste <strong>von</strong> Sachsen. Bei der<br />

111


Wahl war nicht zuletzt die Rücksicht auf die Möglichkeit der Kindererzeugung<br />

maßgebend gewesen. Zweifellos trugen diese Maßnahmen dazu bei, die Freunde<br />

des napoleonischen Systems hinsichtlich der künftigen Erbfolge zu beruhigen.<br />

Schien doch auch damit eine größere Bürgschaft des Friedens gesichert und<br />

dadurch der Sehnsucht nach Frieden, welche sowohl im Heere wie in allen Teilen<br />

der Bevölkerung herrschte, Genüge getan.<br />

8. Öffentliche Stimmung 272)<br />

Trotzdem ist, wie Brockhausen sehr wohl bemerkt, die öffentliche Stimmung in<br />

Frankreich keineswegs eine einheitliche. Es gibt eine große Anzahl Mißvergnügter.<br />

Und man äußert dieses Mißvergnügen. Nie sind die Überwachungen durch die<br />

Polizei so scharf gewesen, wie gerade jetzt, aber die Polizei selbst wird wiederum<br />

überwacht. Es herrscht kein Vertrauen, keine Offenheit, kein ehrliches<br />

Zusammenarbeiten in einheitlicher Richtung. In Italien hat eine starke Erregung<br />

eingesetzt. Sie ist zurückzuführen auf verschiedene Gewalttätigkeiten Napoleons,<br />

insbesondre auf die seit den Tagen eines Philipps des Schönen unerhörte Be-<br />

handlung des heiligen Vaters. Der Papst hatte ernsten Widerstand gegen die<br />

Einverleibung des Kirchenstaats und der Stadt Rom in Frankreich geleistet.<br />

Hierauf ließ Napoleon den Papst durch den Chef der Gendarmerie plötzlich<br />

aufheben und über die Alpen nach der Chartreuse bei Grenoble bringen. Die<br />

Entfernung des Papstes hat in Rom und ganz Italien Schmerz und große Aufregung<br />

hervorgerufen.<br />

Auch in Frankreich ist man keineswegs durchweg hiermit einverstanden. Der<br />

eigene Oheim Napoleons, Kardinal Fesch, den man schon unter den<br />

Papstkandidaten nannte, zählt zu den Widerspenstigen. Für Napoleon ist<br />

nunmehr eine der Hauptsachen die Regelung der kirchlichen Verhältnisse und<br />

Bestellung eines kirchlichen Oberhauptes für Frankreich.<br />

9. Verhältnis zu Preußen 273)<br />

Nur in einem war man sich einig, in der Abneigung gegen Preußen, die nur <strong>von</strong><br />

sehr wenigen nicht geteilt wurde. Diese Abneigung wurde nicht gerade gemindert<br />

durch das damalige Verhalten Preußens und die vom Gesandten auftragsgemäß<br />

unternommenen Schritte. Diese Schritte hatten, abgesehen <strong>von</strong> kleineren<br />

Angelegenheiten, wie z.B. der Rückschaffung der Gefangenen, insbesondere ein<br />

Doppeltes zum Gegenstande:<br />

Die Befreiung Preußens <strong>von</strong> der französischen Besatzung, vor allem Freigabe der<br />

Festungen.<br />

Die geldliche Regelung der Kriegsentschädigung und was damit im<br />

Zusammenhange stand.<br />

Diese geldliche Regelung bezog sich in der Hauptsache auf ein dreifaches:<br />

112


Die Herabminderung der durch den Tilsiter Frieden und die Verträge vom 8.9.08<br />

und 8.10.1808 festgesetzten Kriegsschuldleistungen.<br />

Die Aufhebung der Beschlagnahme der im Herzogtum Warschau vorhandenen<br />

Kapitalien <strong>von</strong> Privatleuten und öffentlichen Anstalten.<br />

Eine in Holland zu tätigende Anleihe.<br />

Diese Einzelfragen standen untereinander in enger Beziehung. Die eine ohne die<br />

andere zu lösen schien überaus schwierig. Alsbald nach Rückkehr Champagnys<br />

<strong>von</strong> Erfurt am 19.10.1808 suchte Brockhausen eine Besprechung über diese<br />

Fragen mit ihm nach. In Erfurt war auf russischen Einfluß, zur Enttäuschung<br />

Brockhausens, der sehr viel mehr erwartet hatte, eine Herabsetzung der Kriegs-<br />

schuldleistungen auf 120 Millionen, abzutragen in 2 ½ Jahren, also monatlich<br />

zahlbar mit 4 Millionen, erfolgt. „Sie sehen“ sagte Champagny – „Napoleon hält<br />

seine Versprechungen, ja er übertrifft sie noch.“ Brockhausen spricht seine<br />

Enttäuschung offen aus und weist darauf hin, daß Preußen keineswegs über<br />

weitere Einnahmequellen und versteckte Reichtümer verfüge. Es sei unendlich<br />

schwer, gerade jetzt so große Summen, sei es in Preußen, sei es außerhalb zu<br />

finden.<br />

Der Gefälligkeit Champagnys verdankt er die Kenntnis des <strong>von</strong> Goltz ihm schon<br />

längst angekündigten, aber noch immer nicht übersandten „Berliner Abkommen“.<br />

Mit Bedauern hat Brockhausen daraus ersehen, daß die Räumungsfrist auf den<br />

5.12.1808 verschoben sei. Champagny meint, eine Gefälligkeit, nämlich die<br />

Herabminderung der Leistungen, erheische eine andere Gefälligkeit, nämlich die<br />

Herausschiebung der Entfernung des Heeres. Brockhausen bedauert, solange<br />

ohne Verständigung über das Ergebnis der Berliner Verhandlungen und die<br />

Forderungen Darus geblieben zu sein, er hätte doch sonst die Angelegenheit bei<br />

Anwesenheit Napoleons persönlich fördern, oder Romanzoff anrufen können, der<br />

sich allerdings einigermaßen kühl hatte hören lassen, „man müsse das letzte<br />

herausholen und alles aufbieten, um Frankreich zu befriedigen“. Auf sich allein<br />

angewiesen, würde es Brockhausen schwer haben, seine Vorstellungen zum<br />

guten Ende zu bringen.<br />

Immerhin ließ er es sich bestens angelegen sein, die Anleiheverhandlungen in<br />

Holland zu fördern, worauf wir später noch einmal zurückkommen werden.<br />

Zunächst gelang es, die Genehmigung zur Aufnahme einer Anleihe bei der Bank<br />

<strong>von</strong> Frankreich zu erhalten. „Man muß dieses Mittel schon deshalb versuchen, um<br />

guten Willen bei den Verhandlungen zu zeigen.“ Die Besprechungen mit dem Chef<br />

eines großen Handelshauses, der zugleich Direktionsmitglied der Bank <strong>von</strong><br />

Frankreich war, ergeben, daß dieser die Lage angesichts der österreichischen<br />

Krise ernst ansah. Immerhin besitze Preußen ein gewisses Vertrauen in den<br />

maßgebenden Bankkreisen, namentlich nach der Reise Friedrich Wilhelms nach<br />

Petersburg.<br />

Romanzoff hatte vor seiner Abreise am 15.2., in einer langen Aussprache mit<br />

Napoleon diesem die Freigabe Küstrins vorgestellt. Nach einem Augenblick des<br />

Nachdenkens sagt Napoleon: „Ich werde zusehen, tatsächlich gibt Friedrich<br />

Wilhelm mir jetzt mehr als einen Beweis der Genugtuung. Wenn dies fortdauert,<br />

kann ich mich vielleicht dazu entschließen.“<br />

113


10. Vorstellungen Brockhausens zu Gunsten Preußens 274)<br />

Angesichts des drohenden Krieges mit Österreich befürchtete Brockhausen die<br />

Heranziehung des <strong>von</strong> Preußen in Aussicht gestellten Kontingents gemäß des<br />

Pariser Vertrages. Er beugte vor durch den Hinweis, daß Preußen bei seiner<br />

eigenartigen Lage weder Schlesien noch die Küsten entblößen könne. Unmittelbar<br />

vor Ausbruch des Krieges hatte er eine eingehende Besprechung mit Berthier<br />

gehabt, der damals als ein besonderer Günstling Napoleons zu gelten hatte. Er<br />

wiederholte die frühere Bitte um Befreiung Küstrins. Berthier meinte: „Das wird<br />

sich ganz <strong>von</strong> selbst machen, wenn der Krieg ausbricht. Man muß Vertrauen<br />

haben; wenn man das nicht aufkommen lassen will, wird Preußen auf alle Vorteile<br />

verzichten müssen, die es sonst erlangen wird.“ Auf Brockhausens weitere Frage<br />

meinte der Fürst <strong>von</strong> Neufchatel bezüglich der Ostseeküste: „Wir werden<br />

hinsichtlich aller Schritte mit Preußen Fühlung nehmen; der Kaiser hat gute<br />

Absichten mit Preußen.“ „Werden diese guten Absichten“, versetzte<br />

Brockhausen, „soweit gehen, Preußen aus dem Zustand der Schwäche<br />

emporzuheben?“ „Der Kaiser“, erwiderte Neufchatel, „wird sehen, was er tun<br />

kann, wenn das Verhalten Preußens ihm mehr Vertrauen einflößt.“ Von<br />

Brockhausen auf die für Preußen gefährliche Nachbarschaft <strong>von</strong> Polen und<br />

Westphalen hingewiesen, tröstete Neufchatel: „Napoleon hat immer noch genug,<br />

um Preußen zu vergrößern.“<br />

Brockhausen schloß die Unterredung, indem er den Prinzen auf die<br />

Notwendigkeit verwies, die weitausgedehnten Küsten durch preußische Truppen<br />

zu schützen. Neufchatel beschränkte sich hierauf zu sagen: „Alles, wird sich<br />

erreichen lassen, sobald der Krieg ausgebrochen ist; es, kommt alles darauf an,<br />

Preußen vor aktivem Eingreifen zu bewahren.“ „Der Fürst <strong>von</strong> Neufchatel ist z.Zt.<br />

der einzige, dem der Kaiser volles Vertrauen schenkt; darum konnte ich mich nur<br />

an ihn wenden. Die Möglichkeit einer Besetzung Berlins hält er für ganz<br />

ausgeschlossen. Für den Augenblick sind also die preußischen Staaten in<br />

Sicherheit. Es gilt jedoch in militärischer und politischer Hinsicht ein festes System<br />

aufzustellen. Von der Weisheit, der Energie, aber auch der Geschicklichkeit der<br />

preußischen Regierung hängt es ab, Preußen vor großem Unglück zu bewahren.“<br />

Brockhausen warnte in jener Zeit erneut vor Eintritt in den Rheinbund. Die Lage<br />

Preußens wäre dann noch viel beklagenswerter. Bisher hatte Champagny noch<br />

Stillschweigen beobachtet über den Beistand, den man auf Grund des Pariser<br />

Vertrages fordern konnte.<br />

Ein inzwischen eingegangenes Handschreiben Friedrich Wilhelms an den schon ins<br />

Feld gerückten Napoleon wurde diesem nachgesandt. Es enthielt verschiedene<br />

Wünsche, über welche Brockhausen auch seinerseits mit Champagny ver-<br />

handelte.<br />

Gleich beim ersten Punkt, betreffend die im Herzogtum Warschau<br />

beschlagnahmten Kapitalien entfuhr es Champagny mit einer bei ihm<br />

ungewohnten Schärfe: „Was, Ihr wollt Bedingungen stellen bei Ausführung des<br />

Vertrages? Ihr brecht also Eure Zusagen? Ihr wollt aus den Umständen Vorteile<br />

114


ziehen? Das ist soviel wie eine Kriegserklärung. Ebensogut müßte man den ganzen<br />

Vertrag zerreißen!“<br />

Brockhausen hatte alle erdenkliche Mühe, ihn zu beruhigen. Er wies nur darauf<br />

hin, daß die Beschlagnahme der Kapitalien zeitlich nach dem Vertrage geschehen<br />

sei, ja sogar gegen den Vertrag verstoße und Preußen die Möglichkeit<br />

rechtzeitiger Zahlung nehme. Champagny erwiderte, dies gehe Frankreich nichts<br />

an, da müsse man sich an den König <strong>von</strong> Sachsen halten.<br />

Hinsichtlich des zweiten Punktes: „Hinterlegung <strong>von</strong> Rentenbriefen zwecks<br />

Aufnahme einer Anleihe in Holland“, machte Champagny nach langem Hin und<br />

Her den Gegenvorschlag, durch einen französischen Agenten eine genügende<br />

Anzahl derartiger Rentenbriefe zwecks Erlangung der Gelder ausgeben zu lassen.<br />

„Sie sehen, dieser Vorschlag kommt in weitem Maße dem Ihrigen entgegen!“<br />

Brockhausen suchte seinen gegenteiligen Standpunkt zu verteidigen und erklärte,<br />

bis zur Entscheidung durch König Friedrich Wilhelm zunächst weisungsgemäß<br />

verhandeln zu wollen. „Schon lange war mir klar,“ sagt Brockhausen, „daß man<br />

uns alle Mittel, uns vom derzeitigen Elend zu befreien, eifersüchtig zu<br />

beschneiden sucht. Bei der Lebhaftigkeit unserer Unterhaltung entfuhr<br />

Champagny eine Äußerung, die mir keinen Zweifel über solche Absichten ließ“.<br />

275) „Wozu habt Ihr solche Summen nötig, das Mehr wollt Ihr ja doch nur zur Ver-<br />

stärkung Eurer Armee verwenden.“ Diese Bemerkung blieb nicht ohne<br />

Widerspruch <strong>von</strong> Seiten Brockhausens.<br />

In der Anleihesache hielt er sich an die Unterstützung des ihm <strong>von</strong> früher her gut<br />

bekannten Larochefoucauld 276) , der dem preußischerseits mit den Verhandlungen<br />

an Ort und. Stelle betrauten Niebuhr hinsichtlich seines Geschicks und seines<br />

Könnens alle Gerechtigkeit angedeihen ließ und mit der Versicherung seines<br />

Bemühens, Preußen durch Förderung dieses ebenso gerechten wie für Frankreich<br />

unschädlichen Planes nützlich zu sein, schloß. Um Napoleon für diese Zwecke<br />

geneigter zu machen, käme vielleicht, meint Brockhausen im gleichen Bericht,<br />

eine Sondergesandtschaft in das große Hauptquartier Napoleons in Frage,<br />

namentlich im Falle eines Sieges über Österreich. In diesem Falle würde der<br />

erlauchte Bruder Seiner Majestät, der Prinz Wilhelm, sehr am Platze sein 277) .<br />

Sollte aber seine eigene Anwesenheit beliebt werden, so sei auch er bereit, sich<br />

dort hinzubegeben.<br />

Einstweilen verhandelte er mit dem Finanzminister Gaudin über die Anleihefrage.<br />

Trotz des Stillschweigens, das er über seine eigenen Absichten beobachtete,<br />

stellte dieser mit Befriedigung fest, daß die pünktlichen Zahlungen Preußens sein<br />

Erstaunen und sein Bewundern erregten. Nach einem späteren Bericht scheint es<br />

zufolge Mitteilung Champagnys, als ob Napoleon Brockhausen selbst zu sprechen<br />

gewünscht habe, um mit ihm die einzelnen Bestimmungen des Vertrages<br />

durchzugehen. Dies hätte in etwas die große Rücksichtslosigkeit gut gemacht,<br />

welche darin bestand, daß durch die Entfernung der maßgebenden<br />

Persönlichkeiten die Möglichkeit der Verhandlung durch den preußischen Ge-<br />

sandten äußerst beschränkt war.<br />

Indessen nun traten jene schon kurz erwähnten Ereignisse ein, welche Napoleons<br />

Zorn aufs äußerste entflammten und auch in Paris Gegenstand lebhafter<br />

Erörterung wurden.<br />

115


Brockhausen wußte aus seiner nun bald zweijährigen Erfahrung, daß die Reden<br />

und Gespräche in den Salons, gelegentlich gehalten und hingeworfen, viel<br />

größeren Eindruck als Noten und amtliche Besprechungen in Paris verursachen.<br />

Darum hatte er Vorsorge getroffen, daß gute Freunde Preußens unauffällig ab<br />

und an in ihren Gesprächen aufklärend wirkten. Er sorgte auch dafür, daß in den<br />

öffentlichen Blättern derartiges zum Ausdruck kam. Manche Franzosen sahen in<br />

Schill einen großen Helden und traten im Geheimen für ihn ein. Dagegen<br />

stimmten die Höfe <strong>von</strong> Dresden, Kassel und Schwerin ein Wehegeschrei über<br />

diesen Parteigänger an und zeigten dauernd äußerste Furcht. Die beiden ersteren<br />

suchten Preußen den schweren Verdacht anzuhängen, als wenn die Regierung<br />

Schill begünstigt hätte. Ganz besonders sollte sich der Dresdener Hof durch die<br />

abscheulichsten Verdächtigungen auszeichnen, was freilich bei der Zusammen-<br />

setzung des dortigen Ministeriums nicht weiter verwunderlich sein konnte.<br />

Trotzdem scheint Frankreich auf die Stellung des preußischen Kontingents<br />

verzichtet zu haben, wozu, wie Brockhausen mit Befriedigung feststellt, die Er-<br />

hebung Schills und des Herzogs <strong>von</strong> Braunschweig beigetragen haben mögen,<br />

indem man Disziplinlosigkeiten befürchtete. Die ganze Lage ermutige, den<br />

eingeschlagenen Weg geringerer Zahlungen fortzusetzen und auch die Übergabe<br />

der Rentenbriefe zu verzögern.<br />

Erst nach Wiederherstellung des Friedens kam man <strong>von</strong> Seiten der französischen<br />

Dienststellen auf die, Frage der Kriegsentschädigung zurück. Freilich griff zunächst<br />

auch hier das übliche Hinhalten Platz.<br />

11. Erneute Verhandlungen betreffend Kriegsentschädigung 278)<br />

Zwar ließ Napoleon um diese Zeit seine Bereitwilligkeit erklären, in<br />

Verhandlungen mit Preußen einzutreten. Er kam aber hierbei wiederum auf<br />

seinen alten Plan zurück, daß ihm die Domänen überlassen werden möchten, ein<br />

Ersuchen, was Brockhausen für das Todesurteil Preußens ansah. Napoleon<br />

brauchte Geld. Allein 50 Millionen Livres hatte er an seine Generäle,<br />

Kammerherrn und Zivilbediensteten gegeben. Brockhausen schlug als<br />

Verhandlungsort Berlin vor; sollte Paris gewählt werden, so erbat er sich für<br />

diesen Fall einen Sachverständigen auf dem Gebiet der Finanzen.<br />

Brockhausen hatte an Champagny eine Denkschrift eingereicht, in welcher er das<br />

vom preußischen, Standpunkt Wünschenswerte zusammengestellt hatte. Bei<br />

einer Besprechung zwischen Champagny und Brockhausen am 9.12.1809 sagte<br />

der erstere, der Kaiser habe die Denkschrift in Händen, aber noch keine<br />

Entscheidung getroffen. Der gemeinsame Bericht der Minister des Schatzes und<br />

der Finanzen werde seine Entschlüsse bestimmen. Mit Überraschung habe<br />

Champagny aber in dem durch den französischen Gesandten in Berlin St. Marsan<br />

überreichten Berliner Vorschlag gefunden, daß Preußen 7 Millionen, die es an<br />

Sachsen zu zahlen habe, <strong>von</strong> der Kriegsschuldleistung an Frankreich in Abrech-<br />

nung bringen wolle. „Diese Sache“, sagte Champagny, „geht uns gar nichts an“.<br />

Gegenüber den Ausführungen Brockhausens warf er Preußen bei dieser<br />

Gelegenheit vor, daß in den letzten 6 Monaten nur 1 500 000 Livres insgesamt<br />

gezahlt worden seien<br />

116<br />

279) . Des weiteren gibt Brockhausen einen ihm hin-


terbrachten Vorfall wieder, wonach Napoleon seinem Sekretär diktiert habe:<br />

„Zusehen, wie weit Preußen mit seiner Anleihe in Holland ist, welche sicheren<br />

Maßnahmen Preußen treffen kann, um die 84 Millionen zu zahlen, die es mir<br />

schuldet.“ Es ist bemerkenswert, fährt Brockhausen fort, daß Napoleon<br />

ausdrücklich nur diese Summe nannte. Es ist also wahrscheinlich, daß er auf die<br />

Zinsen der rückständigen Kapitalien verzichtet, wie Brockhausen dies mehrfach<br />

vorgeschlagen hatte.<br />

Bezüglich der Aufhebung der Beschlagnahme verhandelte Brockhausen außer mit<br />

Champagny auch mit dem sächsischen Minister <strong>von</strong> Senft, an den ihn ersterer<br />

verwiesen hatte. Leider war gerade Senft, wie bemerkt, der geistige Urheber des<br />

Vertrages zu Bayonne, durch welchen erst die Möglichkeit der Beschlagnahme<br />

gegeben worden war. Wie vorauszusehen, hatte er daher nur ein Achselzucken.<br />

Champagny verwies Brockhausen nunmehr an Friedrich August selbst, der,<br />

liebenswürdig und verhandlungsbereit, mit Friedrich Wilhelm wieder in gutem<br />

Einvernehmen leben wolle. Gelegentlich eines Essens bei Friedrich August sagte<br />

Champagny zu Brockhausen mit Bezug auf diese Dinge: „Nach dem Feste!“<br />

„Napoleon selbst vertröstet mich auf diese Zeit, wenn ich mich zeige, um über<br />

öffentliche Angelegenheiten mit ihm zu sprechen.“<br />

12. Genehmigung der Anleihe in Holland 280)<br />

Schneller glückte es mit der Genehmigung der Anleiheverhandlungen in Holland.<br />

Brockhausen nutzte die Anwesenheit des Königs <strong>von</strong> Holland und seines Ministers<br />

aus, um die gewünschten Zusicherungen zu erlangen. Der Minister <strong>von</strong> Roell<br />

verhehlte ihm nicht, daß das Schicksal Hollands noch keineswegs fest entschieden<br />

sei. Noch handle es sich um die Möglichkeit <strong>von</strong> Verlusten und selbst um die<br />

Unabhängigkeit. Doch habe das mit der Anleihe betraute Bankhaus genügend<br />

Kredit, um die Anleihe durchzuführen. Den Bemühungen Brockhausens gelang es<br />

dann bald, vom übrigens für Preußen freundlich gestimmten König <strong>von</strong> Holland<br />

die erbetene Genehmigung zu erlangen 281) . Mit Genugtuung überreichte<br />

Brockhausen das betreffende amtliche Schreiben des Ministers <strong>von</strong> Roell.<br />

V. Abberufung Brockhausens<br />

1. Mißstimmung gegen Preußen 282)<br />

Dies sollte der letzte Erfolg Brockhausens in Paris sein. Denn inzwischen hatten<br />

sich die Verhältnisse derartig gestaltet, daß der König sich entschloß, den<br />

Gesandten zurückzuberufen. Er fiel als ein Opfer der Mißstimmung Frankreichs<br />

und insbesondere Napoleons über die Haltung Preußens während des<br />

österreichischen Krieges. 283)<br />

Die Sache Steins, die einst einen solchen Sturm hervorgerufen hatte, war durch<br />

Beschlagnahme <strong>von</strong> Papieren und Briefen auf einem Stettiner Handelsschiff<br />

wieder in Erinnerung gebracht worden.<br />

117


Hierzu kamen die ungünstigen Berichte Davousts, des Herzogs <strong>von</strong> Auerstädt und<br />

Fürsten <strong>von</strong> Eckmühl, und diejenigen des Generals Rapp, welcher als Besitzer<br />

eines Kaperschiffes persönlich an möglichst umfangreichen Beschlagnahmen<br />

interessiert war. Vergebens suchte Brockhausen die Tatsachen richtig zu stellen.<br />

284)<br />

Ferner hatte schon die Reise Friedrich Wilhelms nach Petersburg in einzelnen<br />

Kreisen der Pariser Gesellschaft gewisse Verdächtigungen hervorgerufen.<br />

Wie stark das Mißtrauen gegen Preußen war, sahen wir bereits oben. Schon zu<br />

Beginn des Krieges, noch vor den entscheidenden Schlägen, erzählte man sich,<br />

daß General Blücher an der Spitze <strong>von</strong> 15 000 Mann in Westfalen eingerückt sei,<br />

indem die Unternehmung Schills diese Gerüchte zu bestätigen. schien. Schon<br />

damals sah Brockhausen die Unmöglichkeit voraus, Napoleon und seinen<br />

Ministern die Meinung zu nehmen, daß dieser überstürzte Vorstoß nicht <strong>von</strong> der<br />

preußischen Regierung vorbereitet und geleitet sei. Selbst in Westfalen hatte man<br />

Erhebungen verschiedenster Art besorgt. Jerome lehnte den Schutz Sachsens für<br />

den Fall der Wiederaufnahme der Feindseligkeiten mit der Begründung ab, daß in<br />

seinen eigenen Staaten der Funke des Aufstandes noch nicht erloschen sei. „Wie<br />

schwach auch Preußen z.Zt. ist“, meint Brockhausen, „Napoleon weiß ganz genau,<br />

wie die Verzweiflung und erneute Anstrengung unseres Landes ihm in der jetzigen<br />

Lage zwischen Krieg und Frieden doch gefährlich werden könnten“. 285)<br />

Noch hätten die öffentlichen Blätter nichts über den Rückstand der Zahlungen<br />

gebracht. Schon jetzt aber errege größte Mißstimmung, daß die „Berliner<br />

Zeitung“ Berichte und Artikel bringe, die sich gegen Frankreich wenden.<br />

Man sei unzufrieden, daß der Gesandte Österreichs in Berlin dort wichtige<br />

Nachrichten erhalte. Man sei im allgemeinen eifersüchtig auf Preußens<br />

Beziehungen zur österreichischen Diplomatie. Man betrachte Berlin als die Stelle,<br />

durch welche Wien über die französischen Verhältnisse unterrichtet werde.<br />

Oft sei die Rede <strong>von</strong> einer an sich völlig harmlosen Reise oder vom sonstigen<br />

Auftreten dieser oder jener Persönlichkeit, die man früher beargwöhnt habe. An<br />

solche Vorgänge würden dann in gehässigster Weise schwere Verdächtigungen<br />

geknüpft.<br />

In diesem Sinne bewegen sich vielfach die Ausführungen Brockhausens über die<br />

Mißstimmung Frankreichs gegen Preußen.<br />

2. Verdächtigung des Gesandten 286)<br />

Schon am 19.8.1809 glaubte man in Berlin, Brockhausen warnen zu müssen. Er<br />

werde überwacht und zwar aus nächster Nähe. Man glaube in Paris ihn in<br />

Verbindung mit Personen, die der Regierung übel gesinnt seien.<br />

In seinem Bericht vom 4.9. sucht Brockhausen die Sache klar zu stellen. Bei der<br />

Lage der Dinge würde ihm Gerechtigkeit zugebilligt werden müssen, daß er nach<br />

seiner Kenntnis der öffentlichen Angelegenheiten und der hiesigen Verhältnisse<br />

sich mit äußerster Vorsicht bewege, um den königlichen Dienst zu fördern und<br />

118


keine Ungelegenheiten zu verursachen. Seit seiner Ankunft habe er nur Häuser<br />

besucht, die der Regierung angenehm seien. Während des ganzen Winters und<br />

Frühjahrs habe er sich vornehmlich an ein Haus gehalten, dessen Bewohnerinnen<br />

vorzüglichen Platz innerhalb der Regierung und ihrer Politik einnehmen. Es wäre<br />

gewiß sicherer, sich <strong>von</strong> jeder Geselligkeit fernzuhalten, aber wie wäre es dann<br />

möglich, seinen Dienst zu versehen? „Ich stehe“, sagte er, „immer in der<br />

unangenehmen Lage, dem König schlecht zu dienen, indem ich keine Nachrichten<br />

bringe, oder aber der hiesigen Regierung zu mißfallen, indem man gute Dienste<br />

leistet. Andere vor mir haben vielleicht besser getan, die erstere Möglichkeit zu<br />

wählen. Ich möchte sie nicht nachahmen und ich werde nicht <strong>von</strong> der zweiten<br />

abweichen. Mit einer großen Zahl <strong>von</strong> Mißvergnügten befindet man sich in Gesell-<br />

schaft, aber man verbindet sich nicht mit ihnen. Ich vermeide jene unzufriedenen<br />

Senatoren, diese Gelehrten, die Napoleon nicht liebt, die er scheut, ich vermeide<br />

die wieder zurückgekehrten Emigranten, die verdächtig sein können. Was das<br />

anbelangt, daß man mich in Paris aus der Nähe überwacht, so teile ich das<br />

Schicksal jedermanns hier und auch der Polizei, die ihrerseits wieder überwacht<br />

wird. Es ist wahr, man überwacht diejenigen weniger, die ihre Pflicht verletzen.<br />

Man kennt hier meine Anhänglichkeit an die Person des Königs und an das<br />

Vaterland, und ich stelle mit Vergnügen fest, daß man mich deshalb nicht weniger<br />

achtet. Andererseits kennt man mich aber auch als nicht unverständig und<br />

haßerfüllt gegen Frankreich. Mit einem Wort, ich glaube erklären zu können, daß<br />

das französische Gouvernement mit Bezug auf die Anschauungen der Personen,<br />

mit denen ich verkehre, niemals auf den Gedanken gekommen ist, daß diese<br />

Leute schlecht gesinnt seien, und was mehr ist, es kann schon deshalb kein<br />

Gedanke daran sein, weil Mitglieder der Regierung selbst mit jenen gleich mir ver-<br />

kehren. Ich habe nur die eine Sorge, nämlich das Schicksal meiner Berichte. Ich<br />

selbst brauche alle erdenklichen Vorkehrungen, um sie vor unbefugter Benutzung<br />

sicherzustellen.“<br />

In einem Privatbrief an den Minister des Äußern Grafen Goltz kommt<br />

Brockhausen noch einmal hierauf zurück. Er sagt: „Ich kenne nicht die<br />

Einzelheiten der Nachricht, daß ich hier aus der Nähe überwacht werde. Ich habe<br />

nachgewiesen, daß die Nachricht falsch war und die hiesige Regierung, wenn sie<br />

auch meine Hingabe an mein Vaterland kennt, doch sonst nichts gegen mich hat.<br />

Vielleicht weiß man mehr in Berlin, was hier vorgeht. Um mit meinem gewohnten<br />

Freimut zu sprechen, diese Nachricht ist nichts anderes als eine Klatscherei<br />

einiger intriganter Berichterstatter oder Reisender, die nur Verachtung verdient.“<br />

287)<br />

Brockhausen wünscht, daß Berlin stets gute Beziehungen zu St. Marsan unterhält,<br />

einem Mann <strong>von</strong> Ehre und Anstand. Er weiß, daß St. Marsan Preußen manchen<br />

Dienst leistet. Seine Berichte, zuverlässig und ehrlich, sind auch ein Schutz gegen<br />

falsche Beschuldigungen gewesen, sei es heimlicher Berichterstatter, sei es der<br />

Höfe in Dresden und Kassel.<br />

3. Napoleons Unzufriedenheit mit Brockhausen 288)<br />

119


Bei einer Audienz, welche der zur Beglückwünschung Napoleons nach Paris<br />

entsandte Oberst <strong>von</strong> Krusemark Anfang November hatte, erging sich Napoleon<br />

zunächst in einem furchtbaren Ausbruch des Zornes über die Unternehmungen<br />

Schills, Braunschweigs, Oraniens, über die Zeitungen, die Minister und Generäle,<br />

ausgenommen den Feldmarschall Kalkreuth. Er erklärte hierbei, keinen Krieg ge-<br />

gen Preußen führen zu wollen, weil er z.Zt. die Truppen brauche und keine<br />

Ungelegenheiten mit Rußland haben wolle. Ferner ließ er unfreundliche<br />

Bemerkungen über Brockhausen fallen.<br />

4. Verteidigung Brockhausens gegen Napoleons Vorwürfe 289)<br />

Diese absichtlich beliebten Äußerungen haben, berichtet Brockhausen in einem<br />

Privatschreiben an den König, mir bewiesen, daß man versucht, Napoleon gegen<br />

mich einzunehmen. Indessen hat mich der Außenminister bei meiner Ankunft in<br />

Fontainebleau mit Vertrauen und Entgegenkommen empfangen. Eine mündliche<br />

Auseinandersetzung ergab, daß er <strong>von</strong> der angeblichen Voreingenommenheit des<br />

Kaisers gegen mich keine Kenntnis habe. Er hat es mir ausdrücklich selbst<br />

gestanden. Er bat mich, nichts zu überstürzen, sondern vielmehr abzuwarten, bis<br />

er Napoleon berichtet habe. Ich habe ihm dann zu seiner Befriedigung einen Brief<br />

vertraulicher Art zugestellt, der ihm den ganzen Inhalt unserer Unterredung<br />

wiederholt. Ich hoffe, daß, wenn es ein Mittel gibt, das Vorurteil Napoleons zu<br />

besiegen, Champagny die Sache aufklären wird. Wenn das Ergebnis günstig<br />

ausfällt, wird die Angelegenheit <strong>von</strong> selbst in sich zusammenfallen. Andernfalls<br />

werde ich der erste sein, zu bitten, mich <strong>von</strong> hier abzuberufen. „Indes, Euer<br />

Majestät, es ist <strong>von</strong> höchstem Werte, daß hier jemand auf diesen dornenvollen<br />

Posten gestellt wird, der, unbedingt treu und ergeben, kein anderes Interesse wie<br />

das des Königs zu besorgen hat. Dies ist der Grund, weshalb ich alles aufbieten<br />

werde, um diese Verdächtigungen zu zerstreuen. Wenn alle Mühe umsonst ist,<br />

dann ist es wesentlich, Haltung und Würde zu zeigen. Ich hoffe, dem im einen wie<br />

dem anderen Falle Rechnung zu tragen. Ich habe wahrlich nicht nötig, eine Vertei-<br />

digung meines Betragens zu geben. Euerer Majestät ist es bekannt. Ein großer Teil<br />

der öffentlichen Meinung hat meine Zurückhaltung, meine Vorsicht, die Mäßigung<br />

meiner ganzen Handlungsweise schätzen gelernt. Niemand ist davor geschützt,<br />

ein Opfer seines Eifers und seiner Treue zu werden.“ 290)<br />

Im vorerwähnten Schreiben an Champagny vom 5.11. rechtfertigt Brockhausen<br />

sein Verhalten folgendermaßen:<br />

„Eine Laufbahn <strong>von</strong> 25 Jahren, wichtige Aufträge, zur Zufriedenheit meiner<br />

Regierung ausgeführt, das Vertrauen meines Königs hatten mir diesen ebenso<br />

schwierigen wie ehrenvollen Posten anvertraut, um nach dem Frieden <strong>von</strong> Tilsit<br />

die Beziehungen zwischen Frankreich und Preußen wieder herzustellen. Ich habe<br />

für diese Berufung den guten Glauben, die Ehrlichkeit und die Kühnheit meiner<br />

Absichten mitgebracht, meinem Herrn und meinem Vaterland die Freundschaft<br />

des großen Mannes zu gewinnen, der Frankreich regiert. Ich rufe das Zeugnis<br />

Euerer Exzellenz an, ob ich je <strong>von</strong> diesen Grundsätzen abgewichen bin. Meinem<br />

Könige zu dienen und meine Bewunderung und tiefe Ehrerbietung dem Kaiser zu<br />

zeigen, dazu in allem beizutragen, zwischen diesen Regierungen Beziehungen des<br />

120


Vertrauens und des Wohlwollens herzustellen, die wir so sehr ersehnen, das war<br />

die Richtschnur meines Handelns. Kein Gesandter hat sich aber je in so<br />

schwierigen Umständen befunden! Ich hatte hier Vorurteile zu überwinden,<br />

Verdächtigungen aller Art zu zerstreuen. In meinem Vaterlande habe ich um so<br />

mehr Tadel zu befürchten, als die öffentliche Meinung dort liebt, auf den<br />

Unterhändler das übel zu schieben, das er nicht hat beseitigen können.<br />

Mein Benehmen hat sich nach Ausbruch des Krieges mit Österreich nicht<br />

geändert. Zu sehr erschöpft, um eine Hilfe für Frankreich zu sein, befand sich<br />

Preußen nun in einer nicht weniger dornenvollen Lage. Es war vorauszusehen,<br />

daß tausend Gerüchte, tausend falsche Berichte sich gegen den Gesandten einer<br />

Macht wenden würden, die unter so schwierigen Umständen zu handeln hatte.<br />

Ich muß glauben, daß niederträchtige Meldungen mich verdächtigt haben, aber<br />

ich wage zu sagen, daß ich, geleitet <strong>von</strong> reinen Absichten, nichts getan habe, was<br />

mich des Vertrauens des Kaisers berauben könnte. Wenn mir dies Vertrauen<br />

unwiederbringlich genommen wäre, dann würde ich nur meinen schlechten Stern<br />

beklagen und die falschen Meldungen, wie die Feinde Preußens sie auf meine<br />

Rechnung zu setzen beliebt haben. Aber gleichzeitig würde ich Sorge tragen, mich<br />

ersetzen zu lassen durch eine das Vertrauen dieses Herrschers in höherem Maße<br />

genießende Persönlichkeit.<br />

Die Antwort, die Euere Exzellenz die Güte haben wollen, auf dieses ebenso<br />

freimütige wie wahrheitsgemäße Schreiben mir mitzuteilen, wird über mein<br />

Schicksal entscheiden, und ich werde nicht zögern, im Falle, daß die Hoffnung, das<br />

Vertrauen Napoleons mir wieder zu gewinnen, mir versagt bleibt, ohne<br />

Aufenthalt meine Abberufung <strong>von</strong> hier zu erbitten.“<br />

Im Anschluß daran berichtet Brockhausen unterm 18.11.1809 über eine<br />

Unterhaltung mit Champagny, die ihn über das Verhalten Napoleons beruhigen<br />

konnte. „Da ich wegen eines Unwohlseins verhindert war, am diplomatischen<br />

Cercle in Fontainebleau teilzunehmen, sagte mir Champagny später in Paris:<br />

Kommen Sie nur, Sie werden wie jeder andere Gesandte empfangen werden. In<br />

der Tat, am selben Abend gab es Schauspiel und Cercle in den Tuillerien, und ich<br />

habe den gleichen Empfang gehabt, wie die anderen Mitglieder des<br />

diplomatischen Korps. Seinerseits fährt Champagny fort, mich mit dem gleichen<br />

Vertrauen und Entgegenkommen wie bisher zu behandeln. Doch es liegt im Inter-<br />

esse des Dienstes, diese Voreingenommenheit endgültig aufzuklären, und, wenn<br />

es mir nicht gelingen sollte, sie zu zerstreuen, ohne der Ausübung meiner Pflicht<br />

zu schaden (dies in der Urschrift unterstrichen), mich durch einen anderen er-<br />

setzen zu lassen. Ich hoffe, in Kürze hierüber Euerer Majestät meine ehrerbietige<br />

Äußerung vorlegen zu können. Bis dahin wage ich, es für wünschenswert zu hal-<br />

ten, nichts zu übereilen.“<br />

In einem ferneren Privatschreiben an Goltz vom 25.11.1809 bemerkt Brockhausen<br />

dann im Anschluß an eine andere amtliche Mitteilung: „Ich höre nichts mehr vom<br />

Ansturm, der sich gegen mich erhoben hatte. Ich soll der Sündenbock sein für<br />

alles, was den Franzosen bei uns mißfallen hat, das ist klar. Wenn das für uns<br />

nützlich sein kann, so sei es, ich werde es ertragen.“<br />

Mit Bezug auf dieses Schreiben antwortete ihm dann Goltz unterm 4.12.1809:<br />

„Hinsichtlich dessen, was Ihre persönliche Stellung anbelangt, so beglückwünsche<br />

121


ich Sie aufrichtigst, wenn man die besprochene Voreingenommenheit Ihnen<br />

gegenüber aufgibt, und ich hoffe, daß dem so sei. Aber ich glaube, Ihnen nicht<br />

verhehlen zu dürfen, daß nach den vertraulichen Äußerungen des Grafen St. Mar-<br />

san der Kaiser, nachdem er einmal um Ihre Abberufung ersucht hat, nicht wieder<br />

auf die Sache zurückkommen wird, sondern sie erwartet und damit rechnet als<br />

auf einen Beweis der Ergebenheit des Königs. Ich bin Ihnen diese vertrauliche<br />

Eröffnung schuldig. Aber gleichzeitig muß ich bemerken, daß ich noch nicht die<br />

geringste Nachricht <strong>von</strong> Königsberg habe und wahrscheinlich erst nach Rückkehr<br />

des Königs nach Berlin, die bestimmt am 23.12. erwartet wird, die Sache sich<br />

entscheiden wird. Seien Sie versichert, daß mit lebhaftem Vergnügen alles, was an<br />

mir liegt, geschehen soll nach dem Wunsche Euer Exzellenz. Ich kenne Sie als <strong>von</strong><br />

zu großem Eifer für das Wohl des Staates erfüllt, als einen zu großen<br />

Vaterlandsfreund, als daß Sie nicht den Umständen weichen würden, wenn sie zu<br />

meinem großen Bedauern sich als unabänderlich erweisen sollten. Wir alle sind<br />

mehr oder weniger und ich sicherlich an erster Stelle der Sündenbock für alles,<br />

was bei uns mißfallen hat. Aber Sie werden nie zögern, Ihre persönlichen<br />

Wünsche, so berechtigt sie auch sein mögen, dem unterzuordnen und zu opfern,<br />

was das allgemeine Wohl erheischt.“<br />

Inzwischen berichtet Brockhausen wiederum in einem Privatschreiben vom<br />

10.12.1809 an den König folgendermaßen: „In Verfolg meiner Bemühungen,<br />

meine hiesige Stellung aufzuklären in Bezug auf die <strong>von</strong> Napoleon erwähnten Vor-<br />

urteile, habe ich diese Tage eine vertrauliche Aussprache mit Champagny gehabt.<br />

Er kann mir nur wiederholen, daß Napoleon nichts in Bezug auf meine Person<br />

gesagt habe, daß er jedenfalls nicht daran denke, mir den Rat zu geben, um meine<br />

Abberufung zu bitten. Champagny sei aber gerne bereit, mir zu übermitteln, was<br />

Napoleon in der Folge ihm über mich sagen könnte. Er werde bald in der Lage<br />

sein, etwas ganz Beruhigendes mitzuteilen. Da ich am hiesigen Amte aus keinem<br />

anderen Grunde festhalte, als aus dem Interesse des königlichen Dienstes, habe<br />

ich auch keinen anderen Grund, meine Lage hier aufzuklären als die Reinheit<br />

meiner Hingabe an den Staat und die Person des Königs. Der Empfang, den ich in<br />

den verschiedensten Hofzirkeln hatte, ist in keiner Weise unterschieden <strong>von</strong> dem,<br />

den der übrige Teil des diplomatischen Korps erhält.“<br />

5. Durchführung der Abberufung Bockhausens 291)<br />

Doch leider war diese Mitteilung zu spät an den König gelangt. Inzwischen hatte<br />

er bereits seine Entscheidung getroffen. Goltz schreibt darüber unterm 18. 12.:<br />

„Ich glaube die Freundschaftspflicht zu haben, alsbald mitzuteilen, daß meine<br />

Vermutung hinsichtlich Euerer Exzellenz Abberufung durch eine Kabinettsordre<br />

vom 13.12.1809 Wahrheit geworden ist. Seine Majestät hat geglaubt, sich nicht<br />

enthalten zu können, diesen Entschluß zu fassen, so großes Bedauern Sie auch<br />

empfindet. Aber ich habe die Genugtuung, Ihnen ankündigen zu können, daß,<br />

indem Seine Majestät diese Maßnahme als durch die Umstände unweigerlich<br />

geboten erachtet, dennoch, wie ich und alle Minister, die vollkommenste Ge-<br />

rechtigkeit Ihrem vaterländischen Eifer und Ihren Talenten zollt, die Sie in dieser<br />

schwierigen und wichtigen Stellung entfaltet haben. Ihre Abberufung wird in<br />

122


Ausdrücken und auf eine so ehrenvolle Weise geschehen, wie Sie in dieser<br />

Hinsicht nur immer wünschen können.“<br />

Zunächst wurde Brockhausen hierüber Stillschweigen anheimgestellt, da amtlich<br />

wohl erst nach Rückkehr Friedrich Wilhelms am 23.12. die Abberufung erfolgen<br />

würde. Allerdings solle es schon jetzt St. Marsan mitgeteilt werden, damit er es<br />

Champagny melde. Ein Nachfolger sei noch nicht ernannt.<br />

Am 24.12.1809, also gleich nach der Rückkehr des Königs nach Berlin, ergeht dann<br />

folgende Kabinettsordre: „Seit Rückkehr des Oberst <strong>von</strong> Krusemark war mein<br />

Entschluß gefaßt, ihn an Napoleon mit einem neuen Brief <strong>von</strong> mir<br />

zurückzuschicken, um ihn vom treuen und reinen Festhalten am System meines<br />

Bündnisses mit ihm zu überzeugen und ihm einen neuen Beweis meiner<br />

Anhänglichkeit zu geben.“<br />

„In Betreff Ihrer Abberufung, die ich Napoleon habe anzeigen müssen, kann mein<br />

Ministerium nur auf die Immediat. ordre und den <strong>von</strong> meiner Hand herrührenden<br />

Erlaß sich beziehen, die Sie hierüber empfangen werden. Um nicht die Abreise<br />

Krusemarks aufzuhalten und durch diesen Aufenthalt den Preis der<br />

Aufmerksamkeit zu verringern, den ich Napoleon zu bezeugen wünsche, indem<br />

ich Krusemark im Augenblick meiner Ankunft in Berlin schicke, beschränke ich<br />

mich darauf, das Abberufungsschreiben durch die Post folgen zu lassen.“<br />

6. Verhalten Brockhausens 292)<br />

In einem würdig und freimütig gehaltenen Briefe vom 2.1.1810 äußert sich<br />

Brockhausen zu diesem Entschluß des Königs. „Durch den Grafen Goltz habe ich<br />

<strong>von</strong> der Bestimmung Euerer Majestät erfahren. Ich muß sie achten. Allein ich<br />

kann nicht verhehlen, daß Gründe <strong>von</strong> größter Wichtigkeit, die ich nur im<br />

allgemeinen in meiner Meldung vom 6.11. habe andeuten können, mich veranlaßt<br />

hatten, die Bitte auszusprechen, noch solange keine Anordnung über mich zu<br />

treffen, bis ich selbst Gelegenheit genommen hätte, hinsichtlich dieser Frage<br />

Vorschläge zu machen. Ich bitte, überzeugt sein zu wollen, daß bei diesem Rate<br />

keine persönlichen Wünsche maßgebend waren, sondern alle Gründe sich nur auf<br />

überaus wichtige Interessen des Königs selbst bezogen. Ich habe nicht diesen<br />

dornenvollen und schweren Posten erbeten. Das Vertrauen Euerer Majestät hat<br />

mich gewürdigt, ihn einzunehmen. Mein Eifer für König und Vaterland war<br />

befriedigt, eine Gelegenheit zu haben, meine Anhänglichkeit zu erweisen. Mein 2<br />

½ jähriger Aufenthalt hier, meine Kenntnis der Dinge, meine eifrige Beobachtung<br />

in den kritischen Zeiten hat mich gelehrt, daß unsere Sicherheit zum großen Teil<br />

auf der Treue des Mannes beruht, der das Amt hier bekleidet. Seit der<br />

Anwesenheit Euerer Majestät in Berlin hat dieser Gesichtspunkt noch eine<br />

besondere Bedeutung gewonnen. Ein treuer Diener, der das Feld hier kennt, ist<br />

nötiger denn je. Meine bisherigen Bemühungen haben bewiesen, daß, da der<br />

Dienst und die Belange des Vaterlandes mir am Herzen liegen, ich alle meine<br />

Kräfte gebrauchen würde, um dem hiesigen Gouvernement zu gefallen. Die<br />

Beibehaltung meines Postens zu meinem Vorteil war die letzte meiner Sorgen.<br />

Habe ich nötig, diese Behauptung zu erweisen? Meine Berichte und mein ganzes<br />

Verhalten beweisen es.<br />

123


Indem ich mich also frei und fern <strong>von</strong> jedem Vorwurf fühle, muß ich natürlich<br />

annehmen, daß ein Moment der Verstimmung, durch einige falsche Meldungen<br />

hervorgerufen, dieses Mißvergnügen verursacht hat, das Napoleon in Bezug auf<br />

mich hat vernehmen lassen und über das sein Organ, der Minister des Äußern,<br />

nicht nur Stillschweigen bewahrt hat, sondern nicht einmal unterrichtet war. Ver-<br />

schiedene gelegentliche Äußerungen lassen erkennen, daß man mich ver-<br />

antwortlich machte für die nicht rechtzeitige Zahlung der Kontribution, ihre<br />

plötzliche Unterbrechung und andere Dinge, die bei uns zu Hause geschehen sind,<br />

<strong>von</strong> denen ich aber zunächst nicht die geringste Kenntnis hatte. Es war sehr<br />

natürlich zu versuchen, diese Verleumdungen und ihre Grundlagen zu zerstören,<br />

ja es war sogar meine Pflicht, es zu tun. Ich habe nicht gezögert und in der<br />

Absicht, Euerer Majestät einen Dienst zu leisten, zerstörte ich auch die den Staat<br />

berührenden Irrtümer. Mein an Champagny gerichteter vertraulicher Brief war<br />

bereits dem Kaiser vorgelegt. Man bemerkte einige vorteilhafte Änderungen. Der<br />

Empfang bei Hofe, mochte er auch kalt sein, bewies doch, daß man nicht auf<br />

Verdächtigungen zurückkam und war im allgemeinen erträglich. Es war nur nötig,<br />

die Aufklärungen weiter fortzuführen, sie würden am Ende die Anschuldigungen<br />

zerstreut haben. Diese Hoffnung war um so begründeter, wenn der Brief<br />

Napoleons an den König nichts gegen mich enthielt und wenn der Minister<br />

Napoleons fortfuhr, mich mit Vertrauen zu behandeln. Es war ersichtlich, daß die<br />

Voreingenommenheit nur eine vorübergehende war und sich sicherlich mit der<br />

Zeit verloren hätte. Wenn sich die Verstimmung gegen mich wiederholt hätte,<br />

kein Zweifel, man hätte an Rückberufung denken müssen. Andernfalls wäre<br />

überhaupt nicht weiter da<strong>von</strong> gesprochen worden. Ich glaube, daß der königliche<br />

Dienst den Versuch erfordert hätte, die Verdächtigungen zu zerstreuen. Zum<br />

wenigsten trage ich das angenehme Gefühl mit mir, alles an diesem Platze getan<br />

zu haben, um ein treuer Diener zu bleiben, indem ich selbst der Meinung die Stirn<br />

bot, als hätte ich es nur getan um der Annehmlichkeit willen, die dieses Amt<br />

bietet.“<br />

Man muß es Brockhausen lassen, ohne jede Mißstimmung zur Schau zu tragen,<br />

ohne irgendwie sich durch die Unerquicklichkeit seiner Lage beeinflussen zu<br />

lassen, hat er bis zum letzten Augenblick treu seines Dienstes gewartet. Seine<br />

Berichte, ebenso ausführlich, eingehend und sachgemäß wie sonst, ließen nicht<br />

erkennen, daß er durch diese Handlungsweise sich gekränkt fühlte. Im Gegenteil,<br />

er suchte seinem voraussichtlichen Nachfolger, dem späteren General <strong>von</strong><br />

Krusemark, 293) nach Möglichkeit die Wege zu ebnen und legte nur Wert darauf,<br />

daß bis zur Ernennung desselben für Vertretung gesorgt werde und die<br />

Gesandtenstelle infolge völligen Fehlens einer verantwortlichen Persönlichkeit<br />

nicht den öffentlichen Charakter verliere. Er weist darauf hin, daß er es zuerst<br />

gewesen ist, der, nachdem er die Gesandtenstelle ohne hinreichende Archive und<br />

Einrichtungsgegenstände übernommen hätte, alles ordnungsgemäß eingerichtet<br />

habe, und empfiehlt, alles dies in gleicher Weise beizubehalten.<br />

7. Abschied <strong>von</strong> Paris 294)<br />

Eine gewisse Genugtuung bot es ihm, daß ihm Champagny auch fernerhin mit<br />

Freundlichkeit und. Vertrauen entgegenkam und ihm erklärte, freilich ohne ihm<br />

über die eigentlichen Gründe der Mißstimmung Aufschluß zu geben: „Napoleon<br />

124


kommt leicht zurück <strong>von</strong> seiner Voreingenommenheit. Welches auch immer der<br />

Platz sein mag, wo Sie stehen, in Ihrem Vaterlande oder außerhalb, Sie werden<br />

derselbe sein und beweisen, daß Sie der Freund Frankreichs sind und dem System<br />

unserer Allianz anhängen.“ Brockhausen antwortete hierauf kühl: „Da die<br />

Absichten Seiner Majestät auf dieses System durchaus eingestellt sind, so konnte<br />

ich keine andere Ansicht als diese vertreten. Voll Bewunderung für die großen<br />

Eigenschaften des Kaisers werde ich niemals dieses Gefühl verleugnen.“<br />

Napoleon bewilligte Brockhausen eine Abschiedsaudienz, worüber er als „am<br />

nächsten Sonntag bevorstehend“ berichtet. Leider ist uns keine Darstellung über<br />

diese Abschiedsaudienz in den Gesandtschaftsakten erhalten.<br />

8. Untersuchung der Gründe für die Abberufung<br />

Bevor wir mit Brockhausen <strong>von</strong> Paris, dieser Stätte verantwortungsvollster<br />

Pflichterfüllung, scheiden, vergegenwärtigen wir uns noch einmal die ganze<br />

Sachlage, um den Gründen nachzugehen, welche zu seiner Abberufung geführt<br />

haben. Man könnte dieselben in dreifacher Richtung suchen:<br />

auf französischer Seite;<br />

auf Seite Brockhausens;<br />

auf preußischer Seite.<br />

1. Was nun zunächst Frankreich anbelangte, so war zweifellos in jener Zeit eine<br />

erhebliche Mißstimmung bei Napoleon und damit auch bei allen seinen Kreaturen<br />

gegen Preußen und damit auch gegen seinen Gesandten vorhanden. Wir haben<br />

die Gründe hierfür bereits gesehen. Sie werden bezeichnet durch die Namen<br />

Stein, Le Roux, Schill, BraunschweigÖls, Oranien, durch die Bewegungen in Volk<br />

und Heer, durch die Einstellung der Zahlung, Nichtstellung des Kontingents, die<br />

Beziehungen zu den österreichischen Gesandten und die Annäherung an die<br />

Hofburg.<br />

In seiner Unterredung mit Krusemark am 5.11, spricht sich Napoleon aufs<br />

deutlichste hierüber aus 295) . „Bei uns hat die Kanaille die Revolution gemacht, bei<br />

Euch hätte es die Armee getan. Ich habe 17 dieser Brigants erschießen lassen. Der<br />

König muß das auch tun. Er ist mir diese Satisfaktion schuldig. Warum ist Lestocq<br />

Kommandant <strong>von</strong> Berlin, warum nicht Graf Kalkreuth? Ich habe das Hilfskorps<br />

gegen Österreich nicht gefordert. Der König hätte es mir unaufgefordert schicken<br />

sollen, wenn er seine Anhänglichkeit an mein System beweisen wollte. Das wäre<br />

ein loyales Verfahren gewesen. Brockhausen ist ein abscheulicher Mensch, der<br />

mit der schlechtesten Gesellschaft verkehrt. Er ist nicht der Minister des Königs,<br />

er ist der Minister Schills. Ich verlange, daß Preußen mir zahlt, was es mir<br />

schuldet. Ist das nötige Geld nicht vorhanden, so kann der König in Domänen und<br />

in Land zahlen, und wenn der König nicht nach Berlin gehen will, so gehe ich nach<br />

Berlin!“<br />

Es lag auf der Hand, daß ein seine Aufträge pflichtgetreu erfüllender Gesandter<br />

durch seine ewigen Vorstellungen, Bemängelungen und Wünsche sich bei den<br />

125


französischen Dienststellen nicht gerade beliebt zu machen in der Lage war.<br />

Hierzu kam vielleicht auch, daß trotz der Bemühungen Brockhausens der<br />

Ordenshunger gewisser einflußreicher Herren infolge der Zurückhaltung des<br />

Berliner Kabinetts nicht gestillt wurde. Schließlich ist, wenn auch nicht<br />

nachweisbar, doch sehr wahrscheinlich, daß gelegentlich der Anwesenheit des<br />

Königs <strong>von</strong> Sachsen und seines Ministers bei der bekannten gegenseitigen<br />

Einstellung, <strong>von</strong> diesen nicht gerade im liebenswürdigsten Tone über Brockhausen<br />

berichtet wurde.<br />

2. Andererseits aber hatte Brockhausen, wie nicht übersehen werden kann,<br />

gewisse Eigenschaften, welche ihm an diesem, einem überschäumenden<br />

Genußleben, einem hohlen Glanze und einer übertriebenen Prunksucht<br />

huldigenden Hofe ein volles „Sichwohlfühlen“ nicht ermöglichten. Sein Ernst,<br />

seine schlichte Einfachheit, seine durch eigene Vermögensumstände und die Lage<br />

seines Vaterlandes bedingte Sparsamkeit, sein unermüdlicher Pflichteifer, seine<br />

ehrliche Redlichkeit, sein offener Freimut, seine unbestechliche Vaterlandsliebe<br />

mochten ihn so manchem nicht genehm erscheinen lassen 296) .<br />

3. Was nun Preußen anbelangte, so ist uns bereits bekannt, daß Brockhausen<br />

unter den Geheimräten Berlins nicht allzuviel Freunde besaß. Zu oft hatte er<br />

durch Klagen über nicht genügende Bedienung <strong>von</strong> Seiten Berlins, durch Be-<br />

schwerden über die Geschäftsführung, insonderheit auch ungenügende<br />

Beachtung des Amtsgeheimnisses, zu oft durch unerbetene wenn auch<br />

wohlgemeinte und vielfach sachlich zutreffende Ratschläge, zu oft durch eine<br />

selbst vor dem leitenden Minister nicht Halt machende Kritik Mißbehagen<br />

ausgelöst. Durch die offene Darlegung der ihm über den wohlangeschriebenen<br />

Geheimrat Le Roux zu Ohren gekommenen Mitteilungen, durch Warnung vor<br />

Indiskretionen des Gesandten <strong>von</strong> Schladen, durch Winke und Hinweise in<br />

Ordensangelegenheiten, hatte er diese Stimmung gegen sich nicht vermindert.<br />

Nicht ganz vergessen mag bei dem König doch auch die gewiß <strong>von</strong><br />

Zwischenträgern vergrößerte angebliche Verschuldung Brockhausens bei<br />

Gelegenheit der Sendung des Prinzen Wilhelm geblieben sein.<br />

Hören wir, was die deutschen Geschichtsschreiber hierüber sagen. Ranke begnügt<br />

sich mit dem Bemerken: „Brockhausen war <strong>von</strong> Paris abberufen.“ 297) Stern sagt:<br />

„Die Stellung des preußischen Gesandten war inzwischen unhaltbar geworden.“<br />

298) Duncker sagt: „Man hoffte mit Zahlungen usw., mit der Ersetzung<br />

Brockhausens durch Krusemark in Paris, mit der Zusage, daß Graf Finkenstein aus<br />

Wien abberufen und General Scharnhorst das Kriegsministerium aufgeben werde,<br />

durch halbe Maßregeln und schwächliche Mittel … den Zorn Napoleons zu<br />

beschwichtigen 299) .<br />

Prüfen wir unsererseits die Tatsachen noch einmal nach, so ergibt sich folgendes<br />

Bild: Zweifellos hat Napoleon in einer Aufwallung des Zornes, auf Grund <strong>von</strong><br />

Zuträgereien, die Abberufung Brockhausens zunächst einmal gefordert. Ob er bei<br />

nicht sofortigem Eingehen auf diesen Wunsch, darauf nachhaltig bestanden hätte,<br />

muß allerdings zweifelhaft erscheinen. Zwar wurde Brockhausen am 8.11. ein <strong>von</strong><br />

Stern mitgeteilter Bescheid 300) , daß man den früheren Äußerungen nichts<br />

hinzuzusetzen habe und am 8.1.1810 soll Napoleon noch einmal gefragt haben,<br />

ob denn Brockhausen schon abberufen sei 301) .<br />

126


Andererseits müßte Champagny ein Meister der Lüge und Verstellung gewesen<br />

sein, wenn er bei aller Freundlichkeit und weitgehender Zuvorkommenheit, <strong>von</strong><br />

feindlichen Absichten Napoleons überzeugt, mit Brockhausen ein falsches Spiel<br />

gespielt hätte, indem er ihn immer wieder zu beruhigen suchte. Es darf auch nicht<br />

vergessen werden, daß die Empfänge Brockhausens in den Kaiserlichen Cercles<br />

keineswegs aus dem Rahmen der sonstigen Behandlung der Gesandten<br />

herausfielen und die Empfänge beim König <strong>von</strong> Neapel und dem Vizekönig <strong>von</strong><br />

Italien einen fast freundschaftlichen Eindruck hinterließen 302) . Hiernach ist die An-<br />

nahme nicht ganz unberechtigt, daß, wenn nach Brockhausens Vorschlägen bis<br />

zur restlosen Aufklärung der ganzen Angelegenheit mit der Abberufung gewartet<br />

worden wäre, vielleicht doch Napoleon schließlich nicht unbedingt darauf<br />

bestanden hätte.<br />

Soviel jedenfalls steht fest, daß Brockhausen persönlich irgendein Verschulden<br />

nicht zur Last gelegt werden kann. Dies bezeugt auch König Friedrich Wilhelm III.<br />

selbst durch eigenhändigen entsprechenden Zusatz zu der Kabinettsordre vom<br />

24.12.1809.<br />

Im Gegenteil kann die Forderung der Abberufung Brockhausens <strong>von</strong> Seiten<br />

Napoleons nur als eine Ehre für den Gesandten angesehen werden. Es ist ein<br />

Zeichen dafür, daß Brockhausen in vollem Maße seine Pflicht als preußischer<br />

Patriot erfüllt hat.<br />

In erster Linie ist die Abberufung doch wohl zurückzuführen auf den dringenden<br />

Wunsch König Friedrich Wilhelms, nunmehr in Abkehrung vom bisherigen System,<br />

alle, aber auch alle Wünsche Napoleons gleichsam unbesehen zu befriedigen.<br />

Bezeichnend dafür ist, daß der General Lestocq, gegen den Napoleon sich im<br />

Gespräch mit Krusemark gleichfalls scharf geäußert hatte, durch den sehr wohl<br />

gelittenen Grafen Kalkreuth als Gouverneur <strong>von</strong> Berlin abgelöst wurde 303) .<br />

Friedrich Wilhelm ließ damals durch St. Marsan an Champagny melden: „Ich<br />

hoffe, einen Tatbeweis meiner Erkenntlichkeit und Anhänglichkeit gegeben zu<br />

haben, indem ich allen Versuchen widerstand, die das Haus Österreich un-<br />

ternommen hat, mich in seine Sache einzubeziehen.“<br />

Goltz hatte kurz vorher St. Marsan gestanden, daß viele <strong>von</strong> den gegenüber<br />

Krusemark geäußerten Vorwürfen Napoleons berechtigt seien, daß er selbst sogar<br />

sich ähnlich geäußert habe 304) . Graf Goltz schwankte eben, wie Ranke sehr richtig<br />

ausführt, zwischen zwei Extremen. Er hatte zu einer Allianz mit Österreich<br />

vorwärts getrieben und die allgemeine Agitation in diese Bahn zu leiten gedacht.<br />

Da aber hierbei Preußen sich kompromittiert hatte, während Österreich zu einem<br />

einseitigen Frieden gezwungen wurde, so war es nun Goltz, der jetzt einen Bruch<br />

mit Napoleon über alles fürchtete und, um demselben zu entgehen, dazu<br />

entschlossen war, dessen Forderungen bis ins letzte zu bewilligen 305) .<br />

Es war schon so, wie Duncker sagt 306) : „Das Ungeschick der Nachfolger Steins<br />

hatte den Staat an diesen Abgrund geführt. Nun mußten Opfer gebracht werden,<br />

um das Ärgste zu verhüten.“<br />

Ein solches Opfer war auch Brockhausen, auf dessen Abberufung man vielleicht in<br />

Paris nicht unbedingt bestanden hätte, wenn man preußischerseits unter anderen<br />

Umständen die Dinge hätte an sich kommen lassen können.<br />

127


128


SCHLUß<br />

So selbstverständlich Brockhausen in seinem Pflichtgefühl sich den<br />

Notwendigkeiten des öffentlichen Wohls fügte, so war er sich doch darüber klar,<br />

daß der Rücktritt <strong>von</strong> diesem wichtigen und einflußreichen Posten ein tief ein-<br />

schneidendes Ereignis in seinem persönlichen Leben bedeuten mußte. Es war<br />

gewissermaßen ein Bruch in seiner diplomatischen Laufbahn. Es war schwer, ja<br />

eigentlich undenkbar, eine entsprechende Stellung für ihn wiederzufinden. So<br />

sehen wir ihn mit Rücksicht auf die finanzielle Lage des Staates gleich so vielen<br />

anderen auf Wartegeld gestellt in den nächsten entscheidungsvollen Jahren teils<br />

mit der Bewirtschaftung seiner in Pommern gelegenen Güter beschäftigt, teils in<br />

Berlin im Rate des Königs. Leider sind gerade aus dieser Zeit so überaus dürftige<br />

Nachrichten über ihn vorhanden, daß nähere Einzelheiten nicht mitgeteilt werden<br />

können. Wir hören aus den Aufzeichnungen seiner Tochter, daß er mit<br />

unermüdlichem Eifer der Landwirtschaft oblag, um alles zu sehen, zu ordnen, zu<br />

fördern. In Berlin wird er als einer der Ratgeber genannt, die ein allzu ungestümes<br />

Vorwärtsdrängen gegen Napoleon vor Herstellung der nötigen Voraussetzungen<br />

infolge Änderung der Weltlage widerrieten 307) . Es mag dem vaterlandsliebenden<br />

Manne schwer genug angekommen sein, sich so zu entscheiden. Allein er war ein<br />

zu nüchterner Realpolitiker, er kannte die Macht des Imperators zu genau, um zur<br />

Unzeit zu einem doch sicherlich vergeblichen Vorstoß zu raten. Dann aber, als die<br />

Zeit sich erfüllt hatte, als nun unter günstigeren Verhältnissen der<br />

Befreiungskampf gegen den Korsen aufgenommen wurde. da hat sicherlich auch<br />

Brockhausen seinen Mann mit Rat und Tat gestanden. Ist er doch hierfür <strong>von</strong><br />

seinem Könige mit dem Eisernen Kreuze am weißen Bande ausgezeichnet worden<br />

308) .<br />

Nach jenen glorreichen Begebenheiten fand Brockhausen zu Beginn des Jahres<br />

1814 als Königlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister am<br />

niederländischen Hofe wiederum im diplomatischen Dienste Verwendung. Er<br />

bekleidete dieses Amt bis zum Jahre 1816 und hat insbesondere auch als<br />

Schiedsrichter bei Regelung der Ansprüche des Herzogtums Bouillon und des<br />

Herzogs <strong>von</strong> Rohan gewirkt, sowie sich mit Erfolg mehrfach für die in den<br />

napoleonischen Wirren ihres Vermögens beraubten Deutschen verwenden<br />

können. Welche Gründe für seine Abberufung aus dem Haag maßgebend<br />

gewesen sind, ist nicht bekannt. Vielleicht, daß er doch, nachdem er einmal im<br />

Mittelpunkt der ganz großen Politik gestanden, in der Weltstadt Paris das Leben<br />

und Treiben der vorgeschrittensten Kultur kennen gelernt hatte, sich in den<br />

kleineren Verhältnissen unter veränderten Umständen, nicht so ganz wohl zu<br />

fühlen vermochte 309) .<br />

Das Vertrauen seines Königlichen Herrn hatte er keineswegs eingebüßt. In<br />

schmeichelhaften Ausdrücken ernannte ihn der König unter dem 31.10.1816 zum<br />

Mitgliede des neugegründeten Staatsrates 310) . Friedrich Wilhelm sagte hierbei,<br />

daß er dem Eifer und der stets für seine Person bezeugten Anhänglichkeit<br />

Brockhausens gerne Rechnung trage und daher in Anerkennung seiner langen<br />

Dienste und, um ihm einen neuen Beweis seines Wohlwollens zu geben, seine<br />

Erfahrungen auch weiterhin für den Staat nutzbar machen wolle. Als äußeres<br />

Zeichen wurde ihm sein bisheriges Gehalt <strong>von</strong> 10 000 Talern auch fernerhin<br />

129


elassen. Da ist es nun sowohl für den Charakter wie für den Diensteifer<br />

Brockhausens, der sich noch rüstig genug fühlen mochte, bemerkenswert, daß er<br />

schon nach einem Jahre ein Gesuch um eine wirkliche Tätigkeit im staatlichen<br />

Dienstbetriebe einreichte 311) . Und zwar bat er um Übertragung der Oberleitung<br />

der zweiten und dritten Sektion im Ministerium der auswärtigen Angele-<br />

genheiten, indem er ausführte, „es möchten so die Kräfte des Staatskanzlers<br />

Hardenberg zu größeren Zwecken durch Überhebung einer Menge <strong>von</strong> Details<br />

erhalten werden, aber dabei doch jene Geschäfte in einer Hand (nämlich der<br />

Hardenbergs) vereinigt bleiben“ 312) . Er bat zugleich, die Gründe nicht verkennen<br />

zu wollen, die diesem Wunsche zugrunde lägen. „Sie fließen“, sagte er „aus dem<br />

peinlichen Gefühle, für König und Vaterland nicht genug zu tun und es dennoch<br />

tun zu können“. Der König antwortete ihm hierauf unter dem 17.10.1817, daß er<br />

ohne Anhörung des Staatskanzlers nichts in dieser Sache veranlassen könne und<br />

gab sie zur Entscheidung an Hardenberg. Es war vorauszusehen, daß dieser, der<br />

schon einmal die Übertragung des Außenministeriums an Brockhausen vereitelt<br />

hatte, sich zu einem Entgegenkommen nicht bereit finden lassen würde. Ein<br />

späteres Gesuch Brockhausens an Hardenberg vom 9.11.1817 hatte keinen<br />

besseren Erfolg 313) .<br />

So blieb ihm nichts übrig, als sich mit größtem Eifer der allerdings nur<br />

geringfügigen Geschäfte des Staatsrats anzunehmen 314) . Am 16.11.1817 wird<br />

Brockhausen zum Vorsitzenden ernannt:<br />

der Abteilung V für Handel,<br />

der Abteilung VI für die inneren Angelegenheiten.<br />

In der ersten Abteilung wurden bearbeitet insbesondere die<br />

Branntweinsteuergesetze, der Salzverkauf, das Abdeckereiwesen, Innungen und<br />

Zünfte, Windmühlenangelegenheiten, Feuerversicherung, Bergbau, Maßnahmen<br />

gegen falsches Papiergeld und Moststeuer 315) .<br />

Bei der Neuregelung der Zusammensetzung des Staatsrates vom 8.11.1825 wurde<br />

Brockhausen unter Ausscheiden aus der Abteilung VI zum Vorsitzenden der<br />

Abteilung VII für Kultus und öffentlichen Unterricht ernannt, der u.a. der<br />

Erzbischof <strong>von</strong> Spiegel und der evangelische Bischof Eilert angehörten. Er blieb<br />

Vorsitzender der Abteilung V für Handelsangelegenheiten und wurde nunmehr<br />

auch Mitglied der Abteilung I für Auswärtige Angelegenheiten, welcher der<br />

Feldmarschall Gneisenau vorsaß und zu welcher auch Knesebeck und Ancillon<br />

gehörten.<br />

Seine Tätigkeit im Staatsrat ließ ihm noch genügend Zeit, sich seiner Begüterung<br />

und seiner Familie zu widmen. Er hatte zwei Töchter, <strong>von</strong> denen die eine den<br />

späteren Gesandten Grafen Dönhoff, die andere den englischen Gesandt-<br />

schaftssekretär Annesley heiratete. Beide waren, ihrer verstorbenen Mutter<br />

ähnlich, durch Schönheit und Anmut ausgezeichnet und bei Hofe gern gesehen.<br />

Der Sohn Karl starb verhältnismäßig früh, der andere, Adolph, hatte die diploma-<br />

tische Laufbahn eingeschlagen. Er erscheint in den dreißiger Jahren als<br />

Geschäftsträger in Wien, nachdem er gleich dem Vater in Stockholm tätig<br />

gewesen war. Treitschke rühmt ihm Festigkeit und Tüchtigkeit nach 316) . Er wurde<br />

130


später Gesandter in Florenz und starb schließlich Anfang der fünfziger Jahre<br />

unvermählt in BadenBaden. Hierdurch ging der schöne Familienbesitz in die<br />

Hände der Grafen Dönhoff über.<br />

In einer liebevollen Niederschrift vom 12.10.1830, dem Jahrestage seines Todes,<br />

rühmt die Gräfin Dönhoff die Fürsorge und Güte ihres Vaters: „Mit beispielloser,<br />

unendlicher Treue und Sorgfalt für die geringsten unserer geistigen und<br />

körperlichen Bedürfnisse, zog er uns vier Kinder <strong>von</strong> unserer frühesten Kindheit<br />

ganz allein ohne die Hilfe einer treuen Mutter auf. Der Schmerz über das frühe<br />

Dahinscheiden unserer Mutter hatte einen großen Eindruck auf sein tieffühlendes<br />

Gemüt gemacht und sein edles Herz mit quälenden Sorgen erfüllt, wie er nun so<br />

ganz allein der Pflege seiner kleinen Kinder vorstehen würde.“ „Ach wie treu hast<br />

Du, mein geliebter Vater, bis an dein Ende diese Pflicht erfüllt!“<br />

Das <strong>von</strong> ihm unter den Familienbildern in Rützenhagen, Kreis Schivelbein in<br />

Pommern, überkommene Bild zeigt uns ein männlich schönes Gesicht mit<br />

glanzvollen blauen Augen und blondem Haar. Ein schwermütiger Ernst liegt auf<br />

seinen Zügen, die auf Verstand, Willenskraft und Gemüt schließen lassen.<br />

Im Sommer des Jahres 1829 machte er mit seiner Tochter Emilie Dönhoff eine<br />

Reise durch Frankreich, wobei er seine Kinder Annesley besuchte. Eigenartige<br />

Eindrücke müssen es gewesen sein, als er durch die Straßen jener Weltstadt<br />

schritt, in der auch er arbeitsreiche und entsagungsvolle Jahre verbracht hatte, in<br />

welcher damals die Standarte eines Napoleon aufgepflanzt war, indes nun<br />

wiederum das Lilienbanner der Bourbonen, freilich, auf wie lange noch, flatterte.<br />

Was hatte er kommen, was gehen sehen!<br />

Und nun mußte er selbst den letzten Gang antreten. Vielleicht war ihm die Reise<br />

zu beschwerlich gefallen. In Montpellier hatte er die Gelbsucht bekommen.<br />

Wahrscheinlich falsch behandelt, wurde er nie wieder ganz gesund. Doch achtete<br />

sein lebhafter Geist wenig auf sein körperliches, Leiden. Noch einmal trieb es ihn<br />

auf das Familiengut Rützenhagen. Am 2.10.1829 trat er seine übliche Fahrt nach<br />

Berlin an, um dort den Winter zu verbleiben. Während er sonst die Fahrt in zwei<br />

Tagen zurücklegte, brauchte er jetzt fünf Tage. Als er in die Tore Berlins einfuhr,<br />

sagte er zu seiner Tochter Emilie: „An diese Reise wirst du gewiß denken, wenn<br />

ich auch lange nicht mehr sein werde.“ Am 12.10.1829 entschlief er 317) und wurde<br />

in der Dorotheenkirche beigesetzt 318) .<br />

Unser Urteil über Brockhausen lautet: Er war ein trefflicher deutscher Mann, ein<br />

echter Preuße, ein braver Pommer, ein treuer Diener seines Königs und<br />

Vaterlandes. Als Staatsmann gehörte er gewiß nicht zu den ganz Großen seiner<br />

Zeit. Andererseits wird unsere streng sachlich gehaltene Darstellung gezeigt<br />

haben, daß und weshalb die Geschichte seiner Person nicht in dem Umfange<br />

gerecht geworden ist, wie er es wohl nach seinem Wesen und Wirken verdient<br />

hätte.<br />

131


DR. PHIL.<br />

HANS JOACHIM V.<br />

BROCKHUSEN<br />

ANMERKUNGEN<br />

1) Die Familie <strong>von</strong> Brockhausen, auch <strong>von</strong> Brockhusen und <strong>von</strong> <strong>Bruchhausen</strong><br />

genannt (die Schreibweise wechselt bis ins 19. Jahrhundert ständig), dem<br />

Pommerschen Uradel angehörig, der Überlieferung nach aus Niedersachsen<br />

stammend, hatte zu Ausgang des 18. Jahrhunderts einen recht erheblichen<br />

Grundbesitz, insbesondere in den Kreisen Cammin und Greifenberg. Der älteste<br />

Besitz liegt im Kreise Cammin. Am heute noch im Eigentum der Familie<br />

befindlichen Güter Groß Justin im Kreise Cammin besaß der Staatsminister <strong>von</strong><br />

132


Brockhausen auch einen Anteil, den er aber im Jahre 1810 an den Leutnant<br />

Gotthelf <strong>von</strong> Brockhusen auf Groß Justin, den Urgroßvater des Verfassers,<br />

veräußerte.<br />

2) Es war überaus schwierig, über die persönlichen Verhältnisse genaue<br />

Feststellungen zu machen, insoweit nicht amtliche Unterlagen zur Verfügung<br />

standen, da die auf die Persönlichkeit Carl Christians sich beziehenden Papiere auf<br />

der durch Erbgang bereits in den nächstfolgenden Generationen zweimal in<br />

andere Hände übergegangenen Besitzung Rützenhagen, trotz verschiedentlichen<br />

Suchens sich nicht auffinden ließen.<br />

3) Akten des Geheimen Staatsarchivs R. 96. 148. K. Frankreich Gen. 17861795.<br />

Vol. II<br />

4) Vgl. den interessanten Bericht Alvenslebens an König Friedrich Wilhelm II. vom<br />

16.11.87 bei Flammermont, a.a.O. S. 120 ff.<br />

5) Doch wohl mehr vor einem Kriege mit England. Gebhardt, a.a.O. II S. 417 Anm.<br />

2<br />

6) Akten des Geheimen Staatsarchivs R. 96 150 A. Großbritannien Gen.<br />

17871794. Der Bericht liegt diesen Akten lose bei.<br />

7) Bekanntlich war Hertzberg ein wissenschaftlich trefflich durchgebildeter Mann<br />

und vorzüglicher Kenner der preußischen Archive, deren Vorstand er längere Zeit<br />

gewesen ist und für welche er sich später jederzeit interessierte. Vg1. Preuß,<br />

a.a.O. und Krauel, R., „Graf Hertzberg“<br />

8) Berichte Brockhausens, insbesondere vom 19.10., 27.10.90 Akten R. 96168 B.<br />

Belgien 1790. Unter A. II des Aktenverzeichnisses<br />

9) Sybel, a.a.O. Bd. I S. 205 sagt dort: Einer seiner geachtetsten Diplomaten ging<br />

als Berater des Kongresses nach Brüssel; auf preußische Veranlassung übernahm<br />

der hessische General Schönfeld die Organisation der belgischen Streitkräfte und<br />

ein preußischer Lieferant, der Kommissionsrat Ephraim, bildete für sie bei<br />

Maastricht große Magazine. Vg1. Gebhardt; a.a.O. Bd. II S. 420<br />

10) Akten des Geheimen Staatsarchivs R. 96168 B. Belgien 1790. Unter A. II des<br />

Aktenverzeichnisses<br />

11) Gebhardt, a.a.O. Bd. II S. 418<br />

12) Akten des Geheimen Staatsarchivs R. 96162 K. Schweden 1791. Vol. 1 S. 1.<br />

13) Berichte Brockhausens aus Stockholm vom 11.3., 15.3., 12.4., 29.4., 6.5.,<br />

29.5., 15.7., 9.8.1791. Unter A. III des Aktenverzeichnisses<br />

14) Zwecks Beschleunigung der Reise blieb Brockhausen nur eine Nacht in<br />

Kopenhagen, das er bei der Unsicherheit der Passage über den Belt erst 6 Tage<br />

nach Abfahrt <strong>von</strong> Hamburg erreicht hatte und stattete nur dem preußischen<br />

Gesandten Grafen Arnim und dem schwedischen Gesandten Besuche ab. Bericht<br />

Kopenhagen 1.3.1791 Akten R. 96162 K. Schweden 1791, Vol. 1<br />

15) Gebhardt, a.a.O. Bd. II S. 422<br />

133


16) Berichte Brockhausens aus Stockholm vom 21.10., 11.11., 15.11.1791. Unter<br />

A. III des Aktenverzeichnisses<br />

17) Desg1. vom 1.4., 12.4., 10.5., 24.5., 29.5., 12.7., 15.7., 19.7., 29.7., 5.8., 9.8.,<br />

26.8., 13.9., 20.9., 14.10., 4.11.1791, 3.1.1792. Unter A. III des<br />

Aktenverzeichnisses<br />

18) Gustav III. glaubte, sein Heer mit eigenen Schiffen trotz vorgeschrittener<br />

Jahreszeit noch im Herbst 1791 nach Holland herüberschaffen zu können. Wie<br />

Mangelsdorff, a.a.O. S. 344, bezüglich des Zustandes der Flotte im Jahre 1792<br />

berichtet, hält man nach den englischen die schwedischen Schiffe für die besten<br />

Segler. Die gegenwärtige Stärke der Seemacht ist das Werk der rastlosen Tätigkeit<br />

Gustavs III. Hierbei war ihm in erster Linie der Admiral af Chapmann behilflich<br />

gewesen. Friedrich Heinrich af Chapmann, geb. in Gothenburg, zunächst<br />

Schiffbaumeister in Carlskrona, <strong>von</strong> Gustav III. zum Admiral befördert, war<br />

bahnbrechend auf dem Gebiete des Baues <strong>von</strong> Kriegsschiffen. Er bildete nach<br />

seinen Plänen die Scheerenflotte, unschätzbar für die Verteidigung des Landes,<br />

und die Grundlage des Sieges über die Russen bei Svensksund. Er starb 1808.<br />

(Mellin, a.a.O. S. 323.)<br />

19) Feldzugsplan RußlandSchweden gegen Frankreich (Katharinas Politik),<br />

Herrmann, a.a.O. II. Abt. S. 97. Briefwechsel Katharinas mit Gustav III. Herrmann,<br />

a.a.O. II. Abt. S. 499/504<br />

20) Berichte Brockhausens aus Stockholm vom 2.9., 7.9., 18.10., 21.10., 13.12.,<br />

30.12. 1791; 6.1., 10.1., 24.1., 31.1., 28.2., 14.3., 16.3. 1792. Unter A. III des<br />

Aktenverzeichnisses<br />

21) Mellin, a.a.O., S. 321<br />

22) Herrmann, a.a.O. II. Abt. S. 509. Die vier Stände waren: Adel, Geistlichkeit,<br />

städtischer Bürgerstand und Bauernschaft.<br />

23) Berichte Brockhausens aus Stockholm vom 17.3., 18.3., 20.3., 27.3., 30.3.,<br />

3.4., 10.4., 15.5. 1792. Unter A. III des Aktenverzeichnisses<br />

24) Geschichte Gustavs III. <strong>von</strong> einem schwedischen Offizier, a.a.O. S. 145. Mellin,<br />

a.a.O. S. 322<br />

25) Herrmann, a.a.O. II. Abt. S. 525<br />

26) Johann Tobias Sergel, geb. in Stockholm, durch Freigebigkeit des Königs<br />

ausgebildet und <strong>von</strong> Gustav sehr begünstigt, hat sich durch eine Reihe<br />

bedeutender Arbeiten, z.B. Amor und Psyche und Gustavs III. Standbild an der<br />

Schiffbrücke in Stockholm, bekannt gemacht. Er starb 1814. Mellin, a.a.O. S. 327<br />

27) Berichte Brockhausens aus Stockholm vom 11.3., 1.4., 12.4., 6.5., 14.6., 12.8.,<br />

7.9., 23.12.1791; 3.1.1792: Unter A. III des Aktenverzeichnisses<br />

28) Ernst Moritz Arndt, a.a.O. S. 99 und 101. Herrmann, a.a.O. 11. Abt., S. 361.<br />

Geschichte Gustavs III. <strong>von</strong> einem schwedischen Offizier, a.a.O. III. T. Anm. 4 S. 39<br />

29) Berichte Brockhausens aus Stockholm vom 3.4., 4.5., 15.6., 13.7., 16.11.1792;<br />

5.4., 17.5., 17.9.1793. Unter A. III des Aktenverzeichnisses<br />

134


30) Desgl. vom 23.10., 2.11., 21.12., 28.12.1792; 1.1., 4.1., 25.1.1793. Unter A. III<br />

des Aktenverzeichnisses<br />

31) Einer der entschiedensten Führer dieser Bewegung war Thomas Thorild.<br />

Ausgezeichnet als Denker und Freigeist, wurde er <strong>von</strong> Herzog Karl Weihnachten<br />

1792 verhaftet und zur Landesverweisung verurteilt. Später Professor in<br />

Greifswald, starb er 1808. Mellin, a.a.O. S. 328<br />

32) Berichte Brockhausens aus Stockholm vom 20.12., 27.12.1793; 7.1., 11.4.,<br />

4.7.1794. Unter A. III des Aktenverzeichnisses<br />

33) Ernst Moritz Arndt, a.a.O. S. 173, nennt die Armfeldtsche Verschwörung eine<br />

Knabenverschwörung Mellin, a.a.O. S. 328<br />

34) Bericht Brockhausens aus Stockholm vom 31.1.1794. Bericht des Berliner<br />

Kabinetts an den König vom 11.2.1794. Unter A. III des Aktenverzeichnisses<br />

35) Vgl. den Aufsatz <strong>von</strong> P. Bailleu: König Friedrich Wilhelm II. und die Genesis des<br />

Friedens <strong>von</strong> Basel. Historische Zeitschrift Bd. 75, N. Folge Bd. 39 S. 274<br />

36) Ranke: Deutsche Mächte, a.a.O. S. 412. Ritter <strong>von</strong> Srbik in den Meistern der<br />

Politik, Bd. III S. 81,<br />

Metternich nennt Dresden einen Beobachtungsplatz <strong>von</strong> besonderem Range.<br />

37) Gebhardt, a.a.O. Bd. II S. 443 Anm. 4: Zur Beurteilung des Friedens <strong>von</strong> Basel.<br />

S. insbesondere die dort angezogene Stelle <strong>von</strong> Treitschke. <strong>von</strong> Gagern, a.a.O. S.<br />

59: Ein Deutscher kann den Frieden zu Basel kaum anders als mit Abscheu<br />

nennen. Hassel, Kursachsen, a.a.O. S. 241. Zu den Folgen des Baseler Friedens:<br />

„Das größte Unglück Preußens war, daß die grenzenlose Schwäche der leitenden<br />

Staatsmänner auch die Armee ergriffen hatte, die sich schließlich selbst die<br />

denkbar schwerste moralische Niederlage bereitete, indem sie den Kampf aufgab,<br />

ohne besiegt zu sein.“ Auch ein Friedrich Schlegel vertritt den Standpunkt, daß<br />

Preußen durch den Frieden <strong>von</strong> Basel die deutsche Sache aufs schwerste<br />

geschädigt hat. Stockmann, A.: Die deutsche Romantik<br />

38) Zur Frage der Stellung Sachsens zur Friedensvermittelung. Hassel, Kursachsen,<br />

a.a.O. S. 224 ff.<br />

39) Ranke, Hardenberg, a.a.O. Bd. I S. 275. Gebhardt, Bd. II, a.a.O. S. 444 Nach<br />

Hassel, Kursachsen, a.a.O. S. 239, soll außer dem Landgrafen <strong>von</strong> Cassel auch der<br />

Herzog <strong>von</strong> Braunschweig Frieden nachgesucht haben.<br />

40) Berichte Brockhausens aus Dresden vom 27.4., 2.5., 8.5., 4.12.1795; 23.2.,<br />

27.2.1796; 24.11.1798; 7. 6.1804. Unter B. des Aktenverzeichnisses<br />

41) Berichte Brockhausens aus Dresden vom 27.2., 29.7.1796; 30.3.1797;<br />

16.3.1799; 25.5., 29.10.1801. Kabinettserlasse aus Berlin 17.1., 19.8., 2.12.1796;<br />

3.8., 10.8., 18.11., 30.11.1798; 12.6.1801. Unter B. des Aktenverzeichnisses<br />

42) Brockhausens Berichte sind, ebenso wie während seiner Gesandtenzeit in<br />

Schweden, lebhaft und eindrucksvoll und meist auch sehr eingehend. Sie sind im<br />

Gegensatz zum teilweise recht holprigen Französisch des Kabinetts in leichter<br />

flüssiger Form gehalten. Die damals üblichen Ausdrücke „Ombrage, Sensation,<br />

Sagesse, konsiderabel“ benutzt auch er freilich häufig genug.<br />

135


43) Ein Zeichen für die Unachtsamkeit, mit welcher das Berliner Kabinett gegen<br />

die Gesandtenstelle in Dresden verfuhr, ist auch die nicht rechtzeitige Zustellung<br />

des Geheimschlüssels. Unter dem 7.1.05 nimmt Brockhausen sich die Freiheit, zu<br />

bitten, ihm den neuen Schlüssel doch bald zu übersenden. Er hat ihn<br />

verschiedentlich vermißt und kann für die Geheimhaltung seiner Berichte künftig<br />

keine Verantwortung tragen. Nach alter Regel soll der Schlüssel alle drei Jahre<br />

gewechselt werden. Der für Dresden bestimmte Schlüssel galt trotz Erinnerungen<br />

bereits seit sechs Jahren.<br />

44) Berichte Brockhausens aus Dresden vom 8.5.1795; 23.7.1796; 6.3.1797;<br />

Kabinettserlaß Berlin 5.8.1796. Unter B. des Aktenverzeichnisses<br />

45) Hassel, Kursachsen, a.a.O. S. 233<br />

46) ÔByrn, a.a.O. S. 91 Otto, a.a.O. S. 1<br />

47) Bitterauf, a.a.O. S. 447 Ranke, Hardenberg, a.a.O. Bd. II S. 14, 32<br />

48) Berichte Brockhausens aus Dresden vom 19.7., 13.8.1796; 20.2., 25.2.1797;<br />

27.1.1798; 30.3.1799; 5.4., 16.10., 27.10., 4.12.1800; 29.1., 30.3., 4.5., 23.7.1801;<br />

17.2.1806; Kabinettserlasse Berlin 11.4.1800; desgl. 2.1.1801. Unter B. des<br />

Aktenverzeichnisses<br />

49) Brockhausens Bericht vom 4.5.01: „Memoire und Plan betreffend<br />

Werragegend ist nach Berlin eingesandt. Das Werk ist in zu kurzer Zeit vollendet,<br />

um genau und zuverlässig zu sein. Der Kriegsminister Graf Zinzendorf bittet um<br />

Angabe etwaiger Fehler und Lücken.“<br />

50) Berichte Brockhausens aus Dresden vom 10.4.1798; 16.4., 11.5., 18.5.1799;<br />

30.3., 17.10., 14.11., 16.11.1801; 19.7., 29.7.1802; Kabinettserlasse Berlin 12.7.,<br />

26.7.1802. Unter B. des Aktenverzeichnisses<br />

51) Dietrich Schäfer, Deutsche Geschichte, Bd. 2 S. 265: „Tiefer als je zuvor,<br />

Münster und Osnabrück nicht ausgeschlossen, hat jetzt die französische<br />

Diplomatie eingreifen können in die inneren Angelegenheiten des Deutschen<br />

Reiches.“ Ranke, Hardenberg, a.a.O. Bd. I S. 329 und Bd. II S. 41/43<br />

52) Bericht Brockhausens aus Dresden vom 10.4.1798<br />

53) Vgl. den Aufsatz <strong>von</strong> Wegele, Historische Zeitschrift Bd. 46. N. F. Bd. 10 S. 193<br />

54) Bericht Brockhausens aus Dresden vom 16.11.1801 <strong>von</strong> Heigel, a.a.O. Bd. II S.<br />

392/93<br />

55) Pölitz, a.a.O. S. 252<br />

56) Bericht Brockhausens aus Dresden vom 29.7.1802. Unter B. des<br />

Aktenverzeichnisses<br />

57) Berichte Brockhausens aus Dresden vom 27.10.1800; 7.4., 20.4., 2.7., 9.7.,<br />

14.9., 22.10.1801; 31.5., 24.6., 9.8., 23.8., 2.9., 17.9., 25.9., 30.9., 30.10. 1802;<br />

13.6., 13.8., 18.8.1803; 30.6.1804; 7.1.1805; Kabinettserlasse Berlin 10.9.,<br />

4.10.1802. Unter B. des Aktenverzeichnisses<br />

58) Vgl. Berlin 18.10.1796: Vorwurf betreffend angebliche Nichtausführung eines<br />

Besuches bei dem unter dem Namen eines Grafen <strong>von</strong> Hack in Dresden weilenden<br />

136


Kurfürsten Karl Theodor. Berlin 11.4.1800: Streit eines Garde du Korps mit einem<br />

„fantassin“ (Infanteristen). Dresden 19.4.1800: Antwort auf die Vorhaltung<br />

wegen angeblicher mangelnder Berichterstattung über eine gelegentlich<br />

erwähnte Unterredung mit einem sächsischen Minister: „Euer Majestät ist zu<br />

gerecht, zu aufgeklärt, um nicht einzusehen, daß man nicht jede gleichgültige<br />

Unterhaltung berichten kann, die man doch <strong>von</strong> der einen wie <strong>von</strong> der anderen<br />

Seite eine Stunde später vergißt. Das hieße doch die Geduld und die Zeit E.M.<br />

mißbrauchen! Nur die bedeutendsten Begebenheiten sind meinem schwachen<br />

Dafürhalten nach der Aufmerksamkeit des Königs würdig.“ Nebenbei ein<br />

schlagender Beweis dafür, daß der unmittelbare Verkehr mit dem König nicht<br />

mehr zeitgemäß war. Berlin 13.10.1800: Wegen Grenzüberschreitungen der<br />

Demarkationslinie. Unter B. des Aktenverzeichnisses<br />

59) Berlin 23.2.98: Brockhausen zieht sich, bezeichnend für die damalige<br />

Stimmung im Kabinett, einen Rüffel zu, weil er gelegentlich (es handelt sich um<br />

einen Bericht über Ausfindigmachung einer Bleibe für den Grafen <strong>von</strong> der<br />

Provençe) diesen als „Ludwig XVIII.“ bezeichnet hat. Unter B. des Aktenver-<br />

zeichnisses<br />

60) Dresden 23.8.1799 und 19.8.1800: Unter B. des Aktenverzeichnisses Sein<br />

Vorschlag, nach dem Vorgang des Alten Fritzen, den er zum Ärger der Berliner<br />

„Perücken“ gar zu häufig ins Feld führt, bezahlte Geheimspione an bestimmten<br />

Orten zu unterhalten, wird kühl abgelehnt, ohne seine eingehende Begründung<br />

überhaupt zu würdigen. Sybel, a.a.O. I. S. 352: „Finkenstein ist alterschwach, die<br />

anderen Minister sind unfähig zu großen politischen Gedanken.“ Ranke,<br />

Hardenberg, a.a.O. Bd. S. 195: „Alvensleben, über dessen Formalismus sich<br />

Haugwitz beklagte, wird doch zugleich als sehr unselbständig geschildert. Er sei<br />

Demokrat, wenn er Gelehrte um sich habe, Aristokrat, wenn er mit Männern<br />

seines Standes rede.“<br />

61) Berlin 4.10.1802. Bericht an den König <strong>von</strong> Haugwitz. Haugwitz muß zu<br />

seinem Bedauern Klage führen über die eigenartige Sprache Brockhausens. Der<br />

König selbst habe gewiß schon oft beobachtet, daß Brockhausen sich ein scharfes<br />

Urteil der Maßregeln und Schritte des Kabinetts erlaubt habe, oder, daß er sich<br />

beklagt habe, nicht genügend unterrichtet zu werden. Dies, obwohl er auf einen<br />

mehr oder weniger abgelegenen Schauplatz gestellt gänzlich außerstande sei, zu<br />

beurteilen, was die Gesamtheit der politischen Umstände erfordere, und was ihm<br />

nützlich sei, zu wissen. Aber nach seinem Bericht vom 25.9. sei Brockhausen weit<br />

über das Bisherige hinausgegangen und der Königliche Dienst erfordere es, ihn in<br />

die richtigen Schranken zurückzuverweisen, um so mehr, als es ihm nicht an den<br />

nötigen Gaben fehle, dem Staate nützlich zu sein. Haugwitz hatte dem<br />

sächsischen Geschäftsträger Helbig eine vertrauliche Mitteilung gemacht, daß<br />

Friedrich August, infolge seines Vorgehens in Sachen der Entschädigungsfrage,<br />

sich dem aussetze, einen großen Teil seines Einflusses zu verlieren. Friedrich<br />

August sei empfindlich und die Vorstellung müsse mit Vorsicht im Tone der<br />

Freundschaft gemacht werden. Im Munde des Gesandten hätte es nach<br />

Haugwitzs Ansicht etwas Bitteres gehabt und Brockhausen, der sich in Dresden<br />

nicht sehr beliebt gemacht habe, würde weniger geeignet gewesen sein, sich<br />

dieses Auftrages zu entledigen. Gleichwohl habe Haugwitz geglaubt, ihm „zur<br />

persönlichen Information“ Mitteilung hier<strong>von</strong> machen zu sollen. Statt dankbar<br />

137


dafür zu sein, findet Brockhausen in dieser Beschränkung ein „Rätsel“. Der König<br />

möge für gut befinden, ihn ernstlich zum Gehorsam gegenüber den Befehlen des<br />

Kabinetts zu vermahnen. Die entsprechende Verfügung wird zur Billigung und<br />

Unterschrift vorgelegt. Brockhausen wird sehr ernstlich in Erinnerung gebracht,<br />

daß seine Pflicht wie die aller Gesandten es sei, ohne jede Einschränkung den vom<br />

Kabinett erlassenen Verfügungen Gehorsam zu erweisen. Seine Tätigkeit solle sich<br />

darauf beschränken, <strong>von</strong> allem Rechenschaft zu geben, was in den Kreis seines<br />

Beobachtungsvermögens falle.<br />

62) Bericht Brockhausens vom 9.7.1801<br />

63) Desgl. 30.9.1802<br />

64) Ranke, Hardenberg, a.a.O. Bd. II S. 55 In seinem Bericht vom 7.4.1801 sagt<br />

Brockhausen, daß die Besetzung Hamburgs durch die Dänen in Dresden große<br />

„Sensation“ erregt habe. Dem Handel Sachsens schade es sehr, wenn ein Staat,<br />

der keineswegs ein Freund, sondern sein Rivale sei, die Stadt besetze. Das<br />

Interesse Preußens verlange und habe allezeit verlangt die Unversehrtheit dieser<br />

Stadt. Schon Friedrich I. und Friedrich Wilhelm I. haben sich einer Besetzung stets<br />

widersetzt. Zur Zeit Friedrichs II. habe niemand solches gewagt. Unzweifelhaft<br />

werde Preußen die Dänen schleunigst mit oder ohne Gewalt entfernen. Das<br />

Beispiel <strong>von</strong> 1788, wo Preußen durch eine bloße Erklärung Karl <strong>von</strong> Hessen <strong>von</strong><br />

den Grenzen Schwedens zurückschreckte, beweise, daß man gar nicht nötig habe,<br />

zum Äußersten zu schreiten. Er fährt dann in seinem Bericht vom 9.4. fort:<br />

Inzwischen habe er durch Ordre vom 3.4. erfahren, daß die Besetzung Hamburgs<br />

auf Grund <strong>von</strong> Abmachungen mit dem Dänischen Hofe erfolgt sei. Sehr wichtige<br />

Gründe müßten es gewesen sein, die dazu geführt hätten, zu erlauben, daß die<br />

Truppen einer <strong>von</strong> Natur feindlichen Macht sich Hamburgs hätten bemächtigen<br />

dürfen. Bisher sei es als Heiligtum betrachtet worden, das Niemandem<br />

anzurühren gestattet gewesen sei. Die „Sagesse“ des Berliner Kabinetts werde<br />

genügend Sicherungen getroffen haben, setzt er, augenscheinlich etwas ironisch,<br />

hinzu.<br />

65) Bericht Brockhausens vom 2.7.1801<br />

66) Hegner, a.a.O. S. 10: Die Haltung Sachsens suchte im Anschluß an Preußen<br />

eine Neutralität in den auswärtigen politischen Streitigkeiten zu behaupten.<br />

Preußen jedoch verstand nicht, das Vertrauen zu rechtfertigen, das man in seine<br />

politische Haltung setzte. Die rätselhaften Schwankungen der Berliner Staatskunst<br />

hatten an allen Höfen tiefes Mißtrauen erregt.<br />

67) Berichte Brockhausens aus Dresden vom 6.6., 13.6., 23.6., 27.6., 11.7., 25.7.,<br />

13.8., 18.8.1803. Kabinettserlasse Berlin vom 31.5., 18.6., 1.7., 18.7., 29.7., 5.8.,<br />

22.8.1803. Unter B. des Aktenverzeichnisses<br />

68) Bitterauf, a.a.O. S. 431 Ranke, Hardenberg, a.a.O. Bd. II S. 76<br />

69) Krauel, a.a.O. S. 193<br />

70) Berichte Brockhausens aus Dresden vom 22.3., 5.4.1800, 22.6., 25.10.,<br />

1.11.1804; 18.7., 19.10., 24.10., 28.10.1805. Kabinettserlaß, Berlin 2.11.1804.<br />

Unter B. des Aktenverzeichnisses<br />

138


71) Bericht Brockhausens vom 1.11.04: „Napoleon soll sich in den ersten Tagen<br />

seines Aufenthalts in Mainz geäußert haben: Wenn ich nur erst den Winter<br />

erreicht habe, gehe ich über die Leichen meiner offenen und versteckten Feinde.“<br />

(s. Anm. 135)<br />

72) Ranke, Hardenberg, a.a.O. Bd. II S. 101 Brockhausen erklärt in seinem Bericht<br />

vom 25.10.04: Er sei an einem Hofe, der denselben Gang wie Preußen nehmen<br />

solle. Er müsse nicht nur die zu leiten suchen, die z.Zt. das Heft in der Hand<br />

haben, sondern auch auf diejenigen einwirken, mit deren Energie und Tatkraft<br />

man vielleicht früher rechnen müsse, wie man glaube. Daraufhin kann der<br />

damalige Leiter der Außenpolitik, Hardenberg, sich nicht enthalten, Brockhausen<br />

darauf hinzuweisen, daß in seinen Berichten <strong>von</strong> einem Ende bis zum anderen ein<br />

wenig geziemender Ton herrsche. Sollte im einen oder anderen Falle Brockhausen<br />

eingehendere Mitteilungen zum Wohle des Staates nötig haben, so möge er sie<br />

mit Anstand und Bescheidenheit erbitten. Das ist es, was Hardenberg für die<br />

Zukunft nicht zu vergessen rät.<br />

73) Bericht Brockhausens aus Dresden vom 25.10.1804<br />

74) Pölitz, a.a.O. S. 260 und 265 Ranke, Hardenberg, a.a.O. Bd. II S. 127<br />

75) Ranke, Hardenberg, a.a.O. Bd. II S. 132 K. <strong>von</strong> Weber, a.a.O. S. 4/5: Der<br />

preußische Gesandte <strong>von</strong> Brockhausen, ein Zögling des Grafen Hertzberg,<br />

benutzte seinen Einfluß, um die feindliche Stimmung gegen Frankreich zu<br />

kräftigen. Er drang darauf, daß der Hof beim geringsten Scheine <strong>von</strong> Gefahr die<br />

Residenz verlassen möge und bestimmte den (Kriegs)Minister <strong>von</strong> Low, an den<br />

Festungswerken Dresdens arbeiten zu lassen, was eine gewisse Besorgnis unter<br />

den Einwohnern hervorrief.<br />

76) Allgemeine Deutsche Biographie, a.a.O. S. 340<br />

77) Berichte Brockhausens aus Dresden vom 15.6.1797; 13.9.1804. Unter B. des<br />

Aktenverzeichnisses<br />

78) Urlaub wurde damals nicht allzugern und häufig erteilt. Allerdings erforderte<br />

bei den Verkehrsverhältnissen eine Reise <strong>von</strong> Dresden nach dem Heimatlande<br />

Brockhausens, Pommern, immerhin einige Zeit, so daß der Urlaub gewöhnlich auf<br />

länger bemessen werden mußte. Bezeichnend ist, daß der treue und geschätzte<br />

Mitarbeiter Brockhausens, der spätere Legationsrat Lautier, einer der vielen sich<br />

dem diplomatischen Dienste widmenden Mitglieder der Berliner französischen<br />

Kolonie, 10 Jahre seinen Dienst versehen hatte, ehe er in die Lage kam, seine in<br />

Berlin wohnenden Eltern wieder zu besuchen.<br />

79) Kabinettserlaß Berlin, 7.9.1804. Unter B. des Aktenverzeichnisses<br />

80) Berichte Brockhausens vom 25.11., 2.12.1797; 21.11.1805; Kabinettserlasse<br />

vom 24.9.1804; desgl. 15.11., 23.11.1805. Unter B. des Aktenverzeichnisses<br />

81) Durch den sächsischen Minister Grafen Zinzendorf und die Berliner Zeitungen<br />

vom 18.11., nicht etwa durch amtliche Mitteilung, die ihm vielmehr erst am<br />

30.11.1797 zuging, hatte Brockhausen „mit tiefem Schmerze“ die Trauernachricht<br />

<strong>von</strong> dem am 16.11. erfolgten Tode des Königs Friedrich Wilhelm II. „glorreichen<br />

Angedenkens“ erhalten. Unter dem 25.11. führt er hierzu aus: „Die Nation, die<br />

139


dieser Herrscher mit soviel Ruhm und Milde in so schwerer Trübsal regiert hat,<br />

wird ihn immer beklagen. Dem treuen Untertanen bleibt ein mächtiger Trost, in<br />

seinem Nachfolger einen Monarchen zu sehen, der die schönsten Hoffnungen<br />

rechtfertigt und der fortfahren wird, den Ruhm des Königreichs auf der sichersten<br />

Grundlage aufzubauen. „Geruhen Euer Majestät“, so redet er den König dann<br />

persönlich an, „gütigst die Versicherung der achtungsvollsten Gefühle eines<br />

treuen Untertanen, der schon lange Ihrer hohen Person anhänglich ist und der<br />

keine heiligere Pflicht kennt, als Ihnen mit allem Eifer, dessen er fähig ist, zu<br />

dienen.“ Unter dem 2.12. fährt er dann fort: „Ich muß Euer Majestät den tiefsten<br />

Ausdruck des Dankes für das Vertrauen aussprechen, welches Sie bezeugt haben,<br />

indem Sie mich in dem ehrenvollen Amte belassen, das mir der verstorbene König<br />

anvertraut hat.“<br />

82) Zu der „langsamen“ Reise Haugwitzs: Kieseritzki, a.a.O. S. 26: Zufrieden<br />

lächelnd wartete Talleyrand ab, wie Haugwitz langsam heranreiste und schrieb<br />

geringschätzig: „Son Marche ressemble à la politique de son Gouvernement.“ Den<br />

Franzosen konnte es schon recht sein, wenn sich die Verhandlungen mit Preußen<br />

bis nach der Entscheidung hinzogen. Die Franzosen bemerkten die Ostentation,<br />

mit der Haugwitz den Orden der Ehrenlegion trug. Ranke, Hardenberg, a.a.O. Bd.<br />

II S. 149<br />

83) Berichte Brockhausens aus Dresden vom 8.5., 12.5., 20.6., 18.7., 31.7.,<br />

8.8.1795; 8.3., 7.5., 11.6., 11.7., 16.9., 24.9., 1.10., 5.11., 8.11., 26.11.1796; 17.1.,<br />

18.4., 6.10., 24.10.1797; 16.1., 30.1., 24.3., 27.3., 3.4., 1.5., 13.11., 17.11.,<br />

4.12.1798; 8.3.1800; 9.3., 20.4., 29.4.1801; 12.4., 26.4., 18.10., 6.12.1802; 3.2.,<br />

2.4.1803. Unter B. des Aktenverzeichnisses<br />

84) Rühlmann, a.a.O. S. 21<br />

85) ÔByrn, a.a.O. S. 27 Anm. 24: Der Minister <strong>von</strong> Gutschmied erklärte: „Die<br />

Politik des Kurfürsten ist die Politik des ehrlichen Mannes.“ Hassel, Kursachsen,<br />

a.a.O. S. 207 und 209<br />

86) Bezeichnend für die strenge Auffassung des Kurfürsten ist das Verbot an die<br />

Kurfürstin, in Angelegenheit der Heirat ihrer Tochter mit dem Wiener Hofe Briefe<br />

zu wechseln, sowie das Verbot an die Prinzessin Anton, in dieser Angelegenheit<br />

eine Reise nach Wien zu unternehmen. Vgl. Bericht Brockhausens vom 8.3. und<br />

11.6.96<br />

87) Selbst ein Brief des Papstes vermag den Kurfürsten in dieser Auffassung nicht<br />

zu erschüttern. Vgl. Dresden 7.2.1797. Bericht Brockhausens. Unter B. des<br />

Aktenverzeichnisses<br />

88) Kabinettserlaß, Berlin 20.1.97. Unter B. des Aktenverzeichnisses<br />

89) Bericht Brockhausens vom 11.10.1795. „Dringende Vorstellungen Clerfaits<br />

durch seinen Adjutanten. Ebenso des Grafen Eltz gemäß besonderer Anweisung<br />

aus Wien. Eltz sehr echauffiert. Kurfürst antwortet mit erhobener Stimme. Diner<br />

abgesagt.“ Unter B. des Aktenverzeichnisses<br />

90) Vgl. den <strong>von</strong> Rühlmann, a.a.O. S. 32 Anm. 3 angezogenen Bericht<br />

Brockhausens vom 3.1.1806<br />

140


91) ÔByrn, a.a.O. S. 155<br />

92) Berichte Brockhausens aus Dresden vom 14.1., 20.2., 18.3.1797; 6.4.1798;<br />

26.11.1799; 18.12.1802; 13.1.1806. Unter B. des Aktenverzeichnisses<br />

93) Berichte Brockhausens aus Dresden vom 4.7., 4.9.1795; 8.3.1796; 8.10.1799;<br />

4.1., 1.3., 20.12.1800; 12.10.1801; 27.3., 5.4., 2.8., 28.10.1802; 22.1., 24.2., 2.4.,<br />

20.5., 6.6., 23.6., 1.8.1803; 22.6., 12.7., 20.9.1804. Unter B. des<br />

Aktenverzeichnisses<br />

94) Roloff, a.a.O. S. 182, 188, 189<br />

95) Berichte Brockhausens aus Dresden vom 9.4., 29.4., 25.10.1796; 20.5.1797;<br />

6.4.1798; 31.1.1805. Unter B. des Aktenverzeichnisses<br />

96) Bericht Brockhausens aus Dresden vom 9.4.96. Unter B. des<br />

Aktenverzeichnisses<br />

97) Berichte Brockhausens aus Dresden vom 17.8.1795; 15.10., 2.12.1796;<br />

18.3.1797; 4.12.1798; 1.3.1800; 22.6., 10.12.1804. Unter B. des<br />

Aktenverzeichnisses<br />

98) Erinnerungen aus dem Leben des Feldmarschalls <strong>von</strong> Boyen, a.a.O. Bd. I S. 130<br />

99) Berichte Brockhausens aus Dresden vom 23.8., 16.9., 27.9.1796; 11.3.,<br />

26.9.1797; 5.4., 28.6.1802; 24.2.1803. Unter B. des Aktenverzeichnisses<br />

100) ÔByrn, a.a.O. S. 72 Anm. 60 und S. 73 Anm. 62<br />

101) Wie selten größere Feste an diesem sparsamen Hofe gefeiert wurden,<br />

beweist die ausführliche Schilderung, welche Brockhausen dem Schlußball des<br />

Karnevals 1803 widmet. Alter Sitte gemäß müssen alle bei Hofe zugelassenen<br />

Personen Nummern ziehen, nach welchen sich die Paare formen. Man hat sich<br />

um 4 Uhr nachmittags in den Räumen des Kurfürsten versammelt, <strong>von</strong> wo man zu<br />

den großen Paradesälen emporsteigt. Die erste Polonäse wird nach der Ordnung<br />

der Lose getanzt. Die Damen sind im Ballkleid, die Herren in kurzen Röcken,<br />

Mantel <strong>von</strong> weißem Taflet, sie tragen den Federhut auf dem Kopfe die ganze Zeit<br />

über, selbst bei Tische. Das Essen war an drei Tafeln zu je 80 Personen gerichtet.<br />

Das Ende war nächsten Vormittag 7 Uhr früh. Bericht Brockhausens vom 24.2.03<br />

102) Brockhausen berichtet unterm 4.10.1796 über die Persönlichkeit der Gattin<br />

Karl Theodors, der angeblich impotent sein soll. Sie hatte sich anderweit<br />

getröstet, ist aber traurig, daß Graf Montenovi, ein venezianischer Edelmann, mit<br />

dem sie eine intime Liebschaft hatte, <strong>von</strong> München verbannt ist. Sie schreibt ihm<br />

und hofft, auf einer Reise nach Italien ihn zu sehen. Das neapolitanische<br />

Elternpaar soll dieses Verhältnis begünstigen. Montenovi hält sich z.Zt. ganz<br />

öffentlich am Hofe in Neapel auf. Die Kurfürstin langweilt sich auf dem Lande und<br />

soll inzwischen eine kleine Liebesintrige in Dresden begonnen haben. Unter B. des<br />

Aktenverzeichnisses<br />

103) Berichte Brockhausens aus Dresden vom 10.8.1801; 20.8., 25.10.1804. Unter<br />

B des Aktenverzeichnisses<br />

104) Brockhausen berichtet unterm 10.8.1801 eine hübsche kleine Geschichte<br />

vom Prinzen Heinrich. Als dieser nach Teplitz fuhr, entsenden die Dörfer an der<br />

141


Grenze Boten, um ihm für die menschliche Behandlung im 7jährigen Kriege zu<br />

danken. Auch das vermerkt Brockhausen, daß der Prinz damals Dresden<br />

verschmähte, vielmehr in Großenhain nächtigte.<br />

105) Bericht Brockhausens vom 6.8.1804. Unter B. des Aktenverzeichnisses<br />

106) Ranke, Hardenberg, a.a.O. Bd. II S. 108 Gustav IV. erschien unter dem<br />

Namen eines Grafen <strong>von</strong> Haga (Schloß in der Nähe <strong>von</strong> Stockholm) und hat<br />

niemand empfangen. Nur Brockhausen durfte wegen seiner alten Bekanntschaft<br />

<strong>von</strong> Stockholm her, in der Galerie längere Unterredungen mit ihm haben. Hierbei<br />

wurde alles lang und breit durchgesprochen, was seit 1795 in Schweden<br />

geschehen war. Als die Rede auf den Tod des Vaters kam, konnte Gustav die<br />

Tränen nicht zurückhalten. Er sprach unaufhörlich <strong>von</strong> der traurigen Lage, in der<br />

er sich befinde. In lebhafter und rührender Art rief er jenes schmerzliche Erlebnis<br />

sich ins Gedächtnis zurück. Das Gefühl, später vielleicht einmal ein gleiches Los zu<br />

haben, treibt ihn unruhig im Auslande umher, doch denkt er nunmehr ernstlich an<br />

seine Rückkehr. Bericht Brockhausens vom 6.8.1804<br />

107) Bericht Brockhausens aus Dresden vom 26.9.1797. Unter B. des<br />

Aktenverzeichnisses<br />

108) Berichte Brockhausens aus Dresden vom 11.6.1796; 1.9., 9.9.1797. Unter B.<br />

des Aktenverzeichnisses<br />

109) Berichte Brockhausens aus Dresden vom 23.11.1802; 14.6., 30.6.1804;<br />

9.3.1805. Unter B. des Aktenverzeichnisses<br />

110) Berichte Brockhausens aus Dresden vom 19.7., 2.8.1804. Unter B. des<br />

Aktenverzeichnisses<br />

111) Bericht Brockhausens aus Dresden vom 7.2.1803. Kabinettserlaß, Berlin vom<br />

31.1.1803 Unter B. des Aktenverzeichnisses<br />

112) Rühlmann, a.a.O. S. 37<br />

113) Bericht Brockhausens aus Dresden vom 7.2.1803<br />

114) Ritter <strong>von</strong> Srbik, Meister der Politik, a.a.O. Bd. III S. 81 nennt das Ministerium<br />

Cobenzl „nurösterreichisch, schwankend, kraftlos“. Cobenzl wähnte, Napoleon<br />

habe die Revolution beendet, ließ die historische Grundlage des<br />

römischdeutschen Kaisertums und die österreichische Vormachtstellung in Italien,<br />

der Schweiz, Holland und Piemont verloren gehen. Umbuhlte Napoleon und<br />

Alexander und bewahrte im neuen Weltringen ängstliche Neutralität. Gentz nennt<br />

es das „schwächste Ministerium, das je die Sonne beschien“.<br />

115) <strong>von</strong> Gagern, a.a.O. S. 72<br />

116) Augenscheinlich meint Gentz; daß <strong>von</strong> seinen Landsleuten dieser die Hilfe<br />

<strong>von</strong> Frankreich, jener <strong>von</strong> England, ein Dritter <strong>von</strong> Rußland erwarte, niemand aber<br />

den Wert auf die erforderliche Ertüchtigung und Kräftigung Deutschlands selbst<br />

lege.<br />

117) Ritter <strong>von</strong> Srbik, Meister der Politik, a.a.O. Bd. II S. 81. Gentz, der Verfechter<br />

der erhaltenden Kräfte in Staat und Gesellschaft, der beredteste Wortführer der<br />

142


Sache Europas, der gewaltigste Ankläger der französischen Weltdespotie und des<br />

einzelstaatlichen Egoismus, begann nun Metternich schwärmerisch zu lieben.<br />

118) Bericht Brockhausens aus Dresden vom 6.10.1800. Unter B. des<br />

Aktenverzeichnisses<br />

119) Desgl. 13.11.1805<br />

120) Desgl. 28.10., 7.11., 11.11., 21.11.1805<br />

121) Desgl. 19.1.1796, Kabinettserlaß, Berlin 12.4.1802<br />

122) ÔByrn, a.a.O. S. 103<br />

123) Ritter <strong>von</strong> Srbik, Meister der Politik, a.a.O. Bd. III S. 81 Metternich wollte<br />

damals Einengung der Erwerbungen Frankreichs und Englands, Stützung<br />

Sachsens, Schutz der mittleren und kleineren Staaten im Reich als Gegengewicht<br />

gegen das Übergewicht Preußens. Freilich aber zunächst ein Zusammengehen der<br />

bei den deutschen Großmächte zum Kampfe gegen den Feind der Ordnung. Die<br />

Wiederherstellung des europäischen Gleichgewichts gegen Hegemonie und<br />

universalmonarchisches Streben war sein Ziel.<br />

124) Berichte Brockhausens aus Dresden vom 29.8.1796; 6.7., 24.8., 14.9.,<br />

14.11.1799; 27.11., 18.12.1802. Unter B. des Aktenverzeichnisses<br />

125) Krauel, a.a.O. S. 193<br />

126) Berichte Brockhausens aus Dresden vom 4.11.1797; 10.8.1799.<br />

Kabinettserlaß, Berlin 21.2.1800. Unter B. des Aktenverzeichnisses<br />

127) Bericht Brockhausens aus Dresden vom 10.8.1799<br />

128) Berichte Brockhausens aus Dresden vom 3.3., 6.3., 13.3., 4.5.1798; 8.2.,<br />

22.2., 1.3., 22.3., 1.4., 26.7.1800; 12.1., 18.3., 9.4., 29.4., 4.5., 16.5., 1.6.,<br />

15.6.1801; 21.3., 2.4.1803; 20.9.1804; 7.1., 21.1., 4.5., 18.7.1805; 6.3.1806. Unter<br />

B. des Aktenverzeichnisses<br />

129) Bericht Brockhausens vom 3.4.1798: Helflinger zeigt sich sehr aufmerksam<br />

bezüglich der Vorgänge bei Hofe. Indes doch nicht so, daß der leicht empfindliche<br />

Kurfürst „chokiert“ wird. Mit dem bayerischen Gesandten Schall ist Helflinger sehr<br />

intim. Man darf Ersterem nichts erzählen, was der Letztere nicht hören darf. Nach<br />

Beendigung seiner Berliner Reise, wo er eine Besprechung mit Sieyes gehabt hat,<br />

spricht er viel <strong>von</strong> dessen Absichten und Charakter. Er versichert, daß Sieyes in<br />

Paris als Parteigänger Preußens bekannt sei. Er habe den Wunsch nach bestem<br />

Einvernehmen zwischen Frankreich und Preußen, so daß er sogar sein Ansehen<br />

aufs Spiel setze, indem er dem Direktorium ein gerechtes und gemäßigtes<br />

Verfahren empfehle.<br />

130) Bericht Brockhausens aus Dresden vom 12.1.1801<br />

131) ÔByrn, a. a. S. 101 Ranke, Hardenberg, a.a.O. Bd. III S. 103<br />

132) ÔByrn, a.a.O. S. S. 104. Ranke, Hardenberg, a.a.O. Bd. II S. 93<br />

133) ÔByrn, a.a.O. S. 10 Ranke, Hardenberg, a.a.O. Bd. II S. 68<br />

143


134) Hegner, a.a.O. S. 12: „Frankreich wird Sachsen Preußen gegenüberstellen,<br />

wie früher Bayern Österreich.“<br />

135) Bericht Brockhausens vom 1.11.1804 (s. Anm. 71)<br />

136) K. <strong>von</strong> Weber, a.a.O. S. 5<br />

137) <strong>von</strong> Gagern, a.a.O. S. 109<br />

138) Berichte Brockhausens aus Dresden vom 6.5.1796; 5.9., 11.9.1797; 14.4.,<br />

28.4., 26.6.1798; 26.1.1799; 12.1.1801; 12.12., 16.12.1806. Unter B. des<br />

Aktenverzeichnisses<br />

139) Sybel, a.a.O. Bd. I S. 384. Nach den preußischösterreichischen Präliminarien<br />

vom 25.7.1791 sagten sich beide Mächte zu, nichts gegen den Besitzstand und die<br />

Verfassung Polens zu unternehmen und die sächsische Prinzessin (Auguste) mit<br />

keinem Prinzen ihrer Häuser zu vermählen.<br />

140) Ranke, Hardenberg, a.a.O. Bd. II S. 10<br />

141) Berichte Brockhausens aus Dresden vom 11.6., 15.9., 29.12.1795; 29.1.,<br />

28.6., 5.11.1796; 20.1., 25.2., 10.4., 26.9., 16.12.1797; 16.1., 6.4.1798; 16.2., 1.6.,<br />

1.10.1799; 20.12.1800; 17.5., 18.10., 6.12.1802; 3.2., 27 6.1803; 7.6.1804;<br />

18.7.1805. Unter B. des Aktenverzeichnisses<br />

142) ÔByrn, a.a.O. S. 120. K. <strong>von</strong> Weber, a.a.O. S. 20 ff. Schiemann, a.a.O. S. 46<br />

143) ÔByrn, a.a.O. S. 27 Anm. 24<br />

144) Hegner, a.a.O. S. 11<br />

145) Gelegentlich (9.2.1799) läßt Brockhausen die Bemerkung fallen: „Hoffentlich<br />

vergißt Zinzendorf seine Landgüter in Österreich und seine Verwandten am Hofe<br />

und denkt daran, daß das Heil Sachsens allein bei Preußen liegt.“ Unter B. des<br />

Aktenverzeichnisses<br />

146) Berichte Brockhausens aus Dresden vom 23.7., 7.8., 11.12.1798; 1.1., 8.1.,<br />

12.1., 19.1., 5.2., 16.2.1799; 13.9., 18.10.1804; 7.1., 21.1., 21.2., 1.4., 18.4.,<br />

30.12.1805; 20.1., 29.1., 10.2.1806. Unter B. des Aktenverzeichnisses<br />

147) Bericht Brockhausens vom 1.1.1799<br />

148) Pölitz, a.a.O. S. 224 ff.<br />

149) Berichte Brockhausens aus Dresden vom 26.7., 26.11.1796; 7.4.1801;<br />

31.5.1802; 22.6., 6.10.1804; 16.6., 28.6.1805. Unter B. des Aktenverzeichnisses<br />

150) Pölitz, a.a.O. S. 253<br />

151) Bemerkenswert ist, welch hartes Urteil Goethe über die Flußbauten in den<br />

sächsischen Landen hatte. Vgl. sein Schreiben vom 16.10.1786: „Am Po wie an der<br />

Etsch sah ich alberne Wasserbaue, die kindisch und schädlich sind, wie die an der<br />

Saale.“ S. Italienische Reise Ferrara bis Rom. Goethes sämtliche Werke. Cotta,<br />

Stuttgart, S. 423<br />

152) Berichte Brockhausens aus Dresden vom 6.6., 4.10., 15.10.1796; 14.1., 30.1.,<br />

27.5.1797; 6.3.1806. Unter B. des Aktenverzeichnisses<br />

144


153) Es kam hinzu, daß Friedrich August als Oberster des Obersächsischen Kreises<br />

eine gewisse Vorrangstellung beanspruchen durfte. Hassel, Kursachsen, a.a.O. S.<br />

244<br />

154) In der Tat ist Goethe im Frühjahr des Jahres 1797 in Dresden nicht<br />

nachweisbar<br />

155) Bericht Brockhausens vom 27.5.1797<br />

156) Berichte Brockhausens aus Dresden vom 5.6., 13.6., 11.7., 24.7., 4.9., 27.10.,<br />

11.10., 14.11., 20.11.1795; 6.2., 27.2., 4.3., 7.5., 16.5., 28.5., 6.6., 19.7., 1.10.1796;<br />

25.2., 11.3.1797; 16.1., 11.12.1798; 6.10., 20.12.1800; 29.4.1801; 27.3., 26.4.,<br />

13.9., 17.9.1802; 27.8.1803; 7.6., 30.6., 13.9.1804; 16.5., 28.6., 15.10., 21.10.,<br />

28.10., 2.12. 1805; 17.2.1806. Unter B. des Aktenverzeichnisses<br />

157) Hassel, Kursachsen, a.a.O. S. 195: Bericht des Generals <strong>von</strong> Lindt aus<br />

Horbruch, Kreis Bernkastel, vom 26.9.1794, anläßlich des Sieges des Fürsten<br />

Hohenlohe bei Kaiserslautern: „Sicher würden wir ebenfalls allhier die Gefahren<br />

bekämpft und ehrenvoll gesiegt haben, da das Korps, wie ich Euer Kurfürstlichen<br />

Durchlaucht untertänigst versichern kann, voller Eifer und Mut war und vor Be-<br />

gierde brannte, sich Ruhm zu erfechten.“ Die Naturalverpflegung des sächsischen<br />

Kontingents erfolgte gemäß Convention vom 7.1.1793 in der Weise, daß die<br />

Ausgabe der Nahrungs und Futtermittel durch die preußische Intendantur gegen<br />

allmonatliche Barerstattung geschah.<br />

158) Hassel, Kursachsen, a.a.O. S. 201<br />

159) Pölitz, a.a.O. S. 250<br />

160) Hassel, Kursachsen, a.a.O. S. 200<br />

161) So wurde der General <strong>von</strong> Riedesel 88 Jahre alt. Der Doyen der sächsischen<br />

Generäle, <strong>von</strong> Beneckendorff, der einst durch das tatkräftige Eingreifen seiner<br />

Kavallerie die Schlacht <strong>von</strong> Kollin gegen Friedrich den Großen entschieden hatte,<br />

erreichte sogar ein Alter <strong>von</strong> 91 Jahren.<br />

162) K. <strong>von</strong> Weber, a.a.O. S. 1 ff.<br />

163) Gebhardt, a.a.O. Bd. II S. 488 Anm. 4 Ranke, Hardenberg, a.a.O. Bd. II S. 252<br />

164) Schiemann, a.a.O. S. 49<br />

165) Schiemann, a.a.O. S. 34 Schmidt, a.a.O. S. 50<br />

166) Berichte Brockhausens aus Dresden vom 22.12.1806; 1.2.1807; desgl. aus<br />

Teplitz vom 20.2.1807. Unter B. des Aktenverzeichnisses<br />

167) Schmidt a.a.O. S. 54<br />

168) Desgl. S. 50<br />

169) Desgl. S. 52<br />

170) Desgl. S. 54<br />

171) Zu den größten Verstiegenheiten, die sich die franzosenfreundliche Partei in<br />

Dresden leistete, gehörte ein vom Grafen Bose selbst verfaßtes und unter seinem<br />

145


Namen veröffentlichtes Lobgedicht auf den französischen Kommandanten in<br />

Dresden, Thiard.<br />

172) Rühlmann, a.a.O. S. 40 ff. „Die Napoleon und Franzosen freundliche<br />

Strömung war anfangs nur sporadisch vertreten, wird aber gestützt durch die<br />

Macht und Autorität der offiziellen Presse und der Regierungsorgane. Allmählich<br />

gewinnt sie an Boden und erreicht in den Dresdener Napoleonstagen, Juli 1807,<br />

ihren Höhepunkt.“<br />

173) Schmidt a.a.O. S. 47<br />

174) Ranke, Hardenberg, a.a.O. Bd. II S. 100<br />

175) Gegen die Ausführungen Schmidts in der Anmerkung 4 zu Seite 56 seiner<br />

Dissertation, in welcher er Brockhausen eine „unsachliche Berichterstattung“<br />

vorhält, glaube ich mich nach reiflicher Überlegung wenden zu sollen. Zuzugeben<br />

ist, daß insofern Widersprüche vorliegen, als der Graf Bose in seinem Schreiben<br />

vom 10.2.1807 behauptet, daß Brockhausen die Pässe erst am 4.2. verlangt habe,<br />

während Brockhausen in seinem Bericht vom 20.2. die Anforderung der Pässe<br />

ausdrücklich auf den 3.2. verlegt. Ein unüberbrückbarer Widerspruch scheint mir<br />

indes nicht vorzuliegen. Es ist sehr wohl möglich, daß die Anforderung der Pässe<br />

vom 3.2. und das Schreiben Boses vom 4.2. sich gekreuzt haben und Bose erst<br />

nach Abgang seines Schreibens vom 4.2. in den Besitz des Antrages vom 3.2.<br />

gelangt ist. Dieses würde sich decken mit der Äußerung Brockhausens in seinem<br />

Bericht vom 20.2., wonach er „an Stelle seiner Pässe das verletzende Schreiben<br />

Boses vom 4.2. erhalten habe“. Naturgemäß trug dieses vielleicht durch einen<br />

Zufall oder bürokratische Langsamkeit entstandene Ungeschick dazu bei, die Miß-<br />

stimmung gegenseitig erheblich zu vergrößern. An sich klärt sich die<br />

Unstimmigkeit auf diese Weise ganz zwanglos auf. Schmidt hätte jedenfalls nicht<br />

nötig gehabt, Brockhausen einer „unsachlichen Berichterstattung“ zu bezichtigen,<br />

ohne einen zwingenden Beweis dafür zu erbringen.<br />

176) Schmidt, a.a.O. S. 57<br />

177) Berichte Brockhausens aus Teplitz vom 20.2., 26.2., 16.3.1807. Unter B. des<br />

Aktenverzeichnisses<br />

178) Berichte Brockhausens aus Teplitz vom 6.3., 16.3., 25.3.1807. Kabinettserlaß,<br />

Memel 1.4.1807. Unter B. des Aktenverzeichnisses<br />

179) Schmidt, a.a.O. S. 58<br />

180) Ranke, Hardenberg, a.a.O. Bd. III S. 12 Zastrow trat zurück, als Hardenberg<br />

das Ministerium des Auswärtigen sowie die Leitung aller auf den Krieg bezügliche<br />

Angelegenheiten, mit Ausnahme der Militärsachen, übertragen wurde. Gebhardt,<br />

a.a.O. Bd. II S. 489 Anm. 6<br />

181) Berichte Brockhausens aus Teplitz vom 10.4., 1.5., 11.5., 13.5., 24.5., 4.6.,<br />

23.6., 9.7.1807. Unter B. des Aktenverzeichnisses<br />

182) Ranke, Hardenberg, a.a.O. Bd. III S. 27<br />

183) Bericht Brockhausens vom 3.6.1807. Unter B. des Aktenverzeichnisses<br />

146


184) Berichte Brockhausens aus Teplitz vom 2.3., 16.3., 10.4., 11.5., 11.6., 23.6.,<br />

9.7.; 26.7., desgl. aus Dresden 30.8. und 4.9.1807. Unter B. des<br />

Aktenverzeichnisses<br />

185) Bericht Brockhausens vom 9.7.1807<br />

186) Desgl. 11.6.1807<br />

187) Desgl. 2.3.1807<br />

188) Schmidt, a.a.O. S. 57<br />

189) Bericht Brockhausens vom 10.4.1807<br />

190) Schmidt, a.a.O. S. 76<br />

191) Roloff, a.a.O. S. 188<br />

192) Berichte Brockhausens aus Teplitz vom 10.4.1807; desgl. aus Dresden vom<br />

3.9., 18.9.1807. Kabinettserlasse, Memel 22.7., 12.10.1807. Unter B. des<br />

Aktenverzeichnisses<br />

193) Vom 14.1.1800 ab tritt bei Zeichnung der Entwürfe im Berliner Kabinett<br />

insofern eine bedeutende Änderung ein, als nicht mehr wie bisher, die drei<br />

Minister Finkenstein (dieser durch ein „F), Alvensleben und Haugwitz (beide voll<br />

ausgeschrieben) die Entwürfe gemeinsam zeichnen, sondern daß sie allein <strong>von</strong><br />

Haugwitz gezeichnet werden, der sie auch mehrfach selbst entwirft. Bis zum<br />

5.8.1803 hat Haugwitz (allein) die Verfügungen (mit vollem Namen) gezeichnet.<br />

Ab 22.8. Hardenberg. Ab 7.10. wieder Haugwitz. Haugwitz zeichnet mit vollem<br />

Namen bis 9.3.1804 (am 2.4. nur mit Anfangsbuchstaben „H“). Ab 27.4.1804<br />

Hardenberg (voll). Am 25.5. Hardenberg nur mit „Hbg.“. Ab 1.6. Hardenberg wie-<br />

der voll ausgeschrieben. Vgl. Ranke, Hardenberg, a.a.O. Bd. II S. 88<br />

194) „Je ne puis que l’approuver entièrement de même que toute votre conduite<br />

durant la crise terrible dont la patrie vient enfinde sortir en recevant la paix des<br />

mains du vainqueur. C’est vous en dire assez.“ Schreiben des Kabinetts vom<br />

22.7.1807<br />

195) Bericht Brockhausens aus Dresden vom 3.9.1807<br />

196) Berichte Brockhausens aus Dresden vom 3.9., 23.9.1807. Unter B. des<br />

Aktenverzeichnisses<br />

197) Hassel, Preuß. Politik, a.a.O. S. 26<br />

198) Desgl. S. 26<br />

199) Bericht Brockhausens vom 23.9.1807<br />

200) Desgl. 3.9.1807<br />

201) Ranke; Hardenberg, a.a.O. Bd. II S. 234<br />

202) Ranke, Hardenberg, a.a.O. Bd. II S. 84. „Brockhausen war ein Mann, in dem<br />

sich die Traditionen Hertzbergs fortsetzten. Die Wahl hatte nicht den Beifall<br />

Champagnys; doch war Napoleon nicht dagegen; es genüge ihm schon, sagte er,<br />

wenn nur niemand käme, der den letzten Krieg mit veranlaßt habe.“<br />

147


203) Hassel, Preuß. Politik, a.a.O. S. 27.<br />

204) Berichte Brockhausens aus Paris vom 28.10., 1.11.1801. Unter C. des<br />

Aktenverzeichnisses<br />

205) Hassel, Preuß. Politik, a.a.O. S. 57<br />

206) Ranke, Hardenberg, a.a.O. Bd. II S. 4<br />

207) Hassel, Preuß. Politik, a.a.O. S. 70. „Das Schönsche Gutachten“<br />

208) Desgl. S. 58<br />

209) Berichte Brockhausens aus Paris vom 2.11., 10.11.1807. Unter C. des<br />

Aktenverzeichnisses<br />

210) Roloff, a.a.O. S. 184. „Alexander wünschte nicht den Beitritt Preußens zum<br />

Rheinbund.“<br />

211) Hassel, Preuß. Politik, a.a.O., S. 64<br />

212) Desgl. S. 27<br />

213) Ranke, Hardenberg, a.a.O. Bd. III S. 85. Wenn Ranke sagt: „Indem diese<br />

Noten gewechselt wurden, war in dem Könige <strong>von</strong> Preußen, noch ehe er da<strong>von</strong><br />

erfuhr, die Überzeugung gereift usw.“, so ist diese Fassung nicht ganz zutreffend.<br />

Die Anweisung an den Prinzen ist bereits am 12.10.1807 erfolgt, als sich<br />

Brockhausen noch gar nicht in Paris befand, wo er vielmehr erst am 20.10. eintraf.<br />

Ebenso ist es unzutreffend, wenn Ranke sagt, der Prinz sei am 8.1.1808 in Paris<br />

eingetroffen. Er traf vielmehr bereits am 3.1. unmittelbar nach Ankunft<br />

Napoleons aus Italien dort ein. S. auch Hassel, Preuß. Politik, a.a.O. S. 80 Anm. 2<br />

214) Berichte Brockhausens aus Paris vom 18.11., 29.11., 4.12., 14.12., 22.12.,<br />

28.12.1807. Unter C. des Aktenverzeichnisses<br />

215) Napoleon unternahm eine Fahrt nach Italien in Begleitung <strong>von</strong> Berthier, dem<br />

Großherzog <strong>von</strong> Berg und Champagny. Am 16.11. war er in Mailand. Von dort ging<br />

es nach Venedig, wo er am 29. eintraf. Brockhausen gibt die Gerüchte wieder,<br />

welche sich an diese Reise knüpfen. Nach Ansicht der einen handelt es sich um<br />

festeren Zusammenschluß der Einzelstaaten Italiens und um Gründung einer See-<br />

wehr zum Schutze der neuen Erwerbungen in Dalmatien. Manche glauben an eine<br />

Meerfahrt nach Griechenland, andere wiederum erblicken darin nur den Versuch,<br />

Zeit zu gewinnen für die Verhandlungen mit Rußland. „Was auch immer die<br />

Gründe sein mögen“, sagt Brockhausen, „Unglücklicheres für Preußen konnte<br />

kaum kommen.“<br />

216) Hassel, Preuß. Politik, a.a.O. S. 78<br />

217) Bericht Brockhausens, Paris 4.12.1807<br />

218) Hassel, Preuß. Politik a.a.O. S. 79/80 Ohne weitere Befehle aus Memel zu<br />

erwarten, sandte Prinz Wilhelm am 3.12. Alexander <strong>von</strong> Humboldt und den<br />

Geheimen Legationsrat Le Coq an Brockhausen. Als die Abgesandten des Prinzen<br />

bei ihm erschienen, befanden sich die Königlichen Handschreiben, welche die<br />

Reise des Prinzen ankündigten, bereits auf dem Wege nach Italien.<br />

148


219) Die an sich sehr begreifliche Verstimmung der Königin Luise, wie sie in einem<br />

Briefe an ihren Bruder Georg zum Ausdruck kommt, beruht hiernach auf einer<br />

tatsächlich falschen Auffassung. (Griewank, a.a.O. S. 273)<br />

220) Bericht Brockhausens vom 4.12.1807<br />

221) Desgl. 22.12.1807<br />

222) Ranke, Hardenberg, a.a.O. Bd. III S. 85<br />

223) Hassel, Preuß. Politik, a.a.O. S. 77 ff.<br />

224) Bericht Brockhausens vom 11.8.1808. Unter C. des Aktenverzeichnisses<br />

225) Sybel, a.a.O. Bd. I S. 198, führt mit Bezug auf den Gönner Brockhausens,<br />

Hertzberg, aus, daß diesem „ein reiches Maß der Selbstüberschätzung eigen<br />

gewesen sei, deren der Diplomat zur vollsten Sicherheit des Auftretens bedürfe“.<br />

226) Berichte Brockhausens aus Paris vom 10.1., 26.1., 8.2.1808. Unter C. des<br />

Aktenverzeichnisses<br />

227) Hassel, Preuß. Politik, a.a.O. S. 83 und 85 Anm. 1. In einem Briefe an Sack<br />

vom 9.1.1808 äußert sich Brockhausen: „L’accueil que le prince a eu, a été des<br />

plus polis et des plus distingués.“<br />

2213) Berichte Brockhausens aus Paris vom 26.1., 22.2., 3.3., 23.3.1808. Unter C.<br />

des Aktenverzeichnisses<br />

229) Bericht Brockhausens vom 10.1.1808. Unter C. des Aktenverzeichnisses<br />

230) Berichte Brockhausens aus Paris vom 2.11., 16.11., 29.11.1807; 8.2., 21.2.,<br />

25.2., 3.3.1808. Unter C. des Aktenverzeichnisses<br />

231) Brief Brockhausens an Sack vom 4.1.1808<br />

232) Vandal, a.a.O. Bd. I S. 273 ff., Bd. II S. 229. Vgl. auch Tatistchef, a.a.O. S. 246<br />

233) Vandal, a.a.O. Bd. I S. 310, auch Anm. 1 daselbst. Dies war indes nicht Schuld<br />

Tolstois, der im Gegenteil stets für Preußen eintrat und Napoleons Lockungen<br />

widerstand. „L’ambassadeur (Tolstoi) résistait à tous les séductions. Vainement<br />

l’Empereur l’attirait il dans sa societé privée, vainement cherchait il toutes les<br />

occasions de le distinguer et de lui faire honneur: le Russe était sombre, inquiet,<br />

préoccupé.“<br />

234) Bericht Brockhausens vom 29.11.1807. Unter C. des Aktenverzeichnisses<br />

235) Desgl. 17.12.1807<br />

236) Desgl. 29.11., 22.12.1807; 8.1., 10.1., 15.1., 31.1., 5.2., 9.3.1808.<br />

Kabinettserlasse, Königsberg 25.2., 5.3.1808<br />

237) Ranke, Hardenberg a.a.O. Bd. III S. 100<br />

238) Ranke, Hardenberg, a.a.O. Bd. II S. 18 Anm. 1 Brockhausens Schreiben an<br />

Champagny vom 30.10.1807: „A peine monté sur le trône, il a pris la résolution<br />

d’acquitter les dettes de son père. Il n’a pas hésité à se soumettre lui et sa famille<br />

aux économies les plus sévères.“<br />

149


239) Steins Gutachten. Hassel, Preuß. Politik, a.a.O. S. 493<br />

240) Bericht Brockhausens vom 29.11. und 22.12.1807. Unter C. des<br />

Aktenverzeichnisses<br />

241) Bericht Brockhausens aus Paris vom 8.4.1808. Unter C. des<br />

Aktenverzeichnisses<br />

242) Desgl. 3.4.1808<br />

243) Ranke, Hardenberg, a.a.O. Bd. III S. 149. Die beabsichtigte Abtretung eines<br />

Teiles <strong>von</strong> Schlesien würde dem Herzogtum Warschau durch die unmittelbare<br />

Verbindung mit Sachsen eine verdoppelte Macht gegeben haben. Daß nun aber<br />

König Friedrich Wilhelm darin gewilligt haben würde, läßt sich doch nicht<br />

annehmen. Vgl. hierzu Ranke, Hardenberg, a.a.O. Bd. II S. 62. Friedrich Wilhelm<br />

mochte treue Untertanen, <strong>von</strong> denen er soviel Beweise der Hingebung erhalten<br />

hatte, nicht gegen andere „vertauschen“.<br />

244) Berichte Brockhausens aus Paris vom 27.4., 1.5. 1808. Unter C. des<br />

Aktenverzeichnisses<br />

245) Desgl. 28.4., 1.6.1808<br />

246) Hassel, Preuß. Politik, a.a.O., S. 168. Sack hat später als Oberpräsident <strong>von</strong><br />

Pommern eine überaus segensreiche Tätigkeit lange Jahre hindurch entfaltet.<br />

247) Berichte Brockhausens aus Paris vom 20.4., 13.5.1808. Unter C. des<br />

Aktenverzeichnisses<br />

248) Hassel, Preuß. Politik, a.a.O. S. 438. Der Prinz äußert sich über die Tätigkeit<br />

des Gesandten in seinem Privatschreiben an Goltz vom 9.1.1808: „Vous saurez<br />

déjà qu’il s’en est aquitté, mais vous ne savez pas qu’il se donne toutes les peines<br />

imaginables pour me seconder de ses lumiéres et de son expérience.“ Im Erlaß<br />

vom 10.11.1807 war dem Gesandten ausdrücklich aufgegeben, mit dem Prinzen<br />

gemeinsam zu arbeiten, ihn zu stützen und ihm zu „sekundieren“.<br />

249) Berichte Brockhausens aus Paris vom 21.5., 26.5., 1 6., 9.6.1808.<br />

Kabinettserlaß, Königsberg 21.6.1808. Unter C. des Aktenverzeichnisses<br />

250) Dies ist nach einem Bericht des Gesandten Grafen St. Marsan an Champagny<br />

vom 11.11.1809 doch wieder der Fall gewesen. Er sagt: „An Stelle <strong>von</strong> Renfner<br />

und Le Coq dem Älteren sind Küster und Nagler getreten. Le Cocq der Jüngere<br />

und Le Roux sind hinzugefügt.“ Vgl. Stern, a.a.O. S. 298<br />

251) Berichte Brockhausens aus Paris vom 1.6., 16.6., 21.6.1808. Unter C. des<br />

Aktenverzeichnisses<br />

252) Bericht Brockhausens vom 1.6.1808<br />

253) Berichte Brockhausens aus Paris vom 11.8., 18.8., 31.8., 2. 9.1808 Schreiben<br />

des Grafen Goltz aus Königsberg vom 16.9.1808. Unter C. des Aktenverzeichnisses<br />

254) Hassel, Preuß. Politik, a.a.O. S. 241 Diese auf Grund der Feststellungen<br />

Brockhausens in den Akten des Geheimen Staatsarchivs beruhende Darstellung<br />

deckt sich in Einzelheiten nicht völlig mit derjenigen Hassels<br />

150


255) Bericht Brockhausens aus Paris vom 8.9.1808. Unter C des<br />

Aktenverzeichnisses<br />

256) Desgl. 8.9., 9.9.1808<br />

257) Duncker, a.a.O. S. 299. „Der Vertrag vom 8.9.1808 war die Fortdauer der<br />

Okkupation unter einer anderen Form, oder vielmehr die ernstliche und dauernde<br />

Festsetzung Frankreichs in Preußen.“ S. 293: „Hilft die Verwendung weder in<br />

Ansehung der Zeit, noch der Summe, so muß man unterschreiben und halten, was<br />

man halten kann.“<br />

258) Bericht Brockhausens aus Paris vom 16.9.1808. Unter C. des<br />

Aktenverzeichnisses<br />

259.) Desgl. 26.9.1808<br />

260) Berichte Brockhausens aus Paris vom 25.10., 14.11., 26.11., 14.12.,<br />

19.12.1808; 8.1., 15.3.1809. Unter C. des Aktenverzeichnisses<br />

261) Berichte Brockhausens aus Paris vom 25.10., 14.11., 26.11.1808; 8.1., 20.2.,<br />

10.3., 15.3., 24.3., 3.4., 9.4., 14.4., 4.5.1809. Unter C. des Aktenverzeichnisses<br />

262) Bericht Brockhausens vom 25.10.08<br />

263) Metternich wurde bei Hofe äußerst schlecht behandelt. Napoleon würdigte<br />

ihn keines Wortes, vermied sogar, sich mit ihm zu zeigen. Dies hinderte<br />

Metternich aber keineswegs, mit der Miene des gänzlich Unbefangenen zu<br />

erscheinen und Gleichgültigkeit zu heucheln. Bericht Brockhausens vom<br />

15.3.1809 Vergebens hatte Metternich um Ausstellung eines Passes für einen<br />

Kurier gebeten. Angesichts der jeden Tag zu erwartenden Kriegserklärung<br />

ersuchte Metternich Ende März um Pässe für sich und sein Gefolge. Champagny<br />

verweigerte die Pässe trotz wiederholter Vorstellungen Metternichs, der sich auf<br />

die Grundsätze des Völkerrechts berief. Metternich ließ Brockhausen den<br />

Schriftwechsel mit Champagny vom 31.3.,. 1.4., 3.4., 5.4. zugehen, den dieser zur<br />

Kenntnis des Berliner Kabinetts bringt. Berichte Brockhausens vom 3.4. und<br />

9.4.1809<br />

264) Diese Äußerung ihres Nationalheros muß man den Franzosen<br />

entgegenhalten, wenn sie die Schuld am Weltkriege 1914 Deutschland aufbürden<br />

wollen, weil dieses als „Erstes“ den Krieg erklärt habe<br />

265) Berichte Brockhausens aus Paris vom 22.10.1808; 23.1., 31.1., 1.5., 22.5.,<br />

25.5., 1.6., 29.6., 14.7., 17.7., 21.7., 11.8., 17.8., 21.8., 24.8., 29.10.1809. Unter C.<br />

des Aktenverzeichnisses<br />

266) Ranke, Hardenberg, a.a.O. Bd. II S. 119<br />

267) Berichte Brockhausens aus Paris vom 27.10., 30.10.1809. Unter C. des<br />

Aktenverzeichnisses<br />

268) Desgl. 1.12., 4.12., 22.12.1809<br />

269) Vgl. S. 56/57 dieser Arbeit<br />

270) Berichte Brockhausens aus Paris vom 16.9.1808; 26.9., 2.10., 17.10., 1.12.,<br />

17.12., 22.12., 27.12.1809; 6.2.1810. Unter C. des Aktenverzeichnisses<br />

151


271) Bericht Brockhausens vom 1.12.1809<br />

272) Berichte Brockhausens aus Paris vom 26.2., 21.7., 23. 7., 28.7., 31.7.,<br />

28.10.1809. Unter C. des Aktenverzeichnisses<br />

273) Desgl. 22.10., 25.11., 29.11., 9. 12., 12.12.1808; 19.1., 20.2., 15.3.1809<br />

274) Desgl. 26.2., 5.4., 13.4., 14.4., 23.4., 1.5., 22.5., 1.6., 6.6., 21.6., 28.10.1809<br />

275) Desgl. 1.5.1809<br />

276) S. 69 dieser Arbeit<br />

277) Woraus zu ersehen, daß Brockhausen keineswegs eifersüchtig war und den<br />

trefflichen Eigenschaften des Prinzen alle Gerechtigkeit widerfahren ließ<br />

278) Berichte Brockhausens aus Paris vom 7.11., 1.12., 9.12.1809. Unter C. des<br />

Aktenverzeichnisses<br />

279) Ranke, Hardenberg, a.a.O. Bd. III S. 138<br />

280) Berichte Brockhausens aus Paris vom 31.12.1809; 13.1.1810. Unter C. des<br />

Aktenverzeichnisses<br />

281) Der König <strong>von</strong> Holland war immer noch dankbar für den ihm seinerzeit vom<br />

Berliner Hof bereiteten freundlichen Empfang<br />

282) Berichte Brockhausens aus Paris vom 9.12., 19.12.1808; 8.1., 14.5., 24.8.,<br />

4.9.1809. Unter C. des Aktenverzeichnisses<br />

283) Ranke, Hardenberg, a.a.O. Bd. III S. 133. Unter C. des Aktenverzeichnisses<br />

284) Bericht Brockhausens vom 9.12.1808<br />

285) Desgl. 4.9.1809<br />

286) Desgl. 4.9. und Privatbrief an Goltz vom 17.10.1809<br />

287) Privatbrief an Goltz vom 17.10.1809<br />

288) Bericht Brockhausens aus Paris vom 7.11.1809. Unter C. des<br />

Aktenverzeichnisses<br />

289) Desgl. 6.11., 18.11., 10.12.1809. Schreiben des Grafen Goltz aus Berlin vom<br />

4.12.1809<br />

290) Desgl. 6.11.1809<br />

291) Kabinettsordre, Berlin 24.12.1809. Schreiben des Grafen Goltz vom 18.12.09.<br />

Unter C. des Aktenverzeichnisses<br />

292) Bericht Brockhausens aus Paris vom 2.1.1810. Unter C. des<br />

Aktenverzeichnisses<br />

293) Ranke, Hardenberg, a.a.O. Bd. III S. 145<br />

294) Berichte Brockhausens aus Paris vom 6.2., 16.2.1810. Unter C. des<br />

Aktenverzeichnisses<br />

295) Duncker, a.a.O. S. 311<br />

152


296) Auch auf Brockhausen läßt sich das <strong>von</strong> Ranke, Hardenberg, a.a.O. Bd. III S.<br />

357 auf den Staatskanzler Hardenberg bezogene Sprichwort anwenden: „Jeder<br />

Mensch hat sein Aber und wer wüßte nicht, daß es auch <strong>von</strong> Hardenberg gilt.“<br />

297) Ranke, Hardenberg, a.a.O. Bd. III S. 143<br />

298) Stern, a.a.O. S. 297<br />

299) Duncker, a.a.O. S. 314<br />

300) Stern, a.a.O. S. 297<br />

301) Duncker, a.a.O. S. 312<br />

302) Bericht Brockhausens vom 15.12.1809. Unter C. des Aktenverzeichnisses<br />

303) Stern, a.a.O. S. 299<br />

304) Ders. S. 298<br />

305) Ranke, Hardenberg, a.a.O. Bd. III S. 119 und 146 ff.<br />

306) Duncker, a.a.O. S. 314<br />

307) Mitteilung des infolge Erbgangs aus zweiter Hand in den Besitz <strong>von</strong><br />

Rützenhagen gelangten Gesandten Grafen Wallwitz zu Schönfeld. Vgl. Schreiben<br />

vom 10.10.1925 Siehe auch Allgemeine Deutsche Biographie a.a.O. Bd. III S. 340<br />

308) Vgl. Staatshandbuch <strong>von</strong> 1820<br />

309) Akten des Preuß. Geheimen Staatsarchivs R. 1. N. 22. Niederlande. R. 81.<br />

Haag 2 und 2a<br />

310) Paul Haake, a.a.O. S. 247<br />

311) Vgl. Schreiben Brockhausens an den König. Akten Anstellungen R. IV. 39:<br />

Allergnädigster König und Herr!<br />

Geruhen Euer Königliche Majestät allergnädigst dem anliegenden Vortrag einen<br />

Augenblick der Muße zu widmen. Ich bitte unterthänigst Allerhöchstdieselben<br />

wollen die Motive nicht verkennen, die dem darin geäußerten Wunsch zu Grunde<br />

liegen. Sie fließen aus dem peinlichen Gefühl, für König und Vaterland nicht genug<br />

zu tun und es doch tun zu können.<br />

Ich ersterbe in tiefster Ehrfurcht Euer Kgl. Majestät allerunterthänigster<br />

gez. <strong>von</strong> Brockhausen.<br />

312) Wie berechtigt das Bestreben Brockhausens war, den Staatskanzler zu<br />

entlasten, geht u.a. aus den Ausführungen hervor, bei Treitschke, a.a.O. Bd. II S.<br />

458, wo es heißt: „Hardenberg konnte sich nicht mehr verhehlen, daß er endlich<br />

selber Hand ans Werk legen mußte. Aber woher die Zeit und die Kraft für die<br />

Verfassungsarbeit nehmen inmitten der Unmasse <strong>von</strong> Geschäften, die den<br />

Alternden fast erdrückte.“<br />

313) Schreiben Brockhausens an Hardenberg. Akten des Geheimen Staatsarchivs,<br />

R. IV. N. 39. Anstellungen:<br />

153


Erneute Vorstellungen um anderweitige Beschäftigung. Brockhausen wünscht<br />

Oberleitung der beiden Abteilungen über Herrn <strong>von</strong> Jordan und Anteil an<br />

Konferenzen neben Graf Lottum in Abwesenheit des Fürsten Hardenberg. …da<br />

ich meinen jetzigen Standpunkt, der einer Pründe mehr als einem tätigen Posten<br />

ähnlich sieht, mit meinen gerechten Ansprüchen, meinen Grundsätzen und<br />

meiner angeblichen Tätigkeit so unverträglich finde. Daß ich alles Mögliche<br />

anwenden muß, um aus diesem Verhältnis, welches beinahe 2 Jahre dauert, in ein<br />

anderes überzutreten, kann mir nicht verdacht werden, und das würde ein Jeder,<br />

der mit Zartgefühl einen erlaubten Ehrgeiz verbindet, in meiner Stelle tun, usw.<br />

Berlin, 9.11.17. gez.<br />

<strong>von</strong> Brockhausen<br />

314) Die Verordnung über die Bildung des Staatsrats bestimmte unzweideutig,<br />

daß sämtliche Vorschläge zu neuen oder zur Abänderung <strong>von</strong> bestehenden<br />

Gesetzen durch den Staatsrat an den König gelangen müßten. Ergraut im Genusse<br />

der Macht, hatte Hardenberg diese Vorschrift nicht lange innegehalten. Während<br />

die 16 neuen Gesetze des Jahres 1818 allesamt erst nach Beratung des Staatsrats<br />

die Königliche Sanktion erhielten, wurden schon im folgenden Jahre <strong>von</strong> 27 neuen<br />

Gesetzen nur 16 dem Staatsrat vorgelegt. Vgl. Treitschke, a.a.O. Bd. III S. 69<br />

315) Akten des Preußischen Geheimen Staatsarchivs R. 80. N. 1. und N. 5<br />

316) Treitschke, a.a.O. S. 521. Nach dem Tode des Freiherrn <strong>von</strong> Maltzahn wurde<br />

die preußische Gesandtschaft (in Wien) fast zwei Jahre lang vom Freiherrn <strong>von</strong><br />

Brockhausen vorläufig verwaltet, bis im Mai 1835 der neue Gesandte, Graf<br />

Maltzahn, ankam. Beide Diplomaten zählten zu den konservativen Freunden<br />

Österreichs, aber sie beobachteten scharf und vergaben der Ehre ihres Staates<br />

nichts. Beide meldeten übereinstimmend, welche heillose Verwirrung in der<br />

Hofburg herrschte.<br />

317) Laut Schreiben des mit Brockhausen in verwandtschaftlichen Beziehungen<br />

stehenden Staatsministers <strong>von</strong> Raumer vom 13.10.1829. Von einer Bekanntgabe<br />

seines Todes in der Zeitung und der Veröffentlichung eines Nachrufs wurde auf<br />

ausdrücklichen Wunsch der Familie zunächst abgesehen.<br />

318) Nach einer Niederschrift seiner Tochter, der Gräfin Emilie Dönhoff, vom<br />

12.10.1830<br />

WEITERE BIOGRAFIEN:<br />

154


aus: Artikel „Brockhausen, Karl Christian <strong>von</strong>“ <strong>von</strong> Julius <strong>von</strong> Hartmann in: Allgemeine<br />

Deutsche Biographie, herausgegeben <strong>von</strong> der Historischen Kommission bei der<br />

Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 3 (1876), S. 340<br />

Brockhausen: Karl Christian v. B., geb. im J. 1766 auf dem väterlichen Gute<br />

Coldemantz bei Greifenberg in Hinterpommern, † 1829. Sein Vater war Major <strong>von</strong><br />

der Cavallerie, hatte am siebenjährigen Kriege mit Auszeichnung Theil<br />

genommen, sich dann auf seine Erbgüter in Hinterpommern zurückgezogen; die<br />

Mutter war eine Gräfin v. Küssow und Megow. Im J. 1782 wurde B. aus der<br />

Cadettenschule zu Stolp in die zu Berlin überwiesen und dem Minister Grafen<br />

Herzberg nahe gebracht, der sich für ihn interessirte und seine Aufnahme in die<br />

académie militaire April 1781 veranlaßte, einem Institute, das Friedrich II.<br />

zur Heranbildung <strong>von</strong> Officieren für die höhere militärische oder diplomatische<br />

Laufbahn errichtet hatte. B. entsprach ganz den Erwartungen seines Gönners, auf<br />

dessen Vorschlag er 1786 vom Könige Friedrich Wilhelm II. bald nach dessen<br />

Thronbesteigung zum Legationsrath ernannt wurde. Für die Jahre 1787 und 1788<br />

schickte ihn Herzberg nach Paris und nach dem Haag. Seine eingehenden<br />

Berichte, die <strong>von</strong> den vielseitigsten Berührungen Zeugniß gaben und die<br />

französischen Zustände als unaufhaltsam zur Revolution drängend darstellten,<br />

überraschten außerordentlich. Die Auflehnung der österreichischen Niederlande<br />

gegen die Maßnahmen Josephs II. interessirte den Minister, dessen<br />

Lebensaufgabe es gewesen, das Gegengewicht Preußens in den politischen<br />

Kriegen mit Oesterreich vollwichtig zu erhalten, ganz vorzugsweise. Er sandte B.<br />

an Ort und Stelle, um Beziehungen und Verbindungen anzuknüpfen. Von [341]<br />

den Vorgängen gemeinsam berührt, bedurften die Mächte der Tripleallianz des<br />

lebendigsten Austausches ihrer Auffassungen; B. ging nach London, verhandelte<br />

mit Pitt und förderte mit großem diplomatischem Geschicke die Herzberg’schen<br />

Pläne. Mit dem Umschwunge der preußischen Politik, der mit dem Abschlusse des<br />

Reichenbacher Vertrages eintrat, und der den früheren Träger derselben bald<br />

zum Ausscheiden aus dem Rathe des Königs zwang, wurde auch B. den<br />

Brennpunkten der schwebenden Verwickelungen entrückt. Der König schickte ihn<br />

im Februar 1791 als Gesandten an den Hof Gustavs III. <strong>von</strong> Schweden. Er wurde<br />

Zeuge <strong>von</strong> dessen Ermordung. Erst im April 1795 wurde er zurückberufen und als<br />

Gesandter nach Dresden bestimmt, wo er über 11 Jahre verblieb. Seinem<br />

Einflusse war es wesentlich zuzuschreiben, wenn Sachsen 1806 gemeinsam mit<br />

Preußen den Krieg an Frankreich erklärte; er konnte aber allerdings nach der<br />

Niederlage <strong>von</strong> Jena nicht verhindern, daß der Kurfürst Friedrich August gänzlich<br />

zum Trabanten Napoleon’s wurde. Sein Geschick, sein Eifer und seine<br />

Zuverlässigkeit hatten sich indessen so bewährt, daß er nach dem Tilsiter Frieden<br />

zum Staatsminister ernannt und für den unendlich schwierigen Posten eines<br />

Gesandten am kaiserl. Hofe in Paris ausersehen wurde. Nachdem er während<br />

verhängnißvoller Jahre mit Festigkeit und Würde das Interesse Preußens zu<br />

vertreten gesucht hatte, wurde er 1810 zurückberufen. – Den spätern<br />

Entwickelungen fremd, fand er nur noch einmal eine diplomatische Verwendung,<br />

vom Beginn des Jahres 1814, nach der Reconstituirung Hollands bis 1816, als<br />

Gesandter am niederländischen Hofe. Im März 1817 ernannte ihn der König zum<br />

Mitgliede des Staatsrathes, in welchem er den Abtheilungen für<br />

Handelsangelegenheiten, wie für den Cultus und die Erziehung vorsaß. Er starb<br />

12. Decbr. 1829 zu Berlin. Seine Gattin, eine geborene v. Unruh, war früh<br />

verschieden; sein zweiter Sohn, Adolf Freiherr v. B., geb. 10. Sept. 1801, trat in die<br />

Fußstapfen des Vaters; war 1824 preußischer Legationssecretär in Stockholm,<br />

1827 Legationsrath und später Geschäftsträger in Wien, 1884 Gesandter in<br />

Stockholm, 1842 in Neapel, 1852 in Brüssel und starb unvermählt am 5. Oct. 1858<br />

in Baden-Baden.<br />

V . H A R T M A N N<br />

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Anm. d. Red.: In die „Allgemeine Deutsche Biografie“ wurden nur herausragende<br />

Persönlichkeiten der deutschen Geschichte aufgenommen. Mehr Informationen<br />

zu dieser Biografie-Sammlung s.a.<br />

http://www.deutsche-biographie.de/projekt.html<br />

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