Normen und VdS-Richtlinien – Gemeinsamkeiten und ... - BDGW
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3 | 2011<br />
auch Wenn Die Begriffe norMen<br />
unD <strong>VdS</strong>-richtlinien oft synonym verwendet<br />
werden, handelt es sich um Dokumente<br />
mit ganz unterschiedlichen Charakteren.<br />
<strong>Normen</strong> sollen Technikkonvergenz<br />
sicherstellen, während <strong>VdS</strong>-<strong>Richtlinien</strong> im<br />
Kontext der <strong>VdS</strong>-Philosophie stehen <strong>und</strong><br />
Qualitätsanforderungen sowie Prüfmethoden<br />
beschreiben, die als Gr<strong>und</strong>lage für das<br />
<strong>VdS</strong>-Zertifizierungsverfahren fungieren. Von<br />
<strong>Gemeinsamkeiten</strong> <strong>und</strong> Unterschieden, falsch<br />
verstandenen Regeln <strong>und</strong> den unterschiedlichen<br />
Zielen der beiden Regelwerkstypen<br />
handelt dieser Artikel, wobei auch Gr<strong>und</strong>legendes<br />
zu Entstehung <strong>und</strong> Zielen der beiden<br />
Dokumente beschrieben wird.<br />
Die Eurobanane als Beispiel einer<br />
falsch verstandenen Regelung<br />
<strong>Normen</strong> werden sehr ambivalent beurteilt.<br />
Auf der einen Seite gilt die Übereinstimmung<br />
eines Produktes oder einer Dienstleistung<br />
mit der einschlägigen Norm schnell als Qualitätsmerkmal.<br />
Auf der anderen Seite zeugen<br />
Aussagen wie „In Deutschland ist wirklich alles<br />
<strong>und</strong> jedes genormt!“ <strong>und</strong> die berühmten<br />
Gemüse wie „Eurobanane“ oder „Eurogurke“<br />
davon, dass <strong>Normen</strong> <strong>und</strong> ähnliche Regelungen<br />
oft abschätzig beurteilt werden <strong>und</strong><br />
ihr eigentliches Ziel bisweilen verkannt wird.<br />
Um bei dem Beispiel der Eurobanane zu bleiben:<br />
Die EG-Kommission hat im Jahr 1994 die<br />
„Verordnung (EG) Nr. 2257/94 der Kommission<br />
vom 16. September 1994 zur Festsetzung<br />
von Qualitätsnormen für Bananen“ erlassen.<br />
Hintergr<strong>und</strong> dieser Regelung war, dass die<br />
Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft<br />
bis dahin auf ihrem Hoheitsgebiet einzelstaatliche<br />
<strong>Normen</strong> anwendeten, die eine<br />
Vermarktung grüner, ungereifter Bananen in-<br />
<strong>Normen</strong> <strong>und</strong> <strong>VdS</strong>-<strong>Richtlinien</strong> <strong>–</strong><br />
<strong>Gemeinsamkeiten</strong><br />
<strong>und</strong> Unterschiede<br />
Was hat die Eurobanane mit <strong>VdS</strong> zu tun?<br />
Von Sebastian Brose<br />
nerhalb des europäischen Wirtschaftsraumes<br />
erschwerten <strong>und</strong> damit dem europäischen Ziel<br />
des freien Warenverkehrs entgegenstanden.<br />
Die Verordnung schreibt vor, dass Bananen,<br />
die in den Geltungsbereich der Verordnung<br />
eingeführt oder innerhalb dessen produziert<br />
werden, eine Länge von mindestens 140 mm<br />
<strong>und</strong> eine Dicke von mindestens 27 mm aufweisen<br />
müssen. Dass auch das Messverfahren<br />
zur Größenbestimmung geregelt ist, ist nur<br />
konsequent. Daneben listet die Verordnung<br />
eine Vielzahl weiterer Anforderungen auf, darunter<br />
vor allem Freiheit von Schädlinge <strong>und</strong><br />
Schäden durch Schädlingen, Pilzbefall, Druck-<br />
<strong>und</strong> Kälteschäden, Fremdstoffen <strong>und</strong> Mängeln,<br />
die sie zum Verzehr ungeeignet machen.<br />
Schließlich enthält sie eine Klassifizierung in<br />
die Güteklassen „Extra“, „Klasse I“ <strong>und</strong> „Klasse<br />
II“ <strong>und</strong> damit eine wesentliche Vereinfachung<br />
für den Handel, der somit auf die aufwändige<br />
Einzelprüfung <strong>und</strong> Bewertung von gelieferten<br />
Bananen verzichten kann <strong>–</strong> ein sicherlich erheblicher<br />
Kostenvorteil.<br />
Einen Krümmungsgrad schreibt die Verordnung<br />
entgegen der weit verbreiteten Meinung<br />
hingegen nicht vor. Anders die Verordnung<br />
Nr. 1677/88/EWG zur Festsetzung von Qualitätsnormen<br />
für Gurken. Zur Klassifizierung<br />
der Güteklassen von Gurken wurde auch die<br />
Krümmung als Kriterium herangezogen. Durch<br />
die harmonisierte Form der Gurken wurde der<br />
Handel wesentlich vereinfacht <strong>und</strong> transparenter<br />
gestaltet. Vornehmlich als Signal zum<br />
europäischen Bürokratieabbau, gegen den<br />
Protest der Branchenverbände <strong>und</strong> gegen den<br />
mehrheitlichen Willen der Mitgliedsstaaten<br />
wurde die Verordnung schließlich zum 1. Juli<br />
2009 außer Kraft gesetzt. Gleichwohl werden<br />
die Vorgaben der ehemaligen Verordnung<br />
nunmehr vielfach als interne Norm im Groß-<br />
SeBaStian BroSe ist Mitarbeiter<br />
in der Abteilung Konzeptentwicklung<br />
bei der <strong>VdS</strong> Schadenverhütung<br />
GmbH.<br />
handel verwendet <strong>–</strong> oder man greift auf die<br />
ECE-Norm des Economic Council for Europe<br />
der Vereinten Nationen zurück, welche inhaltlich<br />
gleichlautend ist <strong>und</strong> die Blaupause für<br />
die später daraus geschaffenen Verordnung<br />
der EG-Kommission war. Dass die Verordnungen<br />
lediglich den kleinsten gemeinsamen<br />
Nenner der nationalen Regelung beinhalten<br />
<strong>und</strong> eine wichtige Schutzfunktion für außereuropäische<br />
Importe darstellt, wird leider<br />
selten erwähnt.<br />
Diese <strong>–</strong> zugegeben branchenuntypischen<br />
<strong>–</strong> Beispiele 1 machen deutlich, worauf ich im<br />
Folgenden noch etwas näher eingehen möchte:<br />
Wofür brauchen wir eigentlich <strong>Normen</strong>?<br />
Einfach gesagt, lassen sich mit Normung zwei<br />
marktpolitische Ziele erreichen: Märkte schaffen<br />
<strong>und</strong> Märkte schützen.<br />
<strong>Normen</strong> schaffen Märkte<br />
Das Deutsche Institut für Normung schreibt<br />
auf seiner Internetseite: „Eine Teilnahme am<br />
Normungsprozess eröffnet die Chance, den<br />
Inhalt der Norm zu beeinflussen. Unternehmen<br />
haben die Chance, eigene technische<br />
Lösungen durchzusetzen.“ 2 Die Normungsinstitute<br />
sind verpflichtet, die Ausgewogenheit<br />
der Normungsausschüsse sicherzustellen <strong>und</strong><br />
dafür zu sorgen, dass alle interessierten Kreise<br />
an der Erstellung einer Norm beteiligt werden.<br />
Dennoch hat derjenige Unternehmer, der an<br />
der Normung aktiv beteiligt ist, einen Wissensvorsprung<br />
<strong>und</strong> kann sich frühzeitig auf<br />
TEChNIk<br />
23
24<br />
geänderte Anforderungen umstellen. Dass<br />
Normung Märkte schafft wird schnell deutlich,<br />
führt man sich nur die Norm DIN 476 3 vor<br />
Augen, welche 1922 erschien <strong>und</strong> die allseits<br />
bekannten Papierformate wie A4, A3 usw. beschreibt.<br />
Die Norm wurde durch die internationale<br />
DIN EN ISO 216 4 abgelöst, die in den<br />
allermeisten Ländern eingeführt wurde. Gäbe<br />
es diese Vereinheitlichung nicht, wären viele<br />
Märkte wie die für Drucker, Briefumschläge,<br />
Ordner, Hefter, Locher usw. um eine Vielzahl<br />
zerklüfteter <strong>und</strong> eine Vermarktung über die<br />
Grenzen eines Standards hinaus schwieriger.<br />
Die Normung ist demnach für Technikkonvergenz<br />
<strong>und</strong> internationalen Handel ein wichtiger<br />
Stützpfeiler.<br />
Allein im Jahr 2010 wurden in 3.300 Arbeitsausschüssen<br />
r<strong>und</strong> 2.500 neue DIN-<strong>Normen</strong><br />
erstellt, hinzu kommen nochmal 4.400 Entwürfe.<br />
Da fällt es nicht nur schwer, den Überblick<br />
zu behalten, sondern Normung ist mittlerweile<br />
auch ein erheblicher Kostenfaktor für<br />
die beteiligten Experten bzw. Unternehmen.<br />
Es fallen hohe Kosten für Vor-, Nachbereitungs-<br />
<strong>und</strong> Sitzungszeit sowie Reiseaufwendungen<br />
an. Erschwerend kommt hinzu, dass<br />
<strong>Normen</strong> zudem häufig in europäischen <strong>und</strong><br />
internationalen Normungsgremien erarbeitet<br />
werden, was mit entsprechend verteilten Sitzungsorten<br />
nochmal einen deutlich erhöhten<br />
Reiseaufwand nach sich zieht. Doch die Rechnung<br />
geht wohl auf: Alleine im DIN arbeiten<br />
r<strong>und</strong> 29.000 Experten an den <strong>Normen</strong>. Nicht<br />
umsonst postuliert das DIN dann auch: „Den<br />
größten Exporterfolg erzielen Unternehmen,<br />
die nicht nur <strong>Normen</strong> anwenden, sondern sich<br />
am Normungs- <strong>und</strong> Standardisierungspro-<br />
TEChNIk<br />
zess aktiv beteiligen. Hier gilt „wer die Norm<br />
setzt, macht den Markt“. Normungsaktive<br />
Unternehmen erhöhen ihre Chancen, eigene<br />
Firmentechnologie am Markt durchzusetzen“. 5<br />
So lässt sich unter dem Deckmantel der Technikkonvergenz<br />
auch eine Marktabschottung<br />
erreichen. Die Grenzen sind mitunter fließend<br />
<strong>und</strong> nur schwer auszumachen.<br />
Doch wo entstehen eigentlich<br />
<strong>Normen</strong>?<br />
<strong>Normen</strong> werden unter Mitarbeit von Experten<br />
aller interessierter Kreise in Normungsinstituten<br />
erarbeitet. Das Normungsinstitut<br />
ist der Dienstleister, der gewissermaßen den<br />
„Papierkram“ erledigt <strong>und</strong> dafür sorgt, dass<br />
der Normungsprozess richtig abläuft. In<br />
Deutschland sind das DIN <strong>und</strong> DKE. Die DKE<br />
(Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik<br />
Informationstechnik) ist die nationale<br />
Organisation für die Erarbeitung von <strong>Normen</strong><br />
<strong>und</strong> Sicherheitsbestimmungen in dem Bereich<br />
der Elektrotechnik, Elektronik <strong>und</strong> Informationstechnik<br />
in Deutschland. Sie ist ein Organ<br />
des DIN <strong>und</strong> des VDE. Nationale <strong>Normen</strong> des<br />
DIN bzw. der DKE heißen z. B. „DIN 14675“<br />
bzw. „DIN VDE 0833“. Am Namen ist somit zu<br />
erkennen, dass es sich um eine ausschließlich<br />
deutsche Norm handelt.<br />
Das DIN seinerseits ist Mitglied der auf europäischer<br />
Ebene angesiedelten Normungsorganisation<br />
„Comité Européen de Normalisation“,<br />
kurz CEN. Das CEN ist gewissermaßen<br />
„das DIN Europas“. Auch hier gibt es eine<br />
ähnliche Aufteilung wie in Deutschland <strong>und</strong><br />
vielen anderen Mitgliedsstaaten. Für Belange<br />
der Elektrotechnik ist das „Comité Europé-<br />
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Die Pyramide verdeutlicht die Zusammenhänge der <strong>Normen</strong> <strong>und</strong> deren Hierarchie sowie die auf der jeweiligen Stufe zuständigen Normungsorganisationen<br />
(ohne ETSI <strong>und</strong> ITU). [Quelle: DIN-Webseite mit Ergänzungen durch den Autor]<br />
en de Normalisation Électrotechnique“, kurz<br />
CENELEC oder CLC zuständig, für Belange<br />
speziell der Telekommunikation existiert eine<br />
dritte Organisation, deren Bezeichnung im<br />
Gegensatz zu den anderen dem Englischen<br />
entstammt: „European Telecommunications<br />
Standards Institute“, kurz ETSI. Die Sekretariatsführung<br />
übernimmt eine der nationalen<br />
Normungsorganisationen. Das Sekretariat im<br />
eigenen Land zu haben, hat gewisse Vorteile<br />
<strong>–</strong> salopp ausgedrückt: wer schreibt, der bleibt.<br />
<strong>Normen</strong>, die auf europäischer Ebene erstellt<br />
werden, sind in der Form, wie sie im<br />
<strong>Normen</strong>gremium kursieren, von Außenstehenden<br />
nicht käuflich zu erwerben. Vielmehr<br />
ist es so, dass <strong>Normen</strong>, die auf europäischer<br />
Ebene erschienen sind, in nationale <strong>Normen</strong><br />
umgewandelt werden müssen. Die nationalen<br />
Normungsorganisationen, die Mitglieder von<br />
CEN / CLC sind, haben sich dazu verpflichtet,<br />
europäische <strong>Normen</strong> in nationale <strong>Normen</strong> zu<br />
überführen <strong>und</strong> entgegenstehende <strong>Normen</strong><br />
zurückzuziehen. Die Umsetzung <strong>und</strong> Übersetzung<br />
der in der Regel englischsprachigen<br />
europäischen Norm in eine in der jeweiligen<br />
Landessprache verfasste, nationale Norm wird<br />
durch die nationalen Normungsorganisationen<br />
wie DIN <strong>und</strong> DKE in Deutschland übernommen.<br />
Das nationale Gremium wird daher<br />
auch Spiegelgremium oder Spiegelausschuss<br />
genannt. Die nationalen Ausschüsse entsenden<br />
Mitglieder (Delegates <strong>und</strong> Experts) in die<br />
europäischen Ausschüsse (Technical Committees<br />
<strong>und</strong> Working Groups) zur Mitarbeit<br />
<strong>und</strong> Abstimmung <strong>und</strong> sorgen andererseits<br />
für die nationale Umsetzung. Daher wird, wie<br />
erwähnt, eine EN als solche auch nicht ver-
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öffentlicht, sondern sie erscheint in Deutschland<br />
als DIN EN.<br />
<strong>Normen</strong> sind gr<strong>und</strong>sätzlich unverändert<br />
zu übernehmen. Allerdings besteht die Möglichkeit,<br />
die nationale Ausgabe der Norm um<br />
ein nationales Vorwort, nationale Anhänge<br />
<strong>und</strong> nationale Interpretationen (so zuletzt<br />
geschehen bei der Interpretation des Anwendungsbereiches<br />
der DIN EN 50518) zu ergänzen<br />
<strong>und</strong> somit kleinere Kurskorrekturen oder<br />
Anpassungen an nationale Besonderheiten zu<br />
ermöglichen.<br />
Eine Ebene darüber liegt die weltweite Normung.<br />
Hier existiert eine vergleichbare Arbeitsteilung<br />
zwischen der „International Organization<br />
for Standardization“, ISO <strong>und</strong> dem<br />
Ableger für Elektrotechnik, der „International<br />
Electrotechnical Commission“, IEC. Soweit die<br />
Normung den Bereich der Telekommunikation<br />
betrifft, ist die „International Telecommunication<br />
Union“, ITU, zuständig. Die Arbeitsweise<br />
ist ähnlich. ISO/IEC/ITU-<strong>Normen</strong> müssen jedoch<br />
nicht zwingend in nationale <strong>Normen</strong><br />
umgewandelt werden. Geschieht dies doch,<br />
entstehen <strong>Normen</strong> wie DIN EN ISO 9001 (eine<br />
Norm, die auch durch CEN übernommen wurde)<br />
oder DIN ISO 26000 (eine Norm, die nicht<br />
durch CEN übernommen wurde).<br />
Gr<strong>und</strong>satz der Normungsarbeit ist das<br />
Konsensprinzip. Konsens ist definiert als „allgemeine<br />
Zustimmung, die durch das Fehlen<br />
aufrechterhaltenen Widerspruches gegen<br />
wesentliche Inhalte seitens irgendeines wichtigen<br />
Anteils der betroffenen Interessen <strong>und</strong><br />
durch ein Verfahren gekennzeichnet ist, das<br />
versucht, die Gesichtspunkte aller betroffenen<br />
Parteien zu berücksichtigen <strong>und</strong> Gegenargumente<br />
auszuräumen“ 6 . Konsens bedeutet<br />
demnach nicht notwendigerweise Einstimmigkeit,<br />
vielmehr wird deutlich, dass es auf<br />
den viel zitierten „kleinsten gemeinsamen<br />
Nenner“ hinausläuft. Entsprechend werden<br />
Anforderungen abgeschwächt, geweitet oder<br />
ganz fallen gelassen. Der „gemeinsame Nenner“<br />
wird auf dem Weg der Normungspyramide<br />
nach oben immer kleiner. Oft treffen<br />
gr<strong>und</strong>sätzlich verschiedene Ansichten <strong>und</strong><br />
Philosophien aufeinander, wie z. B. Falschalarmvermeidung<br />
<strong>und</strong> Ansätze zur Alarmverifizierung<br />
aufgr<strong>und</strong> der (wissentlich) akzeptiert<br />
hohen Zahl an Falschalarmen. In der<br />
Medizin spräche man im letzteren Fall wohl<br />
davon, dass eine Behandlung die Akzeptanz<br />
der Symp tome (hier: „Falschalarme“) ermöglichen<br />
soll, statt die Ursachen der Erkrankung<br />
(hier: „Falschalarme produzierende EMA“) zu<br />
ergründen <strong>und</strong> auszuschließen.<br />
Es wird mitunter die Frage gestellt, wozu<br />
bei all den <strong>Normen</strong> noch zusätzlich <strong>VdS</strong>-<br />
<strong>Richtlinien</strong> erforderlich sind. Entgegnet man<br />
dann, es handelt sich bei den <strong>VdS</strong>-<strong>Richtlinien</strong><br />
um unabhängige Anforderungen, die einem<br />
hohen Qualitätsanspruch gerecht werden,<br />
wird oft die Einrede erhoben, die Einhaltung<br />
der <strong>VdS</strong>-<strong>Richtlinien</strong> sei freiwillig, wohingegen<br />
man die <strong>Normen</strong> einzuhalten gezwungen sei.<br />
Diese Aussage ist so nicht haltbar.<br />
<strong>Normen</strong> sind keine Gesetze<br />
Die Einhaltung einer Norm ist in aller Regel<br />
freiwillig. Sie kann natürlich durch Vertrag<br />
als bindend bestimmt werden, genauso<br />
wie sich bspw. der <strong>VdS</strong>-Errichter gegenüber<br />
der <strong>VdS</strong> Schadenverhütung GmbH verpflichtet,<br />
die einschlägigen <strong>VdS</strong>-<strong>Richtlinien</strong> einzuhalten.<br />
Von gültigen Regeln wird vermutet,<br />
dass sie anerkannte Regeln der Technik darstellen.<br />
Nach ständiger Rechtsprechung liegt<br />
eine anerkannte Regel der Technik dann vor,<br />
wenn Fachleute davon überzeugt sind, dass<br />
die Regel den sicherheitstechnischen Anforderungen<br />
entspricht, in der Praxis erprobt ist<br />
<strong>und</strong> die Durchschnittsmeinung eines relevanten<br />
Fachkreises widerspiegelt 7 . Dass einzelne<br />
Fachleute die Regel ablehnen oder nicht<br />
kennen, ist dabei unerheblich. Somit stellen<br />
auch viele <strong>VdS</strong>-<strong>Richtlinien</strong> anerkannte Regeln<br />
der Technik dar. Die Einordnung von <strong>VdS</strong>-<br />
<strong>Richtlinien</strong> als allgemein anerkannte Regeln<br />
in der Technik geht mit einer erheblichen<br />
Rechtswirkung einher. Kommt es zum Streitfall<br />
gegen den Ersteller eines Werkes, gilt die<br />
Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik<br />
als Beweis „alles richtig gemacht zu haben“<br />
(sog. „prima-facie-Beweis“ oder „Beweis<br />
des ersten Anscheins“). Der Beweis kann zwar<br />
widerlegt werden, allerdings führt er prozessual<br />
zu einer Beweislastumkehr. Wurden die<br />
anerkannten Regeln der Technik eingehalten<br />
<strong>und</strong> ist somit ein Beweis des ersten Anscheins<br />
erbracht, obliegt es der Gegenseite, Beweise<br />
dafür beizubringen, dass ein Fehler seitens<br />
des Erstellers begangen wurde. Wurden die<br />
anerkannten Regeln der Technik hingegen<br />
nicht eingehalten, führt dies dazu, dass der<br />
Ersteller des Werkes nachweisen muss, dass<br />
die Nichteinhaltung der Regel nicht nachteilig<br />
oder nicht ursächlich für einen entstandenen<br />
Schaden war. Dennoch bleibt es natürlich<br />
gr<strong>und</strong>sätzlich dabei, dass die Einhaltung der<br />
<strong>Normen</strong> oder <strong>VdS</strong>-<strong>Richtlinien</strong> freiwillig ist.<br />
Einen Sonderfall stellen harmonisierte <strong>Normen</strong><br />
dar. Harmonisierte <strong>Normen</strong> sind <strong>Normen</strong>,<br />
die von der EG-Kommission im Rahmen einer<br />
EG-Richtlinie („Directive“) mandatiert sind.<br />
Populäre Beispiele sind die Niederspannungsrichtlinie<br />
8 , die Maschinenrichtlinie 9 oder die<br />
Bauproduktenrichtlinie 10 . Das bedeutet, dass<br />
die EG-Kommission einen Normungsauftrag<br />
zur Regelung eines speziellen Bereichs erteilt<br />
hat. Harmonisierte <strong>Normen</strong> enthalten nur wesentliche<br />
Anforderungen an Produkte <strong>und</strong> haben<br />
häufig Bezug zum Personenschutz. Fällt<br />
ein Produkt unter den Anwendungsbereich<br />
einer harmonisierten Norm, muss es der Norm<br />
entsprechen, um in den europäischen Handel<br />
kommen zu dürfen. Die Übereinstimmung mit<br />
den Anforderungen („Konformität“) wird bei<br />
den meisten Produkten durch das Aufbringen<br />
des CE-Zeichens <strong>und</strong> das Ausstellen einer<br />
Konformitätserklärung dokumentiert. Das<br />
CE-Zeichen stellt damit eine Kennzeichnung<br />
dar, die sich primär an Zollbehörden richtet,<br />
die den Warenverkehr im europäischen Handel<br />
überwachen. Es richtet sich somit nicht<br />
an Endverbraucher <strong>und</strong> stellt keinesfalls ein<br />
Qualitätskennzeichen dar (<strong>und</strong> steht auch<br />
nicht für den Nachweis eines bestimmten<br />
Zertifikates!).<br />
<strong>Normen</strong> <strong>und</strong> ihre Tücken<br />
Die Anwendung einer Norm ist nicht immer<br />
einfach. Die DIN EN 50131-1 11 teilt Einbruchmeldeanlagen<br />
(EMA) in vier Grade (1 bis 4)<br />
ein. Um herauszufinden, welchem Grad die<br />
EMA entsprechen muss, wird Wissen über den<br />
Täter, sein Werkzeug <strong>und</strong> seine Kenntnisse<br />
vorausgesetzt. Der Unterschied zwischen<br />
Alarmübertragungsanlagen (AÜA) des Typs 2<br />
<strong>und</strong> 3 („mit einfacher digitaler Übertragung“<br />
<strong>und</strong> „mit digitaler Übertragung“) ist selbst<br />
Fachleuten unbekannt. Weiter wird gefordert<br />
12 , dass Bewegungsmelder in Anlagen des<br />
Grades 4 eine erhebliche Verminderung der<br />
festgelegten Reichweite erkennen müssen.<br />
Leider existieren bis heute keine Geräte, welche<br />
diese Anforderung zuverlässig <strong>und</strong> unter<br />
allen gängigen Umgebungsbedingungen erfüllen.<br />
Eine Einhaltung der aktuellen Norm<br />
in allen Teilen ist somit derzeit gar nicht zu<br />
leisten.<br />
Die <strong>Normen</strong> sehen bei der Beschreibung<br />
von Prüfmethoden die Reproduzierbarkeit der<br />
Ergebnisse oftmals als entscheidender an, als<br />
eine realistische Praxisnähe der Regelungen.<br />
Beispielhaft sei hier nur die Bohrprüfung von<br />
Schließzylindern nach DIN-Norm (Maschine<br />
fährt auf Schlitten, gebohrt wird rein axial)<br />
<strong>und</strong> nach <strong>VdS</strong> (Bohren aus der Hand mit der<br />
Möglichkeit auf Bohrwiderstände praxisnah<br />
zu reagieren) erwähnt. Die Reproduzierbarkeit<br />
TEChNIk<br />
25
26<br />
Klassifizierung von Tätern <strong>und</strong> Alarmübertragungsanlagen nach DIN EN 50131 bzw. DIN VDE 0833 <strong>und</strong> DIN EN 50136.<br />
[Quelle: Screenshots der <strong>Normen</strong>]<br />
kann bei der Prüfung gemäß <strong>VdS</strong> durch eine hohe Qualifikation <strong>und</strong><br />
langjährige Erfahrung der Prüfer in hohem Maße sichergestellt werden.<br />
Schließlich ist das <strong>Normen</strong>werk leider auch nicht vollständig <strong>und</strong><br />
mitunter inkonsistent. Obwohl die <strong>Normen</strong> der Reihe DIN EN 50131<br />
ausdrücklich auch für Überfallmeldeanlagen gelten, gibt es kein Papier,<br />
welches Anforderungen an Überfallmelder beschreibt <strong>–</strong> <strong>und</strong> das, obwohl<br />
es hier um Personenschutz geht! Auch Lichtschranken, Bildermelder<br />
oder Körperschallmelder werden nicht behandelt. Dass die Normanforderungen<br />
mitunter nicht durchgängig sind, lässt sich am Beispiel der<br />
Magnetkontakte verdeutlichen. Während einerseits gefordert wird, dass<br />
der Melder „…unempfindlich gegenüber allen Einflüssen durch den Beeinflussungsprüfmagneten<br />
sein…“ 13 muss, steht an einer anderen Stel-<br />
TEChNIk<br />
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le, dass „akzeptiert [wird], dass die Sabotageerkennung bei magnetisch<br />
oder mechanisch betätigten Schaltern nicht praktikabel ist“. 14<br />
Was sind nun <strong>VdS</strong>-<strong>Richtlinien</strong> <strong>und</strong> wie kommen Sie<br />
zustande?<br />
Vom Gr<strong>und</strong>satz her haben <strong>VdS</strong>-<strong>Richtlinien</strong> viel Ähnlichkeit mit <strong>Normen</strong>.<br />
Sie formulieren Anforderungen an ein Produkt oder eine Dienstleistung<br />
<strong>und</strong> beschreiben Prüfmethoden mit zugehörigen Annahme- /<br />
Zurückweisungskriterien. Bestandene Prüfungen auf Gr<strong>und</strong>lage von<br />
<strong>VdS</strong>-<strong>Richtlinien</strong> sind Voraussetzungen für die Erlangung einer <strong>VdS</strong>-<br />
Anerkennung. Dadurch, dass <strong>VdS</strong> im Vergleich zum DIN oder vergleichbaren<br />
Organisationen ein deutlich eingeschränktes Betätigungsfeld<br />
Spagat zwischen Reproduzierbarkeit <strong>und</strong> Praxisnähe der Prüfung am Beispiel der Bohrprüfung eines Schließzylinders nach DIN <strong>und</strong> <strong>VdS</strong>.<br />
[Quelle: Autor]
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hat, ist es möglich, ein nahezu vollständiges<br />
Regelwerk anzubieten, was zudem äußerst<br />
genau aufeinander abgestimmt <strong>und</strong> in die<br />
Prozesse r<strong>und</strong> um die <strong>VdS</strong>-Anerkennung<br />
eingebettet ist. Häufig ist in diesem Zusammenhang<br />
von einem „integralen Konzept“ die<br />
Rede. Aus dem Zusammenwirken der <strong>Richtlinien</strong><br />
für Produkte, Systeme, Errichter sowie<br />
Planung <strong>und</strong> Einbau entsteht ein zuverlässiges<br />
<strong>und</strong> wirksames Gesamtsystem.<br />
Die Initiative zur Erstellung neuer <strong>VdS</strong>-<br />
<strong>Richtlinien</strong> kann von den unterschiedlichsten<br />
Gruppen kommen. Die untere Grafik auf<br />
der rechten Seite zeigt mögliche Gründe<br />
für eine Initiative auf. Beispielsweise kann<br />
der Wunsch der Sachversicherer entstehen,<br />
Anforderungen für neuartige Produkte zu<br />
beschreiben, denen sie im Markt begegnen<br />
<strong>und</strong> die hinsichtlich ihrer Wirksamkeit nicht<br />
eingeschätzt werden können. Oder Hersteller<br />
möchten für ein neuartiges Produkt eine <strong>VdS</strong>-<br />
Anerkennung erwerben, für das noch keine<br />
Anforderungen existieren. Warum auch neue<br />
oder geänderte <strong>Normen</strong> Anstoß sein können,<br />
darauf gehe ich später ein. Ebenso können<br />
neue Tätervorgehensweisen Anlass geben,<br />
<strong>VdS</strong>-<strong>Richtlinien</strong> zu überarbeiten.<br />
Die Vergangenheit hat gezeigt, dass <strong>VdS</strong>-<br />
<strong>Richtlinien</strong> oft eine Vorreiterrolle übernommen<br />
haben <strong>und</strong> deren Inhalt später in <strong>Normen</strong><br />
eingeflossen ist <strong>und</strong> somit quasi als<br />
Blaupausen dienten.<br />
Ist dann die Entscheidung gefallen, neue<br />
<strong>VdS</strong>-<strong>Richtlinien</strong> zu erstellen, werden alle interessierten<br />
Kreise eingeladen, inhaltlich mitzuarbeiten<br />
<strong>und</strong> ihr Wissen <strong>und</strong> ihre Erfahrung<br />
einzubringen. Die gemeinsame Erarbeitung<br />
produkt- <strong>und</strong> herstellerneutraler, allgemeingültiger<br />
Anforderungen ist entscheidend für<br />
die spätere Akzeptanz der <strong>VdS</strong>-<strong>Richtlinien</strong> bei<br />
den betroffenen Verkehrskreisen. Erfahrungsgemäß<br />
ist die Akzeptanz von <strong>VdS</strong>-<strong>Richtlinien</strong><br />
sehr hoch, was auch damit zusammenhängt,<br />
dass der zeitliche Horizont im Vergleich zur<br />
Erstellung einer Norm vielfach wesentlich<br />
kürzer ist.<br />
<strong>VdS</strong> kann somit schnell <strong>und</strong> unkompliziert<br />
agieren <strong>und</strong> reagieren. Als die Angriffsmethode<br />
„Sprengen von Geldautomaten“ aufkam,<br />
hat <strong>VdS</strong> Basisarbeit geleistet <strong>und</strong> gemeinsam<br />
mit Herstellern, Polizei <strong>und</strong> Branchenverbänden<br />
sinnvolle <strong>und</strong> funktionsorientierte<br />
Anforderungen aufgestellt. Diese wurden<br />
in <strong>VdS</strong>-<strong>Richtlinien</strong> eingeflochten <strong>und</strong> stehen<br />
nunmehr zur Verfügung. Später wurden<br />
die Inhalte der <strong>VdS</strong>-<strong>Richtlinien</strong> in die<br />
EN-<strong>Normen</strong> übernommen. Bereits vor über<br />
Mögliche Anstöße für neue <strong>VdS</strong>-<strong>Richtlinien</strong>.<br />
[Quelle: Autor]<br />
Bei der Erstellung von <strong>VdS</strong>-<strong>Richtlinien</strong> sind alle interessierten Kreise vertreten.<br />
[Quelle: Autor]<br />
einem Jahr konnten erste Anerkennungen<br />
vermeldet werden. Ähnlich verhält es sich mit<br />
dem Aufsperren von Schließzylindern (sog.<br />
„Lockpicking“). <strong>VdS</strong>-<strong>Richtlinien</strong> enthalten<br />
bereits seit langem klassengerechte Anforderungen<br />
an die Aufsperrsicherheit <strong>–</strong> im Gegensatz<br />
zu den einschlägigen DIN- <strong>und</strong> DIN<br />
EN-<strong>Normen</strong>. Salopp formuliert könnte man<br />
sagen: „<strong>VdS</strong> passt die <strong>Richtlinien</strong> den Tätern<br />
an, denn die Täter passen sich in aller Regel<br />
nicht den <strong>Normen</strong> an“. Dazu zählt auch die<br />
Einstufung von Einbruchmeldeanlagen <strong>und</strong><br />
deren Überwachungsumfang auf Gr<strong>und</strong>lage<br />
des Betriebsartenverzeichnisses 15 . Die dort<br />
vorgenommene Einstufung der gelisteten Betriebsarten<br />
basiert auf den Erfahrungen der<br />
Versicherungswirtschaft <strong>und</strong> orientiert sich<br />
an der Betriebsart des Objektes (Bäcker, Juwelier,<br />
Tabakhandel usw.). Abweichungen nach<br />
unten (z. B. aufgr<strong>und</strong> besonders geschützter<br />
Lage) wie nach oben (z. B. aufgr<strong>und</strong> höherer<br />
Gefährdung) sind zulässig <strong>und</strong> ermöglichen<br />
eine Abstimmung auf das individuelle Risiko.<br />
Im Gegensatz zur Norm ist Wissen über<br />
Kenntnisse <strong>und</strong> Werkzeuge des Täters nicht<br />
erforderlich.<br />
Eines der wichtigsten Ziele ist die Unabhängigkeit<br />
der <strong>VdS</strong>-<strong>Richtlinien</strong> von einer<br />
bestimmten Technologie bzw. einem bestimmten<br />
Hersteller. Die Anforderungen sind<br />
wo immer es möglich ist, funktional beschrieben,<br />
was Raum für verschiedene Lösungsansätze<br />
bietet. Bestes Beispiel ist technologieunabhängige<br />
Qualitätsdefinition im Bereich<br />
TEChNIk<br />
27
28<br />
der Videotechnik, welche für analoge <strong>und</strong><br />
digitale Systeme gleichermaßen einsetzbar<br />
ist. Drei Klassen werden wie folgt definiert 16 :<br />
• Klasse 1 - „Wahrnehmen“: 20 mm in<br />
natura entsprechen einem Bildpunkt auf<br />
dem Monitor 17<br />
• Klasse 2 - „Erkennen“: 5 mm in natura<br />
entsprechen einem Bildpunkt auf dem<br />
Monitor 18<br />
• Klasse 3 - „Identifizieren“: 1 mm in natura<br />
entsprechen einem Bildpunkt auf dem<br />
Monitor 19<br />
Damit ergibt sich eine langlebige, unabhängige<br />
Definition, die unabhängig ist von<br />
eingesetzter Kamera, Objektiven, Übertragungswegen,<br />
Anzeigeeinrichtungen, Art der<br />
Kompression usw.<br />
<strong>VdS</strong> macht die Norm anwendbar<br />
Ein weiteres Ziel bei der Erstellung von <strong>VdS</strong>-<br />
<strong>Richtlinien</strong> ist es, Normanforderungen <strong>–</strong> soweit<br />
sie bestehen <strong>–</strong> mit abzudecken. Es gilt der<br />
Gr<strong>und</strong>satz „Wer <strong>VdS</strong> erfüllt, erfüllt gleichzeitig<br />
auch die Norm“. <strong>VdS</strong>-konforme Anlagen sind<br />
damit auch normkonform was wiederum bedeutet,<br />
dass anerkannte Regeln der Technik<br />
aus dem Bereich der <strong>Normen</strong> inzident eingehalten<br />
werden.<br />
Dadurch werden <strong>Normen</strong> bisweilen erst<br />
anwendbar. Kommen wir hier noch einmal<br />
zurück auf das Beispiel der sechs Arten von<br />
Alarmübertragungsanlagen (AÜA) <strong>und</strong> das<br />
des Bewegungsmelders, der in Grad 4 laut<br />
Norm die erhebliche Verminderung der Reichweite<br />
erkennen muss (s. o.). <strong>VdS</strong> hat aus den<br />
zahllosen Tabellen der verschiedenen <strong>Normen</strong><br />
für die Geräte der Alarmübertragungsanlagen<br />
drei gebräuchliche AÜA-Arten gebildet. Damit<br />
stehen drei praxistaugliche Alternativen zur<br />
Verfügung, ohne dass der Planer oder Errichter<br />
sich langwierig mit den <strong>Normen</strong> auseinander<br />
setzen muss. Eine ähnliche Lösung wurde<br />
für den besagten Bewegungsmelder gef<strong>und</strong>en:<br />
Die <strong>VdS</strong>-<strong>Richtlinien</strong> für Einbruchmeldeanlagen<br />
- Planung <strong>und</strong> Einbau, <strong>VdS</strong> 2311<br />
enthalten einen Vorschlag für eine Kompensationslösung<br />
mit anderen Komponenten. Die se<br />
muss allerdings nur dann umgesetzt werden,<br />
wenn der Versicherer oder Auftraggeber dies,<br />
z. B. aufgr<strong>und</strong> der Risikolage, fordert.<br />
Somit wird auch deutlich, dass Normänderungen<br />
oft eine Überarbeitung der korrespondierenden<br />
<strong>VdS</strong>-<strong>Richtlinien</strong> erforderlich<br />
machen.<br />
Im Ergebnis steht also ein konsistentes<br />
<strong>und</strong> einheitliches Regelwerk, welches praxisnahe<br />
<strong>und</strong> zielorientierte, funktionale An-<br />
TEChNIk<br />
Das Ergebnis sind aufeinander abgestimmte <strong>VdS</strong>-<strong>Richtlinien</strong>.<br />
[Quelle: Autor]<br />
forderungen enthält <strong>und</strong> eingebettet in das<br />
<strong>VdS</strong>-<strong>Richtlinien</strong>werk eine hohe Anerkennung<br />
genießt.<br />
Die wichtigsten Arten von <strong>VdS</strong>-<strong>Richtlinien</strong><br />
sind<br />
• Anforderungen an Produkte <strong>und</strong> Systeme<br />
• Prüfmethoden für Produkte <strong>und</strong> Systeme<br />
• <strong>Richtlinien</strong> für Planung <strong>und</strong> Einbau<br />
• Anforderungen zur Anerkennung als<br />
Errichterfirma<br />
• Anforderungen an Sicherungsdienstleistungen<br />
Während Anforderungen <strong>und</strong> Prüfmethoden<br />
in der Vergangenheit häufig getrennte<br />
Regelwerke waren, werden bei Überarbeitungen<br />
<strong>und</strong> neuen <strong>VdS</strong>-<strong>Richtlinien</strong> die beiden<br />
Teile zukünftig in einem Werk zusammengefasst.<br />
Daneben enthält das <strong>VdS</strong>-<strong>Richtlinien</strong>werk<br />
sog. Sicherungsrichtlinien. Die Herausgeberschaft<br />
liegt hier beim Gesamtverband<br />
der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V.<br />
(GDV), unserer Muttergesellschaft. Die eng mit<br />
der Versicherungswirtschaft abgestimmten<br />
Sicherungsrichtlinien geben dem Anwender<br />
gr<strong>und</strong>sätzliche Hinweise dahingehend, welche<br />
sicherungstechnischen Anforderungen an<br />
ein Objekt gerichtet werden sollten. Sie sind<br />
unterteilt in Sicherungsrichtlinien für Haushalte,<br />
Gewerbe, Banken, Museen usw.<br />
Darüber hinaus existieren eine Vielzahl von<br />
Flyer <strong>und</strong> Broschüren. Das <strong>Richtlinien</strong>- oder<br />
allgemeiner formuliert, das Informationsangebot<br />
von <strong>VdS</strong> richtet sich somit gleichermaßen<br />
an Profis, wie auch an Laien <strong>und</strong> Endnutzer.<br />
Ein Gesamtwerk dieser Breite <strong>und</strong> Tiefe ist<br />
in Europa einmalig.<br />
3 | 2011<br />
Zertifizierung<br />
Ob nun Norm oder <strong>VdS</strong>-Richtlinie, die Konformität<br />
eines Produktes oder einer Dienstleistung<br />
sollte durch eine unabhängige Stelle<br />
dokumentiert werden. Nur so lassen sich Zuverlässigkeit<br />
<strong>und</strong> Wirksamkeit sicherstellen.<br />
Normung ist die Basis, welche die Technikkonvergenz<br />
<strong>und</strong> Interoperabilität im erforderlichen<br />
Umfang sicherstellen sollte. Dadurch<br />
wird der Handel gefördert, die Akzeptanz<br />
von Sicherungstechnik gesteigert <strong>und</strong> Wettbewerb<br />
<strong>und</strong> Innovationskraft gestärkt. Diese<br />
normativen Anforderungen werden durch<br />
<strong>VdS</strong>-<strong>Richtlinien</strong> ergänzt, welche Qualitätsanforderungen<br />
in einer zielgerichteten <strong>und</strong> abgestuften<br />
Art <strong>und</strong> Weise enthalten, die einen<br />
hohen Grad an Praxisnähe aufweist. Die Einhaltung<br />
von Norm- <strong>und</strong> <strong>VdS</strong>-Anforderungen<br />
wird in einer Prüfung ermittelt <strong>und</strong> im positiven<br />
Fall zertifiziert oder mit der <strong>VdS</strong>-Anerkennung<br />
ausgezeichnet. Dadurch wird dem<br />
Anwender der Produkte oder Dienstleistungen<br />
die Sicherheit gegeben, dass er bekommt, was<br />
er erwartet.
3 | 2011<br />
<strong>Normen</strong> <strong>und</strong> <strong>VdS</strong>-<strong>Richtlinien</strong> haben unterschiedliche Ziele, sind aber beide sehr<br />
wichtig. Die Zertifizierung ist notwendig, um Transparenz zu schaffen <strong>und</strong> Zuverlässigkeit<br />
<strong>und</strong> Wirksamkeit zu gewährleisten. [Quelle: Autor]<br />
1 Dem Autor ist bewusst, dass eine europäische Verordnung keine Norm ist. Für den Kontext<br />
dieses Beispiels kann dies aber dahinstehen, weil deutlich werden soll, dass der wahre Sinn oder<br />
Hintergr<strong>und</strong> einer Regelung leider mitunter verkannt <strong>und</strong> als Regelungswut abgetan wird.<br />
2 http://www.din.de/cmd?level=tpl-rubrik&menuid=47388&cmsareaid=47388&cmsrubid=474<br />
60&menurubricid=47460&languageid=de<br />
3 DIN 476 <strong>–</strong> Teil 1:1991-02 „Schreibpapier <strong>und</strong> bestimmte Gruppen von Drucksachen, Endformate<br />
A- <strong>und</strong> B-Reihen“ wurde ersetzt durch DIN EN ISO 216:2002-03<br />
4 DIN EN ISO 216:2007-12 „Schreibpapier <strong>und</strong> bestimmte Gruppen von Drucksachen - Endformate<br />
- A- <strong>und</strong> B-Reihen <strong>und</strong> Kennzeichnung der Maschinenlaufrichtung“<br />
5 http://www.din.de/cmd?level=tpl-rubrik&menuid=47388&cmsareaid=47388&menurubricid=<br />
47466&cmsrubid=47466&languageid=de<br />
6 DIN EN 45020:2006, Normung <strong>und</strong> damit zusammenhängende Tätigkeiten - Allgemeine Begriffe,<br />
Abs. 1.7<br />
7 Begriffe wie „Anerkannte Regel der Technik“ oder „Stand der Technik“ sind sog. „unbestimmte<br />
Rechtsbegriffe“. Sie helfen, ein Gesetz oder eine sonstige Regelung trotz technischen Fortschritts<br />
„automatisch aktuell zu halten“, weil sie nicht auf eine bestimmte Lösung abstellen.<br />
Eine Forderungen wie „Die Genehmigung darf nur erteilt werden, wenn […] die nach dem Stand<br />
von Wissenschaft <strong>und</strong> Technik erforderliche Vorsorge gegen Schäden durch die Errichtung <strong>und</strong><br />
den Betrieb der Anlage getroffen ist […] (§ 7 Abs. 2 Nr. 3 Atomgesetz) sichert stets das aktuelle<br />
Sicherheitsniveau zum Genehmigungszeitpunkt. Siehe dazu auch die Entscheidung „Kalkar I“<br />
des B<strong>und</strong>esverfassungsgerichts, BVerfGE 49, 89.<br />
8 2006/95/EC<br />
9 2006/42/EC<br />
10 89/106/EEC <strong>und</strong> 93/68/EEC<br />
11 Die <strong>Normen</strong> der Reihe DIN EN 50131 ff. sind keine harmonisierten <strong>Normen</strong>.<br />
12 DIN EN 50131-1:2010-02, Abs. 8.2.2<br />
13 DIN EN 50131-2-6:2009-05, Abs. 4.5.4<br />
14 DIN EN 50131-1:2010-02, Tabelle 12<br />
15 <strong>VdS</strong> 2559<br />
16 Vgl. dazu <strong>VdS</strong> 2366:2004-05 (01) <strong>–</strong> Videoüberwachungsanlagen, Planung <strong>und</strong> Einbau, Abs.<br />
6.3.1<br />
17 oder anderen Darstellungsmitteln; auch sollte ein möglicher Unterschied zwischen Live-Bild<br />
<strong>und</strong> aufgezeichnetem Bild in Betracht gezogen werden (bzw. Qualitätsverluste durch Komprimierung<br />
im Rahmen der Speicherung).<br />
18 vgl. Fußnote 17<br />
19 vgl. Fußnote 17<br />
TEChNIk<br />
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