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Herbersteins nicht eingestanden Abhängigkeit von Johann Fabri ...

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(vorliegende Manuskript-Form, publiziert wie folgt:}<br />

<strong>Herbersteins</strong> <strong>nicht</strong> <strong>eingestanden</strong> <strong>Abhängigkeit</strong> <strong>von</strong> <strong>Johann</strong> <strong>Fabri</strong><br />

aus Leutkirch. Herbersteiniana zur Vergegenwärtigung dreier Jubiläen:<br />

Sigismund <strong>von</strong> Herberstein *24. August 1486 zu Wippach,<br />

Günther Stökl *16. Januar 1916 und Walter Leitsch *26. März 1926,<br />

beide in Wien. in: JGO 44 (1996) 1-27.<br />

Meinen Zeitgenossen herzlich zum Geburtstag gewidmet.<br />

.........................................................<br />

{Herbersteiniana nova.<br />

Dr. <strong>Johann</strong> <strong>Fabri</strong> <strong>von</strong> Leutkirch und Siegmund <strong>von</strong><br />

Herberstein: <strong>nicht</strong> <strong>eingestanden</strong>e <strong>Abhängigkeit</strong>.<br />

Walter Leitsch zum siebzigsten Geburtstag gewidmet.}<br />

Die Gründe und Hintergründe, warum Kaiser Karl V. und Erzherzog<br />

Ferdinand 1526 der aus Spanien nach Moskau zurückkehrenden russischen<br />

Gesandtschaft eigene Gesandte mitgaben, hat man oft bedacht. Die Vergeblichkeit<br />

ihrer Mission ist bald offenkundig geworden, doch wird das für die Historiker<br />

mehr als aufgewogen durch ein spätes Ergebnis, das erste europäische<br />

Rußlandhandbuch.<br />

Der aus Vicenza stammende Gesandte des Kaisers, Leonhard Graf<br />

Nogarola, galt als Theologe und Philosoph und war im Jahr der Gesandtschaft<br />

seinem Begleiter Siegmund (bzw. Sigismund) <strong>von</strong> Herberstein eindeutig<br />

an Bildung und Rang überlegen. 1527 führte er die russische Gegengesandtschaft<br />

unter dem Fürsten Zasekin zurück nach Spanien, wo er im Juni<br />

1527 am Hofe in Valladolid über die Moskaureise rapportierte 11 .<br />

Während Graf Nogarola und Ritter Siegmund <strong>von</strong> Herberstein im Winter<br />

1526 auf ihrem Weg nach Moskau waren, sandte ihnen der Erzherzog<br />

einen Kurier hinterher, der ihnen unter anderem das frisch erschienene Buch<br />

"Ad Sereniss. Principem Ferdinandum Archiducem Austriae, Moscouitarum<br />

iuxta mare glaciale religio, á D. Ioanne <strong>Fabri</strong> aedita", Basel 1526 2 bzw. Tübingen<br />

1525 überreichte, außerdem einen Brief des Erzherzogs vom 1. Februar<br />

1526, den Herberstein später der überarbeiteten Ausgabe der "Rerum moscoviticarum<br />

commentarii", Basel 1556, voranstellte 3 . Als Druckort und -jahr <strong>von</strong><br />

<strong>Fabri</strong>s Werk, das ich künftig gekürzt "Moscovitarum iuxta mare glaciale religio"<br />

nennen werde, gilt seit Friedrich Adelung Tübingen 1525 4 ; in russischen<br />

Publikationen, so auch in der 1988 erschienenen Übersetzung <strong>Herbersteins</strong><br />

wird es zitiert. 5 Auch Christine Harrauer geht <strong>von</strong> der Existenz der Tübinger<br />

Edition aus 6 . Doch eine solche Ausgabe wird weder im "Verzeichnis der im<br />

deutschen Sprachbereich erschienenen Drucke des XVI. Jahrhunderts" 7 ,<br />

noch in <strong>Fabri</strong>s Werkverzeichnis genannt 8 . Schon Heinrich Michow bestritt die<br />

Existenz der Tübinger Ausgabe mit guten Gründen 9 . Die Baseler Ausgabe<br />

trägt auf dem letzten Blatt die Datierung durch den Autor (18. September<br />

1525) und den Druckvermerk "Basileae apud Ioannem Bebelium, mense Ianuario<br />

An. MDXXVI". Das Werk müßte also nach der Verabschiedung am 12.<br />

Januar und vor dem 1. Februar in die Hände Erzherzog Ferdinands gelangt<br />

sein. In der Autobiographie <strong>Herbersteins</strong> 10 wird berichtet, der Kurier habe die<br />

Gesandtschaft in Krakau erreicht, wo sie vom 2. bis 14. Februar 1526 weilte 11 .<br />

Das Phantom der Ausgabe Tübingen 1525 dürfte wohl einem Lesefehler Ade­


lungs seine Existenz verdanken.<br />

In seinem Begleitschreiben berichtet Erzherzog Ferdinand, durch seinen<br />

Rat Doktor <strong>Johann</strong>es <strong>Fabri</strong> habe er die aus Spanien zu ihm gelangte russische<br />

Gesandtschaft bei ihrem Aufenthalt in Tübingen über ihr Land ausfragen<br />

lassen, insbesondere über Glauben, Religion und "ceremoniis gentis"(5).<br />

Dr. <strong>Fabri</strong> habe daraus ein Büchlein gemacht, das Ferdinand nun seinen Gesandten<br />

zusende,"ut lectus a vobis suggerat refricetque memoriam". Der Erzherzog<br />

erteilt seinem Legaten Herberstein den Auftrag, sich über alle denkbaren<br />

religiösen Fragen zu unterrichten und eventuell das Exemplar eines Missale<br />

oder anderen "Zeremonienbuches" zu beschaffen. Es sei die Aufgabe beider<br />

Gesandten, "vestro oculato testimonio vel observatione" die Selbstdarstellung<br />

der Russen, wie sie <strong>von</strong> <strong>Fabri</strong> publiziert worden war, zu prüfen.<br />

Beobachtung und Augenzeugenbericht 0 sollte <strong>von</strong> dem humanistisch<br />

gebildeten Juristen kommen. Am österreichischen Hof erhoffte man sich<br />

natürlich <strong>von</strong> Herberstein allseitigen Aufschluß über Rußland, doch könnte es<br />

sein, daß man seine Kompetenz in theologischen Dingen, insbesondere den<br />

Streitpunkten der Reformation, als gering veranschlagte. Ferdinands Beichtvater<br />

und Rat, Dr. <strong>Johann</strong>es <strong>Fabri</strong>, wird es wohl gewesen sein, der die Beauftragung<br />

an Herberstein erwirkt hatte, denn seine Lebensaufgabe war es geworden,<br />

der Reformation enmtgegenzutreten. In dem Brief Ferdinands darf<br />

man wohl einen bindenden Auftrag sehen, das Büchlein <strong>von</strong> <strong>Fabri</strong> als Vademecum<br />

und Fragenkatalog in rebus theologicis zu verwenden und die darin<br />

enthaltenen Probleme durch neues Material klarer zu machen.<br />

Die Persönlichkeit des später (erst 1537) zum Freiherrn ernannten<br />

Siegmund <strong>von</strong> Herberstein hat dank des Rußlandhandbuches weit über ihre<br />

Zeit hinaus gewirkt und immer wieder ihre Würdigung gefunden. 1986 fand<br />

zur Fünfhundertjahrfeier seiner Geburt ein wissenschaftliches Symposium auf<br />

der Burg Herberstein statt, das seine Bedeutung <strong>von</strong> verschiedenen Seiten<br />

neu beleuchtete. 13<br />

Auch ein eitles Selbstbewußtsein läßt sich früh erkennen, wen wunderts,<br />

denn schon seine erste Rußlandfahrt hatte ihn berühmt gemacht. Kein Geringerer<br />

als Ulrich <strong>von</strong> Hutten hatte ihn als Gewährsmann befragt, um zu erfahren,<br />

ob in der Frage der Rhipäischen Berge der Grieche Ptolemäos oder der<br />

Pole Mathias <strong>von</strong> Miechow Recht habe. Die Worte <strong>Herbersteins</strong> hätten auf<br />

ihn, so Hutten in einem Brief an W. Pirkheymer, tiefen Eindruck gemacht<br />

(quod me audientem attonitum prope reddidit) 14 . Kennzeichnend für <strong>Herbersteins</strong><br />

Selbstwertgefühl ist der Eintrag <strong>von</strong> 1519 in das Liber confraternitatis<br />

der Deutschen Bruderschaft in Rom: "Sigismundus de Herberstein eques,<br />

orator Stirensis ad Carolum imperatorem in Hispanias, qui intuta Cymbriae<br />

maria, invias Lituaniae silvas et Asiae terminos ultra Tanais fontes inque Pannonia<br />

ad Danubium Maximiliani Caesaris orator peragravit, voluit et Romae<br />

Germaniae confraternitati associari ad laudem virginis immaculatae 2. Augusti<br />

1519". 15<br />

Dr. <strong>Johann</strong> <strong>Fabri</strong> hat historiographisch weniger Beachtung gefunden. 0<br />

Er war 1478 als Sohn eines Schmiedes in der schwäbischen Reichsstadt<br />

Leutkirch geboren und hatte <strong>von</strong> daher seinen Namen zu Faber oder <strong>Fabri</strong> latinisiert.<br />

Doch die humanisierte Namensform wurde durchaus <strong>nicht</strong> allgemein<br />

gebraucht: Andere Namen sind <strong>Johann</strong> Heigerlin (nach dem Familiennamen<br />

des Vaters), Hensel Schmidtknecht, Hans Schmydt vicker (vicarius) zuo Costentz<br />

u.ä. 0 <strong>Fabri</strong> studierte ab 1505 in Tübingen und Freiburg Theologie und


Jura, wurde bald auch, humanistisch gebildet und gesonnen, Anhänger und<br />

später Freund des Erasmus <strong>von</strong> Rotterdam. Nach der Promotion schlug <strong>Fabri</strong><br />

die klerikale Karriere ein und wurde 1518 Generalvikar in Konstanz. 1521 ernannte<br />

Erzherzog Ferdinand Dr. <strong>Fabri</strong> zu seinem Rat, seit 1524 war er auch<br />

dessen Beichtvater. Nach der Türkenbelagerung Wiens 1529 betraute der<br />

Erzherzog ihn 1530 als Bischof mit der schweren Aufgabe des kirchlichen<br />

Wiederaufbaus. Als Bischof <strong>von</strong> Wien bemühte sich <strong>Fabri</strong> um die Verbesserung<br />

der Bildung seines Klerus, gründete auch für den Priesternachwuchs das<br />

Collegium trilingue zum hl. Nikolaus, dem er schließlich sogar seine bedeutende<br />

Bibliothek vererbte. In einer Widmung wird <strong>Fabri</strong> als bedeutender Theologe<br />

bezeichnet ("D. Ioanni Fabro iuris Pontifici doctori ac theologo clariss."),<br />

auf einem anonymen Holzschnitt sieht man ihn ein humanistisches Kolleg halten<br />

- <strong>Johann</strong>es <strong>Fabri</strong> dürfte im katholischen Teil des Reiches bis zu seinem<br />

Tode 1540 <strong>nicht</strong> nur als mächtiger Mann, sondern auch angesehener Wissenschaftler<br />

gegolten haben.


Holzschnitt <br />

Größe 13,5 x 7,5 <br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Kolleg des Humanisten Dr. <strong>Johann</strong>es <strong>Fabri</strong>.<br />

Nicht genau datierter Holzschnitt0 .<br />

Politisch und wissenschaftlich gesehen wird <strong>Fabri</strong>s Aufgabe die Verteidigung<br />

des alten Glaubens gegen die Reformation. Dabei war er einer der<br />

ersten auf katholischer Seite, die sich des gedruckten Buches und der polemischen<br />

Flugschrift bedienten. Diese Medien galten zu Anfang der 1520er Jahre<br />

noch als für die protestierenden Reformatoren kennzeichnend und deshalb für<br />

viele Humanisten des alten Glaubens als verächtlich. Andererseits wurde <strong>Fabri</strong><br />

selbst auch früh Gegenstand der modernen Propaganda: Schon 1521 und<br />

wieder 1524/25 erscheint sein Bild neben anderen prominenten "Papisten"<br />

auf Flugschriften der Reformationspolemik. 0 Bereits 1521 hatte <strong>Fabri</strong> sich mit<br />

Luther in einen Streit über Zölibat und Priesterehe eingelassen, was ihm <strong>von</strong><br />

Seiten des Reformators schwere Invektiven eintrug. Luther nennt ihn den<br />

"Ertznarr Johans Schmid <strong>von</strong> Costnitz", an anderen Stellen "Erznarr, Eselskopf,<br />

Bube und Hurentreiber". 0 In seinen theologischen Druckwerken widerspricht<br />

<strong>Fabri</strong> den Lehren Luthers und (des ihm persönlich gut bekannten)<br />

Zwinglis Punkt für Punkt:"Malleus Joannis <strong>Fabri</strong> Doctoris ... in haeresim Lutheranam<br />

..." 1524, "Summarium. Underricht ausz was Christenlichen ursachen<br />

Doctor Johan <strong>Fabri</strong> biszher der Lutherischen lere nit anhängig...", 1526<br />

u.a. 0 <strong>Fabri</strong> verteidigt die Lehren der Kirchenväter, behandelt Taufe, Eucharistie,<br />

Fasten, Ohrenbeichte, Bußwerke, Almosen, Gebetsformeln, kämpft für<br />

den Marien-, Heiligen- und Bilderkult. 0 Dabei beklagt er in beredten Worten<br />

den Niedergang der Künste und Wissenschaften; wenn es so weitergehe, "so<br />

würdet in zwaintzig jaren Germania Barbarisch werden". 0<br />

Das Rußlandbuch <strong>Fabri</strong>s stammte also <strong>von</strong> einem Verfasser, der kontroverstheologisch,<br />

juristisch und humanistisch vorgebildet war, der sein Ohr<br />

am politischen Puls des Reiches hatte und deshalb genau die kirchenpolitische<br />

Bedeutung der <strong>von</strong> Herberstein zu sammelnden Tatsachen einzuschätzen<br />

wußte. Herberstein hatte auf der langen Reise ausreichend Muße, das<br />

"Büchlein" zu studieren und bereits unterwegs sein Wissen zu vertiefen; mit<br />

ihm reisten ja eben jene Russen, welche <strong>Johann</strong> <strong>Fabri</strong> Auskunft gegeben hatten:<br />

der Gesandte "Hanns Khnes Posetzen", sein Sekretär (d'jak) Simeon Borisov<br />

Trofimov, sowie der Dolmetscher Vlasij Ignat'ev, dessen Können <strong>Fabri</strong><br />

<strong>nicht</strong> sehr hoch einschätzt 0 , den Herberstein jedoch ausdrücklich lobt: "ain<br />

zimblicher gueter man, der nit vorlangst neben andern Pottn zu Khayser Carl<br />

in Hispanien geschickht was" 0 . Von ihm hatte Herberstein den Reiseweg <strong>von</strong><br />

Moskau über Norwegen nach Kopenhagen erfahren, also jene Nordmeerroute,<br />

die 1553 <strong>von</strong> Richard Chancellor neu entdeckt werden sollte. Daß der Dolmetscher<br />

in Moskau eine angesehene Persönlichkeit war, ergibt sich aus ei­


nem "Memoriale" des bekannten Dietrichs <strong>von</strong> Schönberg aus dem Jahre<br />

1518. 0 Vlasij Ignat'ev wird darin "Domino Blasio interpreti" adressiert und achtungsvoll<br />

um Vermittlung bei dem derzeit allmächtigen Jurij Trachaniotes,<br />

dem bei Herberstein mehrfach genannten Georgius Parvus Trachaniotes, gebeten.<br />

0 Schönberg weilte zu dem Zeitpunkt anscheinend in Moskau 0 und bemühte<br />

sich um ein Zimmer Zobel. Der Bruder des Absenders, Nikolaus <strong>von</strong><br />

Schönberg, tritt übrigens in <strong>Herbersteins</strong> Bericht als durchaus negativ gezeichnete<br />

Person auf 0 .<br />

Ein weiterer gemeinsamer Bekannter <strong>Fabri</strong>s und <strong>Herbersteins</strong> war der<br />

russische Gesandte, dem der bürgerliche Intellektuelle mit erfürchtigem Interesse<br />

nahte. Doch Herberstein hat <strong>von</strong> Fürst Ivan Ivanovič Zasekin-Jaroslavskij<br />

0 <strong>nicht</strong>s Gutes zu berichten. Es ist jedoch zu vermuten, daß Herberstein die<br />

Wegebeschreibung nach Sibirien durch den Fürsten Semen F. Kurbskij ohne<br />

die Vermittlung seines Reisegefährten, eines Neffen desselben, <strong>nicht</strong> erlangt<br />

hätte. Wir dürfen wohl auch voraussetzen,<br />

daß Herberstein manche Einzelheit aus dem Milieu des Moskauer Hofes,<br />

etwa über die verstorbene Großfürstin Zoe-Sophia Palaeologina oder ihren<br />

Sohn Vasilij III., <strong>von</strong> dem Fürsten aus dem Geschlecht derer <strong>von</strong> Jaroslavl' als<br />

Anekdote am wärmenden Feuer der Reisebiwaks erfahren hat. Später bei seinem<br />

Aufenthalt zu Moskau ist Herberstein, dem moskovitischen Brauch nach,<br />

anscheinend effektiv zerniert worden:"Sy stellten mir leuth in das Haus, die<br />

man alls Edl hellt, das sy mich und das Haus verwardten und verwachten,<br />

und Recht zu sagen, zuuverhüten, damit niembt zw mir oder <strong>von</strong> mir, on Ir<br />

vorwissen, gienng" 0 . Er merkt auch böse an, daß seine Bekannten <strong>nicht</strong> einmal<br />

den Kopf zu ihm wandten, so als kennten sie ihn am Hofe <strong>nicht</strong> mehr.<br />

Auf der Hinreise, das kann man also voraussetzen, hat Herberstein sowohl<br />

<strong>Fabri</strong>s Niederschrift gelesen und die darin aufgeworfenen Fragen vornotiert,<br />

als auch die Gelegenheit ergriffen, russische Gewährsmänner weiter<br />

auszufragen. Leider läßt sich <strong>nicht</strong>s <strong>von</strong> dem extrapolieren, was Herberstein<br />

in den gut zwanzig Jahren bis zur Drucklegung der Commentarii hinzugelesen<br />

und hinzugelernt hat, etwa auf seinen Reisen an den polnischen Hof. Das<br />

macht die folgenden Überlegungen jedoch <strong>nicht</strong> überflüssig.<br />

***<br />

Herberstein hat in seinem Vorwort die Autoren genannt, die vor ihm über<br />

Rußland geschrieben hatten,"ex antiquioribus Nicolaus Cusanus, nostra aetate<br />

Paulus Iovius, ... Ioannes <strong>Fabri</strong> et Anthonius Bied cum tabulas tum commentarios<br />

reliquerint ..."(2 f.). Dabei übergeht er unter den älteren den bei <strong>Fabri</strong><br />

genannten Raphael Maffei Volaterranus (+ 1521) 0 , wohl deswegen, weil er<br />

dessen kurze Bemerkungen über Rußland für unwichtig hielt. Den Humanisten<br />

Paulus Jovius (+ 1552), der in Rom den russischen Dolmetscher Dmitrij<br />

Gerasimov befragt und daraus sein Werk "De legationis Moscoviticarum liber"<br />

(Venedig 1525) 0 gestaltet hatte, lobt Herberstein aus Gründen persönlicher<br />

Bekanntschaft und Neigung, nennt das Werk "eleganter sane et magna cum<br />

fide" geschrieben und den Informanten überaus zuverlässig. Jenen <strong>Johann</strong><br />

<strong>Fabri</strong>, dem er vieles verdankt, würdigt er keines lobenden Wortes, man hat<br />

sogar den Eindruck, als wolle Herberstein durch das Lob an Paolo Giovio<br />

(Darstellungsweise, Zuverlässigkeit) jene Dinge nennen, die er bei <strong>Fabri</strong> als<br />

Mangel ansah. Daß Herberstein die distanziert beschreibende Art des italienischen<br />

Humanisten höher schätzen mußte als die subjektive, <strong>von</strong> ständigen<br />

Seitenhieben auf das umstürzlerische deutsche Volk verunklärte Schreibwei­


se <strong>Fabri</strong>s, läßt sich leicht verstehen.<br />

Die wichtige Rolle <strong>Fabri</strong>s ist in der ersten, unter <strong>Herbersteins</strong> Aufsicht<br />

gedruckten lateinischen Ausgabe, Wien 1549, verheimlicht worden - erst in<br />

der überarbeiteten Ausgabe <strong>von</strong> 1556, welcher der Brief des Großherzogs<br />

hinzugefügt wurde, erkennt man sie etwas deutlicher. Die deutsche Übersetzung<br />

Pantaleons (auf der Basis der Ausgabe <strong>von</strong> 1556) bringt die Nennung<br />

<strong>Fabri</strong>s, jedoch entsteht durch die Übersetzung (genauer: die Trennung des<br />

oben zitierten, zusammengehörigen Satzes) ein schiefes Bild, indem <strong>Fabri</strong><br />

und Anton Wied in einem Satz vereinigt werden. <strong>Fabri</strong> gehört jedoch neben<br />

Iovius, hingegen Wied (+1558) neben die <strong>von</strong> Herberstein später genannten<br />

Autoren, denn Wieds Rußlandkarte wurde erst 1555 publiziert.<br />

Bei seiner eigenen Übersetzung des Jahres 1557 veränderte Herberstein<br />

den Vorspann des Buches, wobei der Brief des Großherzogs ebenso fortfiel<br />

wie die alte Vorrede mit der Nennung der Autoren. Namentlich erscheint <strong>Johann</strong><br />

<strong>Fabri</strong> in dieser Übersetzung <strong>nicht</strong> mehr. Als der große Anreger, sich mit<br />

den Russen zu befassen, wird nun Kardinal Matthäus Lang, Erzbischof <strong>von</strong><br />

Salzburg und einflußreicher Ratgeber des Kaisers, 0 hervorgehoben. Herberstein<br />

eröffnet dem Leser, Matthäus Lang habe ihm schon vor der ersten Reise<br />

<strong>von</strong> 1516 eingeschärft,"was wahrhaffts derselben Land ort zu erindern"(#). In<br />

seiner Autobiographie wird derlei <strong>nicht</strong> erzählt; sein Treffen mit Matthäus Lang<br />

berichtet er für 1515, noch vor seiner Reise nach Dänemark. Damals konnte<br />

er aber <strong>von</strong> der Moskaumission noch <strong>nicht</strong>s wissen, war er doch für diese<br />

Reise ganz unverhofft im Oktober 1516, als Ersatz für den Bischof <strong>von</strong> Laibach,<br />

eingesetzt worden 0 .<br />

Daß sich der Kardinal für <strong>Herbersteins</strong> "relatio de caeremoniis et consuetudine<br />

Moscovitarum" 0 interessiert hat, wird schon in den lateinischen Ausgaben,<br />

allerdings im Itinerarium versteckt, angeführt. In <strong>Herbersteins</strong> Selbstbiographie<br />

heißt es retrospektiv anläßlich der Rückkehr im Januar 1518:"Die<br />

Moscouittische Raiss nutzt mir höchlich, dann mein ausrichtung vnnd anzaigen<br />

der frembden Nation sitten, wesen und Ceremonien waren dem Khaiser<br />

angenämb, Allso das Herr Matheus, Cardinal zw Saltzburg, darnach zw mir<br />

sprach:`Ich wäre in grossen gnaden. Er wollte mir weeg vnnd weiss geben,<br />

damit ich in solicher gnad bleiben möchte'. Setzt mich Ime an sein Rechte<br />

hanndt, sagt:`wollt mein gueter freundt sein'" 0 . Aus der Situation scheint sich<br />

zu ergeben, daß der Kardinal die Huld des Kaisers erkannt hat und darauf<br />

seinerseits reagiert; <strong>von</strong> früheren Verbindungen zwischen beiden wird <strong>nicht</strong>s<br />

gesagt. Vierzig Jahre später jedoch, in <strong>Herbersteins</strong> Überarbeitung <strong>von</strong> 1557,<br />

erhält Matthäus Lang den Ehrenplatz (auf der ersten Seite wird er dreimal genannt)<br />

neben Kaiser Maximilian.<br />

Es gibt keine Möglichkeit, die sekundäre Darstellung <strong>Herbersteins</strong> als unrichtig<br />

zu erweisen, doch soll auf die unterschiedliche Bedeutung hingewiesen<br />

werden, die der Frage nach den russischen Zeremonien vor und nach dem<br />

Ausbruch der reformatorischen Bewegung zugemessen wurde. Das Interesse<br />

des Kirchenfürsten 1515 wäre verständlich und braucht gar <strong>nicht</strong> bestritten<br />

werden, entscheidend ist jedoch, daß der Auftrag Erzherzog Ferdinands und<br />

<strong>Fabri</strong>s (der als Beichtvater das Vertrauen Ferdinands gehabt haben dürfte)<br />

mitten im Existenzkampf des alten Glaubens gegen die Reformation erteilt<br />

wurde. Damit hatte das allgemeine Interesse an der Religion der Russen eine<br />

aktuell-politische Dominante bekommen. An dieser Stelle ist wohl das Autoren-Interesse<br />

<strong>Herbersteins</strong> bei den Änderungen zu orten: Für ihn war es 1557


wichtig geworden, die religiös-politischen Implikationen seines - ja bereits zum<br />

internationalen Standardwerk gewordenen - Buches zu verdrängen, um das<br />

Wissenschaftliche daran in vollem Lichte erscheinen zu lassen. Das erreichte<br />

<strong>Herbersteins</strong> eigene Übersetzung (soweit sie zur Kenntnis genommen<br />

wurde). Sie kaschierte einige Schönheitsfehler, die der Eigenliebe <strong>Herbersteins</strong><br />

Abbruch taten: (1) Die Ausgaben mit dem Brief Ferdinands zeigen auf,<br />

daß Graf Nogarola der erstgenannte Adressat des Briefes war und Herberstein<br />

nur der zweite Rang gebührte; (2) der Brief des Erzherzogs kodifizierte<br />

eine direkte Vorlage, das Buch <strong>Johann</strong> <strong>Fabri</strong>s, und (3) die Commentarii erweisen<br />

sich als Auftragsschrift, aus dem politischen Interesse der 1520er Jahre<br />

entstanden. <strong>Herbersteins</strong> "Berichtigungen" befreien ihn <strong>von</strong> diesen Implikationen,<br />

siedeln sein religiöses Interesse in vorreformatorischer Zeit an und zeigen<br />

ihn als unabhängigen Forscher und Wissenschaftler.<br />

***<br />

Daß <strong>Herbersteins</strong> Commentarii auf die werdende Rußlandkunde in vielfältiger<br />

Weise eingewirkt hat, ist bekannt und erforscht. Inwieweit aber ist das<br />

Buch ein autonomer Einsatzpunkt, vor dem alles Frühere verblaßt? Herberstein<br />

hat selbst viel dazu getan, seine Leistung in gebührendes Licht zu<br />

rücken, daß er die Verdienste anderer in den Schatten zu bringen suchte,<br />

scheint wie oben angedeutet, wahrscheinlich. Sicherlich ließe sich bei genauer<br />

Textanalyse zeigen, inwieweit er auch Mathias <strong>von</strong> Miechow, den er mehrfach<br />

mißbilligend nennt, Wichtiges verdankt. Immerhin ist dessen Werk ihm<br />

spätestens seit seinem Gespräch mit Ulrich <strong>von</strong> Hutten 1518 bekannt 0 . Meistens<br />

benutzt Herberstein die älteren wie die neueren Skribenten als Beispiele<br />

für Irrtumträger (vgl. auch die Vorrede Pantaleons zu seiner Übersetzung), lediglich<br />

Paulus Iovius behandelt er mit Hochachtung.<br />

Aufgabe dieser Skizze ist es, die Rolle des Rußlandbuches, aber auch der<br />

Persönlichkeit Dr. <strong>Johann</strong> <strong>Fabri</strong>s für Herberstein, für sein Problembewußtsein,<br />

sein richtiges Fragen, zu klären. Schon <strong>Fabri</strong>s Text selbst würde es verdienen,<br />

aus der Versenkung des Vergessens gehoben zu werden. Die Schrift ist<br />

der Einsatzpunkt deutscher Rußlandkunde schlechthin 0 , doch sie war für den<br />

Verfasser <strong>nicht</strong> mehr als eine Gelegenheitsschrift. Die Moskovitische Gesandtschaft,<br />

die <strong>Fabri</strong> zuvor bei der Audienz bereits kennengelernt hatte, wartete<br />

nach ihrer Rückkehr aus Spanien im Franziskanerkloster <strong>von</strong> Tübingen<br />

auf ihre Abfertigung. Im Auftrage des Erzherzogs hat der Theologe einige Präsente<br />

(mecum sumptis aliquot insignibus) überbracht, vermutlich jene silbernen<br />

und vergoldeten Gefäße und Medaillen, die Herberstein anführt, um hämisch<br />

anzumerken, daß der Großfürst sie den Diplomaten wieder habe abnehmen<br />

lassen. 0 <strong>Fabri</strong> hatte zugleich den Auftrag, sich über "originem, ritus,<br />

mores, religionem atque id genus alia" kundig zu machen. Vermittels des<br />

Übersetzers Vlasij Ignat'ev, der, wie erwähnt, auch "deutsch und lateinisch<br />

mäßig verstand" 0 fragte er das theologische Wissen der Russen heraus, einschließlich<br />

persönlicher Fastengelübde und der Wundergeschichten zur Ikone<br />

des Fürsten.<br />

Das Tübinger "Interwiev" hatte <strong>Fabri</strong> zum Rußlandspezialisten des Erzherzogs<br />

gemacht und so wird zu schließen sein, daß er wohl bei <strong>Herbersteins</strong><br />

Rapport 1527 gerade jene Rolle gespielt hat, die Herberstein später an Kardinal<br />

Mathäus Lang lobte, jedenfalls was Präsenz und Fachkompetenz anbetrifft.<br />

Man könnte sich vorstellen, daß <strong>Fabri</strong> den Diplomaten durch spezielle<br />

Fragen bedrängt, Herberstein eventuell seine Befriedigung über die notwendi­


ge Enttäuschung <strong>Fabri</strong>s <strong>nicht</strong> zurückgehalten hat. Aber auch die Zeit nach<br />

1530, als <strong>Fabri</strong> Bischof <strong>von</strong> Wien und Herberstein eine geachtete politische<br />

Persönlichkeit war, kann jenen Konflikt zwischen den beiden - sehr <strong>von</strong> sich<br />

selbst überzeugten - Humanisten ausgelöst haben, der in der Eliminierung<br />

<strong>Fabri</strong>s aus der "Moscovia" deutlich zu werden scheint. Es gibt außer der Rußlandkunde<br />

übrigens einen weiteren Berührungspunkt zwischen beiden: Wie<br />

Herberstein hat auch <strong>Fabri</strong> in der Türkenabwehr gewirkt, <strong>von</strong> ihm sind drei<br />

Türkendrucke bekannt. 0<br />

Nicht zu leugnen ist die Gegensätzlichkeit in Hinblick auf die Religion:<br />

Während Herberstein persönlich wohl <strong>nicht</strong> sehr fromm und mehr auf den<br />

Fortschritt der Wissenschaft ausgerichtet gewesen ist, zeigt sich <strong>Fabri</strong> als<br />

vom "Niedergang der Zeiten" im Innern betroffener Verteidiger des alten Glaubens<br />

gegen die "rasende Cohorte Germaniens". Kaum eine der Fragen, die<br />

<strong>Fabri</strong> den Russen vorgelegt hatte, war <strong>nicht</strong> aus der Sicht des in die Ecke getriebenen<br />

Polemikers gestellt. Selbst beiläufig erscheinende Dinge wie die<br />

Frage nach der Rolle des Gebets erweisen sich als Notschrei, hatten doch die<br />

Reformatoren energisch die Gültigkeit der Gebetsformeln (Paternoster, Ave<br />

Maria, Kyrieeleison usw.) verneint. Die verwunderte Notiz der Rußlandberichterstatter,<br />

etwa des <strong>von</strong> tridentinischem Geist erfüllten Jesuiten Antonio Possevino,<br />

daß die Russen <strong>nicht</strong> einmal das Vaterunser aufsagen könnten, geht<br />

bis auf <strong>Fabri</strong> zurück.<br />

Das Büchlein Moscovitarum iuxta mare glaciale religio mit seinen knapp 40<br />

Seiten Text kann nur bedingt mit <strong>Herbersteins</strong> umfangreichem Handbuch verglichen<br />

werden. Auch darf man <strong>nicht</strong> erwarten, in <strong>Herbersteins</strong> Commentarii<br />

gäbe es auf jede Frage <strong>Fabri</strong>s eine Antwort. Im folgenden habe ich nach Indizien<br />

gesucht, an denen eine <strong>Abhängigkeit</strong> der Fragestellung, der Frage selbst<br />

oder auch <strong>von</strong> Frage und Antwort gemeinsam wahrscheinlich wird.<br />

* 1 * Cur Moscovitae dicti.<br />

Daß man vom Namen auf das Wesen eines Phänomens geleitet wird,<br />

das ist eine religiöse, historisch gesehen mittelalterliche Anschauung. Die beiden<br />

humanistisch gesinnten Schriftsteller <strong>Fabri</strong> und Herberstein zitieren die<br />

antiken Autoritäten, gehen bei der Erklärung <strong>von</strong> Ethnonym und Toponym jedoch<br />

auch mit den modernen wissenschaftlichen Methoden ihrer Zeit an das<br />

Problem heran. Vergleicht man die humanistische Rationalität <strong>Fabri</strong>s und <strong>Herbersteins</strong><br />

mit der mittelalterlichen Etymologie, die Philipp Melanchthon in den<br />

1550er Jahren verbreitete, kann man nur das hohe Niveau beider bescheinigen.<br />

Melanchthon leitete Moschus <strong>von</strong> Mesech (Gen. 10,2, Psalm 120,5) über<br />

die kaukasischen Mosynoeci ab und verbreitete diese Anschauung 1559 in<br />

Briefen an andere Reformatoren 0 .<br />

Ob man "Russen" oder "Moskowiter" zu sagen habe, also die historische<br />

oder die politische Bezeichnung zu gebrauchen sei, war zur Zeit <strong>Fabri</strong>s<br />

eine noch offene Frage. Wie A.L. Choroškevič in sorgfältiger Detailarbeit herausgearbeitet<br />

hat, scheinen sich die Termini Moscovia, Moscovita in Westeuropa<br />

etwa seit dem Jahr 1500 unter dem Einfluß polnischer Informanten in Italien<br />

als politischer Begriff eingebürgert zu haben, wobei es der polnischen<br />

Propaganda um die Ausgrenzung des Moskauer Reiches ging. 0 Vor allem die<br />

Niederlage der Moskauer Heere 1514 in der Schlacht bei Orsa hat in ganz<br />

Europa gewirkt. Zahlreiche triumphierende Flugschriften erschienen, in denen<br />

etwa "de victoria contra haereticos et schismaticos Moscovienses" berichtet


wurde. 0 Der Humanist Vadian hat nach seinen eigenen Worten in Wien die<br />

russischen Kriegsgefangenen gesehen, die der polnische König Sigismund I.<br />

durch Europa führen ließ; Vadian nennt sie "Moschi seu Hamaxobitae" 0 .<br />

<strong>Johann</strong> <strong>Fabri</strong> entscheidet sich für das politische Ethnonym Moscovita<br />

(populos, quos communi vocabulo nos Moscovitas appellamus hodie, olim,<br />

teste Plinio, Roxolanos esse dictos ...). Er bezeichnet diesen Namen als aktuell<br />

und allgemeingültig (nominis appellatio huic genti existat hodie passim vulgo),<br />

dabei darf man wohl doch vermuten, daß sich die Gesandten auf Befragen<br />

als Russen bezeichnet haben! <strong>Fabri</strong>s Autorität Volaterranus hatte zwei<br />

Jahrzehnte zuvor unter Hinweis auf die antiken Namen noch ausdrücklich gesagt,<br />

"hodie vero Ruteni" 0 . Bei <strong>Fabri</strong> ist deutlich ein Gefühl aktueller Veränderung<br />

erkennbar, denn er bezeichnet die Bezeichnung Rhutenen explizit als<br />

veraltet. Nicht auf eine biblische Gestalt, sondern auf das Toponym führt <strong>Fabri</strong><br />

den Begriff Moscovita zurück, sei es auf die Stadt Moskau (vermutlich nach<br />

dem Vorbild Rom - Römer: Quoniam urbs est illis regalis totius provinciae<br />

Moscovia dicta, unde & Moscovitae nomen acceperunt), sei es auf den Fluß<br />

als Namensgeber, wie es schon Volaterranus vorgeschlagen hatte.<br />

Als Herberstein sein Werk zum Druck vorbereitete, hatten sich die Begriffe<br />

"Moskowien, Moskowiter" bereits durchgesetzt, die Bezeichnung Rerum<br />

moscoviticarum commentarii bildete keine Neuerung. Von seiner empirischen<br />

Kenntnis her hätte er Russia als das Siedlungsgebiet der Ostslaven (Rutheni)<br />

vom Herrschaftsbereich Moscovia des Moskauer Großfürsten, den er bisweilen<br />

"Moscus" nennt, unterscheiden können. Leider hat er keine hinreichend<br />

einheitliche Nomenklatur entwickelt, was wohl aus der Entstehungsgeschichte<br />

seines Werkes erklärt werden muß. 0 Mit knappen Worten faßt er in seiner Autobiographie<br />

zusammen, was für <strong>Fabri</strong> noch ein Problem gewesen ist:"Mosqua,<br />

das Fürstenthumb, Stat und wasser aines namens, darinn der Grosfürst<br />

hoff hellt ..." 0<br />

Die Ähnlichkeit der slavischen Sprachen untereinander ist <strong>von</strong> wohl allen<br />

frühen Rußlandschriftstellern bemerkt und interpretiert worden - Volaterranus<br />

etwa bezeichnete die Sprache der Russen als lingua semidelmatica. Für<br />

bemerkenswert halte ich die bisher unbeachteten Anmerkungen <strong>Fabri</strong>s über<br />

seine (passiv beobachtende) Erfahrung mit slawischen Sprachen, mit eben jenen,<br />

<strong>von</strong> denen er im Umkreis des Großherzogs hatte erfahren können. Das<br />

zeigt zumindest an, daß er konzentriert zugehört und sich bei Kennern erkundigt<br />

hat. So gut es ging, hat er also ein für seine Zeit begründetes Urteil abgegeben,<br />

gekleidet in eine Art humanistisches Kolleg mit unmittelbarer Anrede<br />

seines hohen Schülers:<br />

Lingua vero eis est, qua sibi multum cum Bohemis, Croatis, & Scla<strong>von</strong>ibus<br />

convenit, adeoque vicina, ut Sclavo Moscovitam plene percipiat, nisi,<br />

quantum visum est nonnullis, Moscovitis asperam magis ac duriorem esse<br />

phrasim. ... Eam tamen rem satis mirari non possum, quod cum inter Dalmatiam<br />

quidem & Moscoviam, utraque Pannonia sita sit, Ungaro tamen nihil minus<br />

quam cum linguae cognatione conveniat cum Moscovita ... Utcumque tamen<br />

fuerit, hoc certum esto, Bohemis, Croatis, Dalmatis, & Moscovitis lingua<br />

convenire, id quod tuis interpretibus, quos in aula tecum fovebas, quotquot<br />

eramus, deprehendimus 0 .<br />

Wie stolz Herberstein auf seine, im Vergleich zu <strong>Fabri</strong> und allen anderen<br />

Autoren eindrucksvollen, slawischen Sprachkenntnisse war, ist wohlbekannt<br />

0 . Sie dienen ihm neben dem Beweis des Augenscheins als Argument


für seine bisher unerreichte Kompetenz. Immer wieder läßt sich jedoch erkennen,<br />

daß seine praktischen Kenntnisse offensichtlich <strong>nicht</strong> ausreichten und er<br />

meist auf die Dolmetscher der Russen angewiesen war 0 . Bei der Beurteilung<br />

<strong>Herbersteins</strong> ergibt sich insofern ein Problem, als man - nach den kenntnisreichen<br />

Worten der Einleitung - bei ihm simples Über-einen-Kamm-Scheren<br />

<strong>nicht</strong> erwartet. Doch im Text, sowohl im lateinischen als auch im deutschen,<br />

geht vieles durcheinander. Insofern als er vom Kirchenslavischen über die<br />

Sprache altrussischer Dokumente, die damals moderne Kanzleisprache diplomatischer<br />

Verhandlungen am Hof und das Umgangsrussische samt dem Fluchen<br />

("Schelten gemainiglichen nahend wie die Hungern, das dir die hund<br />

dein Muetter unrainigen" 0 ) mit allen Sprachschichten Kontakt gehabt hat, hätten<br />

ihm einige Unterschiede wie auch der deutliche Abstand zu den süd- und<br />

westslavischen Sprachen aufgefallen sein müssen. Die Behauptung, das<br />

Slovenische sei gleich mit dem Russischen (cum Rhutenica et Moscovvitica<br />

eadem est), ist für ihn nahezu unverständlich. In seiner eigenen Übersetzung<br />

richtet Herberstein schließlich noch weitere Verwirrung an. 0 Bei der Frage,<br />

warum er die Sakralsprache ausdrücklich die "gemeine Sprach" (vernacula<br />

lingua) nennt, ließen sich vielleicht <strong>nicht</strong>-linguistische Implikationen denken.<br />

Immerhin betont Herberstein auch, daß die Russen den Gottesdienst in der<br />

Landessprache abhielten und deshalb der Gläubige ohne Predigt auskomme.<br />

"...ad hoc, quod uarias opiniones<br />

ac haereses, quae ex concionibus<br />

plerunque oriuntur, sese eflugere<br />

credunt". 0<br />

"... vnd verstehen/ zu dem das<br />

sy vermainen/ vil irrthumen<br />

und Ketzereyen durch die Predigen<br />

entstanden sein". 0<br />

Konnte er das niederschreiben und <strong>nicht</strong> an die Lutherbibel, die volkssprachlichen<br />

Flugschriften und die massenbewegende Macht der Reformationsprediger<br />

denken?<br />

* 2 * Situs Moscovitarum circumquaque hostibus cinctorum<br />

Bei <strong>Fabri</strong> findet sich die <strong>von</strong> seinen Informanten lancierte Legende <strong>von</strong><br />

der ringsherum gefährdeten Lage des Moskauer Reiches. Einerseits die Umzingelung<br />

durch Türken und Tataren (Turcis ac Tartaris undique circundati)<br />

(232), andererseits die lange Eismeergrenze bestimmen das Leben der Russen.<br />

Das Eismeer - seit dem Bericht des Pytheas ein Faszinosum der Geographen<br />

- verlockt <strong>Fabri</strong> zu einem längeren Exkurs. Hier schlägt Herberstein<br />

zu, denn mit der Nennung lästiger Skribenten meint er - wen denn sonst? -<br />

<strong>Fabri</strong>: Ceterum, cum de Glaciali mari varia multaque a plerisque scriptoribus<br />

traduntur, haud abs re fore visum est. (326)<br />

<strong>Fabri</strong> hat die Frage nach der Zugehörigkeit Rußlands zu Europa oder<br />

Asien aufgeworfen. Einer Antwort sind die befragten Russen anscheinend<br />

ausgewichen. Es ist wohl möglich, daß sie dieselbe Frage schon vorher hatten<br />

beantworten müssen, so wiesen sie <strong>Fabri</strong> gegenüber nur auf die ungeheure<br />

Größe Moskoviens hin: Moscovitarum certe ducis imperium adeo latiis<br />

protenditur ... ut aliquot spatia Asiae complectatur, aliquot etiam Europae,<br />

eaque minime parvae. Herberstein kann fünfundzwanzig Jahre später die Frage<br />

"Rußland und Europa" wesentlich entschiedener beurteilen, vermutlich un­


ter dem Einfluß der Kosmographen, die die Teilung zwischen den Erdteilen<br />

<strong>von</strong> Mathias de Miechow rezipiert hatten 0 . Moscovviam si non in Asia tamen<br />

in extremis Europae, qua maxime Asiam contingit, finibus sitam pervenimus<br />

(174). Die Lage der Hauptstadt selbst stellt Herberstein ganz lakonisch fest:<br />

Moscovviam in Asia non in Europa sitam reperies (187).<br />

* 3 * Urbes celebres. Moscovia. Fladimeri. Blascovia. Novigradia. Smolne.<br />

Otiferi.<br />

Der Dolmetscher Vlas Ignat'ev hatte vor <strong>Johann</strong> <strong>Fabri</strong> die russische<br />

Stadtlandschaft in leuchtenden Farben gemalt, die Weitläufigkeit russischer<br />

Städte umgedeutet und auch über Haustein- und Ziegelbefestigungen schwadroniert.<br />

Bedenken wir, daß Volaterranus 1506 <strong>von</strong> Moskau nur den Namen<br />

kannte, obwohl dort bereits seit 1475 italienische Bauhütten den Kreml modernisierten!<br />

Bedenken wir weiter, daß die 1493 in Nürnberg erschienene historisch-geographische<br />

Enzyklopädie, Hartmann Schedels "Buch der Chroniken<br />

und Geschichten", lateinisch erschienen #,<br />

erinnern wir uns, daß deutsche Kaufleute seit Jahrhunderten in ganz Rußland<br />

Handel trieben und dennoch keine einzige landeskundliche Schrift hinterlassen<br />

haben! So gesehen sind die <strong>von</strong> <strong>Fabri</strong> erfragten Informationen zwar geschönt,<br />

waren aber für den Zeitgenossen, der etwas über die östliche Ausdehnung<br />

der europäischen Stadtkultur wissen wollte, <strong>von</strong> höchstem Interesse,<br />

denn immerhin liest er die Namen der russischen Städte. Moskau sei, so<br />

erfährt der Westeuropäer, doppelt so groß wie Köln. Dem widerspricht Herberstein<br />

<strong>nicht</strong>, doch er spricht <strong>von</strong> der amorphen Weitläufigkeit Moskaus. Die<br />

Stadt sei satisque ampla, quae procure etiam amplior ... Porro vasta civitatis<br />

magnitudo fecit, ut nullo certo termino contineatur, nec muro ...(175). Im Übrigen<br />

sind in den Commentarii so viele Einzelheiten über Moskau - und zusätzlich<br />

ein Stadtplan - angeboten, daß eine direkte Widerlegung <strong>Fabri</strong>s überflüssig<br />

war. Schon in seiner Autobiographie hatte Herberstein notiert:"Die Stat ist<br />

weder mit gräbnen, zeyn oder gemeurn Eingefangen". 0<br />

<strong>Johann</strong> <strong>Fabri</strong> schrieb auch die Angaben Vlas Ignat'evs über russische<br />

Städte nieder: Huic tamen magnitudine non imparem habent, & aliam urbem<br />

Fladimeri, tum Blescoviam, & Nouigradiam, Smolne, & Otiferi, quas regiis,<br />

amplissimisque aedificiis extructas dicebant, muris quoque bene munitis, illisque<br />

tum ex quadratis, tum decoctis lapidibus extructis. Quarum etiam Blescovia<br />

praeter caeteras praemunita, muris tribus cingitur: Reliquae vero, quas habent<br />

innumeras, non usque adeo celebres habentur.<br />

Die Falschmeldung war so offenkundig, daß Herberstein berichtigen<br />

mußte. An mehreren Stellen merkt er an, daß russische Städte keine steinernen,<br />

sondern hölzerne Befestigungen haben. Bei der Druckvorbereitung 1549<br />

hatte er augenscheinlich <strong>Fabri</strong>s Pseudo-Informationen noch vor Augen, hier<br />

mußte er als Augenzeuge richtigstellen: Sola autem Plescovvia in toto Mosci<br />

dominio muro cingitur. Quae res quibusdam occasionem erroris praebuit, ut<br />

eam quadrupli muro cinctam esse dicerent.<br />

* 4 * NEMORA. FERE COLORIBUS CUM NOSTRIS DISPARES<br />

Die kostbaren weißen Pelze aus Rußland waren in ganz Europa bekannt,<br />

den Hanseaten brachte diese seltene Ware einen guten Teil ihres<br />

Wohlstands. Aus welchem Grunde aber Bären, Wölfe, Füchse, Hasen, Her­


melins ... in Rußland weiße Pelze haben, das war kaum zu erklären. <strong>Fabri</strong><br />

hat die Russen befragt und damit auch Herberstein die Anregung gegeben,<br />

nach diesem Phänomen zu fragen: 0 <strong>Fabri</strong> fand die Kälte des Nordens als<br />

Grund: Nec mirum fortassis, in causa enim facile fuerit nimium illud Septentrionis<br />

frigus, quod semper mater est albedinis, uti philosophia constat. Vielleicht<br />

hätte <strong>Herbersteins</strong> bei empirischem Ehrgeiz erfragen können, bei Hanseaten<br />

oder Einheimischen, daß Winter- und Sommerpelz zu unterscheiden<br />

sind. Doch wir finden nur eine Bemerkung zur nordwestlichen Provinz Novgorods,<br />

dem Wotenland, daß animalia cuiuscunque generis in eam inducta fuerint,<br />

colorem suum in albedinem mutare. In seiner deutschen Übersetzung relativiert<br />

er diese ihm wohl doch fraglich erscheinende Feststellung: ...ist die<br />

gemain sag, was viech in dieselb gegent khumbt, das wirt weiß (212)<br />

* 4 * Maxima merx pellium<br />

Der russische Rauchwarenhandel war wohl das am weitesten bekannte<br />

Faktum über Rußland, das wir seit dem Hochmittelalter in den Quellen verfolgen<br />

können. Hier bietet Herberstein, <strong>nicht</strong> nur in seinem Abschnitt über Pelze,<br />

zahlreiche Informationen, die man allerdings wohl in jeder Hansestadt<br />

noch hätte vertiefen können.<br />

Vlas Ignat'ev hat dem deutschen Theologen gegenüber betont, daß in Rußland<br />

der Tauschhandel üblich sei, der auf dem Wort (und <strong>nicht</strong> schriftlichen<br />

Verträgen beruhe): Simplici verborum fide, non longis ambagibus contrahunt,<br />

mercem pro merce.<br />

Gegen diese Selbstdarstellung der Russen hat Herberstein seine praktischen<br />

Erfahrungen gesetzt, <strong>nicht</strong> ohne dem gutgläubigen <strong>Fabri</strong> einen Seitenhieb zu<br />

versetzen: Mercantur fallacissime ac dolosissime (listig und betrügerisch) nec<br />

paucis verbis, ut quidam scripserunt(163). Wie vieles andere geht auch <strong>Herbersteins</strong><br />

Bemerkung über das altrussische Fellgeld auf <strong>Fabri</strong> zurück (pro frugibus,<br />

ac reliquis vitae necessariis pelles frequentissime commutant), denn<br />

der Zahlungsverkehr mit "capites martarorum" existierte als beobachtbare<br />

Praxis längst <strong>nicht</strong> mehr. Doch Herberstein hat vermutlich auf <strong>Fabri</strong>s Anregung<br />

hin gefragt und sich eine Notiz gemacht: proboscide et auriculis aspreolorum<br />

aliorumque animalium ... utebantur iisque vitae necessaria ceu pecunia<br />

emebant(161)<br />

* 5 * Plerique eorum cum bestiis commune habent in cibo. Plerique, ut nos,<br />

cibis vescuntur.<br />

Die spätmittelalterlichen Vorstellungen <strong>von</strong> den halb-menschlichen Völkern<br />

am Rande der Welt, wie sie noch einmal durch die Weltchronik <strong>von</strong> Hartmann<br />

Schedel 1495 verbreitet worden waren, 0 haben ihren Niederschlag auch in<br />

den Rußlandberichten der frühen Neuzeit gefunden. <strong>Fabri</strong> hat bei Volaterranus<br />

die in Bärenfell gekleideten Waldmenschen gefunden und <strong>von</strong> den Russen<br />

erfahren, vino & frumento neque utuntur, neque habent, sed uti bestiae<br />

bestiis vescuntur: id quod cum Tartaris commune habent, ignomine vulgus<br />

est, & omnino sylvestrae, Tartariae vicinum, ad litus maris glacialis in sylvis<br />

habitans. Der deutsche Gelehrte beeilt sich indes darzutun, daß man derlei<br />

<strong>nicht</strong> <strong>von</strong> den russischen Stadtbürgern zu meinen habe, und verweist auf seinen<br />

eigenen Augenschein: cives in esu piscium nobiscum magis civiliter communicant:<br />

in decoquende vero nonnihil a nobis discrepant, quantum ipse vidi.<br />

Was hier an der Grenze der Lächerlichkeit dargelegt wird, könnte mit dem -


vielleicht <strong>von</strong> <strong>Fabri</strong>s Gesprächspartnern gebrauchten - Terminus "syrojadcy"<br />

für die Nomaden zusammenhängen, der dann vielleicht durch Hinweise auf<br />

Ceremissen, Mordva, evtl. Samojeden (!) erklärt worden ist. Der Terminus<br />

kann ja sowohl die <strong>von</strong> Milchwirtschaft lebenden Nomaden (also im Sinne <strong>von</strong><br />

"Käsefresser") als auch die Heiden überhaupt - im Sinne <strong>von</strong> "Rohes-Fresser"<br />

- meinen. In analoger Weise kann bekanntlich das Ethnonym "Eskimo" erklärt<br />

werden. 0<br />

* 5 * De titulo principum Russiae<br />

<strong>Herbersteins</strong> apologetische Ausführungen zu den Titeln des russischen<br />

Herrschers ziehen immer wieder das Interesse auf sich. Auch an dieser Stelle<br />

ist der Seitenblick auf das Buch <strong>von</strong> <strong>Fabri</strong> <strong>von</strong> Interesse. Die wenigen<br />

Äußerungen zu Aspekten der politischen Struktur Moskoviens bei <strong>Fabri</strong> sind<br />

unter dem Aspekt der hastigen Niederschrift zu betrachten. Nicht Archivalien<br />

und gelehrte Abhandlungen, sondern die politische Erfahrung am Hof des<br />

Erzherzogs sind in die Darlegung eingeflossen. <strong>Fabri</strong> beginnt mit der<br />

Nachricht <strong>von</strong> der kaiserlich-griechischen Gattin Ivans III. Deutlich erkennbar<br />

scheint die Herkunft dieser Angabe aus Volaterranus 0 und <strong>nicht</strong> aus den<br />

Erzählungen der russischen Diplomaten, deren Aussage diesbezüglich hätte<br />

wohl lauten müssen: Die Mutter unseres Souveräns ist aus kaiserlichem<br />

Geschlecht.<br />

Nicht unmittelbar mit dem Vorigen verbunden äußert <strong>Fabri</strong> sich über<br />

jenes Thema, das später für Herberstein zum neuralgischen Punkt wird - den<br />

russischen Herrschertitel. Die Begründung für den Imperatoren-Titel schöpft<br />

er aus der byzantinisch-kaiserlichen Verwandtschaft... ab his quas praediximus<br />

titulum suum ac inscriptionem Russiae imperator accipit. Und danach<br />

plaudert <strong>Fabri</strong> unbefangen aus der <strong>von</strong> ihm selbst beobachteten Praxis: Atque<br />

certe ille est titulus, quo anno proximo elapso XXIIII. mense Augusto,<br />

dum in inclyta Vienna tua, te ex Magni Basilii nomine salutarent, sunt orationem<br />

suam exorsi. Der <strong>von</strong> <strong>Fabri</strong> dann zitierte Titel ist eben jener, gegen den<br />

Herberstein so ausführlich argumentierte:<br />

BASILIUS dei gratia imperator totius Russiae, ac magnus dux Fladimeri &<br />

Moscoviae, Novigradiae, Blescoviae, Smolne, & Otiferi. Folgt man den<br />

Ausführungen <strong>Herbersteins</strong>, dann hätte der Titel Vasilijs III. gelautet:<br />

Magnus dominus Basilius dei gratia rex Novvogardiae, Plescovviae ..."(49).<br />

Erstaunlich und bisher <strong>nicht</strong> erklärt ist die Tatsache, daß Herberstein statt seiner<br />

(diesem Zitat folgenden) Bemühungen, den Zarentitel aus einem Übersetzungsmißverständnis<br />

zu erklären, <strong>nicht</strong> auf <strong>Fabri</strong> verwiesen hat, wird doch unabweisbar<br />

deutlich, daß 1524 in Wien der Imperatorentitel ohne Beanstandung<br />

vorgetragen worden ist. Herberstein wehrt sich bekanntlich vor allem gegen<br />

Vorwürfe gegen seine Person, wohl auch <strong>von</strong> polnischer Seite - hierher<br />

ist bekanntlich auch 1560/61 der Widerstand gegen die Anerkennung des Zarentitels<br />

<strong>von</strong> Ivan IV. gekommen.<br />

* 6: QUANTAS BELLI COPIAS BREVI TEMPORE EDUCERE QUEANT.<br />

Die militärische und politische Macht des russischen Monarchen ist <strong>von</strong><br />

interessierter Seite jahrhundertelang hochgerechnet und dabei ins Unermeßliche<br />

übertrieben worden, zum ersten Mal 1525/26 <strong>von</strong> <strong>Johann</strong>es <strong>Fabri</strong> und<br />

Paolo Giovio. Während die Informanten Giovios die Zahl <strong>von</strong> 150.000 Kriegern<br />

nannten, hat man den anscheinend wenig kritischen <strong>Fabri</strong> mit immerhin


dem Doppelten, 200-300.000 Mann, beeindruckt, die überdies noch binnen<br />

weniger Tage dem Monarchen zur Verfügung stünden. Ausgangspunkt dieser<br />

Hochrechnung dürfte die Angabe <strong>von</strong> 30.ooo Reitern sein, die der Dolmetscher<br />

Vlasij für seinen Herrn genannt hat.


Ex quibus non postremus est ille<br />

canus & barbatus, quem velut Oratorum<br />

Ruthenorum imperator misit,<br />

ut serenitatem tuam primo, ac post<br />

Caesaream maiestatem in Hispaniis<br />

adiret.<br />

Qui & triginta milibus equitum quoties<br />

belli necessitas exigit, Imperatori<br />

suo succurrere solet.<br />

Hanns Khnes Posetzen...<br />

der ist arm gewest (adeo pauper<br />

est, ut...), also das er seine<br />

claider und hüetl Kholpackh<br />

genant zu der Rayß entlehnen<br />

müessen. Darumb hat der<br />

größlich<br />

geirrdt, der geschri­<br />

ben hat, er möchte seinem<br />

Herrn zu yegclicher notturfft<br />

mit dreissig thausendt zu Roß<br />

auß seinem Erbgüettern dienen<br />

(219).


<strong>Johann</strong> <strong>Fabri</strong> führte gutgläubig die ehrerbietigen Übertreibungen des<br />

Übersetzers über die Bedeutung des Gesandten an und gab Herberstein damit<br />

Gelegenheit, die angebliche potentia des Dienstfürsten durch ein Beispiel<br />

aus dem Augenschein lächerlich zu machen. Sein Hinweis allerdings, der Gesandte<br />

habe für die Reise nach Spanien und Deutschland Kleid und Hut erhalten<br />

(wie bei Herberstein auch woanders noch erzählt), kann für die Beurteilung<br />

der politischen und militärischen Macht keine Beweiskraft beanspruchen.<br />

0<br />

Die ungeheuren Heere, <strong>von</strong> denen <strong>Fabri</strong> berichtet, sind zugleich modern ausgerüstet<br />

und exerziert, sie kämpfen <strong>nicht</strong> mehr "more parthorum" (also fliehend<br />

rückwärts schießend mit Pfeil und Bogen): nunc vero ad omnes belli insultus,<br />

vel inferendos vel patiendos aptiores facti, etiam aeneis machinis,<br />

quas bombardas vocant, utuntur...<br />

Auf die Wogen jener Autoren, die die militärische Macht Moskoviens<br />

bewunderten und im Zeitalter der Türkenfurcht als Rettung ansahen, hat Herberstein<br />

bekanntlich Öl gegossen und an mehreren Stellen deren militärischen<br />

Fähigkeiten bestritten. Weder den Polen (Schlacht <strong>von</strong> Orša 1514)<br />

noch den Kazan'-Tataren waren sie militärisch gewachsen. Über die bei <strong>Fabri</strong><br />

genannten Bombarden, d.h. die Artillerie, die ausländischen Büchsenmeister<br />

und deren Anekdoten über die Dummheit der Russen hat Herberstein einiges<br />

erzählt, doch wird mehr als ein Seitenblick auf die Angaben <strong>Fabri</strong>s <strong>nicht</strong> zu<br />

vermuten sein.<br />

* 7 * QUANTUM IMPERATORI SUO PRAESIDES PROVINCIARUM<br />

OBTEMPERENT.<br />

Anders ist das bei einem Zentralthema <strong>Herbersteins</strong> zu sehen, dem Verhältnis<br />

<strong>von</strong> Monarch und Aristokratie.<br />

<strong>Johann</strong> <strong>Fabri</strong>, der zum Wissenschaftler und kaiserlichen Rat aufgestiegene<br />

Sohn eines Schmiedes, fand in den idealisierenden Darlegungen der Russen<br />

den unbedingten Gehorsam gegenüber dem Monarchen, die Werte des hochmittelalterlichen<br />

Staates wieder. Der Gehorsam selbst des "vornehmsten,<br />

reichsten und mächtigsten" Fürsten gegenüber dem Kaiser "wie gegenüber<br />

Gott" (instar dei) - das war für <strong>Fabri</strong> ein politisches Ideal. Imo haec maxima<br />

noxa, ac ignominia apud ipsos censetur, quum minus aliquis in cunctis duci<br />

suo pro voluntate egerit. Econtra praeclarissimam in viro esse obedientiam.<br />

Adeo nulla est natio quae imperatori suo magis obediat, nihil plus viro dignum<br />

aut gloriosius esse ducentes, quam pro principe etiam mori.<br />

Den standesbewußten Adligen Herberstein mußte derlei politische Rhetorik<br />

ein Ärgernis sein, doch die Behauptung, Moskowien sei das Land einer idealen<br />

Monarchie, bedurfte seines Kommentars - und seiner Berichtigung. Herberstein<br />

kehrte die Wertzuweisung um, indem er zwar Beispiele für den strikten<br />

Gehorsam der Adligen anführte, diese aber als überforderte und eigentlich<br />

entwürdigte Dienstmannen zeichnete. Daneben charakterisiert er vor allem<br />

die "Tyrannis" des Großfürsten und deren Entsprechung in der servitus,<br />

Dienstbarkeit. Gens illa magis servitute quam libertate gaudet (136).<br />

Darf man zu Recht das Büchlein Moscovitarum iuxta mare glaciale religio<br />

als Vademecum Siegmund <strong>von</strong> <strong>Herbersteins</strong> bezeichnen? Hat sich Herberstein<br />

eine Stichwortliste gemacht, die weit über den Rahmen des Themas


Religion hinausgeht? Es scheint so, denn an vielen Stellen ist die unmittelbare<br />

Korrespondenz zwischen beiden Texten erkennbar. Ja, man wird sagen<br />

dürfen, Herberstein habe <strong>Fabri</strong>s Buch noch bei der Formulierung der Endfassung<br />

konsultiert.<br />

***<br />

II.<br />

Eigentlicher Zweck des Buches Moscovitarum iuxta mare glaciale religio<br />

<strong>von</strong> <strong>Johann</strong> <strong>Fabri</strong> war die Unterrichtung der religiös engagierten katholischen<br />

Öffentlichkeit in Deutschland über die wichtigsten Phänomene der russischorthodoxen<br />

Kirche. Der Autor geht darum auf diese Fragen viel ausführlicher<br />

ein als auf die bisher zitierten Themen, die <strong>nicht</strong> mehr als eine Einleitung dazu<br />

bildeten. In den wenigen Wochen, die <strong>Fabri</strong> für die Abfassung des Textes zur<br />

Verfügung standen, war eine Suche nach Publikationen wie dem Werk <strong>von</strong><br />

Mathias de Miechow <strong>nicht</strong> zu leisten; das neueste Werk, das 1525 in Rom erschienene<br />

Buch <strong>von</strong> Paolo Giovio, war vermutlich noch <strong>nicht</strong> bis in den deutschen<br />

Sprachraum gedrungen - so konnte der gelehrte Verfasser allein auf<br />

das Wenige in der eigenen Bibliothek vorhandene zurückgreifen und mußte<br />

sich im übrigen auf sein Urteilsvermögen verlassen. Dieses darf <strong>nicht</strong> zu gering<br />

veranschlagt werden, findet man doch in seinem 1524 erschienenen<br />

Hauptwerk, dem "Malleus in haeresim Lutheranam" häufig die wichtigsten<br />

griechischen Kirchenväter und eine Auswahl <strong>von</strong> byzantinischen Theologen<br />

zitiert0 . In seiner Argumentation zum Zölibat verwendet er, an Luther gewandt,<br />

den Brauch der orientalischen Kirchen als Beweis, und bringt dazu eine zitierwürdige<br />

Aussage über die Moskovitern:"Audi nunc, quid septentrionales in ea [re]<br />

servent: Moscovitae illi, qui toti Paulini sunt, sacerdoti non nisi unam et virginem<br />

uxorem habere permittunt. Ea si moritur, non licet illi aliam, quamdiu vivit, in uxorem<br />

habere unquam. Hi licet quasi efferi sint et homines admodum silvestres, tamen hunc<br />

ordinem a Paulo se accepisse, immo quasdam epistolas manu Pauli scriptas sese<br />

habere gloriantur. Et re vera verbum apostoli de unius uxoris episcopo sic debet intelligi"<br />

0 . Schon zuvor hatte <strong>Fabri</strong> sich mit Luther in einen schriftstellerischen<br />

Streit über die Priesterehe eingelassen und war dabei <strong>von</strong> dem Reformator<br />

übel behandelt worden0 . Luther als ehemaliger Augustinermönch, der eine<br />

entlaufene Nonne geheiratet hatte, mag <strong>Fabri</strong> vor Augen gestanden haben,<br />

als er sich dann 1525 bei den Russen nach den Modalitäten der orthodoxen<br />

Priesterehe erkundigte. So mag sich auch seine Frage nach der Ehe <strong>von</strong><br />

Mönchen erklären.<br />

Das Verbot sukzessiver Bigamie für Weltgeistliche ist in Rußland - obwohl<br />

seit langem umstritten - erst 1503 kodifiziert worden, <strong>Fabri</strong> beweist hier<br />

also die Kenntnis neuester Entwicklungen in der russischen Kirche. Dieses<br />

Thema hat bis zu Antonio Possevino immer wieder aktuelles Interesse gefunden,<br />

auch Herberstein geht darauf präzisierend ein0 .<br />

<strong>Johann</strong> <strong>Fabri</strong>s Denken war geprägt durch seine Polemik mit Luther und<br />

so ist es <strong>nicht</strong> verwunderlich, wenn man in dem gerade erst publizierten Malleus<br />

in haeresim Lutheranam manche der Themen bereits abgehandelt findet,<br />

die in <strong>Fabri</strong>s Rußlandbuch 1526 und schließlich in <strong>Herbersteins</strong> Commentarii<br />

1549 wieder behandelt werden.<br />

Herberstein mußte gerade die <strong>von</strong> <strong>Fabri</strong> als wichtig erachteten Punkte genau<br />

studiert haben, um <strong>nicht</strong> beliebige, sondern seinem Dienstherrn in der<br />

Verteidigung des alten Glaubens nützliche Informationen zu liefern. Als theologisch<br />

<strong>nicht</strong> vorgebildeter, die "Spitzfindigkeiten" kaum verstehender, eventu­


ell religiös indifferenter (so die Meinung Günther Stökls) Humanist und Politiker<br />

hatte Herberstein allen Grund, sich an das ihm dargebotene Vademecum<br />

zu halten. Aus seinem Text läßt sich erkennen, daß <strong>Fabri</strong>s Darlegungen für<br />

Herberstein erkenntnisleitend gewesen sind, mag er bekräftigende oder widerlegende<br />

Antworten darauf vorgefunden haben. Selbstverständlich sind die<br />

Präzisierungen <strong>Herbersteins</strong>, seien es Anzahl und Namen der Bischofssitze,<br />

#<br />

<strong>Fabri</strong> gliedert seine Darlegungen über die russische Orthodoxie wie folgt<br />

1. Episcoporum auctoritas (Mönchtum, Klöster)<br />

2. Sacerdotium (Priesterehe etc.)<br />

3. Sacramente - Eucharistie<br />

- Taufe<br />

- (Beschneidung, Idololatrie)<br />

- Konfirmation<br />

- Ehe und Dispens<br />

- Beichte, Buße, Absolution<br />

- Fasten<br />

- Gebet<br />

4. Bilderverehrung, Almosen, Wallfahrt u.ä.<br />

5. Ablaß, letzte Ölung<br />

6. Bildungseinrichtungen, Bücher, Heilige, Festtage<br />

7. Unionsfrage<br />

Diese Punkte sind <strong>nicht</strong> allzu konsequent geschieden, überdies sind sie <strong>von</strong><br />

ständiger Kulturkritik durchzogen, in welcher Dr. <strong>Johann</strong> <strong>Fabri</strong> dem verdorbenen<br />

Deutschen Reich das fromme, geradezu frühchristliche Rußland gegenüberstellt.<br />

Die Andreas-Legende ist es, die Vlas Ignat'ev dem deutschen Theologen<br />

erzählt hat: In dem hier vorauszusetzenden Gesprächszusammenhang<br />

(<strong>Fabri</strong>: Wo nimmt das russische Christentum seinen Anfang?) ist sie die<br />

prächtigste Autonomie- und Gleichrangigkeitsthese. <strong>Fabri</strong> entwickelt <strong>von</strong> diesem<br />

Ausgangspunkt her ein durchgehendes Motiv, daß nämlich die Russen<br />

diesem apostolischen Glauben bis in die Gegenwart treu geblieben seien, vor<br />

allem den sieben ökumenischen Konzilien <strong>nicht</strong>s mehr hinzugefügt hätten.<br />

Herberstein hat offensichtlich daraufhin nach der Andreaslegende gefragt und<br />

im Zusammenhang der Taufgeschichte den passenden Text erhalten. Daß<br />

ihm die Frage <strong>Fabri</strong>s noch im Ohr klang, sieht man an wörtlichen Zitaten:


FIDE CHRISTUM PROFITENTUR;<br />

AB ANDREA APOSTOLO PRI­<br />

MUM EDOCTI:<br />

At quod maximum est in vita,<br />

fidem Christianum sequuntur<br />

quam a sancto Andrea apostolo,<br />

fratre Simonis Petri, primum<br />

eis praedictam affirmant (206)<br />

Rhuteni in annalibus suis<br />

aperte gloriantur ...<br />

terram Russiae esse baptizatam et<br />

benedictam ab Andrea<br />

Christi apostolo (77).


Constantiori animo quam plerique<br />

nostrum in hac prima fide perseverare<br />

solent, quam ab apostolo<br />

Andrea, suisque successoribus<br />

sanctisque patribus tribus didicerunt,<br />

atque ab ubere materno suxerunt.<br />

Russia ut coepit in ita hunc usque<br />

diem in fide Christi rito Graeco perseverat<br />

(77)<br />

Zwar mag in diesem Falle die Verwendung des gleichen Zeitwortes<br />

vom Inhalt her bestimmt sein und keine wirkliche <strong>Abhängigkeit</strong> <strong>Herbersteins</strong><br />

<strong>von</strong> <strong>Fabri</strong> beweisen, doch will ich, um hier Klarheit zu schaffen, zwei Beispiele<br />

bringen, an denen Zweifel <strong>nicht</strong> möglich sind. Da geht es um die höchst spezielle<br />

Frage der Verwendung <strong>von</strong> Salz, Speichel und Staub bei der Taufe, die<br />

eigentlich nur einen praktizierenden Geistlichen beschäftigen konnte. <strong>Fabri</strong><br />

erfährt <strong>von</strong> den Russen: Sal vero quod a nostris adhibetur et lutum ex saliva<br />

et pulvere, non admodum receptum est Moscovitis...(217). Vermutlich aus<br />

Gründen der Vollständigkeit greift Herberstein dieses - theologisch beiläufige,<br />

eher folkloristische - Detail auf und bestätigt: Non adhibent sal neque salivam<br />

cum pulvere (104). Das zweite Beispiel betrifft den wichtigen Punkt der kirchlichen<br />

Grundherrschaft: <strong>Fabri</strong> hatte erfahren, die Bischöfe villas ac castra possident<br />

(209), <strong>Herbersteins</strong> Replik lautet Castra autem, civitates aut ullam administrationem<br />

secularem (ut vocant) non habent(79).<br />

Dr. <strong>Fabri</strong>, Inhaber mehrerer Pfründen und wohl in ruhiger Gewißheit<br />

auf einen Bischofsthron, interessierte sich wohl auch daher brennend für die


Macht und die Prärogative der russischen Bischöfe. Seine Feststellung, hi<br />

certe sunt episcopi, per quos statque caditque universa Ruthenorum religio<br />

(209), scheint zunächst eine wenig bedeutsame Wendung zu sein, doch wenn<br />

<strong>Fabri</strong> befriedigt konstatiert, die bischöfliche auctoritas et munus unterscheide<br />

sich zwischen Katholizismus und Orthodoxie kaum, dann sollte man sich ins<br />

Gedächtnis rufen, daß ja die deutschen Reformatoren direkt gegen klerikale<br />

Pracht und Macht, vor allem die Ausübung weltlicher Gewalt durch den Episkopat<br />

zu Felde zogen. Das spiegelte sich unmittelbar in <strong>Fabri</strong>s gegenreformatorischen<br />

Schriften, etwa im Malleus in haeresim Lutheranam, dort ist die<br />

Macht der Bischöfe ein immer wiederkehrendes Thema 0 .<br />

Daß allein den Bischöfen die Priesterweihe oblag, sie alleine (oder mittels ihrer<br />

Vikare) über Geistliche Recht zu sprechen hatten, und vieles andere hatte<br />

<strong>Fabri</strong> <strong>von</strong> den Russen erfragt. Zunächst zur juristischen Immunität des russischen<br />

Klerus, die <strong>Fabri</strong> strikt gewahrt sieht: Ita nec se unquam imperator ipse<br />

(gemeint ist Vasilij III.) de poenis clericorum ingerit, hoc episcopalis tantum<br />

animadversionis constanter affirmant et praedicant, ut eos arguat et castiget,<br />

quos sibi subditos evagelicus ordo, ac in sortem domini vocatio fecerit.<br />

Herberstein hatte einen Abschnitt "De iurisdictione spiritualium" in sein Religionskapitel<br />

gesetzt, in dem der Leser vor allem die Übersetzung einer alten,<br />

Vladimir dem Heiligen zugeschriebenen Kirchenordnung findet. Nicht hier,<br />

sondern an anderen Stellen versteckt innerhalb des Religionskapitels antwortet<br />

Herberstein auf die Informationen der Gewährsmänner Dr. <strong>Fabri</strong>s. Zur persönlichen<br />

Haltung Vasilijs III. gegenüber der Hierarchie bringt Herberstein in<br />

aller Breite den Fall der Absetzung <strong>von</strong> Metropolit Varlaam im Jahre 1522<br />

(also aus zweiter Hand), dabei schonungslos den skrupellosen Tyrannen und<br />

das moralisch feste, <strong>nicht</strong> kompromittierbare Opfer gegenüberstellend. Was<br />

über die Lage des niederen Weltklerus zu berichten war, schien wohl selbst<br />

Herberstein so schwierig darzustellen, daß er es allein durch Beispiele verdeutlichte.<br />

Er kann nämlich den Beweis durch Augenschein antreten: "Ich<br />

vnnd mer haben gesehen in der Mosqua" (Moscovia 41) daß Priester, die wegen<br />

Trunkenheit aufgegriffen worden waren, am nächsten Tag öffentlich ausgepeitscht<br />

wurden. Hinzuzufügen war, es sei kein anderer Protest erfolgt als<br />

dieser, daß die Priester <strong>nicht</strong> <strong>von</strong> gewöhnlichen Knechten geschlagen zu werden<br />

wünschten. Welch für den westlichen Klerus skandalöse Einzelheit! Die<br />

Formulierung der früheren Ausgaben ist <strong>nicht</strong> ohne Grund weniger drastisch."Vidimus<br />

Moscovuiae ebrios sacerotes publice uerberari" (Com. 29) Eine<br />

<strong>nicht</strong> weniger erstaunliche Begebenheit folgt unmittelbar darauf: Einige Jahre<br />

zuvor, paucis reoactis annis, habe ein Richter einen als Dieb gefaßten Priester<br />

henken lassen und sei trotz des Protestes <strong>von</strong> Seiten des Metropoliten<br />

straflos ausgegangen. Herberstein läßt <strong>nicht</strong> nach, sondern fügt einen dritten<br />

Beweis für die miserable Lage der russischen Priesterschaft hinzu, diesmal<br />

<strong>nicht</strong> als Einzelfall, sondern <strong>von</strong> der Art allgemeiner Rechtspraxis, in der weltliche<br />

Vergehen <strong>von</strong> weltlichen Richtern bestraft werden: Sofern ein Geistlicher<br />

vor Gericht klagt, <strong>von</strong> einem Laien geschlagen worden zu sein, der Richter<br />

aber zu der Überzeugung kommt, daß jener selber schuld sei, werde der<br />

Priester gestraft.<br />

Daß Herberstein "zuo diser spitzfingen zeyt" so ausführlich derlei schwierige<br />

Dinge darstellt, geht auf <strong>Fabri</strong>s Interesse zurück (er hatte das Problem<br />

auch im Malleus behandelt 0 ), die Art der Antwort läßt wohl auf Opposition ge­


gen <strong>Fabri</strong> schließen, sei es aufgrund des oben vermuteten persönlichen Widerspruchs,<br />

sei es aus eigener kritischer Haltung gegenüber Auswüchsen im<br />

katholischen Klerus.


purgatorium + totensorge >> steindorff?


***<br />

Siegmund <strong>von</strong> Herberstein, der immer wieder ausgeschriebee, Inaugurator<br />

der deutschen Rußlandkunde, hat selbst vieles einem anderen zu verdanken.<br />

Es kann keinem Zweifel untelriegen, daß Herberstein das Moscovitarum iuxta<br />

mare glaciale religio des Dr. <strong>Johann</strong> <strong>Fabri</strong> ausgiebig zu Rate gezogen hat,<br />

<strong>nicht</strong> nur in rebus theologicis. Die "WEißheit der Pelztiere" im Norden, <strong>von</strong> <strong>Fabri</strong><br />

aus der antiken Geographie herausgesucht, wäre <strong>von</strong> ihm ohne diese Anregung<br />

<strong>nicht</strong> erfragt worden, auch die längst verschwundeen Form des Fellgeldes<br />

, das wir aus rarbischen und hanseatischen Quellen erschließen, ist<br />

als Frage über <strong>Fabri</strong> an Herberstein gelangt.<br />

Ohne <strong>Fabri</strong>s Vorarbeit wäre das Religionskapitel in den Commentarii wenig<br />

ergiebig geblieben. Was hätte der Jurist Herberstein wohl erfragen können?<br />

Sicherlich wären ihm die aktuellen Themen, Fasten, Beichten, Fegefeuer usw.<br />

in den Sinn gekommen, die speziell theologischen Frtagen jedoch, etwa den<br />

Zeitraum zwischen Geburt und Taufe, den Gebrauch <strong>von</strong> Löffel, Zeon usw.<br />

bei der Eucharistie, die Tonsur und das Fehlen <strong>von</strong> Salz und Speichel bei der<br />

Taufzeremonie...<br />

H. stellte <strong>von</strong> einem Fachmann vorfomulierte Fragen. Seine Informationen haben<br />

die aus dritter Hand stammenden Schlüsse <strong>Fabri</strong>s zum Teil widerlegt -<br />

den Vlas Ignat'ev gehörte <strong>nicht</strong> dem Priesterstand an - zum Teil bestätigt oder<br />

variiert Herberstein aber die Erkenntnisse <strong>Fabri</strong>s. Er hat auch Materialien,<br />

Beispiele, Erklärungen parat, die <strong>Fabri</strong> sicherlich in zwei Jahrzehnten auch<br />

hätte sammeln können. Manchmal scheint es, als ob H. die Widerlegung eines<br />

frommen Seufzers bei FAbri mit Lust betreibe - können wir ahnen, wie die<br />

beiden persönlich zueinander gestanden haben?<br />

<strong>Fabri</strong> selbst steht in seinen Fragen und Kommentaren als reformwilliger,<br />

aber den radikalen Re3formatoren hilfslos gegenüberstehender Mann des alten<br />

Glaubens gegenüber, der überrascht die Urkirche am Gestade des Eismeers<br />

entdeckt zu ahben glaubt und vor Rührung sich seiner Kulturkritik am<br />

Niedergang der Zeiten nciht enthalten konnte. Die Möglichkeit, einen Verbündeten<br />

im Kampf gegen die Zerstörung der mittelalterlichen Kirche zu finden,<br />

faszinierte ihn ebenso wie ein halbes Jahrhundert später Melanchthon und<br />

andere. Auch Herberstein läßt sich in diese Stimmung hereinziehen, auch er<br />

spricht vom Zerfall des Alten, jedoch findet er diesen bei den Russen ebenso<br />

wie zu Hause.


11. A. LOPEZ DE MENESES Las primeras embajadas rusas en Espana (1523,<br />

1525 y 1527), in: Cuadernos de Historia de Espana (Buenos Aires) 1946, 5,<br />

111-128, hier 117 f.:"el Conde ha dado ... larga y buena relación del cargo<br />

que se ha ocupado en su servicio..."<br />

2. Incipit:"SERENISSIMO PRINCIPI AC DOMINO, D. FERDInando, Hispaniarum<br />

Principi & Infanti, Archiduci Austriae, Duci Burgundiae &c. Sacratissimae<br />

Caesaris maiestatis per Ro. imperium locum tenenti, Principi suo clemen­<br />

tiss. D. Ioannes <strong>Fabri</strong> salutem & pacem in CHRISTO domino nostro. Cum<br />

humaniter salutasses..."<br />

Für die Übersendung einer Kopie des Wiener Exemplars bedanke ich mich<br />

bei Kollegen Max Demeter Peyfuss, Wien.<br />

3. Vgl. zu den Ausgaben der<br />

Rerum moscoviticarum commentarii [= lateinische Ausgaben Wien 1549<br />

u.ö.; zitiert wird die Ausgabe Basel 1571, sie ist dank eines Nachdrucks<br />

Frankfurt/M. 1964 am leichtesten zu erreichen], der Moscovia [= eigene<br />

(ober-)deutsche Übertragung <strong>Herbersteins</strong> <strong>von</strong> Wien 1557] und der<br />

Moscoviter wunderbare Historien [= deutsche Übersetzung H. Pantaleons<br />

Basel 1563 u.ö.]<br />

die Erläuterungen <strong>von</strong> W. LEITSCH <strong>Herbersteins</strong> Ergänzungen zur Moscovia<br />

in späteren Auflagen und und die beiden zeitgenössischen Übersetzungen<br />

ins Deutsche, in: Forschungen zur osteuropäischen Geschichte 27(1980) S.<br />

177-194, und neuerdings<br />

W. LEITSCH Berichte über den Moskauer Staat in italienischer Sprache aus<br />

dem 16. Jahrhundert. Eine quellenkritische Studie mit besonderer Berück­<br />

sichtigung der italienischen Übersetzung der Moscovia <strong>Herbersteins</strong>. Wien<br />

Köln Weimar 1993, passim.<br />

4. F. ADELUNG Siegmund Freiherr <strong>von</strong> Herberstein. Mit besonderer Rück­<br />

sicht auf seine Reisen in Rußland geschildert. Sanktpetersburg 1818, S.<br />

151, Anm. 8.<br />

5. A.L. CHOROSKEVIC (u.a.) Sigizmund Gerberstejn, Zapiski o Moskovii.<br />

Moskva 1988, S. #.<br />

6. C. HARRAUER Die zeitgenössischen lateinischen Drucke der Moscovia<br />

<strong>Herbersteins</strong> und ihre Entstehungsgeschichte (Ein Beitrag zur Editionstech­<br />

nik), in: Humanistica Lovanensia 31 (1982) S. 141-163, hier 145; es hat<br />

allerdings den Anschein, als übernehme sie lediglich den Druckort, meine<br />

eigentlich aber die Basler Ausgabe <strong>von</strong> 1526, Autopsie ist vermutlich <strong>nicht</strong>


vorauszusetzen.<br />

7. Abt. I, Bd. 6. Stuttgart 1986.<br />

8. L. HELBLING Dr. <strong>Johann</strong> <strong>Fabri</strong>, Generalvikar <strong>von</strong> Konstanz und Bischof<br />

<strong>von</strong> Wien, 1478-1541. Beiträge zu seiner Lebensgeschichte. Münster<br />

1941, Nr. 9, vgl. S. 66 ff.<br />

9. H. MICHOW Das Bekanntwerden Rußlands in vor-Herberstein'scher Zeit,<br />

ein Kampf zwischen Autorität iund Wahrheit, in: Verhandlungen des fünf­<br />

ten deutschen Geographentages zu Hamburg. Berlin 1885, S. 119-130,<br />

hier 125.<br />

00. Fontes rerum Austriacarum. I. Abt., Scriptores, Bd. 1: Joh. Tichtel, S.v.<br />

Herberstein, J. Cuspinian, G. Kirchmair. Wien 1855 (Reprint 1969) S.<br />

69-396.<br />

11. Autobiographie S. 268; vgl. auch B. PICARD Das Gesandtschaftswesen<br />

Ostmitteleuropas in der frühen Neuzeit. Beiträge zur Geschichte der Diplo­<br />

matie in der ersten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts nach den Auf­<br />

zeichnungen des Freiherrn Sigmund <strong>von</strong> Herberstein. Graz 1967, S. 169 f.<br />

0 . <strong>Herbersteins</strong> Betonung seiner Augenzeugenschaft könnte humanisti­<br />

sche Rhetorik sein, vgl. C. HARRAUER Beobachtungen zu Darstellungswei­<br />

se und Wahrheitsanspruch in der 'Moscovia` <strong>Herbersteins</strong>. In: H.-B. HAR­<br />

DER (Hrsg.) Landesbeschreibungen Mitteleuropas vom 15. bis 17. Jahrhun­<br />

dert. Köln, Wien 1983, S. 186 ff.<br />

33. G. PFERSCHY (Hg.) Siegmund <strong>von</strong> Herberstein. Kaiserlicher Gesandter und<br />

Begründer der Rußlandkunde und die europäische Diplomatie. Graz 1988.<br />

(= Veröffentlichungen des Steiermärkischen Landesarchivs Bd. 17.) Darin<br />

findet sich mein eigener Beitrag: F. KÄMPFER Siegmund <strong>von</strong> <strong>Herbersteins</strong> "Re­<br />

rum Moscoviticarum Commentarii" als religionsgeschichtliche Quelle, S.<br />

147-163.<br />

44. Zitiert nach MICHOW, Bekanntwerden Rußlands S. 129.<br />

55. Für das Streben <strong>Herbersteins</strong>, seinen Ruhm schon zu Lebzeiten zu mehren, kann bereits Friedrich Adelung zahlreiche<br />

Beispiele anführen. Der Tagebucheintrag zitiert nach A. NÄGELE Daniel Mauch <strong>von</strong> Ulm, Reisebegleiter des Rußlandentdeckers<br />

Sigmund <strong>von</strong> Herberstein 1526/27, in: Mitteilungen des Vereins für Kunst und Altertum in Ulm und Oberschwaben<br />

31 (1941) S. 158-170, hier 160. Daniel Mauch ist tatsächlich Sekretär des Bischofs <strong>von</strong> Scara, des päpstlichen<br />

Nuntius an Großfürst Vasilij III. gewesen, hat Herberstein immerhin in Moskau getroffen und später, ab 1556, einen<br />

Briefwechsel mit ihm geführt, vgl. HARRAUER Drucke S. 160 f., HARRAUER Beobachtungen Anm. 14.<br />

0 Einige Vorüberlegungen zum vorliegenden Beitrag habe ich selbst in dem Vor­


trag angestellt, den ich 1986 auf dem Herberstein-Symposium gehalten habe (zi­<br />

tiert oben, Anm. 13). Die ältere Literatur bei HELBLING, <strong>Johann</strong> <strong>Fabri</strong> S. VI-XV; die<br />

folgenden Ausführungen folgen diesem Werk. Nach Helbling ist zu nennen der kurze<br />

Artikel in der Neuen Deutschen Biographie Bd. 4(1959) S. 728-729 und A. LHOTSKY<br />

Die Bibliothek des Bischofs <strong>von</strong> Wien, Dr. <strong>Johann</strong>es <strong>Fabri</strong> (1530-1541). In: DERS.:<br />

Aufsätze und Vorträge. Bd. 3: Historiographie, Quellenkunde, Wissenschaftsgeschichte.<br />

München 1972, 228-241. Der sehr ausführliche E. ZAMYSLOVSKIJ: Gerberštejn i<br />

ego istoriko-geografičeskija izvestija o Rossii. SPb 1884, widmet <strong>Fabri</strong> nur wenige<br />

Seiten und betont als Besonderheit, wie wohlgesonnen <strong>Fabri</strong> den Russen war (S.<br />

391-394).<br />

0 G. STUHLFAUTH War <strong>Johann</strong> <strong>Fabri</strong> <strong>von</strong> Leutkirch Dominikaner?, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte<br />

##(1922) S. 152-158.<br />

0 Meine Illustration ist dem Buch W. BAUER Die öffentliche Meinung in der Weltgeschichte.<br />

Wildpark-Potsdam 1930, S. 114 entnommen.<br />

0 STUHLFAUTH, Dominikaner passim; DERS.: Die beiden Holzschnitte der Flug­<br />

schrift "Triumphus veritatis, Sick der warheyt" <strong>von</strong> Hans Heinrich Freiermut(1524).<br />

Ein Beitrag zum Werke des Urs Graf, in: Zeitschrift für Bücherfreunde N.F.<br />

13(1921) S. 49-54, Abb.<br />

0 HELBLING, <strong>Johann</strong> <strong>Fabri</strong> S. 25.<br />

0 HELBLING, <strong>Johann</strong> <strong>Fabri</strong> Nr. 8, 15 u.a.<br />

0 A. NAEGELE Dr. <strong>Johann</strong> <strong>Fabri</strong>, Generalvikar <strong>von</strong> Konstanz: Malleus in haeresim<br />

Lutheranam (1524). Halbband 1-2. Münster 1941, 1952 (vgl. HELBLING, <strong>Johann</strong><br />

<strong>Fabri</strong> Nr. 8) - der Malleus weist <strong>Fabri</strong> schon vor seiner Rußlandschrift als einen an<br />

der Orthodoxie interessierten Theologen aus, s.u.; Summarium. Underricht ausz<br />

was Christenlichen ursachen Doctor Johan <strong>Fabri</strong> biszher der Lutherischen lere nit<br />

anhängig... 1526 (HELBLING, <strong>Johann</strong> <strong>Fabri</strong> Nr. 15) u.a. Allgemein zum polemi­<br />

schen Schaffen <strong>Fabri</strong>s vgl. HELBLING, <strong>Johann</strong> <strong>Fabri</strong> S. 33 f.<br />

0 Ebd. 38 (Nr. 19 <strong>von</strong> 1528)<br />

0 FABRI, Moscovitarum religio S. 198:"...qui cum & natus Moscovita esset, praeter<br />

suam vernaculam linguam, & Germanice & Latine mediocriter callebat".<br />

0 # 331; über die drei <strong>von</strong> Herberstein genannten Übersetzer vgl. A.V. ISACENKO Herbersteiniana<br />

I. Sigmund <strong>von</strong> <strong>Herbersteins</strong> Rußlandbericht und die russische Sprache<br />

des XVI. Jahrhunderts, in: DERS. Opera selecta. Russische Gegenwartssprache, russische<br />

Sprachgeschichte, Probleme der slavischen Sprachwissenschaft. München 1976,<br />

S. 337.<br />

0 Zitiert nach: A. FORSTREUTER Preußen und Rußland <strong>von</strong> den Anfängen des<br />

Deutschen Ordens bis zu Peter dem Großen. Göttingen 1955, S. 236. - Des Dol­


metschers Vlasij (el intérprete Biasio) und seiner lateinischen Ausdrucksweise<br />

(prout iacet: si non est Ciceroniana, id est quia ad eos Boreales status Cicero, sua<br />

Roma contentus numquam accesserit) gedenkt in einem Brief <strong>von</strong> 1523 Pedro<br />

Mártir de Angleria, vgl. LOPEZ DE MENEZES, Primeras embajadas S. 111, 125; M.P.<br />

ALEKSEEV Moskovskij pod'jačij Ja. Poluškin i italo-ispanskij gumanist Petro Martir,<br />

in: Kul'turnoe nasledie Drevnej Rusi. Istoki, stanovlenie, tradicii [Festschrift D.S.<br />

Lichacev]. Moskva 1976, S. 135.<br />

0 FORSTREUTER, Preußen S. 236: Ego cum eodem famulo meo schribam domino Iheorgio<br />

Mali similiter et vobis petens res ipsas procurare et iuvare. Peto igitur, quod vobis<br />

me et hanc causam habeatis commendatum, adhortetisque dominum Jheorgium nomine<br />

meo, quod de huiusmodi labore mei causa non redeat; hoc ego erga ambas personas<br />

vestras summo opere et totis viribus deservire studebo.<br />

0 Ebd.: Datum Moscovie die Jovis proxima post quasimodegeniti. Anno MDXVIII.<br />

0 #; vgl. FORSTREUTER, Preußen S. 79 ff.,88 ff.<br />

0 Der Beiname des Fürsten, <strong>von</strong> Herberstein als "Ioannes cognomento<br />

Possetzen"(#219) notiert, wird verschieden erklärt: ADELUNG, Herberstein 152,<br />

Anm. 9 deutet es als "posadnik";<br />

Choroskevic<br />

G. ALEF: The Origins of Muscovite Autocracy. The Age of Ivan III, Berlin 1986, 265<br />

betrachtet es als Beinamen "Prince Ivan Posechen' Yaroslavsky".<br />

Es hat jedoch den Anschein, als ob ein Irrtum bei Herberstein anzunehmen wäre:<br />

Sein Hauptverhandlungspartner in Moskau ist Vasilijs III. Vertrauter Sigona gewe­<br />

sen, dessen Namen er als "***" wiedergibt, der aber in den russischen Akten mit<br />

vollem Namen "Ivan Sigona Jur'ev syn' Podzogin" (PDS 1, 259) genant wird. Dieser<br />

Beiname "Podzegin" könnte in <strong>Herbersteins</strong> Notizen zu "Zasekin" geworden sein.<br />

0 AUTOBIOGRAPHIE 121; vgl. ADELUNG, Herberstein S. 70 f.<br />

0 R. M. VOLATERRANUS Commentariorum urbanorum liber primus. Rom 1506<br />

(u.ö.). Walter Leitsch hat die in Wien vorhandenen Ausgaben des Werkes eingese­<br />

hen und u.a. festgestellt, daß das Exemplar der Erstauflage Eigentum <strong>von</strong> <strong>Johann</strong><br />

<strong>Fabri</strong> gewesen ist, der es 1540 seinen Studenten gewidmet hat. Auf Rußland be­<br />

zieht sich nur fol. 102 r. (vgl. Anm. #). Zu Volaterranus und seinen übrigen Wer­<br />

ken vgl. J.H. Zedlers Großes vollständiges Universal-Lexikon. Halle, Leipzig<br />

1732-1754 (Reprint Graz 1961-1964) Bd.50, S. 345 f.<br />

0 Vgl. LEITSCH, Berichte #<br />

0 Allgemeine Deutsche Biographie Bd. 20 (1884, Nachdruck 1970) S. 610-613;


KÄMPFER, Religionsgeschichtliche Quelle ++;<br />

0 AUTOBIOGRAPHIE S. 84 (Salzburg), 104 (Moskau-Auftrag); ADELUNG, Herber­<br />

stein S. 44 ff.; PICARD, Gesandtschaftswesen S. 167.<br />

0(415)<br />

0AUTOBIOGRAPHIE S. 132, vgl. ADELUNG, Herberstein S. 103 ff.<br />

0 Dazu ADELUNG, Herberstein S. 381, Anm. 5 (Rolle des Gesandten Francesco da<br />

Collo); MICHOW, Bekanntwerden Rußlands S. 123-128; Einzelnachweise im Kom­<br />

mentar <strong>von</strong> S.A. ANNENSKIJ: Matvej Mechovskij, Traktat o dvuch Sarmatijach. Mo­<br />

skva-Leningrad 1938, S. 215 u.ö. Daß Herberstein den Mechovita <strong>nicht</strong> in der<br />

deutschen Übersetzung (Augsburg 1518) verwendet hat, konnte ich an Indizien<br />

zeigen: F. KÄMPFER "Die völcker CIRCASSI oder CYKY" in: Kleine Völker in der Ge­<br />

schichte Osteuropas. Festschrift für Günther Stökl zum 75. Geburtstag. Stuttgart<br />

1991, S. 43-51.<br />

0 Ein kurzer Abschnitt des schweizer Humanisten Joachim <strong>von</strong> Watt (Vadian) über<br />

seine Begegnung mit gefangenen Russen aus dem Jahr 1522 wird angeführt <strong>von</strong><br />

E. BRYNER Die russisch-orthodoxe Kirche in der Sicht schweizerischer Autoren der Reformationszeit,<br />

in: "Primi sobran'e<br />

pestrych glav". Slavistische und slavenkundliche Beiträge für Peter Brang zum 65.<br />

Geburtstag. Bern, Frankfurt am Main 1989, S. 619 f.<br />

0 (47).<br />

0 197 f.<br />

0 C. GÖLLNER Turcica. Die europäischen Türkendrucke des XVI Jahrhunderts. Bd.<br />

1. Bucuresti, Berlin 1961, Nr. 295 f.(1528), 432 (1532), 594 (1537).<br />

0 R. STUPPERICH Melanchthon und Hermann Wittekind über den livländischen<br />

Krieg, in: Zeitschrift fur die Geschichte des Oberrheins N.F. 64 (1955) S. 278.<br />

0 A.L. CHOROSKEVIC Rossija i Moskovija. Iz istorii politiko-geograficeskoj termi­<br />

nologii, in: Acta Baltico-Slavica 10 (1976) S. 47-57; vgl. auch O. PRITSAK The<br />

Origin of the Name Rus/Rus', in: Passé turco-tatar, présent sovietique [Festschrift A.<br />

Benningsen]. Louvain, Paris 1986,45-65; E. KLUG Das "asiatische" Rußland. Über die<br />

Entstehung eines europäischen Vorurteils, in: Historische Zeitschrift # (1987)<br />

265-289, hier 271-274.<br />

0 CHOROSKEVIC, Rossija S. 55, Anm. 49;<br />

0 BRYNER, Russisch-orthodoxe Kirche S. 620; die Amaxobii werden bei Volaterranus als<br />

Nachbarn der Scythen bezeichnet.


0 Volaterranus, Commentariorum fol. 102 r.<br />

0 Im einzelnen dazu W. LEITSCH Russia-Ruteni und Moscovia-Mosci bei Herber­<br />

stein, in: U. HALBACH (Hrsg.) Geschichte Altrußlands in der Begriffswelt ihrer<br />

Quellen. Festschrift zum 70. Geburtstag <strong>von</strong> Günther Stökl. Stuttgart 1986, S.<br />

113-123.<br />

0 AUTOBIOGRAPHIE 273 (zum Jahr 1526).<br />

0<br />

Weil sie in vielem den Böhmen, Kroaten und Sklavenen ähnelt, ist deren Sprache in<br />

solchem Maße benachbart, daß der Sklavene den Moskoviter ganz versteht, wenn<br />

auch, wie es viele sehen, die Redeweise der Moskoviter viel schärfer und härter<br />

ist ... Ich kann mich darüber <strong>nicht</strong> genug wundern, denn weil zwischen Dalmatien<br />

und Moskovien Pannonien gelegen ist. Der Ungar aber ähnelt in Sprachverwandt­<br />

schaft in keiner Weise dem Moskoviter. Deshalb gibt es die Hypothese, einst sei­<br />

en diese Stämme durch die Legionen getrennt worden und aus Dalmatien dorthin<br />

gewandert. Deswegen behauptet auch Volaterranus, die Sprache der Ruthenen sei<br />

semi-dalmatinisch. Wie dem auch sei, darin sei sicher, Böhmen, Kroaten, Dalmati­<br />

ner ähneln sprachlich den Moskovitern, das haben wir <strong>von</strong> deinen Übersetzern,<br />

die du dir im Empfangsraum hältst, wenn wir dabei waren, erfahren.<br />

0 Grundlegend zu diesem Thema ISACENKO, Herbersteiniana I., S. 324 ff.; ADELUNG,<br />

Herberstein 302, Anm. 6 zitiert ein Preisgedicht <strong>von</strong> Caspar Cropacius auf Herber­<br />

stein, in dem es heißt: "septem linguis discrimina vocum / Flectere, conuersoque<br />

potest formare palato".<br />

0 Es wäre wohl auch denkbar, daß Herberstein bereits übersetzte Texte vorgefun­<br />

den und ausgewertet hat. Warum sollte im Novgoroder Hansekontor <strong>nicht</strong> eine<br />

Truhe mit Manuskripten gestanden haben, die man dem prominenten Gast ge­<br />

zeigt und zum Ausschreiben überlassen hat? Ein Teil der Begleitung <strong>Herbersteins</strong><br />

hat 1517 bekanntlich länger als ein halbes Jahr in Novgorod auf ihn gewartet.<br />

0 (112)<br />

0 LEITSCH, Russia-Ruteni 117<br />

0Rer. Mosc. 42.<br />

0Moscovia 57.<br />

0 ZAMYSLOVSKIJ, Gerberstejn 77 weist daraufhin, daß schon 1459 Fra Mauro die<br />

Wolga als möglich Grenze zwischen Europa und Asien hat gelten lassen.


0 AUTOBIOGRAPHIE 273, vgl. 116 (Novgorod), 120(Tver' hölzern).<br />

0 Vgl. ZAMYSLOVSKIJ, Gerberstejn 284 f.<br />

0 Die große Ausnahme ist Mathias Miechow<br />

0 Lex MA<br />

0 Als Volaterranus sein 1506 erschienenes Kompendium verfaßte, regierte Ivan<br />

III.: Mosquam regiam habent, cui praesidet Ioannes dux, qui ex Helena Andreae<br />

Palaeologi Despoti sorore plures suscepit liberos.<br />

0 Der ausgedehnte Landbesitz russischer Fürsten kann nur sehr bedingt mit west­<br />

europäischen Verhältnissen in Beziehung gesetzt werden; Inge Auerbach versucht<br />

es, indem sie die litauischen Besitzungen des Fürsten A.M. Kurbskij nach seiner<br />

Flucht (die etwa das in Moskovien Verlorene substituiert haben dürften) zu skiz­<br />

zieren versucht: "Kurbskijs Besitz in Litauen läßt sich vom Umfang und <strong>von</strong> der<br />

militärischen Potenz her durchaus mit einem kleineren Fürstentum des Deutschen<br />

Reiches vergleichen." "Kurbskij kann daher bei Streitigkeiten mit seinen Nachbarn<br />

mehr Mannschaft aufbieten als der hessische Adel im Kriegsfall zu stellen bereit<br />

ist...", I. AUERBACH Andrej Michajlovic Kurbskij. Leben in osteuropäischen Adels­<br />

gesellschaften des 16. Jahrhunderts. München 1985, S. 2.<br />

0 Naegele ... Corpus catholicorum Bd. 22/24, 25/26,<br />

UBMS: 4<br />

E1 2435<br />

Auch die Missa graeca (Chrysostomos-Liturgie) wird <strong>von</strong> ihm zitiert, a.a.O. 247<br />

0 Malleus (wie Anm. #) 281 (Hervorhebung des Herausgebers). Interessant ist der<br />

Hinweis auf im Westen unbekannte Paulusbriefe, die einerseits als fingierte pole­<br />

mische Waffe angesehen werden kann, aber zugleich auch den Beginn jener Le­<br />

gende <strong>von</strong> unbekannten Handschriften-Schätzen im Moskauer Kreml bildet, die in<br />

Gestalt der Bibliothek Ivans IV. die Phantasie der Gelehrten auch im 20. Jahrhun­<br />

dert beschäftigt.<br />

0 Zu dem Thema ausführlich auch im Malleus (wie Anm.#) 262-309, 297 ff, 347<br />

ff.,<br />

0 >Kämpfer, Quelle<br />

0 Malleus (wie Anm.#) 235 (Papst und Bischöfe sub potestate laicorum), 332 ff.,<br />

369, 520 ff. u.ö.<br />

0 Malleus (wie Anm.#) 240 f., 369, 372.

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