9 AZR 433/08 - Fachanwalt Arbeitsrecht
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BAG - 19.05.2009 - 9 <strong>AZR</strong> <strong>433</strong>/<strong>08</strong> - Urteil<br />
Volltext-ID: 3K241928<br />
Vorinstanzen<br />
Vorinstanz: LAG Nürnberg - 11.12.2007 - 6 Sa 416/07<br />
Vorvorinstanz: ArbG Nürnberg - 03.05.2007 - 8 Ca 839/07 A<br />
Normenkette des Gerichts<br />
§ 7 Abs. 4 BUrlG<br />
§ 106 GewO<br />
§§ 133, 157, 193, 288 Abs. 1, § 315 Abs. 3, § 362 Abs. 1 BGB<br />
Stichworte des Gerichts<br />
Urlaub<br />
Erfüllung<br />
Widerruflichkeit<br />
Freizeit<br />
Leitsätze des Gerichts<br />
1)<br />
Eine widerrufliche Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeitspflicht ist nicht geeignet, den<br />
Urlaubsanspruch zu erfüllen.<br />
2)<br />
Ergibt sich aus einem Arbeitszeitkonto ein Freizeitausgleichsanspruch des Arbeitnehmers, so kann der<br />
Arbeitgeber diesen auch durch eine widerrufliche Freistellung erfüllen.<br />
Orientierungssätze des Gerichts<br />
1)<br />
Der Arbeitgeber erfüllt den Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers nicht, wenn er ihn nur widerruflich von der<br />
Pflicht zur Arbeitsleistung freistellt. Nur wenn er unwiderruflich freigestellt ist, kann der Arbeitnehmer die<br />
ihm aufgrund des Urlaubsanspruchs zustehende Freizeit uneingeschränkt selbstbestimmt nutzen.<br />
2)<br />
Der Arbeitgeber erfüllt den sich aus einem Arbeitszeitkonto ergebenden Freizeitausgleichsanspruch<br />
regelmäßig durch Freistellung des Arbeitnehmers von seiner Pflicht, Arbeitsleistungen zu erbringen. Diese<br />
kann auch widerruflich erfolgen.<br />
3)<br />
Die Bestimmung der Zeit mit Arbeitspflichten und der Zeit ohne Arbeitspflichten unterliegt dem<br />
Weisungsrecht des Arbeitgebers nach § 106 Satz 1 GewO. Der Arbeitgeber hat diese Bestimmung nach<br />
billigem Ermessen gemäß § 315 Abs. 3 BGB vorzunehmen. Er ist nicht gehindert, an zunächst für arbeitsfrei<br />
bestimmten Tagen erneut Arbeit anzuordnen.<br />
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Volltext<br />
BUNDESARBEITSGERICHT<br />
Im Namen des Volkes!<br />
URTEIL<br />
In Sachen<br />
…<br />
hat der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19. Mai 2009<br />
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Düwell, den Richter am Bundesarbeitsgericht<br />
Krasshöfer, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Gallner sowie die ehrenamtlichen Richter Furche und<br />
Hintloglou für Recht erkannt:<br />
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 11. Dezember<br />
2007 – 6 Sa 416/07 – wird zurückgewiesen.<br />
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts teilweise aufgehoben.<br />
Das Urteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 3. Mai 2007 – 8 Ca 839/07 A – wird im Zinsausspruch<br />
teilweise abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Zinsen in Höhe von fünf<br />
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 455,22 Euro seit dem 3. November 2006 zu zahlen.<br />
Im Übrigen wird die Revision der Beklagten zurückgewiesen.<br />
Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu 1/5 und die Klägerin zu 4/5 zu tragen.<br />
Von Rechts wegen!<br />
Tatbestand<br />
1 Die Parteien streiten über Ansprüche der Klägerin auf Abgeltung von Resturlaub sowie auf finanziellen<br />
Ausgleich eines Arbeitszeitguthabens.<br />
2 Die Klägerin war seit November 2000 als Sachbearbeiterin Personal in Teilzeit mit einer monatlichen<br />
Arbeitszeit von zuletzt 139,20 Stunden beschäftigt. Im Arbeitsvertrag der Parteien vom 10. Oktober<br />
2002 ist ua. bestimmt:<br />
„(3) Arbeitszeit<br />
…<br />
Als Gleitzeitkontoregelung ist ein Plus oder Minus von 40 Stunden vereinbart. Es findet<br />
die Betriebsvereinbarung der W. GmbH über ‚Flexible Arbeitszeit/Gleitzeit‘ Anwendung.<br />
Bei angeordneter und genehmigter Mehrarbeit über die vereinbarte Arbeitszeit<br />
hinaus wird jede Mehrarbeitsstunde zur nachfolgenden Gehaltsabrechnung mit dem<br />
Durchschnittsstundensatz 1: 1 vergütet.<br />
…<br />
(8) Vertragsdauer und Kündigung<br />
…<br />
(3) Die W. GmbH behält sich vor, Frau B. nach dem Ausspruch der<br />
Kündigung unter Fortzahlung der Bezüge und unter Anrechnung auf ihre<br />
Urlaubsansprüche und das Freizeitkonto freizustellen.“<br />
3 Mit der Betriebsvereinbarung über „Flexible Arbeitszeit/Gleitzeit“ vom 17. Dezember 2001 wurde<br />
flexible Arbeitszeit eingeführt. Ziff. 4 lautet insoweit:<br />
„Das Gleitzeitkonto darf beim Mitarbeiter zum Monatsende +/- 40 Stunden nicht überschreiten.<br />
Gleitzeitstunden, die über die + 40 Stunden hinausgehen, verfallen.“<br />
4 Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete durch Kündigung der Beklagten vom 31. August 2006 mit<br />
Wirkung vom 31. Oktober 2006. Im Kündigungsschreiben heißt es ua.:<br />
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„Gemäß Punkt 8 Abs. 3 Ihres Arbeitsvertrages vom 10. Oktober 2002 stellen wir Sie ab sofort bis<br />
auf Widerruf unter Fortzahlung der Bezüge und unter Anrechnung Ihres Resturlaubsanspruchs und<br />
dem Guthaben auf dem Gleitzeit-/Freizeitkonto von jeglicher Arbeit frei.“<br />
5 Der Klägerin standen im Jahr 2006 noch sechs Urlaubstage zu. Sie wurde während der laufenden<br />
Kündigungsfrist bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zur Arbeit herangezogen. Nach einem<br />
Buchungsbericht vom 23. August 2006 wies das Gleitzeitkonto der Klägerin ein Guthaben zu ihren<br />
Gunsten in Höhe von 122,55 Stunden auf. Mit Schreiben vom 22. November 2006 verlangte die Klägerin<br />
von der Beklagten die Abgeltung der sechs Urlaubstage sowie die Vergütung von 122,55 Stunden aus<br />
ihrem Stundenguthaben.<br />
6 Die Klägerin hat zuletzt beantragt,<br />
die Beklagte zu verurteilen, an sie 2 198,49 Euro brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf<br />
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.<br />
7 Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten,<br />
sie habe die Klägerin zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs unwiderruflich und zur<br />
Erfüllung des Freizeitausgleichsanspruchs widerruflich freigestellt. Damit seien Urlaubs- und<br />
Freizeitausgleichsansprüche erfüllt.<br />
8 Das Arbeitsgericht hat der Klage auf Abgeltung von sechs Tagen Urlaub stattgegeben und sie im<br />
Übrigen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung<br />
der Beklagten zurückgewiesen. Die Beklagte verfolgt mit ihrer Revision die Abweisung der Klage<br />
insgesamt. Die Klägerin verlangt mit der von ihr eingelegten Revision weiter die Abgeltung ihres<br />
Freizeitausgleichsanspruchs.<br />
Entscheidungsgründe<br />
9 A. Die Revision der Beklagten ist im Wesentlichen unbegründet. Sie führt nur zur Abänderung des<br />
Zinsausspruchs. Die Revision der Klägerin ist unbegründet.<br />
10 I. Die Revision der Beklagten ist überwiegend unbegründet.<br />
11 1. Die Vorinstanzen haben die Beklagte zu Recht zur Abgeltung des Resturlaubs in Höhe von 455,22 Euro<br />
brutto verurteilt.<br />
12 a) Die Klägerin hat gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG Anspruch auf Abgeltung von sechs Urlaubstagen in der<br />
von den Vorinstanzen zugesprochenen Höhe. Danach ist der Urlaub abzugelten, wenn er wegen der<br />
Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann. Das setzt<br />
voraus, dass bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch ein Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers<br />
bestanden hat. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts standen der Klägerin zum Zeitpunkt<br />
der Kündigung mit Schreiben vom 31. August 2006 noch sechs Urlaubstage zu. Dieser Urlaubsanspruch<br />
ist nicht durch die Freistellungserklärung der Beklagten im Kündigungsschreiben gemäß § 362<br />
Abs. 1 BGB erloschen. Damit standen der Klägerin bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses am<br />
31. Oktober 2006 noch sechs abzugeltende Urlaubstage zu.<br />
13 b) Die Beklagte hat den Urlaubsanspruch nicht erfüllt. Die von der Beklagten im Kündigungsschreiben<br />
vom 31. August 2006 erklärte Freistellung „ab sofort bis auf Widerruf unter Fortzahlung der Bezüge und<br />
unter Anrechnung Ihres Resturlaubsanspruchs und dem Guthaben auf dem Gleitzeit-/Freizeitkonto von<br />
jeglicher Arbeit“ ist nicht geeignet, die Erfüllung des Anspruchs nach § 362 Abs. 1 BGB zu bewirken.<br />
14 c) Das Landesarbeitsgericht hat nach Auslegung der Erklärung der Beklagten angenommen, die<br />
Beklagte habe die Klägerin nur widerruflich zur Erfüllung der Urlaubsansprüche freigestellt. Eine solche<br />
widerrufliche Freistellung erfülle den Urlaubsanspruch nicht. Das ist zutreffend.<br />
15 aa) Eine Freistellungserklärung kann das Erlöschen des Urlaubsanspruchs nur dann bewirken, wenn<br />
sie unwiderruflich erfolgt.<br />
16 Zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs bedarf es einer Freistellungserklärung des Arbeitgebers (ständige<br />
Rspr., zB Senat 20. Januar 2009 – 9 <strong>AZR</strong> 650/07 – Rn. 24). Diese ist nur geeignet, das Erlöschen des<br />
Urlaubsanspruchs zu bewirken, wenn der Arbeitnehmer erkennen muss, dass der Arbeitgeber ihn zum<br />
Zwecke des selbstbestimmten Erholungsurlaubs von der Arbeitspflicht freistellen will (ständige Rspr.,<br />
vgl. Senat 20. Januar 2009 – 9 <strong>AZR</strong> 650/07 – Rn. 24).<br />
17 Das kann auch dadurch geschehen, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer unter Anrechnung auf<br />
Urlaubsansprüche von der Arbeit freistellt (Senat 14. März 2006 – 9 <strong>AZR</strong> 11/05 – Rn. 11, AP BUrlG § 7<br />
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Nr. 32 = EzA BUrlG § 7 Nr. 117). Notwendig ist allerdings stets die endgültige, nicht unter dem Vorbehalt<br />
eines Widerrufs stehende Befreiung des Arbeitnehmers von der Arbeitspflicht (vgl. Senat 19. März 2002<br />
– 9 <strong>AZR</strong> 16/01 – zu II 2a der Gründe, EzA BGB § 615 Nr. 1<strong>08</strong>). Nur dann ist es dem Arbeitnehmer<br />
möglich, die ihm aufgrund des Urlaubsanspruchs zustehende Freizeit uneingeschränkt selbstbestimmt<br />
zu nutzen. Das ist nicht gewährleistet, wenn der Arbeitnehmer während der Freistellung jederzeit damit<br />
rechnen muss, wieder zur Arbeit gerufen zu werden (Senat 14. März 2006 – 9 <strong>AZR</strong> 11/05 – Rn. 17, aaO).<br />
18 bb) Das Landesarbeitsgericht hat das Schreiben der Beklagten vom 31. August 2006 dahin ausgelegt,<br />
dass sie die Klägerin hinsichtlich des Urlaubsanspruchs nur unter Vorbehalt des Widerrufs freigestellt<br />
habe. Das hält einer revisionsrechtlichen Prüfung stand.<br />
19 (1) Das Schreiben enthält eine nichttypische Willenserklärung. Die Auslegung solcher Erklärungen ist<br />
regelmäßig den Tatsachengerichten vorbehalten. Revisionsrechtlich ist die Auslegung nur eingeschränkt<br />
dahingehend zu überprüfen, ob das Landesarbeitsgericht Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) verletzt,<br />
gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen oder Umstände, die für die Auslegung<br />
von Bedeutung sein können, außer Betracht gelassen hat (Senat 14. August 2007 – 9 <strong>AZR</strong> 934/06 –<br />
Rn. 19, EzA BUrlG § 7 Nr. 119; 9. November 1999 – 9 <strong>AZR</strong> 922/98 – zu I 2b aa der Gründe). Die<br />
Freistellungserklärung des Arbeitgebers ist als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung nach<br />
§ 133 BGB aus der objektivierten Sicht des Empfängers auszulegen. Besteht ein übereinstimmender<br />
Wille der Parteien, ist er allein maßgeblich, selbst wenn er im Wortlaut nur falsch oder unvollkommen<br />
ausgedrückt ist (Senat 24. März 2009 – 9 <strong>AZR</strong> 983/07 – Rn. 25, NZA 2009, 538<br />
= DB 2009, 1018 ).<br />
20 (2) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, schon der Wortlaut der Freistellungserklärung „bis auf<br />
Widerruf“ spreche gegen eine unwiderrufliche Freistellung. Zusätzliche Erklärungen oder besondere<br />
Umstände, die eine andere Auslegung zuließen, habe die Beklagte nicht vorgebracht. Deshalb sei für<br />
die Klägerin nicht erkennbar gewesen, dass sie während des Urlaubs nicht mit der Heranziehung zu<br />
Arbeitsleistungen habe rechnen müssen.<br />
21 (3) Diese am Wortlaut der Erklärung orientierte Auslegung des Landesarbeitsgerichts verstößt nicht<br />
gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze. Entgegen der Auffassung der Beklagten bezieht sich der<br />
Widerruf auch nicht ausschließlich auf den Freizeitausgleich. Die Beklagte stellte die Klägerin nach dem<br />
unzweifelhaften Wortlaut des Schreibens vom 31. August 2006 „bis auf Widerruf“ von jeglicher Arbeit<br />
frei. Damit sollte für die Klägerin als Empfängerin der Erklärung erkennbar der Resturlaubsanspruch<br />
sowie der Ausgleich des Guthabens auf dem Gleitzeit-/Freizeitkonto nur widerruflich erfüllt werden.<br />
22 Die Beklagte beruft sich ohne Erfolg darauf, die Klägerin hätte ohne Weiteres davon ausgehen müssen,<br />
dass in der Zeit bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses stets Urlaub in Natur erfüllt werden solle,<br />
um eine Abgeltung zu vermeiden. Das Bestehen eines derartigen Erfahrungssatzes ist nicht festgestellt.<br />
Es sind für dessen Existenz auch keine nachvollziehbaren Tatsachen vorgebracht. Die Revision ist<br />
vielmehr bemüht, die abgegebene Willenserklärung gegen den Wortlaut einseitig entsprechend dem<br />
Interesse der Beklagten auszulegen.<br />
23 2. Die Klägerin hat seit 3. November 2006 Anspruch auf Verzugszinsen in gesetzlicher Höhe (§ 288<br />
Abs. 1, § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Das Arbeitsgericht hat die Beklagte zu Unrecht zur Verzinsung ab<br />
dem 12. September 2006 verurteilt. Der Urlaubsabgeltungsanspruch der Klägerin wurde nach § 7<br />
Abs. 4 BUrlG erst mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 31. Oktober 2006 fällig.<br />
Verzug trat gemäß § 193 BGB erst am 3. November 2006 ein. Der 1. November ist in Bayern ein<br />
Feiertag.<br />
24 II. Die Revision der Klägerin ist ebenfalls unbegründet. Sie hat keinen Anspruch auf Vergütung<br />
„angesammelter“ Plusstunden. Ein zu ihren Gunsten am 31. August 2006 bestandenes Zeitguthaben<br />
von 122,55 Stunden ist durch die widerrufliche Freistellung bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses<br />
mit Schreiben der Beklagten vom 31. August 2006 erloschen, § 362 Abs. 1 BGB.<br />
25 1. Für die Klägerin war bei der Beklagten ein Gleitzeitkonto eingerichtet. Nach Ziff. (3) des<br />
Arbeitsvertrags der Parteien vom 10. Oktober 2002 beträgt der Gleitzeitrahmen 40 Plus- und<br />
40 Minusstunden. Das entspricht der Regelung in Ziff. 4 der Betriebsvereinbarung über „Flexible<br />
Arbeitszeit/Gleitzeit“ vom 17. Dezember 2001.<br />
26 Ein Arbeitszeitkonto drückt aus, in welchem Umfang der Arbeitnehmer Arbeit geleistet hat und deshalb<br />
Vergütung beanspruchen kann und in welchem Umfang er noch Arbeitsleistung erbringen muss. Das<br />
Arbeitszeitkonto dient der Flexibilisierung der Arbeitszeit und der Gewährleistung, innerhalb eines<br />
festgelegten Zeitraums die regelmäßige Arbeitszeit trotz Flexibilisierung und unregelmäßiger Verteilung<br />
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zu erreichen. Aus der Gegenüberstellung der gutgeschriebenen Arbeitszeit und der vereinbarten<br />
Arbeitszeit ergibt sich der für den Umfang der weiteren Arbeitspflicht maßgebliche Arbeitszeitsaldo.<br />
27 2. Die Erfüllung eines sich aus einem Arbeitszeitkonto ergebenden Freizeitausgleichsanspruchs<br />
erfolgt durch Freistellung des Arbeitnehmers von seiner Pflicht, Arbeitsleistungen zu erbringen (<br />
BAG 11. Februar 2009 – 5 <strong>AZR</strong> 341/<strong>08</strong> – Rn. 13). Erklärt der Arbeitgeber die widerrufliche Freistellung,<br />
behält er sich vor, den Arbeitnehmer jederzeit an den Arbeitsplatz zurückzuholen. Ein Arbeitnehmer,<br />
der widerruflich freigestellt ist, muss regelmäßig mit dem Widerruf rechnen. Eine solche widerrufliche<br />
Freistellung ist entgegen der Auffassung der Klägerin geeignet, zu bewirken, dass der Anspruch auf<br />
Freizeitausgleich nach § 362 Abs. 1 BGB erlischt (vgl. Senat 19. März 2002 – 9 <strong>AZR</strong> 16/01 – zu II 2b<br />
bb (3) der Gründe, EzA BGB § 615 Nr. 1<strong>08</strong>).<br />
28 3. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist insoweit zwischen Urlaubsanspruch und Anspruch auf<br />
Freizeitausgleich zu unterscheiden. Nach dem BUrlG besteht kein Anspruch des Arbeitgebers gegen<br />
den Arbeitnehmer, den gewährten Urlaub abzubrechen oder zu unterbrechen (Senat 20. Juni 2000<br />
– 9 <strong>AZR</strong> 405/99 – zu II 2b aa der Gründe, BAGE 95, 104 ). Wird demgegenüber zum Abbau<br />
eines zugunsten des Arbeitnehmers bestehenden Zeitsaldos Freizeitausgleich gewährt, handelt es sich<br />
regelmäßig nur um eine Weisung zur Verteilung der Arbeitszeit iSv. § 106 Satz 1 GewO. Mit der<br />
Bestimmung der Zeit der Arbeitsleistung wird zugleich auch die Zeit bestimmt, während derer ein<br />
Arbeitnehmer keine Arbeit zu leisten hat. Beide Festlegungen unterliegen deshalb dem Weisungsrecht<br />
des Arbeitgebers nach § 106 Satz 1 GewO. Das ermöglicht es dem Arbeitgeber, die im Arbeitsvertrag<br />
nur rahmenmäßig umschriebene Leistungspflicht im Einzelnen nach Zeit, Art und Ort nach billigem<br />
Ermessen iSv. § 315 Abs. 3 BGB zu bestimmen ( BAG 23. September 2004 – 6 <strong>AZR</strong> 567/03 – zu<br />
IV 1 der Gründe, BAGE 112, 80 ). Mit dem Vorbehalt der widerruflichen Freistellung zum Abbau eines<br />
Arbeitszeitguthabens weist der Arbeitgeber deshalb nur auf die gesetzliche Regelung hin. Er erklärt, für<br />
die Zeit des Freistellungszeitraums nicht auf sein Weisungsrecht nach § 106 Satz 1 GewO zu verzichten<br />
und den Arbeitnehmer gegebenenfalls auch im Freistellungszeitraum zur Arbeitsleistung auffordern zu<br />
können. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden; denn das Weisungsrecht des Arbeitgebers umfasst<br />
nicht nur die Befugnis, den Arbeitnehmer an bestimmten Tagen von der Arbeit freizustellen, sondern<br />
auch das Recht, ihn an bisher „freien“ Tagen zur Arbeitsleistung heranzuziehen.<br />
29 Die Klägerin beruft sich ohne Erfolg darauf, die freie Zeit sei wertlos, wenn sie jederzeit damit rechnen<br />
müsse, zur Arbeitsleistung herangezogen zu werden. Den berechtigten Interessen des Arbeitnehmers<br />
trägt die Pflicht des Arbeitgebers gemäß § 106 Satz 1 GewO Rechnung, bei Ausübung seines<br />
Weisungsrechts die Grenzen billigen Ermessens nach § 315 Abs. 3 BGB einzuhalten. Damit muss er<br />
auch auf die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers an der Planbarkeit seiner Freizeit Rücksicht<br />
nehmen.<br />
30 B. Beide Parteien haben jeweils die Kosten ihrer erfolglosen Revision gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.<br />
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