19.11.2013 Aufrufe

„Geht es Ihnen gut oder haben Sie noch Kinder in der Schule

„Geht es Ihnen gut oder haben Sie noch Kinder in der Schule

„Geht es Ihnen gut oder haben Sie noch Kinder in der Schule

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Krumm & Eckste<strong>in</strong>: Geht <strong>es</strong> <strong>Ihnen</strong> <strong>gut</strong> <strong>o<strong>der</strong></strong> <strong>haben</strong> <strong>Sie</strong> <strong>noch</strong> <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong>?<br />

GEHT ES IHNEN GUT<br />

ODER HABEN SIE NOCH KINDER IN DER SCHULE?<br />

Befunde aus e<strong>in</strong>er Untersuchung über Lehrerverhalten,<br />

das Schüler und manche Eltern krank macht.<br />

Volker Krumm & Kirst<strong>in</strong> Eckste<strong>in</strong> 1<br />

1. Zur Frag<strong>es</strong>tellung<br />

Wer kennt nicht den klassischen Vers von Wilhelm Busch, mit dem „Max und Moritz“<br />

beg<strong>in</strong>nt:<br />

„Ach, was muss man oft von bösen<br />

<strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong>n hören <strong>o<strong>der</strong></strong> l<strong>es</strong>en...“<br />

Er galt nicht nur zu Zeiten Wilhelm Buschs, son<strong>der</strong>n zu allen Zeiten vor ihm. Er gilt auch<br />

heute und wird gelten, solange <strong>es</strong> <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> und Jugendliche gibt. Über „unmotivierte“, „verhaltensauffällige“,<br />

„g<strong>es</strong>törte“, „ausrastende“, „unverschämte“, „mobbende“ Schüler 2 wird seit<br />

Menschengedenken <strong>in</strong> sich ständig wandelnden Begriffen geklagt. Seit Jahrzehnten wird viel<br />

darüber g<strong>es</strong>chrieben und <strong>in</strong> den vergangenen Jahren wurde zunehmend öffentlich darüber<br />

diskutiert – auch über die Opfer von „bösen Buben“, zu denen sich Lehrer<strong>in</strong>nen und Lehrer<br />

zählen.<br />

Dass <strong>es</strong> auch „unmotivierte“, „verhaltensauffällige“, „g<strong>es</strong>törte“, „ausrastende“, „unverschämte“,<br />

„mobbende“ Lehrer<strong>in</strong>nen und Lehrer gibt, <strong>der</strong>en Opfer Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler<br />

s<strong>in</strong>d, ist h<strong>in</strong>gegen so wenig untersucht und öffentlich so selten diskutiert worden, dass von<br />

e<strong>in</strong>em Tabu g<strong>es</strong>prochen werden kann (Krumm 1997; 1999a).<br />

Als uns di<strong>es</strong><strong>es</strong> Defizit ang<strong>es</strong>ichts <strong>der</strong> Flut von Texten über „Gewalt von Schülern“<br />

bewusst wurde, begannen wir uns mit e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> beiden Hauptdimensionen d<strong>es</strong> Verhaltens<br />

„schlechter Lehrer“ zu b<strong>es</strong>chäftigen: Wir untersuchten <strong>in</strong> mehreren Studien kränkend <strong>o<strong>der</strong></strong><br />

verletzend erlebt<strong>es</strong> Lehrerverhalten. 3<br />

Die erste Untersuchung war e<strong>in</strong>e (knappe) schriftliche Befragung von 10.000 Schülern im<br />

Rahmen <strong>der</strong> Erhebung für die TIMSS-Studie <strong>in</strong> Österreich 4 , <strong>in</strong> <strong>der</strong> wir uns für die Häufigkeit<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

Erweiterte Fassung e<strong>in</strong><strong>es</strong> Vortrags auf <strong>der</strong> Jahr<strong>es</strong>tagung <strong>der</strong> Österreichischen G<strong>es</strong>ellschaft für<br />

Interdiszipl<strong>in</strong>äre Familienforschung (ÖGIF) <strong>in</strong> Kooperation mit <strong>der</strong> G<strong>es</strong>ellschaft zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> K<strong>in</strong>d<strong>es</strong>und<br />

Jugendneuropsychiatrie <strong>in</strong> Kärnten. Tagungsthema: „Familie und G<strong>es</strong>undheit: mediz<strong>in</strong>ische,<br />

psychologische, juristische, ökonomische und soziale Aspekte“ (November 2001).<br />

Wir danken Susanne Weiß und Birgit Katstaller für ihre Hilfe bei <strong>der</strong> Datenanalyse.<br />

In unserem Text ist sehr oft von „Schülern“, „Lehrern“ und „Studenten“ die Rede. Da aus dem Kontext<br />

immer e<strong>in</strong>deutig hervorgeht, ob damit Lehrer und Lehrer<strong>in</strong>nen, Schüler und Schüler<strong>in</strong>nen <strong>o<strong>der</strong></strong> Studenten<br />

und Student<strong>in</strong>nen geme<strong>in</strong>t s<strong>in</strong>d, verzichten wir weitgehend auf die zum Schreiben wie zum L<strong>es</strong>en<br />

umständlichen „Lehrer und Lehrer<strong>in</strong>nen“, „Schüler und Schüler<strong>in</strong>nen“ <strong>o<strong>der</strong></strong> „Studenten und Student<strong>in</strong>nen“<br />

sowie auf die den L<strong>es</strong>efluss hemmenden „LehrerInnen <strong>o<strong>der</strong></strong> Lehrer/<strong>in</strong>nen etc.. Im Zusammenhang mit den<br />

zitierten Fällen wählen wir selbstverständlich die Schreibweise, die das G<strong>es</strong>chlecht <strong>der</strong> Akteure erkennen<br />

lässt.<br />

Die zweite Hauptdimension - nämlich schlecht<strong>es</strong> Unterrichten – ließen wir <strong>in</strong> <strong>der</strong> Anlage <strong>der</strong> Untersuchung<br />

völlig außer acht.<br />

TIMSS steht für „Third International Mathematics and Science Study“.<br />

21


Krumm & Eckste<strong>in</strong>: Geht <strong>es</strong> <strong>Ihnen</strong> <strong>gut</strong> <strong>o<strong>der</strong></strong> <strong>haben</strong> <strong>Sie</strong> <strong>noch</strong> <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong>?<br />

von verletzend erlebtem Lehrerverhalten im Vergleich zu verletzend erlebtem Verhalten <strong>der</strong><br />

Mitschüler <strong>in</strong>ter<strong>es</strong>sierten (Krumm, Lamberger-Baumann, Hai<strong>der</strong> 1997).<br />

Die Kritik an <strong>der</strong> ersten Untersuchung regte uns zur zweiten Untersuchung an (Krumm &<br />

Weiß 2002). Mit ihr befragten wir ebenfalls schriftlich knapp 3000 österreichische, deutsche<br />

und Schweizer Student<strong>in</strong>nen und Studenten. Hier <strong>in</strong>ter<strong>es</strong>sierten uns primär qualitative<br />

Merkmale verletzenden Lehrerverhaltens (Krumm & Weiß 2000 und 2001b). Die<br />

Untersuchung erlaubte aber auch quantitative Aussagen (Krumm 1999a+b; Krumm & Weiß<br />

2001a + 2002).<br />

Theoretisch orientierten wir uns <strong>in</strong> beiden Untersuchungen an e<strong>in</strong>em verhaltens- bzw.<br />

<strong>in</strong>teraktionstheoretischen Ansatz sowie an Arbeiten <strong>der</strong> Str<strong>es</strong>s-, Belastungs-, Gewalt-,<br />

Aggr<strong>es</strong>sions- und Mobb<strong>in</strong>gforschung. 5<br />

In <strong>der</strong> dritten Untersuchung <strong>in</strong>ter<strong>es</strong>sierte uns, wie Lehrer und Eltern das <strong>in</strong> <strong>der</strong> zweiten<br />

Untersuchung von den Studenten berichtete Lehrerverhalten beurteilen und wie sie die<br />

Gültigkeit <strong>der</strong> Studentenaussagen e<strong>in</strong>schätzen. Wir fragten die Lehrer und die Eltern auch, ob<br />

sie selbst und ob ihre <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> Kränkungen durch Lehrer erlebt <strong>haben</strong>, und <strong>noch</strong> e<strong>in</strong>ig<strong>es</strong> mehr. 6<br />

Von di<strong>es</strong>en Fragen <strong>in</strong>ter<strong>es</strong>siert im vorliegenden Text lediglich, ob und ggf. welche<br />

Kränkungen durch e<strong>in</strong>en Lehrer die <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> <strong>der</strong> befragten Eltern berichtet <strong>haben</strong>, und was die<br />

Eltern über Reaktionen d<strong>es</strong> K<strong>in</strong>d<strong>es</strong> darauf aussagen. 7 Wir b<strong>es</strong>chränken uns dabei auf die<br />

Elternbefragung im Jahr 2001; 8 <strong>in</strong> den beiden vorletzten Abschnitten ziehen wir auch Daten<br />

aus den Interviews im Jahr 2000 heran.<br />

2. Zur Erhebung<br />

Die qualitativen Daten aus <strong>der</strong> Erhebung 2001, die hier im Zentrum stehen, stammen von 361<br />

Müttern <strong>o<strong>der</strong></strong> Vätern, die - wie die parallel befragten 339 Lehrer - vor allem aus Salzburg<br />

(37%) und Oberösterreich (54%) stammen. 10 Prozent kommen aus den übrigen<br />

Bund<strong>es</strong>län<strong>der</strong>n, aus Südtirol und Deutschland.<br />

3. Befunde<br />

Wir berichten zunächst über Lehrerverhalten, das als „kränkend“ erlebt und damit als<br />

pädagogisch nicht mehr akzeptabel bewertet wird. Wir beg<strong>in</strong>nen mit <strong>der</strong> wörtlichen<br />

Darstellung von Antworten auf die Frage " Welche Erfahrungen <strong>haben</strong> Ihre <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> mit<br />

Lehrern/Lehrer<strong>in</strong>nen gemacht? Hat sich e<strong>in</strong> Lehrer <strong>o<strong>der</strong></strong> e<strong>in</strong>e Lehrer<strong>in</strong> Ihrem K<strong>in</strong>d (e<strong>in</strong>em<br />

Ihrer <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong>) gegenüber <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> schon e<strong>in</strong>mal kränkend, unfair <strong>o<strong>der</strong></strong> ungerecht<br />

5<br />

6<br />

7<br />

8<br />

Zur theoretischen Orientierung siehe Krumm & Weiß 2002.<br />

Die dritte Untersuchung b<strong>es</strong>tand aus zwei sehr ähnlichen – partiell identischen – Interviewserien <strong>in</strong> den<br />

Jahren 2000 und 2001. Im Jahr 2000 <strong>in</strong>terviewten wir 318 Lehrer und 314 Eltern, im folgenden Jahr 339<br />

Lehrer und 361 Eltern.<br />

In <strong>der</strong> ersten Interviewserie <strong>in</strong>ter<strong>es</strong>sierte uns zusätzlich zu den erwähnten Themen, wie Lehrer und Eltern<br />

<strong>in</strong>akzeptabl<strong>es</strong> Lehrerverhalten erklären. In <strong>der</strong> zweiten Serie <strong>in</strong>ter<strong>es</strong>sierte uns vor allem, wie die Eltern auf<br />

das berichtete Lehrerverhalten reagiert <strong>haben</strong> und wie sie <strong>es</strong> begründen, wenn sie nichts unternommen<br />

<strong>haben</strong>. Ferner ließen wir die Eltern und Lehrer e<strong>in</strong>e Serie von möglichen Maßnahmen gegen <strong>in</strong>akzeptabl<strong>es</strong><br />

Lehrerverhalten beurteilen.<br />

Auf die Aussagen <strong>der</strong> Eltern, wie sie selbst auf die Kränkung ihr<strong>es</strong> K<strong>in</strong>d<strong>es</strong> durch den Lehrer reagierten und<br />

welche E<strong>in</strong>stellungen sie zu Maßnahmen gegen <strong>in</strong>akzeptabl<strong>es</strong> Lehrerverhalten äußerten, gehen wir <strong>in</strong> zwei<br />

an<strong>der</strong>en Texten e<strong>in</strong>. (In Vorbereitung)<br />

Soweit die Fragen <strong>in</strong> den beiden Interviewserien identisch waren, unterscheiden sich die Antworten <strong>der</strong><br />

beiden befragten Elterngruppen bzw. <strong>der</strong> beiden befragten Lehrergruppen nicht signifikant vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong>.<br />

22


Krumm & Eckste<strong>in</strong>: Geht <strong>es</strong> <strong>Ihnen</strong> <strong>gut</strong> <strong>o<strong>der</strong></strong> <strong>haben</strong> <strong>Sie</strong> <strong>noch</strong> <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong>?<br />

verhalten?“ Wurde di<strong>es</strong>e Frage bejaht, folgte die Frage: „Was hat <strong>der</strong> Lehrer/die Lehrer<strong>in</strong><br />

getan? Können <strong>Sie</strong> e<strong>in</strong>e Erfahrung berichten?“<br />

Di<strong>es</strong>en Fragen s<strong>in</strong>d zwei Fragenkomplexe vorausgegangen. Zunächst <strong>haben</strong> wir Eltern und<br />

Lehrer gebeten, e<strong>in</strong>e Stichprobe von verletzenden Erfahrungen, die die Studenten <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Hauptuntersuchung g<strong>es</strong>chil<strong>der</strong>t <strong>haben</strong>, zu beurteilen. Dann <strong>haben</strong> wir gefragt, ob sie selbst<br />

während ihrer Schulzeit von Lehrern <strong>o<strong>der</strong></strong> Lehrer<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> irgende<strong>in</strong>er Weise gekränkt <strong>o<strong>der</strong></strong><br />

verletzt worden s<strong>in</strong>d. Derartig vorbereitet, beantworteten die Eltern die zitierten Fragen.<br />

3.1. Kränkend erlebt<strong>es</strong> Lehrerverhalten<br />

Zunächst berichten wir wörtlich e<strong>in</strong>ige Antworten auf die 1. Frage. Wir glie<strong>der</strong>n sie nach<br />

Erfahrungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Grundschule (Stufen 1-4), <strong>der</strong> Mittelstufe (Stufen 5-9) und <strong>der</strong> Oberstufe<br />

(10-12/13). Die Antworten zeigen, wie unterschiedlich und vielfältig die Eltern reagiert<br />

<strong>haben</strong>. Unsere anschließenden qualitativen und quantitativen Zusammenfassungen nehmen<br />

den <strong>in</strong>dividuellen Aussagen ihre E<strong>in</strong>maligkeit. Das Konzept „verletzend<strong>es</strong> Lehrerverhalten“<br />

enthält ebenso Vielfältig<strong>es</strong> wie das Konzept „Folgen <strong>der</strong> Kränkung für die Schüler“.<br />

Auf welche Schularten sich die Kränkungsberichte <strong>in</strong>sg<strong>es</strong>amt beziehen, zeigt Tabelle 1.<br />

Tabelle 1: Verteilung <strong>der</strong> Kränkungsberichte auf die Schularten<br />

AHS AHS<br />

Grundschule Hauptschule<br />

BHS Sonstig<strong>es</strong><br />

Unterstufe Oberstufe<br />

35% 22% 17% 10% 7% 9%<br />

Grundschule und Sekundarstufe 1 s<strong>in</strong>d angem<strong>es</strong>sen vertreten. Fälle aus <strong>der</strong> Oberstufe - vor<br />

allem aus dem g<strong>es</strong>amten berufsbildenden Schulw<strong>es</strong>en - kommen zu wenig vor. Unter<br />

qualitativen Aspekten ist das für die Untersuchung ke<strong>in</strong> Nachteil, da die Studenten ihrerseits<br />

eher Erfahrungen aus den oberen Schulstufen berichteten.<br />

3.1.1. Kränkend<strong>es</strong> Lehrerverhalten aus Sicht <strong>der</strong> Eltern: Qualitative Befunde<br />

Fälle aus <strong>der</strong> Grundschule (Schulstufen 1-4)<br />

Fall 1<br />

Ja, da fällt mir schon etwas e<strong>in</strong>. Me<strong>in</strong> Sohn, <strong>der</strong> jüngere von den beiden, war <strong>in</strong> <strong>der</strong> 1. und 2. Klasse Volksschule<br />

immer e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> langsamsten beim Schreiben. Die Lehrer<strong>in</strong> hat das recht geärgert, weil sie immer auf ihn hat<br />

warten müssen. Da hat sie angefangen zu behaupten, er wäre d<strong>es</strong>wegen so langsam, weil er andauernd <strong>in</strong> die<br />

Luft schaut. Von da an hat sich immer e<strong>in</strong> Mädchen, das sehr fl<strong>in</strong>k gearbeitet hat, h<strong>in</strong>ter me<strong>in</strong>en Sohn stellen<br />

müssen, wenn sie bereits mit dem Schreiben fertig war. Dann hat sie jed<strong>es</strong> Mal, wenn me<strong>in</strong> Sohn vom Heft<br />

aufg<strong>es</strong>chaut hat, ihn h<strong>in</strong>ten bei den Haaren ziehen müssen. Das hat ihn natürlich total fertiggemacht. (43510 VS/<br />

Stufe 1+2)<br />

Fall 2<br />

Ja. Das war <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Klasse mit sehr vielen auffälligen und bösen <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong>n, wo die Lehrer<strong>in</strong> als Selbsthilfe immer<br />

die braven <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> zu den ganz schlimmen <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong>n g<strong>es</strong>etzt hat. Me<strong>in</strong> Sohn ist als brav<strong>es</strong> K<strong>in</strong>d zu so e<strong>in</strong>em<br />

auffälligen K<strong>in</strong>d g<strong>es</strong>etzt worden und auch körperlich von di<strong>es</strong>em Jungen angegriffen worden. Trotz mehrmaliger<br />

Anrufe, dass sie die <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> umsetzt, hat die Lehrer<strong>in</strong> so getan, als wäre das nicht so, dass me<strong>in</strong> Sohn permanent<br />

von di<strong>es</strong>em an<strong>der</strong>en K<strong>in</strong>d belästigt würde und me<strong>in</strong>te, so e<strong>in</strong> Tapperl müsse er schon aushalten, an das müsse er<br />

sich halt gewöhnen.<br />

Me<strong>in</strong> Sohn hat zuhause die Sache nicht direkt ang<strong>es</strong>prochen, son<strong>der</strong>n er hat plötzlich We<strong>in</strong>anfälle bekommen,<br />

ganz unmotiviert, die kaum zu beenden waren und die auch e<strong>in</strong> vernünftig<strong>es</strong> G<strong>es</strong>präch unmöglich machten. Erst<br />

nach e<strong>in</strong>er Weile kristallisierte sich so nach und nach heraus, dass <strong>es</strong> an <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> liegt und an den Problemen,<br />

die sich durch die ständigen Angriffe <strong>der</strong> verhaltensauffälligen Schüler stellten. (37110 VS)<br />

23


Krumm & Eckste<strong>in</strong>: Geht <strong>es</strong> <strong>Ihnen</strong> <strong>gut</strong> <strong>o<strong>der</strong></strong> <strong>haben</strong> <strong>Sie</strong> <strong>noch</strong> <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong>?<br />

Fall 3<br />

Ja, da kann ich viel erzählen. Z.B. Bloßstellung von Fehlern; e<strong>in</strong>e Lehrer<strong>in</strong> hat auch oft die Aufsätze me<strong>in</strong><strong>es</strong><br />

Sohn<strong>es</strong> (Legastheniker) vor <strong>der</strong> Klasse vorgel<strong>es</strong>en.<br />

E<strong>in</strong> Lehrer hat me<strong>in</strong>en Sohn d<strong>es</strong> öfteren von den an<strong>der</strong>en Schülern ausgegrenzt, <strong>in</strong>dem er ihn an e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>zelnen<br />

Tisch g<strong>es</strong>etzt hat, <strong>der</strong> mit e<strong>in</strong>igen Metern Abstand zur g<strong>es</strong>amten Klasse aufg<strong>es</strong>tellt wurde.<br />

Me<strong>in</strong> Sohn hat während <strong>der</strong> g<strong>es</strong>amten 4 Jahre Volksschule e<strong>in</strong>e Lehrer<strong>in</strong> gehabt, und mit <strong>der</strong> hatten wir<br />

ziemliche Probleme. Dazu muss ich sagen, dass die Ausbildung di<strong>es</strong>er Lehrer<strong>in</strong> auch sehr fraglich war.<br />

[...] <strong>Sie</strong> hat ihn nicht aufgebaut, son<strong>der</strong>n immer eher gedämpft, nie<strong>der</strong>gedrückt. Bei Erfolgserlebnissen hat sie ihn<br />

nicht gelobt, son<strong>der</strong>n immer nur negative Sachen hervorgehoben. (42510 VS)<br />

Fall 4<br />

Wo soll ich da anfangen? Also me<strong>in</strong> Sohn B. hatte e<strong>in</strong>e Lehrer<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Volkschule, und die war eher vom alten<br />

Schlag, also e<strong>in</strong>e ältere Lehrer<strong>in</strong>. Bei ihr war <strong>es</strong> so, entwe<strong>der</strong> du kannst <strong>es</strong> <strong>o<strong>der</strong></strong> nicht, willst <strong>es</strong> <strong>o<strong>der</strong></strong> nicht. Das<br />

hat gleich <strong>in</strong> <strong>der</strong> ersten Klasse angefangen. B. war e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>fach<strong>es</strong> und eher spielerisch<strong>es</strong> K<strong>in</strong>d und nach e<strong>in</strong> paar<br />

Wochen <strong>Schule</strong> hatte er sich total verän<strong>der</strong>t. Er wollte nicht <strong>in</strong> die <strong>Schule</strong> gehen und bekam morgens immer<br />

Bauchweh, Kopfweh und Magenb<strong>es</strong>chwerden. Er fand immer wie<strong>der</strong> Gründe, wi<strong>es</strong>o er nicht <strong>in</strong> die <strong>Schule</strong> gehen<br />

wollte. Ich g<strong>in</strong>g dann <strong>in</strong> die <strong>Schule</strong> und redete mit <strong>der</strong> Lehrer<strong>in</strong>. <strong>Sie</strong> meckerte über me<strong>in</strong>en Sohn und klagte<br />

darüber, dass er nicht mittue im Unterricht. Ich sagte ihr, dass me<strong>in</strong> Sohn nicht so ist, wie sie ihn b<strong>es</strong>chreibe. Er<br />

war doch schließlich 6 Jahre bei mir Tag und Nacht. Auf e<strong>in</strong>mal sollte er sich so verän<strong>der</strong>t <strong>haben</strong>? Er war zwar<br />

ke<strong>in</strong>er von den Wilden, aber er stellte sich gerne auf <strong>der</strong>en Seite, das wusste ich. Ich fühlte daher me<strong>in</strong>em Sohn<br />

auf den Zahn und drängte ihn zum Reden. Schließlich f<strong>in</strong>g er an zu erzählen, die Lehrer<strong>in</strong> reiße ihn an den<br />

Haaren <strong>o<strong>der</strong></strong> ziehe ihn bei den Haaransätzen seitlich und das vor <strong>der</strong> ganzen Klasse.<br />

Wenn man etwas ang<strong>es</strong>tellt hat, dann muss man <strong>es</strong> schon selbst ausbaden und Buße tun, aber ohne Grund und<br />

dann <strong>noch</strong> unter Anwendung von physischer Gewalt, so geht <strong>es</strong> nicht. Ich g<strong>in</strong>g wie<strong>der</strong> zu di<strong>es</strong>er Lehrer<strong>in</strong> und<br />

konfrontierte sie mit dem Erzählten. Die Lehrer<strong>in</strong> wurde total rot im G<strong>es</strong>icht und rastete voll aus. <strong>Sie</strong> stritt all<strong>es</strong><br />

ab und schob die ganze Schuld auf me<strong>in</strong>en Sohn. Me<strong>in</strong> Sohn saß da, wie ich damals <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong>. <strong>Sie</strong> b<strong>es</strong>choss<br />

ihn mit Worten und setzte ihn voll unter Druck trotz me<strong>in</strong><strong>es</strong> Beise<strong>in</strong>s. Er g<strong>in</strong>g daher nie gerne zur <strong>Schule</strong>. Zum<br />

Glück bekam er <strong>in</strong> <strong>der</strong> 3. Klasse e<strong>in</strong>e neue Lehrer<strong>in</strong>. Dann stellte sich heraus, dass er Legastheniker sei. Di<strong>es</strong>e<br />

Lehrer<strong>in</strong> för<strong>der</strong>te ihn. Die erste Lehrer<strong>in</strong> sagte ausdrücklich, dass me<strong>in</strong> Sohn blöd sei und Legasthenie gäbe <strong>es</strong><br />

nicht. (441210 VS/ Stufe 1-2)<br />

Fälle aus Hauptschule und Unterstufe <strong>der</strong> AHS: Stufen 5-8/9:<br />

Fall 5<br />

Me<strong>in</strong>e Tochter kam <strong>in</strong> die Hauptschule: Der Lehrer, den sie bekam war furchtbar. Er schrie nur („Ihr seid ja so<br />

blöd, dass man aus dem Fenster spr<strong>in</strong>gen könnte!“) und schüchterte me<strong>in</strong>e Tochter <strong>der</strong>maßen e<strong>in</strong>, dass sie nichts<br />

mehr aß und immer ruhiger wurde. Me<strong>in</strong> Mann und ich sagten uns, dass das nicht mehr so weiter gehen kann.<br />

Ich b<strong>in</strong> <strong>der</strong> Me<strong>in</strong>ung, wenn ich nicht mit me<strong>in</strong>en <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong>n schreie, dann brauchen <strong>es</strong> an<strong>der</strong>e auch nicht tun.<br />

Als wir zu ihm h<strong>in</strong>g<strong>in</strong>gen, reagierte er sehr positiv und sagte, er sei halt so und er glaube auch, dass <strong>es</strong> für das<br />

Mädchen b<strong>es</strong>ser wäre, wenn sie die Klasse wechseln würde. Und von da an lief <strong>es</strong> für unser Mädchen <strong>gut</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Schule</strong>. (24310 HS/ Stufe 5)<br />

Fall 6<br />

E<strong>in</strong>e Lehrer<strong>in</strong> sagte zu me<strong>in</strong>er Tochter „Schau nicht so blöd, Anita.“ Me<strong>in</strong>e Tochter brauchte e<strong>in</strong>e Brille und<br />

konnte daher auf <strong>der</strong> Tafel nicht mehr all<strong>es</strong> so <strong>gut</strong> sehen. Daraufh<strong>in</strong> zw<strong>in</strong>kerte sie natürlich die Augen<br />

zusammen, um das an <strong>der</strong> Tafel G<strong>es</strong>chriebene doch etwas l<strong>es</strong>en zu können. Ich f<strong>in</strong>de <strong>es</strong> wirklich e<strong>in</strong>e Frechheit<br />

und Unverschämtheit, dass e<strong>in</strong> Lehrer so etwas sagt. Anstatt e<strong>in</strong>e solch blöde Bemerkung von sich zu geben,<br />

hätte die Lehrer<strong>in</strong> mehr auf me<strong>in</strong>e Tochter e<strong>in</strong>gehen und mit ihr reden können, ob sie vielleicht schlecht sieht.<br />

(19510 HS/ Stufe 7)<br />

Fall 7<br />

Ja, me<strong>in</strong> Sohn ist e<strong>in</strong> recht lebhaft<strong>es</strong> K<strong>in</strong>d und <strong>in</strong> Turnen hat er immer die totalen Probleme, und auch beim<br />

Elternsprechtag höre ich immer, wie me<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d fürchterlich ist <strong>in</strong> Turnen, <strong>es</strong> verhält sich nicht still. Ich höre<br />

immer, dass er wie „e<strong>in</strong> Schmetterl<strong>in</strong>g“ im Saal herumwirbelt, <strong>es</strong> ist unmöglich und <strong>der</strong> Prof<strong>es</strong>sor hat das K<strong>in</strong>d<br />

vor allen so weit erniedrigt, dass er mittlerweile Turnen schwänzt. Also, er geht nicht mehr <strong>in</strong> Turnen.<br />

Me<strong>in</strong> Sohn hat nämlich Koord<strong>in</strong>ations- bzw. Bewegungsstörungen, und da hat er ihn vor <strong>der</strong> ganzen Klasse oft<br />

bei gewissen Sachen erniedrigt und bei Sachen, wo er sehr <strong>gut</strong> ist, hat er ihn e<strong>in</strong>fach nicht hervorgehoben. Das<br />

war dann eigentlich ganz normal.<br />

Und im Mathematikunterricht war <strong>es</strong> so, dass <strong>es</strong> so e<strong>in</strong>mal im Monat etwa vorgekommen ist, dass die<br />

Prof<strong>es</strong>sor<strong>in</strong> vor <strong>der</strong> ganzen Klasse g<strong>es</strong>agt hat: „Könntet´s Ihr Euch vorstellen, e<strong>in</strong>e Klasse mit 2 <strong>o<strong>der</strong></strong> 3 Marios?“<br />

Dann hat sie so <strong>in</strong> die Klasse re<strong>in</strong>g<strong>es</strong>chaut und alle <strong>haben</strong> gekichert und gelacht. Ich weiß, dass das me<strong>in</strong>em<br />

Mario sehr weh tut.<br />

24


Krumm & Eckste<strong>in</strong>: Geht <strong>es</strong> <strong>Ihnen</strong> <strong>gut</strong> <strong>o<strong>der</strong></strong> <strong>haben</strong> <strong>Sie</strong> <strong>noch</strong> <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong>?<br />

Und <strong>der</strong> Physikprof<strong>es</strong>sor, <strong>der</strong> ist schon e<strong>in</strong>mal von <strong>der</strong> Schulleitung gemaßregelt worden, weil er so viele<br />

Schimpfwörter wie „Arschloch“ „Trottel“ verwendet. Er darf sie jetzt nicht mehr verwenden. Mittlerweile<br />

verwendet er allerd<strong>in</strong>gs Cod<strong>es</strong> – Namen <strong>o<strong>der</strong></strong> irgendwelche Zahlen, aber die <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> wissen ganz genau, was die<br />

bedeuten. Z.B. E<strong>in</strong> 99-er ist e<strong>in</strong> Arschloch. Er sagt halt jetzt nicht mehr „Arschloch“ zu e<strong>in</strong>em Schüler, son<strong>der</strong>n<br />

er wäre e<strong>in</strong> 99-er. (37310 HS/ Stufe 6)<br />

Fall 8<br />

Me<strong>in</strong>e Tochter hat e<strong>in</strong>en Fünfer auf die Mathematikschularbeit gehabt. Das war <strong>in</strong> <strong>der</strong> 2. Klasse AHS. Worauf<br />

die Lehrer<strong>in</strong> sie gefragt hat, ob sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> richtigen <strong>Schule</strong> ist und gefragt, was sie <strong>in</strong> den an<strong>der</strong>en Fächern<br />

g<strong>es</strong>chrieben hat. (50510 AHS/ Stufe 6)<br />

Fall 9<br />

Me<strong>in</strong>e Tochter wusste e<strong>in</strong>mal als E<strong>in</strong>zige <strong>in</strong> <strong>der</strong> Klasse e<strong>in</strong>e Antwort. Die Biologielehrer<strong>in</strong> lobte sie, dass sie<br />

ansche<strong>in</strong>end als E<strong>in</strong>zige das <strong>gut</strong> gelernt hatte. Me<strong>in</strong>e Tochter sagte darauf wahrheitsgemäß, dass sie <strong>es</strong> nicht<br />

gelernt habe, son<strong>der</strong>n die richtige Antwort e<strong>in</strong>fach so durch Nachdenken gewusst habe. Da sagte sie darauf böse:<br />

„Du sollst nicht denken, du sollst lernen.“ (59610 AHS/ Stufe 6)<br />

Fall 10<br />

"Me<strong>in</strong> Sohn Stefan hat <strong>in</strong> <strong>der</strong> ersten <strong>o<strong>der</strong></strong> zweiten Klasse Gymnasium den Klassenvorstand gebeten, etwas <strong>noch</strong><br />

e<strong>in</strong>mal zu erklären. Darauf hat <strong>der</strong> Klassenvorstand geme<strong>in</strong>t, wenn Stefan zu blöd ist, und wenn auch se<strong>in</strong>e<br />

Eltern zu blöd s<strong>in</strong>d, um ihm zu helfen, dann braucht er ja nicht <strong>in</strong>s Gymnasium zu gehen. Das sei e<strong>in</strong>e freiwillige<br />

<strong>Schule</strong> und man habe nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> nachzufragen; dazu sei er nicht da. Ich habe das schlimm gefunden,<br />

und das hat Stefan auch sehr gekränkt." (54310 AHS/ Stufe 5 <strong>o<strong>der</strong></strong> 6)<br />

Fälle aus Oberstufe AHS und BHS: Schulstufe 10-12/13<br />

Fall 11<br />

E<strong>in</strong> Lehrer hat me<strong>in</strong>e Tochter <strong>in</strong> ihrem Drang, etwas aus dem Unterricht herausholen zu wollen, gebremst. Er hat<br />

sie quasi nie<strong>der</strong>gemacht, sie bräuchte sich nicht darum zu kümmern – er würde das schon machen. Zum Beispiel<br />

bei <strong>der</strong> Wien-Woche: Gemacht hat er dann nichts.<br />

Interviewer<strong>in</strong>: "Was wollte de<strong>in</strong>e Tochter denn <strong>in</strong> Bezug auf die Wien-Woche machen?" <strong>Sie</strong> wollte mitg<strong>es</strong>talten<br />

und vorausplanen, was sie sich <strong>in</strong> Wien anschauen, um Vorfreude dabei zu <strong>haben</strong>. Er hat das e<strong>in</strong>er Agentur<br />

überlassen und sich durch ihre Vorschläge g<strong>es</strong>tört gefühlt. Er hat sie <strong>in</strong> ihrem Tatendrang ausgebremst. (54210<br />

AHS/ Stufe 10)<br />

Fall 12<br />

Me<strong>in</strong>e Tochter schrieb <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mathematik Schularbeit e<strong>in</strong> „Sehr <strong>gut</strong>“. Der Lehrer sprach sie daraufh<strong>in</strong> nur mehr<br />

mit Herr Brunner an. Da Frauen ja <strong>in</strong> Mathematik nicht <strong>gut</strong> se<strong>in</strong> können. Als sie nun kürzlich ke<strong>in</strong> „Sehr <strong>gut</strong>“<br />

schrieb, sagte <strong>der</strong> Lehrer, dass di<strong>es</strong> ja zu erwarten war, dass <strong>es</strong> selbstverständlich ist, dass Mädchen schlecht <strong>in</strong><br />

Mathematik s<strong>in</strong>d, und dass das "Sehr <strong>gut</strong>" sicher nur e<strong>in</strong> Ausrutscher war. (5310 AHS/ Stufe 11)<br />

Fall 13<br />

Me<strong>in</strong>e ältere Tochter b<strong>es</strong>uchte die Holzfachschule, die hauptsächlich <strong>noch</strong> von Burschen b<strong>es</strong>ucht und von<br />

männlichen Lehrern geführt wird, also e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong>e Männerdomäne herrscht vor. Ganz egal, was für Leistungen sie<br />

erbracht hat, sie wurde aufgrund ihr<strong>es</strong> G<strong>es</strong>chlecht<strong>es</strong> beurteilt. Die gängige Auffassung an di<strong>es</strong>er <strong>Schule</strong> ist <strong>noch</strong>,<br />

dass Mädchen <strong>in</strong> di<strong>es</strong>er Branche nichts verloren <strong>haben</strong> und di<strong>es</strong> wurde ihr verbal und nonverbal zu verstehen<br />

gegeben. Me<strong>in</strong>e Tochter verbrachte e<strong>in</strong>e schlimme Zeit. Am Ende hat sie sich <strong>in</strong> den Mittagspausen <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Toilette e<strong>in</strong>g<strong>es</strong>perrt, um dem Mobb<strong>in</strong>g zu entfliehen. Nach 2 Jahren hat sie die <strong>Schule</strong> abgebrochen. G<strong>in</strong>g das<br />

Mobb<strong>in</strong>g von allen Lehrern aus? Von allen nicht – aber von <strong>gut</strong> 2/3 <strong>der</strong> Lehrer kamen e<strong>in</strong>deutige<br />

diskrim<strong>in</strong>ierende Aussagen. Hilfe konnten wir uns aber von niemand erwarten. (13810 BHS/ Stufe 11)<br />

Fall 14<br />

Me<strong>in</strong>e Tochter hatte <strong>in</strong> Chemie auf zwei T<strong>es</strong>ts die Noten 1 und 2. <strong>Sie</strong> ließ sich kurz nach dem zweiten T<strong>es</strong>t<br />

prüfen, um sich auf e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>ser zu verb<strong>es</strong>sern, denn sie wollte ihre Note aus dem Sem<strong>es</strong>terzeugnis beibehalten.<br />

Nach <strong>der</strong> Prüfung sagte <strong>der</strong> Lehrer: „Ja, das geht jetzt <strong>in</strong> Ordnung.“ Ca. zwei Wochen vor <strong>der</strong> Zeugnisvergabe<br />

wurden <strong>in</strong> Chemie die Noten verl<strong>es</strong>en, da sagte <strong>der</strong> Lehrer, sie bekäme e<strong>in</strong>en Zweier. E<strong>in</strong>ige von ihren Klassenkolleg<strong>in</strong>nen<br />

ließen sich <strong>noch</strong> auf e<strong>in</strong>e b<strong>es</strong>sere Note prüfen, sie wollte sich auch <strong>noch</strong> e<strong>in</strong>mal prüfen lassen, aber<br />

sie durfte nicht. (311010 BHS/ Stufe 12)<br />

Was die Eltern <strong>in</strong> den Interviews aussagten, deckt sich mit den schriftlichen Berichten <strong>der</strong><br />

Studenten: Es f<strong>in</strong>den sich alle Ersche<strong>in</strong>ungsformen d<strong>es</strong> Mobb<strong>in</strong>gs, die <strong>in</strong> den letzten Jahren <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Arbeitswelt <strong>der</strong> Erwachsenen b<strong>es</strong>chrieben wurden:<br />

• Zuschreibungen unerwünschter Eigenschaften / Vorurteile<br />

„Schaut andauernd <strong>in</strong> die Luft“ (1), „blöd“ (4), „ist fürchterlich“ (7); „bist du an <strong>der</strong> richtigen<br />

<strong>Schule</strong>?“ (8); „als Mädchen fehl am Platz“ (13).<br />

25


Krumm & Eckste<strong>in</strong>: Geht <strong>es</strong> <strong>Ihnen</strong> <strong>gut</strong> <strong>o<strong>der</strong></strong> <strong>haben</strong> <strong>Sie</strong> <strong>noch</strong> <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong>?<br />

Aus den vielen weiteren Fällen fällt <strong>in</strong> di<strong>es</strong>e Kategorie u.a.: Zuschreibung von Faulheit,<br />

fehlen<strong>der</strong> Begabung, e<strong>in</strong><strong>es</strong> psychischen Defekts, „du hast hier nichts verloren“, „du kannst<br />

niemals die Prüfung b<strong>es</strong>tehen“ ...<br />

• Bloßstellen, Vorwürfe vor <strong>der</strong> Klasse<br />

„Lehrer<strong>in</strong> hat oft die Aufsätze me<strong>in</strong><strong>es</strong> Sohn<strong>es</strong> (Legastheniker) vor <strong>der</strong> Klasse vorgel<strong>es</strong>en“ (3),<br />

„Schau nicht so blöd“ (6); e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d mit Bewegungsstörungen vor <strong>der</strong> ganzen Klasse<br />

erniedrigt (7)<br />

Ferner: Versagende <strong>o<strong>der</strong></strong> sozial ängstliche Schüler an <strong>der</strong> Tafel prüfen; Kritik am Aussehen,<br />

<strong>der</strong> Kleidung, <strong>der</strong> Aufmachung; Vorwurf „zu fett“ zu se<strong>in</strong> ...<br />

• Ausgrenzung<br />

Den Schüler ausgegrenzt, „<strong>in</strong>dem er ihn an e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>zelnen Tisch g<strong>es</strong>etzt hat, <strong>der</strong> mit e<strong>in</strong>igen<br />

Metern Abstand zur g<strong>es</strong>amten Klasse aufg<strong>es</strong>tellt wurde“ (3).<br />

Ferner: Ins Eck stellen, vor die Tür stellen, nicht auf e<strong>in</strong>en Ausflug mit gehen lassen ...<br />

• E<strong>in</strong>schüchterungen, Demotivierungen<br />

„<strong>Sie</strong> hat ihn nie aufgebaut, son<strong>der</strong>n [...] nie<strong>der</strong>gedrückt“ (3); „immer nur negative Sachen<br />

hervorgehoben“ (3), „sie b<strong>es</strong>choss ihn mit Worten“ (4), unter Druck setzen (4); „er<br />

schüchterte me<strong>in</strong>e Tochter <strong>der</strong>art e<strong>in</strong>, dass sie ...“ (5), „hat das K<strong>in</strong>d vor allen so weit<br />

erniedrigt, dass <strong>es</strong> ...“ (7), „wo er sehr <strong>gut</strong> ist, hat er ihn e<strong>in</strong>fach nicht hervorgehoben...“ (7),<br />

„du sollst nicht denken, du sollst lernen“ (9); „... er hat sie <strong>in</strong> ihrem Tatendrang ausgebremst“,<br />

„quasi nie<strong>der</strong>gemacht“ (11); e<strong>in</strong>e „sehr <strong>gut</strong>e Leistung“ als „Ausrutscher“ <strong>in</strong>terpretiert (12),<br />

Ferner: Drohungen unterschiedlichster Art, Demütigungen ...<br />

• Körperverletzungen und Zwangsausübungen<br />

„<strong>Sie</strong> hat ihn an den Haaren ziehen müssen“ (1). „Schließlich f<strong>in</strong>g er an zu erzählen, die<br />

Lehrer<strong>in</strong> reiße ihn an den Haaren <strong>o<strong>der</strong></strong> ziehe ihn bei den Haaransätzen seitlich“ (4)<br />

Ferner: Werfen mit Gegenständen; Kopfnüsse, Ohrfeigen, Stoßen; mit Gewalt das K<strong>in</strong>d<br />

irgendwo h<strong>in</strong>ziehen, sodass e<strong>in</strong> Bluterguss entsteht ...<br />

• Schreien, B<strong>es</strong>chimpfen, Schimpfworte, Beleidigen<br />

„er schrie nur“, „ihr seid ja so blöd“ (5), „viele Schimpfwörter wie Arschloch, Trottel [...],<br />

mittlerweile verwendet er Cod<strong>es</strong>“ (7)<br />

Ferner: „Brüllen“, „toben“, Beleidigungen über die Herkunft, schimpfen über die Eltern ...<br />

• Lächerlich machen <strong>o<strong>der</strong></strong> B<strong>es</strong>chämen<br />

Vor <strong>der</strong> Klasse gefragt: „Könnt ihr euch e<strong>in</strong>e Klasse mit lauter Marios vorstellen“? Alle <strong>haben</strong><br />

gelacht (7); „wenn Stefan zu blöd ist, und wenn auch se<strong>in</strong>e Eltern zu blöd s<strong>in</strong>d, um ihm zu<br />

helfen, dann braucht er ja nicht <strong>in</strong>s Gymnasium zu gehen“ (10).<br />

Ferner: sich lustig machen über Fehler, Körpermerkmale, Frisur, Kleidung, die Eltern,<br />

G<strong>es</strong>chwister, über ung<strong>es</strong>chickt<strong>es</strong>, untalentiert<strong>es</strong> Verhalten ...<br />

• Ignorieren, missachten<br />

Der Lehrer weigert sich, e<strong>in</strong>em Schüler etwas <strong>noch</strong> e<strong>in</strong>mal zu erklären (10).<br />

Ferner: „Stehen lassen“, „nicht h<strong>in</strong>hören“, “nicht reden lassen“, zu wenig Zeit zum<br />

Nachdenken geben; nicht reagieren, wenn das K<strong>in</strong>d um Hilfe bei Angriffen von Mitschülern<br />

bittet. Ignorieren von Schmerzen <strong>o<strong>der</strong></strong> Verletzungen. Nicht drannehmen im Unterricht, „l<strong>in</strong>ks<br />

liegen lassen“, ke<strong>in</strong>e Verb<strong>es</strong>serungschance e<strong>in</strong>räumen ...<br />

• Ungerecht<strong>es</strong>/ unfair<strong>es</strong> Verhalten<br />

Der Lehrer hält sich nicht an e<strong>in</strong> Versprechen (14), Benachteiligung gegenüber an<strong>der</strong>en (14).<br />

26


Krumm & Eckste<strong>in</strong>: Geht <strong>es</strong> <strong>Ihnen</strong> <strong>gut</strong> <strong>o<strong>der</strong></strong> <strong>haben</strong> <strong>Sie</strong> <strong>noch</strong> <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong>?<br />

Ferner: ungerechte Leistungsbeurteilungen, ungerechtfertige, unangem<strong>es</strong>sene <strong>o<strong>der</strong></strong> überzogene<br />

Strafen; unfaire Vergleiche mit an<strong>der</strong>en Schülern <strong>o<strong>der</strong></strong> den G<strong>es</strong>chwistern. Ungleichbehandlung<br />

von Schülern, <strong>in</strong>sb<strong>es</strong>on<strong>der</strong>e „Bevorzugung von Liebl<strong>in</strong>gen“, Nichtberücksichtigung von<br />

leistungshemmenden Faktoren bei Prüfungen ...<br />

Schließlich f<strong>in</strong>den sich unter den berichteten Fällen „Verletzungen von Rechten“ (z.B. E<strong>in</strong>griff<br />

<strong>in</strong> das Privatleben; Lehrer akzeptiert ke<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>en Me<strong>in</strong>ungen <strong>o<strong>der</strong></strong> E<strong>in</strong>stellungen),<br />

„Weitergabe von Informationen“ (z.B. Lehrer teilt Kollegen sofort mitteilt, dass NN wie<strong>der</strong><br />

e<strong>in</strong>e 5 g<strong>es</strong>chrieben hat) und „Unterstellung von Fehlhandlungen <strong>o<strong>der</strong></strong> Straftaten“ (z.B.<br />

B<strong>es</strong>chuldigungen, ohne Beweise vorzulegen <strong>o<strong>der</strong></strong> Gegenbeweise anzuhören). 9<br />

Die berichteten Lehrerhandlungen s<strong>in</strong>d – <strong>in</strong> ihrem Kontext - <strong>in</strong> vielen Fällen Belege für die<br />

Th<strong>es</strong>e, die Kurt S<strong>in</strong>ger (1998) als Titel se<strong>in</strong><strong>es</strong> Buch<strong>es</strong> wählte: „Die Würde d<strong>es</strong> Schülers ist<br />

antastbar“.<br />

Wir <strong>haben</strong> nicht untersucht, welche Kränkung ihrer <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> die Eltern b<strong>es</strong>on<strong>der</strong>s häufig<br />

berichten und welche sie selten nennen. E<strong>in</strong>en Anhaltspunkt dafür gibt die quantitative Analyse<br />

<strong>der</strong> Studentenaussagen nach den Kategorien <strong>der</strong> Mobb<strong>in</strong>gforschung <strong>in</strong> Tabelle 2.<br />

Tabelle 2: Häufigkeiten <strong>der</strong> Kränkungsarten <strong>in</strong> <strong>der</strong> österreichischen Studentenbefragung<br />

nach Kategorien <strong>der</strong> Mobb<strong>in</strong>gforschung, zusammengefasst <strong>in</strong> 13<br />

Kategorien (Detaillierte Darstellung <strong>in</strong> Krumm & Weiß 2002)<br />

Kategorien<br />

Anzahl <strong>der</strong> Nennungen<br />

(Negative) Zuschreibungen, Behauptungen, Vorurteile 188<br />

Bloßstellen 175<br />

Ungerecht<strong>es</strong>, unfair<strong>es</strong> Verhalten 159<br />

Schreien, B<strong>es</strong>chimpfen, Schimpfwörter 128<br />

Lächerlichmachen / B<strong>es</strong>chämen 100<br />

Ignorieren, vernachlässigen, missachten 63<br />

Verletzung von Rechten 30<br />

Unterstellung von Fehlhandlungen 48<br />

Körperverletzungen 47<br />

Drohungen / E<strong>in</strong>schüchterungen 47<br />

Isolierung 20<br />

Informationsweitergabe 32<br />

Unangem<strong>es</strong>sene Arbeitsaufträge 19<br />

Die Aussagen <strong>der</strong> Studenten beziehen sich häufiger als die <strong>der</strong> Eltern auf <strong>Schule</strong>rfahrungen aus<br />

<strong>der</strong> Oberstufe. Den<strong>noch</strong> nehmen wir an, dass e<strong>in</strong>e Analyse <strong>der</strong> Elternaussagen ähnlich ausfiele:<br />

Inakzeptabl<strong>es</strong> Lehrerverhalten dürfte mehr vom Rollenverständnis d<strong>es</strong> Lehrers <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

unvermeidlich asymmetrischen Beziehung zu se<strong>in</strong>en Schülern und von se<strong>in</strong>er Persönlichkeit<br />

bed<strong>in</strong>gt se<strong>in</strong>, weniger vom Alter <strong>der</strong> Schüler und <strong>der</strong> Schulart. 10<br />

9<br />

10<br />

In <strong>der</strong> (wenigen) Literatur über den schlechten Lehrer werden <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel zwei Dimensionen pädagogisch<br />

problematischen Verhaltens unterschieden: ‚mangelhaft<strong>es</strong> Unterrichten’ und ‚mangelhafter Umgang mit den<br />

Schülern’ (Schwarz & Prange 1997). In unseren Untersuchungen geht <strong>es</strong> uns nur um die zweite Dimension.<br />

Zur zweiten Dimension schreibt Hoos, <strong>der</strong> Lehrer und Konrektor war, <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Artikel über „Mobb<strong>in</strong>g <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Schule</strong>“: „Auch Faulheit von Lehrern und schlechten Unterricht rechne ich zu den Misshandlungen,<br />

denn beid<strong>es</strong> ist gleichzusetzen mit e<strong>in</strong>er Verweigerung von Bildungschancen und muss somit als e<strong>in</strong>e Form<br />

struktureller Gewalt ang<strong>es</strong>ehen werden. Gewalt aber ist immer e<strong>in</strong> Missbrauch von Macht, nur merken wir<br />

<strong>es</strong> lei<strong>der</strong> nicht immer, wann wir unsere Macht missbrauchen.“ (Hoos 1999, S. 23).<br />

Dafür spricht auch die Untersuchung von Karazman-Morawetz & Ste<strong>in</strong>ert 1995. <strong>Sie</strong> erlaubt b<strong>es</strong>ser als<br />

unsere Daten Vergleiche von Schülererfahrungen <strong>in</strong> den Pflichtschulklassen mit Erfahrungen <strong>in</strong> weiterführenden<br />

<strong>Schule</strong>n.<br />

27


Krumm & Eckste<strong>in</strong>: Geht <strong>es</strong> <strong>Ihnen</strong> <strong>gut</strong> <strong>o<strong>der</strong></strong> <strong>haben</strong> <strong>Sie</strong> <strong>noch</strong> <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong>?<br />

Was berichten die Eltern zusätzlich zu <strong>der</strong> erfragten „Kränkung“ und wie tun sie <strong>es</strong>?<br />

Manche Eltern erwähnen nur e<strong>in</strong>e Kränkung, an<strong>der</strong>e mehrere; manche sprechen nur von<br />

e<strong>in</strong>em Lehrer <strong>o<strong>der</strong></strong> e<strong>in</strong>er Lehrer<strong>in</strong>, manche von mehreren, unter denen ihr K<strong>in</strong>d gelitten hat.<br />

Etliche Eltern geben direkt <strong>o<strong>der</strong></strong> <strong>in</strong>direkt an, wie oft die Kränkungen vorkamen <strong>o<strong>der</strong></strong> wie lange<br />

sie anhielten. Z.B. kam <strong>in</strong> den Fällen 6 und 9 die Kränkung nur e<strong>in</strong>mal vor, <strong>in</strong> den Fällen 1-5<br />

wie<strong>der</strong>holt. Bei manchen dauerte das Leiden so lange, wie <strong>der</strong> Schüler zu dem Lehrer <strong>o<strong>der</strong></strong> <strong>der</strong><br />

Lehrer<strong>in</strong> <strong>in</strong> den Unterricht musste (1, 5, 14) – manchmal also jahrelang. Den meisten di<strong>es</strong>er<br />

Fragen gehen wir im Folgenden genauer nach.<br />

Fast alle Eltern lassen erkennen, welch<strong>es</strong> Schülerverhalten <strong>o<strong>der</strong></strong> Schülermerkmal Anlass für<br />

das Lehrerverhalten war. Es handelte sich jeweils um e<strong>in</strong> Ereignis, das dem Lehrer nicht<br />

behagte, vor allem um unerwünschte Leistungen: zu langsam<strong>es</strong> Schreiben (1), schlechte<br />

Leistungen (3, 8), „blöd<strong>es</strong> Schauen“ (6), unruhig<strong>es</strong>, also den Lehrer störend<strong>es</strong> Verhalten (7),<br />

e<strong>in</strong>e unerwartete (aber durchaus positive) Antwort e<strong>in</strong>er Schüler<strong>in</strong> (9).<br />

Für manche Lehrer sche<strong>in</strong>t schon die Bitte e<strong>in</strong><strong>es</strong> Schülers um Wie<strong>der</strong>holung e<strong>in</strong>er<br />

Erklärung <strong>der</strong>art frustrierend zu se<strong>in</strong>, dass sie sich zu Antworten wie im Fall 10 h<strong>in</strong>reißen<br />

lassen. Manche sche<strong>in</strong>t <strong>es</strong> auch zu nerven, wenn Schüler aktiv s<strong>in</strong>d – wie im Fall 11.<br />

Der Lehrer, <strong>der</strong> e<strong>in</strong>e <strong>gut</strong>e Mathematikschüler<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Vorurteil entsprechend mit „Herr<br />

Brunner“ ansprach (12), wollte vermutlich nur „Spaß“ machen. Er sche<strong>in</strong>t sich nicht klar<br />

gemacht zu <strong>haben</strong>, dass solche „Späßchen“ e<strong>in</strong> 14 jährig<strong>es</strong> Mädchen kränken können.<br />

Ähnlich<strong>es</strong> gilt für das diskrim<strong>in</strong>ierende Verhalten <strong>der</strong> Lehrer e<strong>in</strong>er Holzfachschule e<strong>in</strong>er<br />

Schüler<strong>in</strong> gegenüber. - Wir gehen im vorliegenden Text den berichteten Anlässen d<strong>es</strong><br />

Lehrerverhaltens nicht weiter nach.<br />

Ebenso häufig wie die Eltern <strong>in</strong> ihren Antworten über den Anlass d<strong>es</strong> Lehrerverhaltens<br />

sprechen, äußern sie sich auch über die Folgen für das betroffene K<strong>in</strong>d. Hierauf gehen wir <strong>in</strong><br />

Abschnitt 3.2. e<strong>in</strong>. Wie die Eltern dem Lehrer gegenüber auf die Kränkung ihr<strong>es</strong> K<strong>in</strong>d<strong>es</strong><br />

reagierten, ist Gegenstand e<strong>in</strong><strong>es</strong> späteren Text<strong>es</strong>.<br />

Was die Eltern berichten, kennen sie zunächst nur vom Hörensagen: Ihr K<strong>in</strong>d hat <strong>es</strong> ihnen<br />

erzählt. Aber was hat das K<strong>in</strong>d erzählt? War das Lehrerverhalten genau so, wie <strong>es</strong> das K<strong>in</strong>d<br />

bzw. die Eltern berichtet <strong>haben</strong>? Die Frage nach <strong>der</strong> Gültigkeit <strong>der</strong> Daten erörtern wir im<br />

Abschnitt 3.2.3. Zunächst gehen wir aber auf die Häufigkeit und Dauer <strong>der</strong> Kränkungen e<strong>in</strong>.<br />

3.1.2. Häufigkeit und Dauer <strong>der</strong> Kränkungen<br />

Von den <strong>in</strong>terviewten Eltern <strong>haben</strong> sich 67% an Kränkungen ihr<strong>es</strong> K<strong>in</strong>d<strong>es</strong> er<strong>in</strong>nert und<br />

m<strong>in</strong>d<strong>es</strong>tens e<strong>in</strong>e g<strong>es</strong>chil<strong>der</strong>t. Bei den Studenten waren <strong>es</strong> – je nach Fragemethode – 70-78%.<br />

Die Antworthäufigkeit <strong>der</strong> Eltern liegt nah bei jener <strong>der</strong> Studenten, wenn man bedenkt, dass<br />

<strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> ihren Eltern nicht all<strong>es</strong> berichten, was sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> erleben. 11<br />

Die Eltern überblicken im Durchschnitt weniger Schuljahre als die Studenten, sowohl was<br />

die Schuljahre ihrer <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> als auch ihre eigenen betrifft. Viele <strong>der</strong> <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> s<strong>in</strong>d <strong>noch</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Grundschule und von den befragten Eltern <strong>haben</strong> nur 30% Matura. So berichten die Eltern<br />

mehr Vorfälle aus den unteren Schulstufen als die Studenten. Den Studenten dürften die<br />

<strong>Schule</strong>rlebnisse späterer Jahre näher liegen.<br />

Wir <strong>haben</strong> die Eltern nicht befragt, ob die g<strong>es</strong>chil<strong>der</strong>te Kränkung ihr<strong>es</strong> K<strong>in</strong>d<strong>es</strong> e<strong>in</strong>malig war<br />

<strong>o<strong>der</strong></strong> wie<strong>der</strong>holt vorkam, jedoch die Studenten. Von jenen Studenten, die Kränkungen<br />

11<br />

Von den Studenten gaben 34% an, dass sie die Kränkungen „di<strong>es</strong><strong>es</strong> Lehrers“ meistens <strong>o<strong>der</strong></strong> häufig mit ihren<br />

Eltern b<strong>es</strong>prochen <strong>haben</strong>. 39% taten <strong>es</strong> nur selten <strong>o<strong>der</strong></strong> gelegentlich, 27% nie. Auch die von den Eltern<br />

erzählten Kränkungssituationen lassen gelegentlich erkennen, dass die Eltern nur zufällig davon erfahren<br />

<strong>haben</strong> <strong>o<strong>der</strong></strong> erst nach längerem Insistieren herausbekamen, was <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> passiert ist.<br />

28


Krumm & Eckste<strong>in</strong>: Geht <strong>es</strong> <strong>Ihnen</strong> <strong>gut</strong> <strong>o<strong>der</strong></strong> <strong>haben</strong> <strong>Sie</strong> <strong>noch</strong> <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong>?<br />

berichten, gaben 32% auf di<strong>es</strong>e Frage an, die Kränkung sei e<strong>in</strong>malig gew<strong>es</strong>en, 68%, sie sei<br />

wie<strong>der</strong>holt vorgekommen. 12<br />

Tabelle 3 zeigt, wie viele Studenten angaben, dass sie während ihrer Schulzeit die ihnen auf<br />

e<strong>in</strong>er Liste vorgelegten Kränkungen erfahren <strong>haben</strong>:<br />

Tabelle 3: Ist <strong>es</strong> vorgekommen, dass e<strong>in</strong> Lehrer / e<strong>in</strong>e Lehrer<strong>in</strong> ...<br />

[Ja - Antworten auf e<strong>in</strong>e g<strong>es</strong>chlossene Frage] w m<br />

<strong>Sie</strong> ungerecht beurteilt hat 78 83<br />

<strong>Sie</strong> unfair behandelt hat 73 75<br />

<strong>Sie</strong> beleidigt hat 62 65<br />

<strong>Sie</strong> vor an<strong>der</strong>en bloßg<strong>es</strong>tellt hat 57 61<br />

<strong>Sie</strong> ang<strong>es</strong>chrien hat 52 59<br />

<strong>Sie</strong> b<strong>es</strong>chimpft hat 40 51<br />

<strong>Sie</strong> verspottet hat 38 37<br />

ständig an <strong>Ihnen</strong> herumgenörgelt hat 39 38<br />

versucht hat, ihnen Schuldgefühle zu machen 33 29<br />

<strong>Sie</strong> schikaniert hat 37 40<br />

<strong>Sie</strong> ständig nicht beachtet, übersehen hat 27 33<br />

<strong>Sie</strong> für dumm befunden hat 36 30<br />

<strong>Sie</strong> fertiggemacht hat 39 25<br />

<strong>Sie</strong> als ungeeignet für die <strong>Schule</strong> bezeichnet hat 27 27<br />

<strong>Sie</strong> wegen je<strong>der</strong> Kle<strong>in</strong>igkeit b<strong>es</strong>traft hat 15 22<br />

<strong>Sie</strong> g<strong>es</strong>chlagen hat 4 15<br />

Körperlich zudr<strong>in</strong>glich wurde 7 4 13<br />

Von jenen Studenten, die im Zusammenhang mit ihren Fallberichten angaben, wie<strong>der</strong>holt<br />

Kränkungen erfahren zu <strong>haben</strong> (das waren 52% aller Befragten), gaben 86% an, die<br />

Kränkungen hätten „m<strong>in</strong>d<strong>es</strong>tens 6 Monate“ gedauert. 28%, die zu di<strong>es</strong>en <strong>in</strong>sg<strong>es</strong>amt 86%<br />

gehören, fallen <strong>in</strong> die – auf <strong>der</strong> Basis offener Antworten gebildete - Kategorie: „Kränkung hat<br />

länger als 35 Monate gedauert“.<br />

Def<strong>in</strong>iert man Mobb<strong>in</strong>g nach <strong>der</strong> strengsten Def<strong>in</strong>ition <strong>in</strong> <strong>der</strong> Literatur als e<strong>in</strong>e „negative<br />

kommunikative Handlung“, die „m<strong>in</strong>d<strong>es</strong>tens e<strong>in</strong> halb<strong>es</strong> Jahr“ währt und „m<strong>in</strong>d<strong>es</strong>tens e<strong>in</strong>mal<br />

pro Woche“ vorfällt (Leymann 1993, S. 21), dann <strong>haben</strong> nach unseren Daten 16,9% <strong>der</strong><br />

befragten Studenten während ihrer Schulzeit „Mobb<strong>in</strong>g“ durch Lehrer erlitten. Die Erfahrung<br />

verletzenden Lehrerverhalten, von dem die befragten Studenten und Eltern berichten, ist ke<strong>in</strong><br />

selten<strong>es</strong> Ereignis. 14<br />

3.2. Die Folgen kränkenden Lehrerverhaltens für Schüler und <strong>der</strong>en Eltern<br />

Viele Eltern nennen zusammen mit ihrer Antwort auf die Frage nach Kränkungen auch<br />

Folgen d<strong>es</strong> berichteten Lehrerverhaltens für ihr K<strong>in</strong>d. Um von allen darüber Auskunft zu<br />

12<br />

13<br />

14<br />

Wenn wir im Folgenden gelegentlich mangels Daten von Eltern <strong>Schule</strong>rfahrungen von Studenten<br />

heranziehen, entnehmen wir sie dem Text, <strong>in</strong> dem wir über Ergebnisse <strong>der</strong> Studentenbefragung <strong>in</strong> Österreich<br />

berichten (Krumm & Weiß 2002).<br />

E<strong>in</strong> Vergleich di<strong>es</strong>er Befunde mit Tabelle 2 ist unergiebig, da sich die Kategorien nicht entsprechen.<br />

Anlässlich d<strong>es</strong> letzten öffentlich erörterten Problemverhaltens e<strong>in</strong>er Lehrkraft im Bund<strong>es</strong>land Salzburg<br />

(siehe Salzburger Nachrichten vom 11.1.02 und danach) schätzte e<strong>in</strong> Vertreter d<strong>es</strong> Land<strong>es</strong>schulrats Salzburg<br />

den Anteil <strong>der</strong> versagenden Lehrer im Mittelschulbereich auf e<strong>in</strong>en Promill<strong>es</strong>atz. Der Amtführende<br />

Land<strong>es</strong>schulratspräsident von Salzburg bezeichnete den Vorfall als „negativen E<strong>in</strong>zelfall“ (Salzburger<br />

Fenster 03/2002, S. 6). Die Schätzungen <strong>der</strong> Schulaufsicht liegen damit weit unter den Schätzungen von<br />

zwei Gewerkschaftsvorsitzenden (Helm und Skala). <strong>Sie</strong> schätzten 1997 die Zahl <strong>der</strong> sog. „Schwarzen<br />

Schafe“ auf 5% und 10%. Unsere Daten <strong>der</strong> Mobb<strong>in</strong>gopfer von Lehrern lassen vermuten, dass die wahre<br />

Zahl höher ist – ähnlich hoch, wie die Zahl mobben<strong>der</strong> Schüler (Krumm 1997; 1999a).<br />

29


Krumm & Eckste<strong>in</strong>: Geht <strong>es</strong> <strong>Ihnen</strong> <strong>gut</strong> <strong>o<strong>der</strong></strong> <strong>haben</strong> <strong>Sie</strong> <strong>noch</strong> <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong>?<br />

erhalten, <strong>haben</strong> wir gefragt: „Wie hat Ihr K<strong>in</strong>d auf das Verhalten d<strong>es</strong> Lehrers/<strong>der</strong> Lehrer<strong>in</strong><br />

reagiert?“<br />

3.2.1. Die Folgen d<strong>es</strong> Lehrerverhaltens<br />

Damit nicht nachg<strong>es</strong>chlagen werden muss, er<strong>in</strong>nern wir im Folgenden zunächst an die<br />

Kränkung <strong>in</strong> den bereits zitierten Fällen und erwähnen knapp, was bereits dort über die<br />

Folgen für das K<strong>in</strong>d g<strong>es</strong>agt worden ist. Anschließend zitieren wir zu jedem Fall die<br />

Antworten auf die Frage nach den Reaktionen d<strong>es</strong> K<strong>in</strong>d<strong>es</strong>.<br />

Grundschulfälle<br />

Fall 1<br />

Der Vater, <strong>der</strong> berichtet, dass e<strong>in</strong>e Mitschüler<strong>in</strong> ihren Sohn auf Anordnung <strong>der</strong> Lehrer<strong>in</strong> „immer an den Haaren<br />

(hat) ziehen müssen, (wenn) „me<strong>in</strong> Sohn vom Heft wegg<strong>es</strong>chaut (hat)“, schrieb über d<strong>es</strong>sen Reaktion: „Das hat<br />

ihn natürlich total fertig gemacht.“<br />

In <strong>der</strong> anschließenden Frage ergänzt er: „Zuerst hat er sich e<strong>in</strong>e Zeit lang nicht getraut, daheim von di<strong>es</strong>er<br />

Schmach zu erzählen. Er hat sich g<strong>es</strong>chämt, dass er so langsam ist. Wir <strong>haben</strong> aber bemerkt, dass er nicht mehr<br />

gerne <strong>in</strong> die <strong>Schule</strong> geht. Da ist uns die Sache schon komisch vorgekommen. Und irgendwann hat er dann doch<br />

me<strong>in</strong>er Frau unter Tränen die ganze Situation g<strong>es</strong>chil<strong>der</strong>t.“<br />

Fall 2<br />

Auch hier hat <strong>der</strong> Grundschüler, <strong>der</strong> von <strong>der</strong> Lehrer<strong>in</strong> „neben so e<strong>in</strong> auffällig<strong>es</strong> K<strong>in</strong>d“ g<strong>es</strong>etzt worden war, von<br />

d<strong>es</strong>sen „ständigen Angriffen“ zunächst nichts erzählt. Die Mutter erlebte nur „plötzliche We<strong>in</strong>anfälle [...] ganz<br />

unmotiviert¸ die kaum zu beenden waren und die auch e<strong>in</strong> vernünftig<strong>es</strong> G<strong>es</strong>präch unmöglich machten.“ <strong>Sie</strong> fügte<br />

dem <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zusatzfrage nichts mehr h<strong>in</strong>zu.<br />

Fall 3<br />

Hier hat die Lehrer<strong>in</strong> den Sohn „vor <strong>der</strong> Klasse bloßg<strong>es</strong>tellt“ und „ausgegrenzt“, die Mutter berichtet, dass sie –<br />

Mutter und Sohn – die ganze VS-Zeit h<strong>in</strong>durch „ziemliche Probleme gehabt hätten“.<br />

In <strong>der</strong> Zusatzfrage sagte sie dann: „Da das eigentlich <strong>der</strong> Schulbeg<strong>in</strong>n für den S. war, hat er so reagiert, dass die<br />

Schulleistung nachgelassen hat, dass er überhaupt nicht mehr gerne <strong>in</strong> die <strong>Schule</strong> gegangen ist. Er hat das mir<br />

zuhause aber nie erzählt, ich habe das dann von an<strong>der</strong>en erfragt. Er hat sich da eher ruhig verhalten. Er wollte<br />

zuhause überhaupt nichts mehr von <strong>Schule</strong> hören. Ich habe zuhause bei Hausübungen totale Probleme mit ihm<br />

bekommen, er wollte ke<strong>in</strong>e Hausaufgaben mehr machen. Jetzt merke ich den Unterschied, seit er <strong>in</strong> die<br />

Hauptschule geht, wo eben an<strong>der</strong>e Lehrer s<strong>in</strong>d und sich das Ganze sehr verän<strong>der</strong>t hat. Er geht lieber <strong>in</strong> die<br />

<strong>Schule</strong>. Se<strong>in</strong> Selbstvertrauen ist auch stärker geworden.<br />

Fall 4<br />

Dort schrieb die Mutter über die Folgen <strong>der</strong> Atmosphäre <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> für ihr zu Hause unkompliziert<strong>es</strong> K<strong>in</strong>d:<br />

„Nach e<strong>in</strong> paar Wochen <strong>Schule</strong> hatte er sich total verän<strong>der</strong>t. Er wollte nicht <strong>in</strong> die <strong>Schule</strong> gehen und bekam<br />

morgens immer Bauchweh, Kopfweh und Magenb<strong>es</strong>chwerden. Er fand immer wie<strong>der</strong> Gründe, wi<strong>es</strong>o er nicht <strong>in</strong><br />

die <strong>Schule</strong> gehen wollte“. Die Antwort auf die 2. Frage war nur e<strong>in</strong>e Wie<strong>der</strong>holung.<br />

Hauptschule und Unterstufe AHS<br />

Fall 5<br />

Die Mutter berichtet, „<strong>der</strong> Lehrer schüchterte me<strong>in</strong>e Tochter <strong>der</strong>maßen e<strong>in</strong>, dass sie nichts mehr aß und immer<br />

ruhiger wurde. Durch e<strong>in</strong>en Klassenwechsel wurde all<strong>es</strong> wie<strong>der</strong> <strong>gut</strong>“. Die 2. Frage wurde übergangen.<br />

Fall 6<br />

Über ihre Tochter, die von <strong>der</strong> Lehrer<strong>in</strong> den Satz zu hören bekam „Schau nicht so blöd“ antwortete die Mutter<br />

auf die 2. Frage: „Me<strong>in</strong>e Tochter war sehr verletzt und wollte auch nicht mehr <strong>in</strong> die <strong>Schule</strong> gehen. Ich musste<br />

wirklich sehr auf sie e<strong>in</strong>gehen und sie trösten, da sie sehr gekränkt war“.<br />

Fall 7<br />

Die Mutter sagt <strong>in</strong> ihrer ersten Antwort: „Der Prof<strong>es</strong>sor hat das (recht lebhafte) K<strong>in</strong>d vor allen so oft erniedrigt,<br />

dass er mittlerweile Turnen schwänzt...“<br />

In <strong>der</strong> zweiten Frage ergänzt sie: „Im Turnunterricht war <strong>es</strong> so, dass er am Anfang auf Kampfstellung gegangen<br />

ist und das Ganze dann <strong>noch</strong> mehr provoziert hat bei dem Prof<strong>es</strong>sor. Wie er gemerkt hat, das habe ke<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n,<br />

hat er sich zurückgezogen und geht jetzt gar nicht mehr.<br />

Bei <strong>der</strong> Mathematikprof<strong>es</strong>sor<strong>in</strong> (sie hat ihn vor <strong>der</strong> Klasse lächerlich gemacht ,V.K.) ist das all<strong>es</strong> eher <strong>in</strong> stiller<br />

Zurückhaltung und mit grollendem Hass auf die Prof<strong>es</strong>sor<strong>in</strong>, also, an <strong>der</strong> lässt er ke<strong>in</strong> <strong>gut</strong><strong>es</strong> Haar mehr.“<br />

30


Krumm & Eckste<strong>in</strong>: Geht <strong>es</strong> <strong>Ihnen</strong> <strong>gut</strong> <strong>o<strong>der</strong></strong> <strong>haben</strong> <strong>Sie</strong> <strong>noch</strong> <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong>?<br />

Fall 8<br />

Die Mutter sagt im Blick auf ihre Tochter, die anlässlich e<strong>in</strong>er ungenügenden Mathematikarbeit, von ihrer<br />

Lehrer<strong>in</strong> gefragt wurde, ob sie glaube, auf <strong>der</strong> richtigen <strong>Schule</strong> zu se<strong>in</strong>: „<strong>Sie</strong> war demotiviert, gekränkt,<br />

verunsichert. D<strong>es</strong><strong>in</strong>ter<strong>es</strong>se <strong>in</strong> di<strong>es</strong>em Fach.“<br />

Fall 9<br />

Über die Reaktion ihrer Tochter, die von ihrer Biologielehrer<strong>in</strong> zu hören bekam: „Du sollst nicht denken, du<br />

sollst lernen“ sagt die Mutter: „Das war ziemlich schlimm für sie. <strong>Sie</strong> war ja immer sehr brav, wollte auch nicht<br />

provozieren und war ziemlich stolz auf sich, dass sie wirklich durch Nachdenken die Lösung gewusst hat, wo sie<br />

doch sonst eher als sehr fleißig und nicht als Wiffzack gilt. <strong>Sie</strong> hat immer wie<strong>der</strong> g<strong>es</strong>agt, die mag mich nicht, und<br />

ich mag sie auch nicht mehr, ich hab mich so gefreut, dass ich was weiß, ohne dass ich <strong>es</strong> gelernt habe und ich<br />

werde auch <strong>in</strong> Zukunft denken“.<br />

Fall 10<br />

Auf die Frage, wie ihr Sohn reagiert habe, als <strong>der</strong> Lehrer sich weigerte, ihm <strong>noch</strong>mals etwas zu erklären,<br />

antwortete die Mutter: "Soviel ich weiß, hat er sich von da an, von dem Zeitpunkt an, nie mehr etwas zu sagen<br />

getraut, weil <strong>der</strong> Lehrer war e<strong>in</strong> richtiger Zyniker."<br />

AHS-Oberstufe, BMS und BHS<br />

Fall 11<br />

Die Mutter jen<strong>es</strong> Mädchens, d<strong>es</strong>sen Lehrer nicht g<strong>es</strong>tattete, die Klassenfahrt mitzuplanen, sagte im Rahmen <strong>der</strong><br />

Fallschil<strong>der</strong>ung: „Er hat sie <strong>in</strong> ihrem Tatendrang ausgebremst“. <strong>Sie</strong> ergänzt sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> 2. Frage: "<strong>Sie</strong> hat e<strong>in</strong>en<br />

Zorn auf den Lehrer bekommen und hat ihre Leistungen nicht voll entfaltet."<br />

Interviewer<strong>in</strong>: "Hat sich das schulisch auch ausgewirkt?" "<strong>Sie</strong> hat dann auch das Gefühl gehabt, dass sie bei den<br />

Deutsch-Schularbeiten bei di<strong>es</strong>em Lehrer, wo die Beurteilung ja immer relativ ist, schlechter abg<strong>es</strong>chnitten hat."<br />

Fall 12<br />

Über die Folgen für das Mädchen, das wegen se<strong>in</strong>er <strong>gut</strong>en Mathematikleistung nur <strong>noch</strong> mit „Herr Brunner“<br />

ang<strong>es</strong>prochen wurde, äußerte die Mutter: „Me<strong>in</strong>e Tochter war e<strong>in</strong>erseits genervt, weil <strong>der</strong> Lehrer immer wie<strong>der</strong><br />

den selben Spruch hatte. Und sie sich eigentlich schon vor je<strong>der</strong> Stunde darauf e<strong>in</strong>stellen konnte, dass wie<strong>der</strong><br />

irgend etwas <strong>in</strong> <strong>der</strong> Richtung kommen musste. <strong>Sie</strong> war aber auch sehr frustriert, dass ihre Leistung nicht<br />

anerkannt wurde, nur weil sie e<strong>in</strong> Mädchen ist.<br />

Und <strong>es</strong> ist sehr schade, da sie Mathematik immer gemocht hatte, und ihr durch di<strong>es</strong>en Zwischenfall, vermute ich<br />

zum<strong>in</strong>d<strong>es</strong>t, die Freude daran doch etwas gem<strong>in</strong><strong>der</strong>t wurde.<br />

Fall 13<br />

Die Reaktionen ihrer Tochter, die sich auf <strong>der</strong> Holzfachschule als Mädchen von 2/3 <strong>der</strong> Lehrer und den<br />

(männlichen) Schülern gemobbt und ungerecht beurteilt fühlte, hat die Mutter zunächst b<strong>es</strong>chrieben: „<strong>Sie</strong><br />

verbrachte e<strong>in</strong>e schlimme Zeit. Am Ende hat sie sich <strong>in</strong> den Mittagspausen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Toilette e<strong>in</strong>g<strong>es</strong>perrt, um dem<br />

Mobb<strong>in</strong>g zu entfliehen. Nach 2 Jahren hat sie die <strong>Schule</strong> abgebrochen.“<br />

<strong>Sie</strong> antwortete auf die 2. Frage nur <strong>noch</strong>: „<strong>Sie</strong> wollte die ungerechte Beurteilung nicht h<strong>in</strong>nehmen, hat sich aber<br />

die Lehrer nicht anzusprechen getraut.“<br />

Fall 14<br />

Das Mädchen, das nicht wie an<strong>der</strong>e Schüler <strong>noch</strong> e<strong>in</strong>e Chance zu e<strong>in</strong>er Leistungsverb<strong>es</strong>serung erhielt, reagierte laut<br />

Mutter: „<strong>Sie</strong> hat sich sehr geärgert und hat mit dem Lehrer g<strong>es</strong>prochen. Di<strong>es</strong>er sagte, dass ihre Prüfung e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>ser<br />

ergeben hätte, aber dass da h<strong>in</strong>ten <strong>in</strong> <strong>der</strong> letzten Reihe die Mitarbeit sehr schlecht wäre. Er g<strong>in</strong>g auf ihre Argumente<br />

gar nicht e<strong>in</strong> und sagte, sie sollte ihn <strong>in</strong> Ruhe lassen.“<br />

Zusammengefasst hat das Verhalten d<strong>es</strong> Lehrers <strong>o<strong>der</strong></strong> <strong>der</strong> Lehrer<strong>in</strong> <strong>in</strong> den 14 Fällen die<br />

betroffenen Schüler somit nach Aussagen <strong>der</strong> Eltern:<br />

• „fertiggemacht“;<br />

• zum We<strong>in</strong>en gebracht; We<strong>in</strong>anfälle daheim veranlasst;<br />

• bewirkt, dass die Schulleistung nachgelassen hat, Hausaufgabenprobleme entstanden s<strong>in</strong>d<br />

und das Selbstvertrauen abgenommen hat;<br />

• Bauchweh, Kopfweh, Magenb<strong>es</strong>chwerden verursacht;<br />

• Schulabneigung und Schulangst, Weigerung <strong>in</strong> die <strong>Schule</strong> zu gehen, Schwänzen bed<strong>in</strong>gt;<br />

• den Schulb<strong>es</strong>uch abbrechen lassen;<br />

• bewirkt, dass das K<strong>in</strong>d „nichts mehr aß“;<br />

• genervt, geärgert, frustriert bzw. störrisch und aggr<strong>es</strong>siv gemacht;<br />

• traurig gemacht;<br />

• bewirkt, dass <strong>der</strong> Schüler sich schlechter beurteilt erlebt;<br />

31


Krumm & Eckste<strong>in</strong>: Geht <strong>es</strong> <strong>Ihnen</strong> <strong>gut</strong> <strong>o<strong>der</strong></strong> <strong>haben</strong> <strong>Sie</strong> <strong>noch</strong> <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong>?<br />

• im Unterricht verstummen lassen („nichts mehr zu sagen getraut“);<br />

• glauben gemacht, dass sie abgelehnt werden;<br />

• demotiviert, verunsichert, die Freude am Fach genommen.<br />

In den vielen an<strong>der</strong>en Fällen werden solche Folgen immer wie<strong>der</strong> erwähnt. Ferner sprechen<br />

Eltern von „Hass“ und „Zorn“ auf Lehrer; sie nennen Weigerung, Hausaufgaben zu machen,<br />

zu lernen; Antipathie, Abneigung, Wi<strong>der</strong>willen gegen den Lehrer und se<strong>in</strong> Fach; Schimpfen<br />

über und „Schimpfworte“ gegen den Lehrer daheim; Enttäuschung; Schlafstörungen; Verlust<br />

<strong>der</strong> Selbstsicherheit; „Wut“ und „Verzweiflung“; sie berichten, dass das K<strong>in</strong>d „unglücklich“<br />

war, und auch, dass die Klasse <strong>o<strong>der</strong></strong> die <strong>Schule</strong> gewechselt wurde.<br />

Hier <strong>noch</strong> e<strong>in</strong>ige wörtliche Aussagen:<br />

„Er kommt jeden Tag überreizt nach Hause und brüllt und schreit mich dann e<strong>in</strong>mal an – er muss sich<br />

Luft machen.“ (27615)<br />

„Me<strong>in</strong>e ält<strong>es</strong>te Tochter wurde gefühlskalt. <strong>Sie</strong> konnte nichts mehr Herzlich<strong>es</strong> zeigen. [...] Me<strong>in</strong>e<br />

jüngere Tochter geht seelisch zugrunde.“ (5415)<br />

„Me<strong>in</strong> Sohn wurde sehr nervös und begann Nägel zu kauen“. „M. war gar nicht mehr imstande zu<br />

lernen [...] er ist nicht mehr (<strong>in</strong> die <strong>Schule</strong>) gegangen.“ (5515)<br />

„Er wollte nicht mehr zur <strong>Schule</strong> und we<strong>in</strong>te fürchterlich und war kaum zu beruhigen, er begann zu<br />

brechen und wollte auch nichts <strong>es</strong>sen.“ (15315)<br />

„Am Vorabend [...] hat das K<strong>in</strong>d immer zu jammern begonnen, da sie sich (vor) <strong>der</strong> Deutschstunde<br />

gefürchtet hat, da <strong>der</strong> Lehrer ja vielleicht wie<strong>der</strong> so blöde Bemerkungen machen und sie wie<strong>der</strong><br />

lächerlich machen könnte.“ (20215)<br />

„Es waren physische und psychische Reaktionen. Psychische <strong>haben</strong> sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Form von<br />

Angstzuständen und Unsicherheit ausgedrückt und physische <strong>in</strong> <strong>der</strong> Form, dass sie, obwohl sie immer<br />

e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong>e Haut hatte auf e<strong>in</strong>mal Pickel bekam, außerdem fielen ihr im großen Maße die Haare aus.“<br />

(27315)<br />

„Me<strong>in</strong> Sohn hat homöopathische Unterstützung gebraucht (Tropfen zur Beruhigung).“ (50215)<br />

Die Mehrzahl <strong>der</strong> Mütter und Väter berichtet solche Reaktionen, die dem verletzenden<br />

Lehrerverhalten zug<strong>es</strong>chrieben werden. Nur e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er Teil sagt, das K<strong>in</strong>d hätte daheim zwar<br />

empört berichtet, hätte aber zum<strong>in</strong>d<strong>es</strong>t so getan, als wäre <strong>es</strong> nicht gekränkt. Die Eltern s<strong>in</strong>d <strong>in</strong><br />

di<strong>es</strong>en Fällen aber nicht sicher, ob ihr K<strong>in</strong>d wirklich e<strong>in</strong>e Strategie entwickelt hat, mit<br />

„Lehrerangriffen“ umzugehen, <strong>o<strong>der</strong></strong> ob <strong>es</strong> „nur so getan hat“, als könnten di<strong>es</strong>e ihm nichts<br />

antun:<br />

„NN tat immer so, als würde ihr das nichts ausmachen, zeigte sich nach außen immer als starke<br />

Person, ließ sich nichts anmerken, dass sie das verletzte.“ (57315)<br />

„Ich weiß <strong>es</strong> nicht genau. E<strong>in</strong>erseits schien <strong>es</strong> ihn kalt zu lassen und an<strong>der</strong>erseits sucht er immer nach<br />

Ausreden, wenn ich mit ihm darüber reden wollte.“ (19315)<br />

„Me<strong>in</strong>em Sohn sche<strong>in</strong>t das eher egal zu se<strong>in</strong>. Ich weiß <strong>es</strong> aber nicht ganz genau, da er sich immer<br />

an<strong>der</strong>s gibt als wie ihm wirklich zumute ist.“ (19415)<br />

„Ich glaube für me<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d war das nicht so kränkend, ich will nicht sagen, die Kränkung war<br />

überhaupt nicht vorhanden, aber sie hat sich eher über die Lehrer<strong>in</strong> lustig gemacht, nachdem die<br />

Lehrer alle Schüler so fertig gemacht hat. Für mich persönlich, als Mutter, empfand ich wirklich e<strong>in</strong>e<br />

Kränkung, ich habe das geme<strong>in</strong> und unfair gefunden.“ (29315)<br />

„Nach außen h<strong>in</strong> hat er die "coole Schulter" gezeigt, wie <strong>es</strong> <strong>in</strong> ihm ausg<strong>es</strong>chaut hat (<strong>der</strong> Hauptschüler<br />

war zu unrecht e<strong>in</strong>er schlimmen Tat verdächtigt worden, V.K.) weiß ich nicht ganz. Ich denke mir aber<br />

schon, dass <strong>es</strong> ihn verletzt hat.“ (5215)<br />

Wie<strong>der</strong>holt zeigte sich auch, dass manche <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> das erlebte Lehrerverhalten schnell<br />

verwunden hatten, wenn sie <strong>es</strong> den Eltern erzählen konnten:<br />

"<strong>Sie</strong> hat <strong>es</strong> mir erzählt, da ist <strong>es</strong> auch schon wie<strong>der</strong> vorbeigew<strong>es</strong>en." (18215)<br />

„Klaus hat mir’s nur erzählt und dann war’s vorbei, aber erzählt hat er’s trotzdem [...].“ (56516)<br />

32


Krumm & Eckste<strong>in</strong>: Geht <strong>es</strong> <strong>Ihnen</strong> <strong>gut</strong> <strong>o<strong>der</strong></strong> <strong>haben</strong> <strong>Sie</strong> <strong>noch</strong> <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong>?<br />

Insg<strong>es</strong>amt zeigen die Berichte, dass die Eltern das vom K<strong>in</strong>d berichtete Lehrerverhalten<br />

ebenfalls negativ beurteilen und dass sie <strong>in</strong> den berichteten Fällen fast immer auf <strong>der</strong> Seite d<strong>es</strong><br />

K<strong>in</strong>d<strong>es</strong> standen. Das hängt sicher damit zusammen, dass die Eltern nur Situationen erzählt<br />

<strong>haben</strong>, <strong>in</strong> denen das Lehrerverhalten auch für sie ungerechtfertigt verletzend und nicht etwa<br />

gerechtfertigt strafend war.<br />

3.2.2. Zur Häufigkeit <strong>der</strong> Reaktion und Intensität <strong>der</strong> Kränkung<br />

Wir <strong>haben</strong> nicht ermittelt, welche Reaktionen die Eltern häufig und welche sie selten<br />

berichten. Stattd<strong>es</strong>sen zeigen wir mit Tabelle 4, an welche Auswirkungen sich die Studenten<br />

er<strong>in</strong>nerten:<br />

Tabelle 4: An welche Auswirkungen d<strong>es</strong> kränkenden Verhaltens d<strong>es</strong> Lehrers / <strong>der</strong><br />

Lehrer<strong>in</strong> er<strong>in</strong>nern <strong>Sie</strong> sich? Antworten auf das Item trifft zu:<br />

(Antworten auf e<strong>in</strong>e g<strong>es</strong>chlossene Frage <strong>in</strong> %) w m<br />

1. Der Lehrer/die Lehrer<strong>in</strong> wurde mir unsympathischer. 95 94<br />

2. Ich war zornig und wütend auf den Lehrer. 93 85** 15<br />

3. Ich fühlte mich vom Lehrer abgelehnt. 84 76<br />

4. Ich musste ständig darüber nachdenken. 79 62**<br />

5. Ich fühlte mich nie<strong>der</strong>g<strong>es</strong>chlagen/traurig. 77 64**<br />

6. Das Fach di<strong>es</strong><strong>es</strong> Lehrers wurde mir zuwi<strong>der</strong>. 78 77<br />

7. Ich hatte Herzklopfen. 66 63<br />

8. Ich wurde unsicher. 70 53**<br />

9. Ich fühlte mich entmutigt. 69 55**<br />

10. Ich hatte Angst vor den Stunden bei di<strong>es</strong>em/r L. 71 59**<br />

11. Me<strong>in</strong> Selbstvertrauen nahm ab. 65 56<br />

12. Ich konnte mich im Unterricht schlechter konzentrieren. 58 48<br />

13. Ich fühlte mich ohnmächtig. 42 45<br />

14. Ich hatte Rachegedanken gegen den L./die L. 52 57<br />

15. Ich war gereizt/aggr<strong>es</strong>siv. 50 51<br />

16. Ich schämte mich. 49 39<br />

17. Ich fühlte mich überfor<strong>der</strong>t. 51 31**<br />

18. Ich schlief schlechter. 43 31**<br />

19. Me<strong>in</strong> Ansehen bei Mitschülern wurde ger<strong>in</strong>ger. 20 23<br />

20. Mir war übel. 19 17<br />

21. Ich hatte Kopfschmerzen. 16 8<br />

Die Befunde s<strong>in</strong>d Indikatoren für „Verletzung“. Die Emotionen richten sich – wie die<br />

Aussagen <strong>in</strong> den Fallg<strong>es</strong>chichten – gegen den Lehrer (Rangplatz 1, 2, 14, 15) und d<strong>es</strong>sen Fach<br />

(6), sie führten zu Kummer und Nie<strong>der</strong>g<strong>es</strong>chlagenheit (3, 4, 5) zu Entmutigung, Verlust an<br />

Selbstvertrauen und Verunsicherung (8, 9, 11, 12, 13, 16, 17), zu Gefühlen <strong>der</strong> Hilflosigkeit<br />

<strong>o<strong>der</strong></strong> Ohnmacht (13), zu somatischen B<strong>es</strong>chwerden (7, 18, 20, 21), zu Angst (10) zu Scham<br />

(16) und gelegentlich zum Verlust an Ansehen bei den Mitschülern (19) (Krumm & Weiß<br />

2002).<br />

Orientiert man die emotionalen Folgen d<strong>es</strong> Lehrerverhaltens an <strong>der</strong> „sprachanalytischen<br />

Klassifikation von Emotionen“ (Me<strong>es</strong> 1985 nach Ulich & Mayr<strong>in</strong>g 1992, S. 135f), dann fallen<br />

die Aussagen <strong>in</strong> die Klassen:<br />

• negative Beziehungsemotionen: Abneigung, Abscheu, Wi<strong>der</strong>wille, Groll, Trotz, Hass,<br />

Misstrauen, Aggr<strong>es</strong>sion<br />

• und Subklassen <strong>der</strong> „Ziel-Emotionen“, nämlich:<br />

15<br />

Bei den mit ** gekennzeichneten Auswirkungen b<strong>es</strong>tehen signifikante Zusammenhänge (1% Irrtumswahrsche<strong>in</strong>lichkeit)<br />

zwischen dem G<strong>es</strong>chlecht und <strong>der</strong> jeweiligen Auswirkung.<br />

33


Krumm & Eckste<strong>in</strong>: Geht <strong>es</strong> <strong>Ihnen</strong> <strong>gut</strong> <strong>o<strong>der</strong></strong> <strong>haben</strong> <strong>Sie</strong> <strong>noch</strong> <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong>?<br />

• negative Bewertungsemotionen: Trauer, Kummer, Leere, Unlust<br />

• negative Erwartungsemotionen: Angst, Sorge, Befürchtung, Hoffnungslosigkeit,<br />

Entsetzen, Panik, Verzweiflung, Enttäuschung, Frustriertheit, Unruhe<br />

• negative Attributionsemotionen: Ärger, Wut<br />

• negative (externale) moralische Emotionen: Empörung, Zorn, Entrüstung.<br />

Noch deutlicher als die Aussagen <strong>der</strong> Eltern zeigen die Befunde von Tabelle 4, dass negative<br />

Beziehungs-, Erwartungs- und Attributionsemotionen vorherrschen.<br />

Die Aufgabe jeden Lehrers b<strong>es</strong>teht dar<strong>in</strong>, die ihm anvertrauten <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> und Jugendlichen <strong>in</strong><br />

ihrer Entwicklung zu för<strong>der</strong>n. Wenn die Berichte über das Lehrerverhalten und d<strong>es</strong>sen Folgen<br />

gültig s<strong>in</strong>d, dann <strong>haben</strong> die dafür verantwortlichen Lehrer und Lehrer<strong>in</strong>nen das Gegenteil<br />

bewirkt: <strong>Sie</strong> <strong>haben</strong> <strong>in</strong> den b<strong>es</strong>chriebenen Situationen als Pädagogen versagt.<br />

Die Frage, wie schwer ihre <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> die Kränkung durch den Lehrer erlebt <strong>haben</strong>, <strong>haben</strong> wir<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> ersten Interviewserie Eltern und Lehrern g<strong>es</strong>tellt. Tabelle 5 enthält ihre Antworten und<br />

die <strong>der</strong> Studenten auf die gleichartige Frage.<br />

Tabelle 5:<br />

Eltern/Lehrer: „Wie sehr hat das Ihr K<strong>in</strong>d gekränkt?“<br />

Studenten: „Wie sehr hat das Lehrerverhalten <strong>Sie</strong> gekränkt?“<br />

Angaben <strong>in</strong> sehr, sehr<br />

sehr leicht leicht mittel schwer sehr schwer<br />

% leicht<br />

Eltern 1 2 4 17 26 26 25<br />

Lehrer 0 0 7 30 26 22 15<br />

Studenten 2 3 11 22 30 20 12<br />

sehr, sehr<br />

schwer<br />

Die Verteilung <strong>der</strong> E<strong>in</strong>schätzungen b<strong>es</strong>tätigt den E<strong>in</strong>druck, den die Lektüre <strong>der</strong> Aussagen <strong>der</strong><br />

Eltern vermittelt: Die Eltern, auch wenn di<strong>es</strong>e von Beruf Lehrer s<strong>in</strong>d, berichten weitgehend<br />

von Kränkungen, die sie als „schwer“ e<strong>in</strong>stufen. „Leichte“ Kränkungen berichten nur 6-7%.<br />

Die Urteile <strong>der</strong> Eltern – seien sie Lehrer <strong>o<strong>der</strong></strong> nicht – decken sich weitgehend mit denen <strong>der</strong><br />

Studenten. Soweit die Werte vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong> abweichen, urteilen die Eltern und Lehrer härter als<br />

die Studenten.<br />

3.2.3. S<strong>in</strong>d die Aussagen <strong>der</strong> Eltern gültig?<br />

Bevor wir zum Schluss kommen, stellt sich die Frage, ob denn die Elternaussagen überhaupt<br />

zutreffen. Wie erwähnt, stützen sie sich hauptsächlich auf die Berichte ihrer <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong>. Schon<br />

di<strong>es</strong>e können verzerrt se<strong>in</strong>.<br />

Wir nehmen nicht an, dass die Berichte <strong>der</strong> <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> daheim immer wort-wörtlich stimmen.<br />

Soziale Wahrnehmungen s<strong>in</strong>d meist verzerrt d.h. bee<strong>in</strong>flusst von früheren Ereignissen,<br />

Vorurteilen, Emotionen, Werturteilen, Missverständnissen und an<strong>der</strong>em (Jahnke 1982, S. 59-<br />

118). Insofern muss damit gerechnet werden, dass die Erzählungen <strong>der</strong> <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> und danach die<br />

<strong>der</strong> Eltern nicht nur von <strong>der</strong> – ebenfalls verzerrten – Wahrnehmung d<strong>es</strong> Lehrers abweichen,<br />

son<strong>der</strong>n von dem, was „wirklich“ passiert ist. 16 Aber darauf kommt <strong>es</strong> nicht an. Entscheidend<br />

ist die Frage, ob das, was die <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> den Eltern berichtet <strong>haben</strong>, im Kern <strong>o<strong>der</strong></strong> im Pr<strong>in</strong>zip<br />

„glaubwürdig“ ist (Arb<strong>in</strong>ger 1996, S. 42). Indikatoren <strong>der</strong> Glaubwürdigkeit d<strong>es</strong> Erlebens<br />

16<br />

Wenn Eltern und Lehrer mit e<strong>in</strong>- und demselben Instrument e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d beurteilen, dann ist die<br />

Übere<strong>in</strong>stimmung im Durchschnitt m<strong>in</strong>imal. Nach e<strong>in</strong>er Metaanalyse von 119 Untersuchungen beträgt <strong>der</strong><br />

durchschnittliche Korrelationskoeffizient lediglich r = 0.28. Die geme<strong>in</strong>same Varianz beträgt somit nicht<br />

e<strong>in</strong>mal 8%! Erklärt wird di<strong>es</strong>er immer wie<strong>der</strong> b<strong>es</strong>tätigte Befund mit <strong>der</strong> starken Situationsabhängigkeit d<strong>es</strong><br />

Verhaltens (nicht nur) von <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong>n und Jugendlichen. Konkreter: <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> verhalten sich daheim und <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Schule</strong> sehr oft höchst unterschiedlich (Achenbach 1989; Remschmidt & Walter 1990, S. 10). Zweifellos ist<br />

die Differenz aber auch durch Wahrnehmungsfehler und durch unterschiedliche Normen von Lehrern und<br />

Eltern mitbed<strong>in</strong>gt.<br />

34


Krumm & Eckste<strong>in</strong>: Geht <strong>es</strong> <strong>Ihnen</strong> <strong>gut</strong> <strong>o<strong>der</strong></strong> <strong>haben</strong> <strong>Sie</strong> <strong>noch</strong> <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong>?<br />

können die Eltern beobachten, etwa wenn das K<strong>in</strong>d daheim we<strong>in</strong>end, schimpfend, empört,<br />

aggr<strong>es</strong>siv erzählt und/<strong>o<strong>der</strong></strong> wenn <strong>es</strong> jene Verhaltensweisen entwickelt, die oben g<strong>es</strong>chil<strong>der</strong>t<br />

werden.<br />

Die G<strong>es</strong>chichten, und wie die Eltern sie erzählten, lassen erkennen, dass die Eltern an <strong>der</strong><br />

Glaubwürdigkeit <strong>der</strong> Aussagen (und d<strong>es</strong> Verhaltens) ihr<strong>es</strong> K<strong>in</strong>d<strong>es</strong> im berichteten Fall fast nie<br />

gezweifelt <strong>haben</strong>. <strong>Sie</strong> glauben dem K<strong>in</strong>d, dass <strong>es</strong> sich von dem Lehrerverhalten verletzt fühlt,<br />

und sie beurteilen explizit <strong>o<strong>der</strong></strong> implizit das Lehrerverhalten ebenfalls als kränkend. Wenn<br />

nun aber die Echtheit <strong>der</strong> Reaktionen auf e<strong>in</strong> (berichtet<strong>es</strong> <strong>o<strong>der</strong></strong> manchmal von den Eltern nur<br />

vermutet<strong>es</strong>) Ereignis <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> nicht bezweifelt wird, wird nebensächlich, was dort<br />

„wirklich“ g<strong>es</strong>chehen ist, was <strong>der</strong> Lehrer tatsächlich beobachtbar getan hat, und auch, was <strong>der</strong><br />

Lehrer mit se<strong>in</strong>em Verhalten möglicherweise beabsichtigt hat: Von Bedeutung ist, was er mit<br />

se<strong>in</strong>em Verhalten bewirkt hat.<br />

Über di<strong>es</strong>e Überlegungen h<strong>in</strong>aus s<strong>in</strong>d wir <strong>der</strong> Gültigkeitsproblematik auch <strong>in</strong> unseren<br />

Zusatzerhebungen nachgegangen: In den Interviews 2000 <strong>haben</strong> wir den Eltern und Lehrern<br />

e<strong>in</strong>e Stichprobe von 20 Berichten <strong>der</strong> Studenten vorgelegt und sie gebeten, die Intensität <strong>der</strong><br />

Kränkung zu beurteilen. Das Ergebnis: Die betroffenen Studenten <strong>haben</strong> sie auf e<strong>in</strong>er<br />

siebenstufigen Skala im Durchschnitt mit 5,0 beurteilt, die Eltern mit 5,3 und die Lehrer mit<br />

5,4 - alle also als „schwer kränkend“ (Krumm & Weiß 2002).<br />

Entgegen unseren Erwartungen tendierten die Lehrer zu den härt<strong>es</strong>ten Urteilen. <strong>Sie</strong> <strong>haben</strong><br />

nicht – wie erwartet – primär aus e<strong>in</strong>er Abwehrhaltung heraus geurteilt, son<strong>der</strong>n „prof<strong>es</strong>sionell“<br />

im Blick auf die für sie gültigen pädagogischen Normen. Am zurückhaltendsten<br />

urteilten die unmittelbaren Opfer <strong>der</strong> Lehrerhandlungen: die Studenten. Aus <strong>der</strong> Sicht <strong>der</strong><br />

Beurteiler von außen <strong>haben</strong> sie also nicht übertrieben.<br />

Im Anschluss an die E<strong>in</strong>schätzung <strong>der</strong> Intensität <strong>der</strong> Kränkungen, die die Studenten aus<br />

ihrer Schulzeit berichteten, ließen wir Lehrer und Eltern auch den Wahrheitsgehalt di<strong>es</strong>er<br />

Kränkungsberichte e<strong>in</strong>schätzen (vgl. Tab. 6).<br />

Tabelle 6: Die Fälle aus <strong>der</strong> Schulzeit, die <strong>Sie</strong> eben beurteilt <strong>haben</strong>, können mehr <strong>o<strong>der</strong></strong> weniger wahr se<strong>in</strong>.<br />

Welche <strong>der</strong> folgenden Aussagen trifft Ihrer Me<strong>in</strong>ung nach auf solche Fallschil<strong>der</strong>ungen zu?<br />

fast immer eher wahr als eher falsch als fast immer MD/AM<br />

wahr falsch wahr falsch<br />

Lehrer 39% 50% 10% 2% 2 /1,7<br />

Eltern 44% 47% 7% 1% 2 /1,7<br />

Im Mittelwert zeigt sich wie<strong>der</strong>um e<strong>in</strong>e unseren Erwartungen zuwi<strong>der</strong>laufende große<br />

Übere<strong>in</strong>stimmung von Eltern und Lehrern: Beide Gruppen beurteilen die Berichte <strong>der</strong><br />

Studenten überwiegend als „eher wahr“ und stützen damit unsere Annahme <strong>der</strong> Gültigkeit<br />

(Wahrhaftigkeit) <strong>der</strong> Fallschil<strong>der</strong>ungen.<br />

3.2.4. Ist das berichtete Lehrerverhalten „pädagogisch <strong>in</strong>akzeptabel“?<br />

Wir verstehen unter pädagogisch <strong>in</strong>akzeptablem Verhalten e<strong>in</strong> Lehrerverhalten, das pädagogisch<br />

ungerechtfertigt ist, also gegen e<strong>in</strong>e pädagogisch gültige, anerkannte und Anerkennung<br />

verdienende Norm verstößt.<br />

Nun ist im Proz<strong>es</strong>s <strong>der</strong> Erziehung gelegentlich e<strong>in</strong> gerechtfertigt<strong>es</strong> schmerzhaft<strong>es</strong> Lehrerhandeln<br />

nicht immer vermeidbar. Wenn Schüler gegen e<strong>in</strong> ihnen bekannt<strong>es</strong> Gebot verstoßen,<br />

muss im Pr<strong>in</strong>zip e<strong>in</strong>e „unangenehme“ Konsequenz folgen, soll erreicht werden, dass sich die<br />

Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit <strong>der</strong> Normverletzung verr<strong>in</strong>gert. D<strong>es</strong>halb stellt sich die Frage, ob <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong><br />

und Jugendliche zwischen e<strong>in</strong>er pädagogisch gerechtfertigten Strafe und e<strong>in</strong>er ungerechtfertigten<br />

Verletzung <strong>o<strong>der</strong></strong> Kränkung unterscheiden können. Das ist <strong>der</strong> Fall: In den Berichten<br />

35


Krumm & Eckste<strong>in</strong>: Geht <strong>es</strong> <strong>Ihnen</strong> <strong>gut</strong> <strong>o<strong>der</strong></strong> <strong>haben</strong> <strong>Sie</strong> <strong>noch</strong> <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong>?<br />

<strong>der</strong> Studenten wie <strong>der</strong> Eltern f<strong>in</strong>den sich wie<strong>der</strong>holt Anhaltspunkte dafür, dass Schüler <strong>gut</strong><br />

unterscheiden können, ob e<strong>in</strong> Lehrer <strong>o<strong>der</strong></strong> e<strong>in</strong>e Lehrer<strong>in</strong> sie zurecht „tadelt“, „schimpft“,<br />

„brüllt“, „die Nerven verliert“, „straft“ <strong>o<strong>der</strong></strong> ob sie <strong>es</strong> ungerechtfertigt tun.<br />

Für unsere Annahme, dass Schüler wie Erwachsene „gerechtfertigte Strafen“ und „ungerechtfertigte<br />

Zufügung von Übel“ 17 unterscheiden, sprechen vor allem die Antworten auf die<br />

Frage an Lehrer und Eltern, die <strong>der</strong> Tabelle 7 zugrunde liegen.<br />

Tabelle 7: „Wie beurteilen <strong>Sie</strong> das Verhalten d<strong>es</strong> Lehrers/ <strong>der</strong> Lehrer<strong>in</strong>?“<br />

(Eltern- und Lehrerurteile über 20 Fälle, die Studenten berichtet <strong>haben</strong> <strong>in</strong> %)<br />

1<br />

gerade <strong>noch</strong><br />

annehmbar<br />

2 3 4 5 6 7<br />

völlig<br />

unannehmbar<br />

Eltern: 3 2 3 10 12 24 46<br />

Lehrer: 4 1 5 17 13 26 35<br />

Nur wenige Eltern und Lehrer halten das g<strong>es</strong>chil<strong>der</strong>te Lehrerverhalten für „gerade <strong>noch</strong><br />

annehmbar“. Die überwiegende Mehrzahl (90%) tendiert zu „völlig unannehmbar“ und<br />

damit zu e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>deutigen Urteil: <strong>Sie</strong> sieht <strong>in</strong> dem Verhalten e<strong>in</strong>en Verstoß gegen anerkannte<br />

pädagogische Normen.<br />

Lehrer und Eltern s<strong>in</strong>d sich im Pr<strong>in</strong>zip e<strong>in</strong>ig darüber, was pädagogisch akzeptabl<strong>es</strong><br />

Verhalten ist und was nicht. Es braucht somit nicht daran gezweifelt zu werden, dass jene<br />

Lehrer, <strong>der</strong>en Verhalten <strong>in</strong> den Fallbeispielen g<strong>es</strong>chil<strong>der</strong>t wird, wissen mussten, dass ihr<br />

Verhalten pädagogisch <strong>in</strong>akzeptabel war (Krumm & Weiß 2002). Das b<strong>es</strong>chriebene<br />

Fehlverhalten von Lehrern, ist nicht Ausdruck mangelhaften Wissens (<strong>o<strong>der</strong></strong> mangelhafter<br />

Ausbildung), son<strong>der</strong>n fehlen<strong>der</strong> Selbst- <strong>o<strong>der</strong></strong> Sozialkontrolle (Krumm 1999b+c; Krumm &<br />

Weiß 2001a). 18<br />

4. Macht das erlebte Lehrerverhalten „krank“?<br />

Die Antwort auf di<strong>es</strong>e Frage hängt vom Krankheitsbegriff ab. Bei e<strong>in</strong>em nur auf somatische<br />

Krankheiten bezogenen Begriff fällt die Antwort an<strong>der</strong>s aus als bei dem weiten Begriff <strong>der</strong><br />

WHO. Wir wollen auf die Def<strong>in</strong>itionsproblematik hier jedoch nicht e<strong>in</strong>gehen. Folgende<br />

H<strong>in</strong>weise mögen genügen:<br />

• Die Forschung über „Gewalt <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong>“ als „Gewalt von Schülern“ hat <strong>in</strong> den letzten<br />

10 Jahren d<strong>es</strong>halb so viel Aufmerksamkeit <strong>in</strong> Forschung und Öffentlichkeit erhalten, weil<br />

mit „Gewalt“ die Erwartung von psychischen und physischen Verletzungen verbunden ist:<br />

Niemand zweifelt daran, dass Gewalthandlungen physisch und psychisch verletzen, also<br />

krank machen können (Holtappels et al. 1997).<br />

• Für die Forschung über Mobb<strong>in</strong>g gilt das gleiche. Mobb<strong>in</strong>g kann katastrophale Folgen für<br />

das erwachsene wie für das junge Opfer <strong>haben</strong>. (Leymann 1993; Niedl 1995; Kowalski<br />

1994; Kasper 1998; Hoos 1999).<br />

• Was für Gewalt und Mobb<strong>in</strong>g gilt, gilt auch für K<strong>in</strong>d<strong>es</strong>misshandlung: sie macht krank<br />

(Engfer 1987; Wetzels 1997).<br />

17<br />

18<br />

Das österreichische Strafg<strong>es</strong>etzbuch def<strong>in</strong>iert Strafe als (erlaubte) Zufügung e<strong>in</strong><strong>es</strong> „Übels“. Die hier<br />

ang<strong>es</strong>prochenen <strong>in</strong>akzeptablen Lehrerhandlungen können dementsprechend als „ungerechtfertigte Zufügung<br />

e<strong>in</strong><strong>es</strong> Übels“ b<strong>es</strong>chrieben werden.<br />

Es ist d<strong>es</strong>halb bemerkenswert, dass sich nach Aussagen <strong>der</strong> Studenten nur 7% <strong>der</strong> Lehrer für ihr Verhalten<br />

entschuldigt <strong>haben</strong>.<br />

36


Krumm & Eckste<strong>in</strong>: Geht <strong>es</strong> <strong>Ihnen</strong> <strong>gut</strong> <strong>o<strong>der</strong></strong> <strong>haben</strong> <strong>Sie</strong> <strong>noch</strong> <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong>?<br />

• Schließlich wissen wir aus <strong>der</strong> Str<strong>es</strong>sforschung und den damit nah verwandten<br />

Forschungen über Arbeitsbelastung, dass Str<strong>es</strong>s und Überlastung physisch und psychisch<br />

krank machen (Schwarzer 1987, Jerusalem 1990, Lazarus & Folkman 1994; Projektgruppe<br />

Belastung 1998, Grob 1997, Schaarschmidt & Fischer 2001).<br />

Im Blick auf die R<strong>es</strong>ultate di<strong>es</strong>er Forschungszweige s<strong>in</strong>d die Aussagen <strong>der</strong> Eltern über die<br />

Reaktionen ihrer <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> auf das berichtete Lehrerverhalten typische Wirkungen von Gewalt<br />

und Zwang, Misshandlung, Mobb<strong>in</strong>g, Überlastung <strong>o<strong>der</strong></strong> Str<strong>es</strong>s.<br />

Es s<strong>in</strong>d Reaktionen auf Belastungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong>, unter denen auch viele Lehrer leiden<br />

(Schaarschmidt & Fischer 2001). Lehrer, die den Unterrichtsstr<strong>es</strong>s nicht bewältigen, werden<br />

krank. Die wohl schlimmste Str<strong>es</strong>sfolge ist „Burnout“. Es zeigt sich bei Lehrern <strong>in</strong><br />

„Hilflosigkeit“ und „Entmutigung“ (= Emotionale Erschöpfung), „Gefühl <strong>der</strong> Unlust“,<br />

„Inter<strong>es</strong>selosigkeit“, „reduziert<strong>es</strong> Engagement“ (= Demotivation), „Unzufriedenheit mit <strong>der</strong><br />

Arbeit“ und „Gefühle <strong>der</strong> Reizbarkeit, <strong>der</strong> Sättigung, D<strong>es</strong><strong>in</strong>ter<strong>es</strong>se und Aversion gegen<br />

Schüler “ (Schaarschmidt & Fischer 2001; Schaarschmidt, Arold & Ki<strong>es</strong>chke 2000).<br />

Alle di<strong>es</strong>e Str<strong>es</strong>sreaktionen f<strong>in</strong>den sich nach den Aussagen <strong>der</strong> Eltern und Studenten auch<br />

als Auswirkungen d<strong>es</strong> berichteten Lehrerverhaltens auf Schüler. Die Str<strong>es</strong>sreaktionen <strong>der</strong><br />

Schüler dürften vor allem von jenen Lehrern ausgelöst werden, die ihre pädagogischen und<br />

didaktischen Anfor<strong>der</strong>ungen nicht str<strong>es</strong>sfrei bewältigen können. (Lamude et al. 1992)<br />

In di<strong>es</strong>em Zusammenhang ist bemerkenswert, dass Str<strong>es</strong>s und Überlastung von Lehrern seit<br />

vielen Jahren erforscht und öffentlich erörtert wird. Str<strong>es</strong>s und Überlastung von Schülern<br />

spielt im Vergleich dazu e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>ge Rolle, und e<strong>in</strong>e Diskussion über die Opfer jener Lehrer,<br />

die ihren pädagogischen Berufsaufgaben nicht gewachsen s<strong>in</strong>d, f<strong>in</strong>det kaum statt. 19 Das<br />

Ergebnis e<strong>in</strong>er simplen Computerrecherche (Tabelle 8) illustriert das:<br />

Tabelle 8: Häufigkeit von Wortverb<strong>in</strong>dungen <strong>in</strong> Google (8.11.01)<br />

„Lehrer +... „Schüler +...<br />

...krank“ 262 73<br />

...Belastung“ 117 14<br />

...Str<strong>es</strong>s“ 79 „Lehrerstr<strong>es</strong>s“ = 93 22 „Schülerstr<strong>es</strong>s“ = 57<br />

...Burnout“ 14 0<br />

...Ärger“ 15 1<br />

„...+ Mobb<strong>in</strong>g“ 0 122<br />

„...+ Gewalt“ 23 126<br />

27 = „Lehrergewalt“ 235 = „Schülergewalt“<br />

Tabelle 8 zeigt: Lehrer ersche<strong>in</strong>en vor allem als „g<strong>es</strong>tr<strong>es</strong>st“ <strong>o<strong>der</strong></strong> als „Str<strong>es</strong>sopfer“, Schüler<br />

vor allem als „soziale Str<strong>es</strong>soren“. 20<br />

In <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> werden manche Lehrer und manche Schüler krank. Was krank macht, ist<br />

aber nicht „die <strong>Schule</strong>“. Was Lehrer krank macht, ist vor allem die Belastung durch<br />

19<br />

20<br />

<strong>Sie</strong> f<strong>in</strong>det immer erst dann statt, wenn Eltern <strong>es</strong> wagen, sich an die Medien zu wenden. E<strong>in</strong> Beispiel aus<br />

Salzburgs jüngster Vergangenheit ist <strong>der</strong> <strong>in</strong> Anm. 15 erwähnte Fall. Erst nachdem die Eltern aktiv wurden<br />

und ihre <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> veranlassten, den Unterricht zu b<strong>es</strong>treiken, hat die Schulaufsicht für die Schüler und Eltern<br />

e<strong>in</strong>e befriedigende Lösung gefunden.<br />

Hoos me<strong>in</strong>t: <strong>der</strong> Lehrer werde heute „auch von <strong>der</strong> G<strong>es</strong>ellschaft viel eher <strong>in</strong> <strong>der</strong> Rolle d<strong>es</strong> Opfers g<strong>es</strong>ehen,<br />

als dass man ihm die Rolle e<strong>in</strong><strong>es</strong> potentiellen Täters zuschreibt. Das Problem <strong>der</strong> Lehrer s<strong>in</strong>d die Schüler;<br />

dass aber auch umgekehrt Lehrer zum Albtraum für Heranwachsende werden können, darüber redet man<br />

nicht gerne. Das Burnout-Syndrom ist e<strong>in</strong> „Privileg“ für ausgebrannte Erzieher, nicht aber für frustrierte<br />

Schüler“ (Hoos 1999, S. 32).<br />

37


Krumm & Eckste<strong>in</strong>: Geht <strong>es</strong> <strong>Ihnen</strong> <strong>gut</strong> <strong>o<strong>der</strong></strong> <strong>haben</strong> <strong>Sie</strong> <strong>noch</strong> <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong>?<br />

schwierige Schüler, was Schüler krank macht, ist vor allem pädagogisch <strong>in</strong>akzeptabl<strong>es</strong><br />

Verhalten von Lehrern. 21<br />

Theoretisch befriedigen<strong>der</strong> formuliert: Krank werden <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> Lehrer, die die<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen ihr<strong>es</strong> Berufs nicht bewältigen; krank werden <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> Schüler, die die<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen d<strong>es</strong> Unterrichts, also d<strong>es</strong> Lehrers, nicht bewältigen können, b<strong>es</strong>on<strong>der</strong>s,<br />

wenn di<strong>es</strong>e aus pädagogisch <strong>in</strong>akzeptablem Verhalten b<strong>es</strong>tehen. 22<br />

Die Ausgangslage von Lehrern und Schülern <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> ist allerd<strong>in</strong>gs höchst verschieden:<br />

Schüler gehen <strong>in</strong> die <strong>Schule</strong>, um motiviert, geför<strong>der</strong>t, erzogen, gebildet zu werden,<br />

um sich physisch und psychisch ‚g<strong>es</strong>und’ zu entwickeln und ‚reif’ zu werden. Lehrer dürfen<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> ihrem Beruf nachgehen, weil sie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er vieljährigen Ausbildung die<br />

Kompetenz erworben <strong>haben</strong> sollten, das all<strong>es</strong> das zum Wohl <strong>der</strong> ihnen anvertrauten Schüler<br />

leisten zu können – ‚an leichten und an schweren Unterrichtstagen’. Die Kränkungsberichte,<br />

die Gegenstand di<strong>es</strong><strong>es</strong> Text<strong>es</strong> waren, machen bewusst, dass <strong>es</strong> zu viele Lehrer und<br />

Lehrer<strong>in</strong>nen gibt, die dann versagen, wenn sie <strong>es</strong> mit Schülern zu tun <strong>haben</strong>, die sie als<br />

„schwierig“, „dumm“, „g<strong>es</strong>tört“, „fehl am Platz“, „verhaltensauffällig“ erleben. Statt sie zu<br />

för<strong>der</strong>n, machen sie di<strong>es</strong>e Schüler „fertig“.<br />

Literaturverzeichnis<br />

Achenbach, T. (1989). Agreement between Parents’ and Teachers’ Rat<strong>in</strong>gs of Behavioral/Emotional Problems of<br />

Children Aged 4-12. Journal of Child Psychology and Psychiatry, 30, 123-136.<br />

Arb<strong>in</strong>ger, R. (1996). Gedächtnis und Gedächtnisprobleme im Alltag. Landau: Empirische Pädagogik.<br />

Bund<strong>es</strong>arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft Lehrer gegen Mobb<strong>in</strong>g (Hrsg.). (1997). Ersche<strong>in</strong>ungsformen und Folgen d<strong>es</strong><br />

Mobb<strong>in</strong>g. Gött<strong>in</strong>gen: Eigenverlag.<br />

Engfer, A. (1986). K<strong>in</strong>d<strong>es</strong>misshandlung. Stuttgart: Enke.<br />

Fend, H. (1988). Sozialg<strong>es</strong>chichte d<strong>es</strong> Aufwachsens. Frankfurt: Suhrkamp.<br />

Grob, A. (Hrsg.). (1997). <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> und Jugendliche heute: belastet – überlastet? Zürich: Ruegger.<br />

Holtappels, G. H., Heitmayer, W., Melzer, W., Tillmann, K.-J. (Hrsg.). (1997). Forschung über Gewalt an<br />

<strong>Schule</strong>n. We<strong>in</strong>heim: Juventa.<br />

Hoos, K. (1999). Mobb<strong>in</strong>g <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong>. Schulmanagement, 32-42.<br />

Jahnke, J. (1982). Sozialpsychologie <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong>. Opladen: L<strong>es</strong>ke & Bu<strong>der</strong>ich.<br />

Jerusalem, M. (1990). Persönliche R<strong>es</strong>sourcen, Vulnerabilität und Str<strong>es</strong>serleben. Gött<strong>in</strong>gen: Hogrefe.<br />

Karazman-Morawetz, I. & Ste<strong>in</strong>ert, H. (1995). Schulische und außerschulische Gewalterfahrungen Jugendlicher<br />

im Generationenvergleich. Wien: Bund<strong>es</strong>m<strong>in</strong>isterium für Unterricht und Kulturelle Angelegenheiten.<br />

Kasper, H. (1998). Mobb<strong>in</strong>g <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong>. Lichtenau: AOL-Verlag.<br />

Kowalski, H. (1994). Was kränkt macht krank. Psychologie heute, 21 (9), 24-25.<br />

Krumm, V. (1997). Empirische Untersuchungen über Gewalt <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> - E<strong>in</strong>e methodenkritische Übersicht.<br />

In H. G. Holtappels, W. Heitmeyer u.a. (Hrsg.), Forschung über Gewalt an <strong>Schule</strong>n - Ersche<strong>in</strong>ungsformen und<br />

Ursachen, Konzepte und Prävention (S. 63-80). We<strong>in</strong>heim: Juventa.<br />

Krumm, V. (1999a). Machtmissbrauch von Lehrern – E<strong>in</strong> Tabu im Diskurs über Gewalt <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong>. Journal<br />

für <strong>Schule</strong>ntwicklung, 3, 38-52.<br />

21<br />

22<br />

Von ke<strong>in</strong>em Schul- <strong>o<strong>der</strong></strong> Unterrichtsmerkmal fühlen sich Lehrer mehr belastet als von schwierigen,<br />

störenden <strong>o<strong>der</strong></strong> verhaltensauffälligen Schülern (Veenman 1984; Schaarschmidt & Fischer 2001). Die<br />

Forschung über Belastung von Schülern – worüber ebenfalls weitaus weniger vorliegt als über Belastung<br />

von Lehrern – zeigt: unter den Faktoren, die Schüler belasten, stehen Lehrer an oberster Stelle<br />

(Projektgruppe Belastung 1998)<br />

In di<strong>es</strong>em Zusammenhang sei auch daran er<strong>in</strong>nert, dass unter den externen Faktoren, die Familien mit<br />

schulpflichtigen <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong>n heute belasteten, die <strong>Schule</strong> und die damit verbundenen Probleme den obersten<br />

Platz e<strong>in</strong>nehmen (Fend 1988, S.115ff).<br />

Wie ‚die <strong>Schule</strong>’ mit versagenden Schülern umgeht, ist ebenso bekannt, wie ihr Umgang mit versagenden<br />

Lehrern: Der Unterschied könnte kaum größer se<strong>in</strong>.<br />

38


Krumm & Eckste<strong>in</strong>: Geht <strong>es</strong> <strong>Ihnen</strong> <strong>gut</strong> <strong>o<strong>der</strong></strong> <strong>haben</strong> <strong>Sie</strong> <strong>noch</strong> <strong>K<strong>in</strong><strong>der</strong></strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong>?<br />

Krumm, V. (1999b). Machtmissbrauch von Lehrern und was man dagegen tun kann. Erste Ergebnisse e<strong>in</strong>er<br />

Untersuchung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schweiz. Schweizer schule (Zeitschrift d<strong>es</strong> Christlichen Lehrer- und Erziehervere<strong>in</strong>s <strong>der</strong><br />

Schweiz), 12, 3-25.<br />

Krumm, V. (1999c). Löst e<strong>in</strong>e b<strong>es</strong>sere Lehrerausbildung die „Schulkrise“? In H. J. Herber & F. Hofmann<br />

(Hrsg.), Schulpädagogik und Lehrerbildung (S. 275-299). Innsbruck: StudienVerlag.<br />

Krumm, V., Lamberger-Baumann, B. & Hai<strong>der</strong>, G. (1997). Gewalt <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> - auch von Lehrern. Empirische<br />

Pädagogik, 2, 257-275.<br />

Krumm, V. & Weiß, S. (2000). Ungerechte Lehrer. Zu e<strong>in</strong>em Defizit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Forschung über Gewalt an <strong>Schule</strong>n.<br />

psychosozial , 23 (1), 57-73. (Themenheft „Gewalt an <strong>Schule</strong>n).<br />

Krumm, V. & Weiß, S. (2001a). Was Lehrer Schülern antun - E<strong>in</strong> Tabu <strong>in</strong> <strong>der</strong> Forschung über „Gewalt <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Schule</strong>“. Pädagogisch<strong>es</strong> Handeln, 3 (4), 121-130.<br />

Krumm, V. & Weiß, S. (2001b). „Du wirst das Abitur nie b<strong>es</strong>tehen“. Befunde aus e<strong>in</strong>er Untersuchung über<br />

verletzend<strong>es</strong> Lehrerverhalten. Lernchancen, 3 (20), 14-18.<br />

Krumm, V. & Weiß, S. (2002). Machtmissbrauch von Lehrern <strong>in</strong> Österreich. (Vortrag auf <strong>der</strong> Jahr<strong>es</strong>tagung <strong>der</strong><br />

Österreichischen G<strong>es</strong>ellschaft für Bildung und Entwicklung (ÖFEB). Institut für Erziehungswissenschaft,<br />

Universität Salzburg.<br />

Lamude, K. G., Scud<strong>der</strong>, J., Furmo-Lamude, D. (1992). The Relationship of Student R<strong>es</strong>istance Strategi<strong>es</strong> <strong>in</strong> the<br />

Classroom to Teacher Burnout and Teacher Type-A Behaviour. Journal of Social Behaviour and Personality,<br />

7 (4), 597-610.<br />

Lazarus, R. S. & Folkman, S. (1994). Str<strong>es</strong>s, Appraisal, and cop<strong>in</strong>g. New York: Spr<strong>in</strong>ger.<br />

Leymann, H. (1993). Mobb<strong>in</strong>g. Psychoterror am Arbeitsplatz und wie man sich dagegen wehren kann. Hamburg:<br />

Rowohlt.<br />

Niedl, K. (1995). Mobb<strong>in</strong>g/Bully<strong>in</strong>g am Arbeitsplatz. München: Hampp.<br />

Projektgruppe Belastung (1998). Belastung <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong>? E<strong>in</strong>e Untersuchung an Hauptschulen, Realschulen und<br />

Gymnasien Baden-Württembergs. We<strong>in</strong>heim: Deutscher Studien-Verlag.<br />

Remschmidt, H. & Walter, R. (1990). Psychische Auffälligkeiten bei Schulk<strong>in</strong><strong>der</strong>n. Mit deutschen Normen für<br />

die Child Behavior Checklist. Gött<strong>in</strong>gen: Hogrefe.<br />

Schaarschmidt, U., Arold, H., Ki<strong>es</strong>chke, U. (2000). Die Bewältigung psychischer Anfor<strong>der</strong>ungen durch<br />

Lehrkräfte. (Information über e<strong>in</strong> Forschungsprojekt an <strong>der</strong> Universität Potsdam; Manuskript).<br />

Schaarschmidt, U. & Fischer, A. (2001). Bewältigungsmuster im Beruf. Gött<strong>in</strong>gen: Vandenhoek & Ruprecht.<br />

Schwarz, B. & Prange, K. (Hrsg.). (1997). Schlechte Lehrer/<strong>in</strong>nen. Zu e<strong>in</strong>em vernachlässigten Aspekt d<strong>es</strong><br />

Lehrerberufs. We<strong>in</strong>heim und Basel: Beltz.<br />

Schwarzer, R. (1987). Str<strong>es</strong>s, Angst und Hilflosigkeit. Stuttgart: Kohlhammer.<br />

S<strong>in</strong>ger, K. (1998). Die Würde d<strong>es</strong> Schülers ist antastbar. Vom Alltag <strong>in</strong> unseren <strong>Schule</strong>n - und wie wir ihn<br />

verän<strong>der</strong>n können. Hamburg: rororo.<br />

Ulich, D., Mayr<strong>in</strong>g, Ph. (1992). Psychologie <strong>der</strong> Emotionen. Stuttgart: Kohlhammer.<br />

Veenman, S. (1984). Perceived Problems of Beg<strong>in</strong>n<strong>in</strong>g Teachers. Review of Educational R<strong>es</strong>earch, 54, 142-178.<br />

Wetzels, P. (1997). Gewalterfahrungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong>dheit. Baden-Baden: Nomos.<br />

39

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!