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STOFF/INHALT: - historischer Rückblick ... - Denkprozesse

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Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder VO SS 2002<br />

Dr. Friederike Rothe<br />

Mitschrift von Marion Harpf<br />

<strong>STOFF</strong>/<strong>INHALT</strong>:<br />

- <strong>historischer</strong> <strong>Rückblick</strong><br />

- empirische Persönlichkeitspsychologie (versucht, Fähigkeiten eines Menschen zu<br />

messen!): versteht Persönlichkeit als KONSTRUKT! z.B. „Angst“ ist eine Abstraktion wie<br />

Intelligenz! à Messungen ermöglichen Prognosen<br />

- Frage der Theoriebildung: Warum gibt es so viele Theorien???<br />

- Verschiedene Persönlichkeitstheorien<br />

Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder =<br />

abstrakte Begriffe; wir machen uns ein Bild, mit dem wir etwas Abstraktes besser verstehen können! Eine<br />

Persönlichkeit können wir empirisch NICHT messen!!!<br />

[empirisch: erfahrungsgemäß; aus der Erfahrung/Beobachtung erwachsen; dem Experiment entnommen]<br />

Dinge gehen ineinander über, es gibt keine klaren Grenzen!<br />

(Vgl. Landkarte)<br />

= differentielle Psychologie: sie beschäftigt sich mit den Unterschieden zwischen den Menschen!<br />

(Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder)<br />

Vgl. geographisches Gebiet (Landkarte):<br />

Wissenschaftliches Gebiet<br />

⇓<br />

Keine klaren Konturen<br />

⇓<br />

Man braucht Kenntnisse der Nachbarschaften!<br />

⇓<br />

Grenzen überschreiten, um etwas über unser Gebiet zu erfahren!<br />

⇓<br />

Spiralförmige Bewegung (keine kreisförmige!): Perspektive wechselt!<br />

⇓<br />

Historische Perspektive: Ordnung des schon Gedachten!<br />

Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder SS2002 Seite 1


Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder VO SS 2002<br />

Dr. Friederike Rothe<br />

Mitschrift von Marion Harpf<br />

• Allgemeine Psychologie:<br />

- das psychische Erleben und das Verhalten des Menschen stehen im Mittelpunkt! Psychische Bereiche, die<br />

allen Menschen gemeinsam sind; z.B. Emotionen, Motivationen, Intelligenz... (damit beschäftigt sich unsere<br />

Thematik in der VO!)<br />

- Differenzielle Psychologie ist darin enthalten; sie beschäftigt sich mit den Unterschieden zwischen den<br />

Menschen<br />

• Psychologische Diagnostik:<br />

- die Diagnostik braucht die differenzielle Psychologie! (um Unterschiede festzustellen)<br />

- will mit Tests genau untersuchen!<br />

- Stellt fest, ob sich Wert im Bereich der Norm befindet (auch Psychiatrie braucht diesen Maßstab!)<br />

- verwendet Instrumente (Test), um den Ausprägungsgrad (wie etwa Intelligenz) festzustellen<br />

⇒ Woher kommt die Norm??? Wann ist ein Mensch normal/krank??? (= Persönlichkeitstheorien und<br />

Menschenbilder)<br />

- die Begriffe „gesund/krank“ können wir nicht getrennt voneinander verwenden!!!<br />

- ohne zu wissen, was der Mensch dem Wesen nach ist, können wir nicht sehen, dass er krank ist!<br />

• Psychiatrie:<br />

- stellt auch fest, was innerhalb der Norm ist; Psychiatrie und differenzielle Diagnostik brauchen beide eine<br />

Norm, um das davon abweichende festzustellen<br />

• Psychotherapie:<br />

- Menschen kommen, die an sich und anderen Menschen leiden (z.B. Zwangsgedanken, Angstphobien,<br />

Bulimie, Magersucht, Partnerschaftsprobleme... à so wie es ist, ist es nicht gut!!!) Grosser Leidensdruck geht<br />

dem Hilfe holen meist voraus...<br />

• Rehabilitation:<br />

- auch hier Definition von „gesund/krank“ notwendig!<br />

• Sozialarbeiten<br />

In all diesen Gebieten haben wir vor Augen, wie es diesen Patienten eigentlich gehen sollte... (ansonsten gäbe<br />

es keinen Handlungsbedarf!)<br />

• Ethik:<br />

- fragt: „Ist eine Norm richtig? (moralisches Urteil)“<br />

- z.B. Menschen, die ewig „ja“ sagen und nicht „nein“ sagen können<br />

- z.B. Psychotherapiegesetz (Schweigepflicht) – alles ist normiert, folgt dem Maßstab...<br />

- z.B. Wenn sich ein Psychotherapeut Pornos reinzieht und sich an den Patienten aufgeilt!? (so weit reicht<br />

das Psychotherapiegesetz nicht!!!)<br />

- Ethik fragt nach der Angemessenheit von Normen; diskutiert die Norm, an die sich ein bestimmtes<br />

Verhalten ausrichtet<br />

⇒ Es gibt keine klare Abgrenzung zwischen den Gebieten! (z.B. braucht auch die Entwicklungspsychologie<br />

eine klare Vorstellung, was der Mensch ist bzw. wie aus einem Kind ein Erwachsener wird)<br />

à PROBLEM: es gibt X Menschenbilder! Warum gibt es so viele und was machen wir mit dieser Vielheit?<br />

Theorien schließen sich z.T. auch aus. Es gibt viele verschiedene Minungen, obwohl es immer um den<br />

Menschen geht!!! Wir erfahren etwas über unser Gebiet, wenn wir über die Grenzen hinausschauen!!!<br />

Es gibt nicht nur ein Menschenbild und eine Persönlichkeitstheorie; das macht das Gebiet so kompliziert.<br />

Eine Grenze ist nur dann eine Grenze, wenn wir sie auch überschritten haben! Ansonsten wissen wir gar nicht,<br />

daß es eine Grenze ist... Die Grenzen sind NICHT FIX, sie sind z.T. eine Vereinbarungssache.<br />

Annexionsgebiete = gewaltsame und widerrechtliche Aneignung fremden Gebiets; z.B. Medizin: „Das war<br />

immer schon unser Gebiet!“<br />

definieren = Grenze ziehen<br />

Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder SS2002 Seite 2


Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder VO SS 2002<br />

Dr. Friederike Rothe<br />

Mitschrift von Marion Harpf<br />

PERSPEKTIVEN:<br />

1. HISTORISCHE PERSPEKTIVE<br />

Vgl. Landkarte: früher hat Österreich anders ausgesehen. Die historische Perspektive gehört dazu, sonst fängt<br />

man an, sich zu wiederholen.<br />

„Psyche“, „Typus“, „Temperament“, „Person“... = historische Typen; von „Charakter“ z.B. redet man heute nicht<br />

mehr! „Bewußtsein“ hat man lange als Begriff verwendet! – Es hat sich viel in der Bedeutung der Begriffe<br />

geändert oder es gibt sie gar nicht mehr!<br />

2. SYSTEMATISCHE PERSPEKTIVE<br />

= untrennbar von der historischen Perspektive! Gedanken wiederholen sich über Jahrtausende hinweg!<br />

Die systematische Perspektive versucht, eine Ordnung in diesen ganzen Haufen von Gedanken zu bringen. Die<br />

Bedeutung des SOZIALEN ist bis heute zu kurz gekommen: der Mensch wurde immer alleine oder in der Masse<br />

reflektiert.<br />

Systematische Perspektive heißt, wie wurde der Mensch im Laufe der Jahrtausende gesehen; wenn das nach<br />

bestimmten Gesichtspunkten geordnet wird, spricht man von systematischer Perspektive.<br />

Perls, Moreno, Rogers, Freud...: alle haben verschiedene Persönlichkeitstheorien, obwohl es immer um den<br />

Menschen geht!<br />

Naturwissenschaftler wollen EINS, sie verstehen diese vielen Meinungen gar nicht: „Was ist denn das<br />

Richtige?“ à das ist aber so nicht machbar, was wiederum schwer erklärbar ist...<br />

Für einige ist der Mensch von Grund aus gut, für andere ganz und gar nicht... Ist der Mensch ein Bündel von<br />

Trieben, der in einem Kultivierungsprozeß erst zum Menschen werden muß? Je nachdem, was wir für richtig<br />

halten, entscheiden wir auch unsere Strategie mit Menschen... Jeder von uns hat auf irgendeine Weise seine<br />

Persönlichkeitstheorie, das beeinflußt unseren Umgang mit den Menschen...<br />

Das Menschenbild ist sehr wichtig für die Auswahl der Therapierichtung!<br />

“WAS IST DER MENSCH?”<br />

à damit stellen wir uns auch selbst in Frage! Wir fragen nach uns selbst, das macht kein anderes Wesen!<br />

Diese Frage drängt sich uns im Laufe unseres Lebens mal auf (z.B. nach Scheidung, Todesfällen usw.) – Unser<br />

Leben ist also fraglich! Die Frage „was ist der Mensch“ ist auch die In-Frage-Stellung von sich selbst; solche<br />

Fragen stellt sich nur der Mensch; in bestimmten Momenten des Lebens drängen sich diese Fragen auf.<br />

Therapeutische Schulen führen eine Art Glaubenskrieg.<br />

ÜBERBLICK über die Persönlichkeitstheorien heißt, dass eine Auswahl getroffen wird; Klarheit kann nicht<br />

gegeben sein.<br />

<strong>INHALT</strong>:<br />

1. Historischer <strong>Rückblick</strong>: Begriffe wie Charakter, Seele, Psyche, Person<br />

2. Empirische Persönlichkeit: Maßstäbe für das, was den Menschen ausmacht; versteht Persönlichkeit als<br />

Konstrukt, damit ist sie meßbar; z.B. Angst (meßbar ist der ein höherer Pulsschlag usw.; Angst wird<br />

dadurch meßbar)<br />

3. Theoriebildung: wie werden Theorien gebildet und daraus ergibt sich, warum es verschiedene Theorien<br />

gibt<br />

4. Ausgewählte Persönlichkeitstheorien: z.B. psychotherapeutische Schulen<br />

Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder SS2002 Seite 3


Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder VO SS 2002<br />

Dr. Friederike Rothe<br />

Mitschrift von Marion Harpf<br />

1. HISTORISCHER RÜCKBLICK<br />

[Antike: 500 v. Chr-500 n. Chr; Mittelalter: 500 n. Chr-1.500 n. Chr]<br />

Zur Begriffsgeschichte:<br />

a. Begriff: SEELE/PSYCHE<br />

(die allgemeine Psychologie spricht nur vom “Erleben” und “Verhalten”)<br />

• Die Griechen:<br />

- vor ca. 2.500 Jahren (!) beschäftigte man sich schon mit der Frage: “Was ist der Mensch?” (= in der griech.<br />

Antike, ca. 500 v. Chr. – 500 n. Chr.); der Mensch war aber noch nicht das Hauptthema, sondern der<br />

KOSMOS!<br />

- Mensch als Mikrokosmos, in ihm taucht alles auf, was im Makrokosmos schon enthalten ist!<br />

- Mensch = Teil der Natur, er gehört zur Physik! Die SEELE zeichnet ihn aus!<br />

Platon (427-347 v. Chr.)<br />

in: “Phaidros”:<br />

- (von Schleiermann im 19. Jhr. Übersetzt)<br />

- Versuch, etwas bildhaft zu machen: Er gibt ein Bild von der Seele (Wagenlenker und Pferde); die Seele<br />

verliert ihre Flügel durch das Böse!<br />

- Mythos von der Seele: die Seele in Gestalt des Wagens, 2 verschiedene Pferde sind davor (d.h.<br />

verschiedene Temperamente); der Lenker ist der vernünftige Teil der Seele (frei ist die Seele erst nach dem<br />

Leib, denn die Seele ist im Leib gefangen – das wußte man schon in der griechischen Antike) à = Leib-<br />

Seele Dualismus à das zieht sich bis heute durch (Konflikt zwischen Körper und Seele!!!; s.<br />

Psychosomatik)<br />

- der Wagenlenker ist das eigentliche (= der Seelenlenker!), er soll die Kontrolle haben (vgl. Freud //)<br />

- Platon versucht, die Unsterblichkeit der Seele aufzuzeigen!<br />

- Vgl. Bulimie/Anorexie/Fresssucht/Rauchen/Alkohol: der Leib wird vernichtet, abgetötet;<br />

- Asketen (z.B. Franz v. Assisi): Hungerkuren, Leib vernichten! (= Versuch, den Leib mit allen Mitteln unter<br />

Kontrolle zu kriegen!); christl. Kirche (Harmonie zwischen Leib und Seele)<br />

- Dualismus zwischen Geist und Materie<br />

- Vollendung des Lebens in Entstofflichung des Lebens! (vgl.: z.T. erleben wir auch die Erschwerlichkeit des<br />

Leibes (waschen, pflegen, essen usw.) – wir verbringen einen großen Teil unseres Lebens mit der Sorge<br />

um unseren Leib, z.T. große Mühe/Last (vgl. bei Krankheit: keine Höhenflüge der Seele mehr möglich...)<br />

in: “Symposion”:<br />

- (= weitere Schrift von Platon)<br />

- Mythos: nach Platon gab es ein 3. Geschlecht, nämlich ein mannweibliches Geschlecht, das sich wie ein<br />

Rad vorwärtsbewegt! Da diese mannweiblichen Geschlechter sich gegen die Götter erhoben, wurden sie<br />

von Zeus zur Strafe getrennt: Fortan suchte jede Hälfte die verlorene andere Hälfte! D.h. die Liebe stellt die<br />

ursprüngliche Natur wieder her! (nach Platon ist das Homosexuelle eigentlich das Normale, nicht das<br />

Heterosexuelle)<br />

Aristoteles (384-322 v. Chr.):<br />

[Literatur: Werner Palaikov, 8 Bände]<br />

- war Schüler von Platon, hatte aber ganz andere Bilder als dieser<br />

- „Peri Psyches“: (= griechisch; = „De anima“, lat.): dieses Wek wurde im Mittelalter immer wieder gelesen! Es<br />

geht um die SEELE (noch nicht um den ganzen Menschen!)<br />

- Leib und Seele sind wesenhaft miteinander verbunden; Erfahrungen der Seele kommen nur durch den<br />

Körper zustande<br />

- Erfahrung ist nur durch die Anwesenheit des Leibes möglich! Er sagt, Leib und Seele sind untrennbar<br />

miteinander verbunden; er sagt, Seele ist das formgebende, wesentliche Prinzip, das den Leib formt<br />

- Er sagt: „Alles was lebt ist beseelt!“ (also auch Tiere und Pflanzen)<br />

- Anima Forma Corpores: die Seele ist die Form des Leibes (d.h. Seele + Leib = Einheit)!<br />

Platon<br />

Seele hat schon<br />

eingeborene Ideen<br />

Aristotels<br />

Seele ist am Anfang<br />

‚tabula rasa‘! Da ist nix!<br />

Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder SS2002 Seite 4


Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder VO SS 2002<br />

Dr. Friederike Rothe<br />

Mitschrift von Marion Harpf<br />

- Aristoteles: „Die Seele hat ein Ziel in sich, sie weiß, wo es lang geht!“<br />

= ENTELECHIALES PRINZIP (= die Seele hat ihr ZIEL in sich)<br />

ent<br />

telos<br />

= das Seiende<br />

= das Ziel<br />

Entelechie (= das Ziel in sich habend!)<br />

à SEELE = AKTIVES ENTELECHIALES PRINZIP (jeder hat seine eigene Seele, sein eigenes Ziel!; die Seele<br />

hat sonst keine besonderen Ideen, aber das Ziel hat sie in sich!)<br />

vgl.:<br />

// Gesprächspsychotherapie: Der Mensch hat das Ziel in sich, er wird nur von Schlägen des Lebens davon<br />

abgebracht)<br />

// Soap Operas: „Du mußt in Dich hinein hören, dann weißt du was Du tun mußt...)<br />

[die VT steht nicht hinter diesem Ansatz!]<br />

Platon<br />

Aristotels<br />

Anlagen (heute: Genetik)<br />

das gesellschaftliche Umfeld<br />

sind die entscheidenden<br />

ist entscheidend für die Entwicklung des<br />

Entwicklungsvoraus-<br />

Menschen<br />

setzungen des Menschen:<br />

„Laßt uns die richtigen<br />

Menschen zeugen für eine<br />

bessere Gesellschaft!“<br />

⇓ ⇓ ⇓ ⇓<br />

Erziehung: fördert Entfaltung der Erbanlagen (Kinder zeugen mit entsprechenden Erbanlagen!<br />

Platon spricht von EUGENIK; vgl. Nationalsozialismus/Hitler)<br />

[Dorsch Wörterbuch; L-Signatur in Bibliothek]:<br />

„Psyche“: griech. Psychem = hauchen (Hauch, Atem) = Kennzeichen des Lebens ⇒ Seele = Prinzip des<br />

Lebens!<br />

• Der christliche Seelenbegriff im Mittelalter [500-1.500 n. Chr.]:<br />

- die christliche Weltanschauung hat bis ins letzte Jahrhundert hinein Europa geprägt!<br />

- Die Lehre von der Seele ist ohne das Christentum nicht zu verstehen!<br />

[11. Jhr.: Zölibat wird eingeführt]<br />

• Aurelius Augustinus (354-430 v. Chr.; Ende Antike)<br />

• Thomas v. Aquin (1225-1275 n. Chr.)<br />

Grundgedanke Antike - Mittelalter = Gott steht im Zentrum, nicht der Mensch! Der Mensch wird von seinem<br />

Verhältnis zu Gott gedacht (nicht zu sich selbst)!<br />

Aurelius Augustinus<br />

- Christlicher Kirchenlehrer, bedeutendster Philosoph des christlichen Altertums; geboren in Afrika, Studium<br />

in Karthago, Rom, Mailand, Bischof von Hippo<br />

- War zuerst Manichäer (Tr ennung zwischen gut/böse, Geist/Stoff), dann Bekehrung<br />

- à griechische Philosophie + Christentum = Augustinus<br />

- hat die Grundlagen der (Persönlichkeits-) Psychologie gelegt! (Buch: „Confessiones/Bekenntnisse“ =<br />

Selbstbekenntnisse, Betrachtungen über die eigene Entwicklung bis zur Taufe)<br />

- Augustinus ist der erste, der Introspektion betreibt! Er fragt sich: „Wie kann ich zur richtigen Erkenntnis<br />

kommen?“ à “Sie wird der Seele unmittelbar von Gott eingegeben!”<br />

Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder SS2002 Seite 5


Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder VO SS 2002<br />

Dr. Friederike Rothe<br />

Mitschrift von Marion Harpf<br />

= ILLUMINATIONSTHEORIE von Augustinus ⇒ also muß der Mensch nach Innen/in sch hinein gehen, um<br />

die Wahrheit zu finden - Introspektion! (Gott erleuchtet die menschliche Seele)<br />

- SEELE = IMAGO DEI (= Abblid, Ebenbild Gottes)<br />

- Augustinus verwendet den Begriff der “SUBSTANZ”: dieser Begriff meinte nicht etwas, das man anfassen<br />

kann, sondern meinte etwas, das für sich/alleine besteht (das muß nichts Materielles sein!)<br />

⇒ die Seele ist unsterblich, sie besteht für sich, unabhängig vom Leibe!<br />

SEELE = individuelle SUBSTANZ [existiert unabhängig vom Leibe; nach christlichem Glauben unsterblich]<br />

- das Ich geht nicht auf in den Handlungen, wir haben Distanz zu dem, was wir tun! Die Seele verändert sich<br />

nicht (d.h. wir sind in 10 Jahren noch dieselben!)<br />

- das ICH ist nicht zu bezweifeln, das ICH ist Träger von Gedanken und Gefühlen, wir erinnern uns an unser<br />

Tun und Lassen! Da das ICH unsterblich ist, ist es SUBSTANZ (keine Materie). SUBSTANZ heißt<br />

selbständig, unabhängig vom Körper!<br />

- Seele hat trinitarische Eigenschaften (Trinität = Dreifaltigkeit)<br />

- Augustinus sagt, Individualität und Substantionlität ist etwas, das uns eigen ist<br />

Thomas von Aquin (ca. 1250)<br />

- Katholischer Kirchenlehrer, Philosoph, Dominikaner, Heiliger<br />

- hat Aristoteles für den christlichen Glauben adaptiert<br />

- griechische Philosophie + Augustinus = Scholastik = christliche Philosophie des Mittelalters (im Mittelalter<br />

steht Goot im Zentrum, nicht der Mensch)<br />

- bei ihm geht VERNUNFT über alles (Thomas v. Aquin war Rationalist)! DENKEN = die höchste Seelentätigkeit<br />

überhaupt und der Leib hat daran keinen Anteil; Denken = der höchste Teil der Seele, höchste<br />

Seelentätigkeit; Denken ist geistig, eine Tätigkeit, zu der sie den Leib nicht braucht, daher ist Seele ein<br />

substantielles/selbständiges Wesen, individuell, nicht materiell anfaßbar<br />

- versuchte, seine Seelenvorstellung vernünftig zu begründen: Seele = individuelle Substanz = selbständig,<br />

unabhängig (heißt nicht, daß sie materiell anfaßbar ist); verteidigt Leib/Seele Einheit, Leib trägt die Seele<br />

- Seele = unsterblich, existiert unabhängig vom Leib<br />

SUBSTANZ = - Selbststand<br />

- für sich seiend ≠ Begriff im alltäglichen Sinne<br />

- unabhängig<br />

[die empirische Psychologie im 19. Jhr. hat den Begriff “Substanz” mißverstanden, da sie glaubte, Substanz sei<br />

materiell greifbar]<br />

b. Begriff: PERSON<br />

- HEUTE (Menschenrechte des 20. Jhr.): Ausstattung des Menschen mit Würde und unverletzbare Rechte<br />

- Griechische und römische Antike: hat diese Sache der Würde und unverletzbaren Rechte nicht gekannt<br />

(gewisse Gedanken/Themen haben zu verschiedenen Zeiten eben keine Rolle gespielt!) – die Würde des<br />

Menschen hat man damals nicht thematisiert; es dauerte viele Jahrhunderte, bis der Gedanken der Würde<br />

und Rechte des Menschen reflektiert wurde!<br />

Begründung der Würde: die besondere Seins - Weise des Menschen (= moralisches Sein = Freiheit des<br />

Menschen, Würde des Menschen; der Mensch kann verantwortlich gemacht werden für sein Tun! ≠ Tier!)<br />

à dieser Gedankengang (Würde) entstand erst im 13. Jhr. und zwar von Alexander von Hales (Franziskaner)<br />

– vorher war der Gedanke (Person – mit Würde und Rechten ausgestattet) zwar in der Bibel implizit enthalten, aber nicht bewußt!<br />

[Koch Manfred: „Historisches Wörterbuch der Philosophie“ – s. Literaturliste in Bibliothek]<br />

ETHYMOLOGIE vom Begriff „PERSON“:<br />

Etymologie = Lehre vom Ursprung eines Wortes<br />

„Persona“: - Theatermaske im Griechischen<br />

- Schein, Betrug<br />

- Rolle, Figur, Charakter vom Schauspieler<br />

- Rolle des Menschen in Gesellschaft<br />

[das hieß damals aber nicht Individuum im heutigen Sinn!]<br />

Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder SS2002 Seite 6


Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder VO SS 2002<br />

Dr. Friederike Rothe<br />

Mitschrift von Marion Harpf<br />

- Man hat sich viele Bedeutungen überlegt, die wissenschaftlich aber nicht belegt sind: z.B. Persona = Per se<br />

una usw.]<br />

- im juristischen Gebrauch meint „Persona“ den Rechtsträger; später sind nur noch Leute der höheren<br />

Schicht (Sklavenbesitzer) „Persona“! Der Sklave wird zur „Res“ (Sache)!<br />

- Die Bedeutung des Begriffes hat sich immer wieder verändert, im Christentum maßgeblich:<br />

Patristik (Christentum):<br />

- = Theologen der christlichen Antike; sie wollten verstehen, was in der Bibel steht, um das zu entfalten!<br />

(Aussagen wie z.B.: „Jesus war zugleich Gott und Mensch!“) à man wollte Aussagen (z.B. Vater, Sohn &<br />

Hl. Geist) aufschlüsseln, es ging um das Zentrale! ⇒ man begann, sich um den Personenbegriff Gedanken<br />

zu machen!<br />

I. Tertullian (= Patrist, 200 n. Chr.; Schöpfer des Kirchenlateins)<br />

- führte den Begriff „Person“ in das abendländische Denken ein (um Dreifaltigkeit zu verstehen – es ging in 1.<br />

Linie um den Glauben!)<br />

- hat das 1. Traktat über Dreifaltigkeit geschrieben: „Ad versus [=gegen] Praxian“ {auf Konzilen entschied man,<br />

was richtig oder falsch ist! Dogmen.}<br />

- „anathema sit“ = der sei ausgeschlossen aus der Kirche (wer nicht zustimmt bzw. wer die Glaubenssätze<br />

nicht glaubt, der sei ausgeschlossen, der wird exkommuniziert! = EXKOMMUNIKATION)<br />

[Psychoanalyse: Jung, Adler... wurden von Freud exkommuniziert! Die Psychoanalyse hat sich in viele<br />

Denominationen {= Glaubensgemeinschaften} aufgespaltet! Es geht um handfeste Glaubensüberzeugungen, vgl.<br />

Oedipus, Träume usw.]<br />

- Tertullian redet von 3 Göttern: 1 Substanz in 3 Personen!<br />

- !!! Nur weil man versuchte, die Natur GOTTES zu verstehen, mußte man sich auch damit beschäftigen, was<br />

MENSCH –SEIN heißt!!!<br />

II. Boethius (ca. 500 n. Chr.)<br />

- 1. formelle Definition von Persona = „Persona est naturae rationalis individua substanza.“ (= ein<br />

vernunftbegabtes, unteilbares Wesen; = individuelle Substanz vernünftiger Natur<br />

- folgende 3 Kernmomente machen eine Person aus:<br />

• Rationalität<br />

• Individualität<br />

• Substanzialität<br />

Menschen im MITTELALTER<br />

Frage: „Wie lebte der ‚normale‘ Mensch im Mittelalter?“<br />

[A. Gurjewitsch: „Das Individuum im Mittelalter“]<br />

à Wir haben nur eine grobe Idee, wie der Mensch im MA lebte! Aber bestimmt anders als wir. Es gibt aus<br />

dieser Zeit keine Portraits und keine konkreten Abildungen von den Menschen, sondern nur TYPEN! (d.H. das<br />

Allgemeine wird auf Kosten des Besonderen betont! (s. Gegenstände wie z.B. Sichel, Heiligenschein,<br />

Wassereimer usw.). Man erkannte den Menschen nicht am Gesicht, sondern an dem, was er in der Hand, am<br />

Kopf usw. hatte (vgl. hl. Florian u.a.). Der künstler wollte den TYPUS treffen, NICHT das INDIVIDUUM!<br />

(Individuum = unverwechselbar!) Der Mensch war somit der Vertreter eines bestimmten Standes: Wo Gott ihn<br />

hingestellt hatte, dort blieb er (Stand). (⇒ kein Streß, aufzusteigen...)<br />

Gurjewitsch spricht von einer „Annäherung“, also von der Anpassung des eigenen Ichs an einen Prototypen.<br />

[Hagiographie = Bericht über Heilige; Vorgänger kommen oft klischeehaft vor; der Mensch litt unter der<br />

Individualität {≠ heute!}, man wollte sein wie die anderen; es ging nicht darum, den eigenen Weg zu gehen,<br />

sondern den Weg Christi!]<br />

Aber: HEUTE sind wir beiden Anforderungen ausgesetzt (Anpassung [dazugehören wollen/müssen] ⇔ eigene<br />

Selbstverwirklichung); vgl. Pubertät: originell sein wollen, aber Jean anhaben, die gleich sein muß (=<br />

widersprüchliches Verhalten; widersprüchlicher Druck)<br />

Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder SS2002 Seite 7


Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder VO SS 2002<br />

Dr. Friederike Rothe<br />

Mitschrift von Marion Harpf<br />

- Beichte: Vorläufer der Psychotherapie (erst im 13. Jhr. institutionalisiert beim 4. Laterankonzil im Jahre<br />

1215: 1X im Jahr soll gebeichtet werden, d.h. die Schuld muß bewußt werden). Beichte setzt Selbstreflexion<br />

voraus (⇒ der einfache Mensch war somit überfordert!) Sinn der Beichte: Maßstab zu vermitteln, Ordnung<br />

zu schaffen [Grundhaltung: Demut, Schuld, Reue. Quelle aller Sünden ist der Hochmut, sozusagen wenn man seinem Ego frönt!<br />

Daher Selbstverleugnung und Selbsterniedrigung]<br />

- Die Kriterien der Beicht e vor 30/40 Jahren waren sich zu beurteilen, was man in Gedanken, Worten und<br />

Taten getan hat (vgl. Psychotherapie)<br />

c. Begriff: SEELE in der NEUZEIT<br />

- Im Mittelalter war Seele unsterbliche Substanz und Gott stand im Mittelpunkt! Die Neuzeit braucht das<br />

Einwirken Gottes nicht mehr à mathematische/naturwissenschaftliche Emanzipation<br />

- Neuzeit: geozentrisches Weltbild (= Erde im Mittelpunkt; Kopernikus) wird vom heliozentrischen Weltbild<br />

(Sonne im Mittelpunkt; Keppler) abgelöst; Ablösung der alles beherrschenden Theologie<br />

- Neue physikalisch – mathematische Gesetze entstehen<br />

- man merkt: die Welt ist ein riesiger Mechanismus<br />

- die Wissenschaftler beginnen nun, sich von den Theologen zu emanzipieren: „Nur was mathematisch<br />

erfassbar ist existiert!“<br />

- es geht um QUANTITÄT, nicht um Qualität!<br />

- es geht um KAUSALITÄT [Ursachen], nicht um Finalität [Zweck]!<br />

à Aufbruch der NatWi (es geht um das Allgemeine, nicht um das Individuelle; der Einzelne kommt daher<br />

zuerst noch nicht in den Blick, da die Naturwissenschaften das Allgemeine erforschen!)<br />

⇒ das provozierte Gegenbewegungen (Romantik [Gefühlswelt wird thematisiert], Renaissance... – erst diese<br />

Strömungen ändern das Menschenbild)<br />

- Ende der Neuzeit: (19. Jhr.): die Seele ist nur noch Sammelbegriff für bestimmte Funktionen...<br />

DIE DENKER DER NEUZEIT:<br />

Réné Déscartes (1596-1650)<br />

- An Platon und Aristoteles angelehnt; betont eigene Sinneserfahrung<br />

- wendet sich der Welt zu, zu den eigenen Sinneserfahrungen (das fanden wir irgendwie nur bei Augustinus!)<br />

- er trennt zwischen SEELE und WELT (= sehr rationalistisch, heute noch grundlegend! Trennung zwischen<br />

mir und allem anderen)<br />

- „Das, was die Seele ausmacht, ist das Denken, das Bewußtsein!“ (Seele = Res cogitans = denkende<br />

Sache/Ding)<br />

- Beschränkung des Menschen auf seine Vernunft!<br />

- „Die physische Welt ist ausgedehnt, untersteht der physikalischen Welt!“<br />

- physikalische Welt = res extensa (dazu gehören z.B. auch Tiere; vgl. MA: man hat Tieren den Prozeß<br />

gemacht!)<br />

- weil das Denken weder Ort braucht, noch des Leibes bedarf, also unabhängig von der materiellen Welt ist,<br />

ist es SUBSTANZ (= Wiederholung des Substanzbegriffes wie schon früher; Seele = selbständig)<br />

Seele = Denken = Bewußtsein = Ich = Substanz = res cogitans [= unabhängig]<br />

Leib = physische Welt = Materie = Ausdehnung = Substanz = res extensa [= unabhängig]<br />

= totale Trennung von Leib und Seele (eine Zirbeldrüse im Kopf sei lediglich die Verbindungsstelle von Leib und<br />

Seele); gewiß ist, daß ich zweifle, daher bin ich Substanz, deren Natur darin besteht, zu denken. Denken bedarf<br />

keines Ortes oder Leibes, daher unabhängig, daher ist Denken Substanz; Konsequenz dieses Denkens:<br />

Bewußtseinspsychologie = Leibvergessenheit<br />

= die Welt besteht aus 2 Substanzen:<br />

• res cogitans<br />

• res extensa<br />

Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder SS2002 Seite 8


Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder VO SS 2002<br />

Dr. Friederike Rothe<br />

Mitschrift von Marion Harpf<br />

à die krasse Trennung von Leib und Seele wird immer wieder auf Déscartes zurückgeführt (vgl. spätere<br />

Bewußtseinspsychologie!); der Mensch steht nicht mehr in Beziehung zu etwas, sondern nur noch das<br />

Bewußtsein an und für sich<br />

⇒ der Mensch wurde bis ins 20. Jhr. nur noch als Bewußtsein betrachtet<br />

[⇔ Existenzialpsychologie (Heidegger): will Weltbezug des Menschen, das ganzheitliche Denken wiederherstellen!; Begriff<br />

der Ganzheit auch in Gestaltpsychologie (F. Perls)]<br />

G. W. Leibniz (1646-1715; Philosoph)<br />

- Mensch als MONADE gedacht (Verfasser einer „Monadologie“)<br />

- Monade = [aus dem griech. „monazen“ = allein existieren; ⇒ „Mönch“] = das, was alleine lebt, einzeln ist; =<br />

spontantätige Einheiten, deren Veränderungen aus einem inneren Prinzip heraus erfolgen! (= Rückgriff auf<br />

ENTELECHIALES PRINZIP!!!); = kleine Kraftpakete, die von sich aus zur Veränderung fähig sind<br />

• einfache Monaden<br />

• Monadenverbände (= Zentralmonaden)<br />

Es gibt 3 Stufen von Monaden:<br />

1. einfache Monaden: trübe Vorstellung = Perzeption<br />

2. Seelenmonaden: perzeptives Bewußtsein, Empfindung bei Tieren, keine Vorstellung von sich selbst<br />

3. Geistmonaden: nur vernünftige Seele = Mensch; Vorstellungen sind klar, deutlich, selbstbewußt = APP<br />

APPERZEPTION (bewußtes Erfassen)<br />

à unterscheiden sich im Klarheitsgrad ihrer Vorstellungen (sinngemäß treffen wir hier zum 1. Mal sowas wie<br />

das Unbewußte! (trüb bis helle Wahrnehmung/Perzeption) [Freud hat von Leibniz den Übergang von Bewußtsein zu<br />

Unbewußten übernommen]<br />

à die ganze seelische Wirklichkeit unterliegt den Gesetzen der Mechanik (da ist ein Sinn/Ziel in dieser<br />

Mechanik; ≈ da ist ein Gott...)<br />

à Seele als etwas Zusammengebautes aus Monaden mit unterschiedlichen Wahrnehmungsgraden<br />

⇒ was hier passiert ist die Frage:<br />

SEELE = Substanz oder Bündel von Funktionen???<br />

= einfach, unsterblich, unteilbar, Funktionen = Erleben und<br />

unkörperlich (= metaphysische<br />

Verhalten des Menschen; da ist zwar ein<br />

Theorie der Seele)<br />

Träger, aber uns interessieren nur noch Funktionen<br />

[Mensch als Ansammlung von Funktionen]<br />

- die Seele besteht in empirischen Operationen, von denen das Bewußtsein weiß (vgl. Kant //: „Es gibt keine<br />

Substanz! Es geht nur um die Funktionen! Über konkretes Erleben und Verhalten kann was sagen, aber<br />

nicht über die Psyche!“)<br />

- = die Substanz wird aufgegeben! Frage: „Aber was ist jetzt Träger der Funktionen?“<br />

⇓<br />

z.B. jeder, der sich ident erlebt! (heutige Psychologie) -<br />

wenn jemand heute diese Einheit nicht mehr erlebt bzw. seine Identität verliert,<br />

ist das ein Signal, eine Warnung!<br />

Holzhey: Artikel über 3 verschiedene Verwendungen vom Seelenbegriff in der Neuzeit:<br />

1. Fortbestehen der metaphysischen Theorie (= Seele als Substanz; vgl. MA)<br />

2. Ausbildung einer empirischen Theorie: mentale und organische Funktionen (z.T. nur noch nominell als<br />

Seele verankert – Einheit/Träger dieser Funktionen: Seele ist nur noch Einheitsbegriff, der nicht mehr weiter<br />

existiert... „man nennt sie halt Seele...“)<br />

3. Rhetorischer Gebrauch des Begriffs „Seele“: der Begriff hat sich eingebürgert, man fragt aber nicht mehr<br />

weiter nach...<br />

Also: SEELE als SUBSTANZ???<br />

SEELE als Sammlung von organischen + mentalen Funktionen???<br />

Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder SS2002 Seite 9


Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder VO SS 2002<br />

Dr. Friederike Rothe<br />

Mitschrift von Marion Harpf<br />

[Fechner (20. Jhr.): Seele ist ein durch eine Bewußtseinseinheit verknüpfter Zusammenhang und Außeinanderfluß von<br />

Erscheinungen; (≠ Begriff der Seele in Antike und MA) Fechner mißversteht den Begriff „Substanz“: „Wozu noch ein<br />

dunkles, festes Ding dahinter?“; HEUTE will man die Psyche nicht definieren. Man fragt nie, was dieses Bündel von<br />

Funktionen zusammenhält! Ab 19. Jhr.: es interessiert nur das, was wir messen können.]<br />

d. Begriff: PERSON in der NEUZEIT<br />

- der Begriff „Person“ taucht erst wieder im 19. Jhr. auf<br />

- die positive Bedeutung von „Person“ in der Antike und im MA geht jetzt auf den Begriff<br />

„PERSÖNLICHKEIT“ über; „Person“ bekommt jetzt eine immer negativere Bedeutung<br />

[Koch: „Persona“ = Schauspieler: in der Barockzeit waren Schauspieler als negativ/unehrlich angesehen, kein<br />

Sozialprestige! 18.-19. Jhr.: „Person“ negativ konnotiert! Das ändert sich in der Phänomenologie, die von E. Husserl<br />

gegründet wurde: die Person wird jetzt Thema der Philosophie]<br />

- zum 1. Mal wird der Mensch ausdrücklich als in der Welt seiend betrachtet ⇒ Verwiesenheit auf andere<br />

Menschen (vgl. Bedeutung des Umweltschutzes im letzten Jahrhundert! – die Verwiesenheit auf andere<br />

Menschen begriff man JETZT!)<br />

à<br />

à<br />

Person: das 1. Mal Thema der Philosophie!!! (unter Begriff: philosophische Anthropologie!)<br />

Psychiatrischer Bereich: machten sich jetzt auch (eigene) Gedanken – auch dort taucht jetzt der Begriff der<br />

Person auf:<br />

D. Wyss [integrierte gedanklich das Problem der 2 Substanzen Leib und Seele]<br />

Wilhelm Stern, William Stern [jüdischer Emigrant; 1871-1938; war maßgeblich an der Einführung des Personenbegriffs in der<br />

Psychologie im 20. Jhr. beteiligt; Versuch, Trennung zwischen Leib und Seele aufzuheben und durch den Begriff ‚Person‘ zu<br />

integrieren; Mensch als Einheit/Ganzes zu denken und in seiner Funktionsweise zu erklären; Seele = „Substrat der Person“,<br />

ganzheitliche Konzeption von Seele und Leib; Seele ist etwas „vor der Scheidung“ zwischen Psyche und Leib; Person ist auf die Welt<br />

bezogen]<br />

e. Begriff: CHARAKTER<br />

- der Begriff war lange Tradition; schon in der griechischen Antike; Blütezeit im 20. Jhr.; HEUTE: im<br />

moralisch wertenden Sinne gebraucht, ambivalenter Begriff, der heute out ist (vgl.: „Ist er ein sturer Hund<br />

oder charakterfest?“)<br />

- Charakter = griech. = das Eingedrückte, Eingeprägte, Eingegrabene (= Vorstellung von etwas Bleibendem,<br />

Dauerndem!) = Eigentümlichkeit einer Person, wodurch sie sich von anderen unterscheidet<br />

à der Einzelne hat eine feste Rolle im Spiel des Lebens; geprägter Typ, unabänderliche Mischung („Er ist<br />

halt so...“)<br />

Ludwig Klages (20. Jhr.):<br />

[1926; war Gründer der Grundlagen der Charakterkunde; hat x Bücher über den Charakter geschrieben, u.a.<br />

„Lebensphilosophie“ und „Prinzipien der Charakteriologie“- es gibt Modeströmungen auch in der Psychologie...]<br />

- Der Charakterbegriff taucht nochmals auf (Charakterkunde); Klages verwendete den Begriff zunächst<br />

wertfrei, dann (1930-45): man unterschied zwischen ‚wahrem‘ und ‚falschem‘ Charakter; bildliche Versuche,<br />

Charakteren darzustellen<br />

f. Begriff: Temperament + Typus<br />

Temperatmentum (lat.) = das richtige Verhältnis gemischter Dinge<br />

- meint eine „Wohltemperiertheit von allen Teilen + im richtigen Verhältnis zueinander“<br />

- Hypokrates (460 – 347 v. Chr. ): Säftelehre (lat. Humoral-Medizin):<br />

Bild vom Verhältnis zwischen Schleim + gelbe und schwarzer Galle + Blut, d.h. den vier Säften des Körpers;<br />

wenn einer der Säfte zuviel, zuwenig oder zu wenig mit anderen vermischt ist, dann ist der Mensch krank<br />

- Eiseng (ca. 1850) beschäftigte sich auch mit dieser Vermischtheit:<br />

er nennt 4 Typen: den Sanguiniker (optimistisch, gut gelaunt, Motto „was kostet die Welt“),<br />

den Phlegmatiker (langsam, schwerfällig),<br />

den Choleriker (leicht erregbar),<br />

den Melancholiker (pessimistisch, negativ)<br />

Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder SS2002 Seite 10


Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder VO SS 2002<br />

Dr. Friederike Rothe<br />

Mitschrift von Marion Harpf<br />

- dieses 4er-Schema kam schon bei Hypokrates (ca. 460-377 v. Chr.) vor, aber existiert auch noch heute<br />

- Charakter + Verhaltensmerkmale + körperliche Merkmale = Physiognomik; Grundannahme der<br />

Physiognomik ist, dass der Körper nichts anderes ist als die sichtbar gemachte Seele;<br />

das war vor allem in der Renaissance Thema<br />

• G.B. Porta (16. Jhd., Italiener) nahm an, dass die Ähnlichkeit des Aussehens mit einem Tier sich im Verhalten<br />

des Menschen auch zeigt; d.h. wer aussieht wie ein Schaf, handelt auch wie ein Schaf; Persönlichkeit des<br />

Menschen spiegelt sich in seinem Körper<br />

• J.C. Lavater (18. Jhd., Schweizer, Theologe): versuchte, die 4 Typen des Hypokrates zu definieren in<br />

körperlichen Merkmalen (Melancholiker etc.); das was empirisch da war (gesehen wird), wird beobachtet<br />

• Franz Josef Gall: „Phrenologie“ = unterschiedliche Charaktere sind in der äußeren Form des Schädels<br />

ersichtlich<br />

• C. Lombroso (20. Jhd.): meinte, Verbrecher haben besonders geformte Schädel; dies wurde von den Nazis<br />

aufgenommen (Rassenkunde, Schädelkunde; Schädelvermessung bei Kindern); vom Körperbau wird auf<br />

Persönlichkeit geschlossen<br />

à Alle haben eines gemeinsam: der Schluss vom Äußeren auf das Innere; das ist auch heute noch gängig<br />

(s. US soap operas)<br />

• Ernst Kretschmer (20 Jhd.): Psychiater, schuf die „Totaltypologie“; er beobachtete den ganzen Körper nicht<br />

nur Gesicht + Kopf:<br />

leptosom (schmal) [Neigung zu Schizophrenie]<br />

athletisch (muskulös) [Neigung zu Epilepsie]<br />

pyknisch (untersetzt, gedrungen) [Neigung zu manisch-depressiven Störungen]<br />

er versuchte Korrelationen zwischen Typen und psychischen Erkrankungen herzustellen; es werden hier<br />

Ordnungen geschafft, um etwas besser verstehen zu können<br />

- diese Vorstellungen des Menschen sind wie Einteilungen, um Ordnungen zu schaffen und zu verstehen; viele<br />

sind unvollständig; aber sie sind ein Mittel, den Menschen zu erfassen, zu verstehen; die erwähnten<br />

Einteilungen beziehen sich auf die europäische Kultur; es gibt jedoch auch in anderen Kulturen Einteilungen,<br />

wie z.B. Ayuvedy<br />

- die Frage ist, was ist wissenschaftlich fundiert und was ist Ideologie !!!!!<br />

EMPIRISCHE PERSÖNLICHKEITSPSYCHOLOGIE<br />

[empirisch: aus der Erfahrung, Beobachtung]<br />

- die empirische Persönlichkeitspsychologie geht davon aus, daß das Verhalten/Erleben des Menschen<br />

Gesetzmäßigkeiten unterliegt (⇒ es ist also quantifizierbar!)<br />

- physische Merkmale wie z.B. Körpergröße, die ich messen kann und dieser dann Zahlen zuordnen kann –<br />

durch das Messen kann ich den Ausprägungsgrad der Körpergröße feststellen! Ich verwende<br />

repräsentative Stichproben, um z.B. die Gesamtbevölkerung zu messen! Messen von Körpergröße anhand<br />

repräsentativer Stichproben ⇒ = NORMALVERTEILUNG! (d.h. 2/3 sind im Normbereich)<br />

FRAGE: WIE kann man psychologische Merkmale messen? (Intelligenz, Aggression usw.)<br />

- z. B. Blutdruck 90: sagt mir nur was im Kontext (z.B. in welcher Verfassung der Mensch gerade ist, ob er<br />

gerade läuft oder ruht, was hoher/niedriger Blutdruck ist usw.)<br />

Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder SS2002 Seite 11


Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder VO SS 2002<br />

Dr. Friederike Rothe<br />

Mitschrift von Marion Harpf<br />

- Bsp. ANGST: kann man NIE direkt messen, sondern man kann nur empirische Sachverhalten wie z.B.<br />

Indikatoren der Angst darstellen;<br />

- Angst ist etwas Theoretisches, etwas Erdachtes = ein HYPOTHETISCHES KONSTRUKT (= organisiert von<br />

vielen Beobachtungen)<br />

- z.B. Angst vor physischer Verletzung kann ich nicht beobachten/messen wie eine Körpergröße ⇒ ich muß<br />

sie OPERATIONALISIEREN!!! (= in Handlungen, Erleben ersetzen, zeigen)<br />

à<br />

man geht davon aus, daß z.B. Ängste ZEITLICH STABIL sind (d.h. sie treten immer wieder in ähnlichen<br />

Situationen auf!) – durch Tests (ankreuzen) kann man immer wieder den Ausbreitungsgrad feststellen! (⇒<br />

auch die empirische Wissenschaft nimmt entgegen vieler Vorwürfe das Individuum wahr) – die empirische<br />

Psychologie sagt, daß die Merkmale des Menschen unterschiedlich ausgeprägt sind: also wird auch das<br />

Individuum oft registriert! (Vorwürfe nicht berechtigt!)<br />

- Dispositionen und Eigenschaften kann nur die EMPIRIE messen: beobachtbar ist nur das aktuelle<br />

Verhalten, die Bereitschaft zu Verhalten kann ich nur daraus schließen...<br />

Frage: Wonach fragen wir, wenn wir fragen: „Ist das ein ‚warmherziger‘ Mensch?“?<br />

à wir OPERATIONALISIEREN, um Hinweise auf “Warmherzigkeit” zu finden! “Warmherzigkeit ist ein relativer<br />

Begriff, deshalb ist die Operationalisierung auch schwierig!<br />

WICHTIG !!!:<br />

Zwischen einem Konstrukt (= z.B. Warmherzigkeit“) und zwischen dem was ich konkret in der Empirie messen<br />

kann, muß es eine INTERSUBJEKTIV NACHVOLLZIEHBARE BEZIEHUNG geben!!!<br />

Die Operationalisierung stellt eine Verbindung zwischen dem Konstrukt und der Empirie her!<br />

- vgl. „Intelligenz“: das ist ein sehr großes Konstrukt und muß deshalb unterteilt werden in z.B. Gedächtnis<br />

u.v.m. – ich habe also viele Teilkonstrukte!<br />

z. B. wendet man Leistungstest an: man standardisiert (jeder steht vor der gleichen Situation) –<br />

Operationalisierung! Man kann dadurch feststellen, wie hoch eine Dimension bei einer Person ist (s. IQ-<br />

Erhebung) ⇒ man kann sehr im Detail den einzelnen (!) Menschen erheben (wir alle unterscheiden uns in<br />

der Ausprägung unserer Merkmale, in der Kombination unserer Merkmalsänderungen)<br />

- Merkmale = relativ überdauernd und stabil (wir erwarten, daß der Mensch in ähnlichen Situationen/Stimuli<br />

gleiches Verhalten zeigt! Wir alle haben in gleichen Situationen unterschiedliche Verhalten im Bezug auf<br />

andere Menschen! z.B. Höhenangst: wir erwarten STABILITÄT und KONSISTENZ im Verhalten eines<br />

Menschen ⇒ nur aufgrund dessen können wir überhaupt Voraussagen machen! (vgl. unberechenbare<br />

Menschen machen uns nervös/Angst)<br />

- Vgl. die Ordnung im Tagesablauf ist wichtig für den Menschen und gibt ihm Stabilität! Verhaltensweisen und<br />

Denkmuster ändern ist sehr schwierig!!!<br />

- Wichtig ist immer die Frage: „Habe ich etwas unter Kontrolle oder hat es mich unter Kontrolle?“ (z.B. immer<br />

„Ja“ sagen: Gefühl von „Ich kann nicht anders...“?)<br />

- Man geht davon aus, daß auch psychologische Merkmale normal verteilt sind (was aber nicht<br />

bewiesen ist!); z.B. daß „Intelligenz“ in der Bevölkerung normal verteilt ist (dasselbe hatten wir vorhin bzgl.<br />

Körpergröße):<br />

Unterschiede bei Hypothetischen Konstrukten:<br />

- „Kann ich ein solches Konstrukt vollständig auf Protokollsätze zurückführen oder nicht?“<br />

Bsp. Abfahrtweltmeister:<br />

Ich kann dem Abfahrtweltmeister nicht ansehen, daß er einer ist, also ist er ein Konstrukt! Ich kann es aber<br />

an den Punkten, die er gewonnen hat, festmachen! = Abstraktion; hat nur einzelne Protokollsätze (=<br />

Punkte) zum Inhalt! Das Gesamt der Protokollsätze ergibt den Abfahrtweltmeister! ⇒ Der Sachverhalt<br />

„Abfahrtweltmeister“ wird durch Operationen vollständig definiert!<br />

Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder SS2002 Seite 12


Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder VO SS 2002<br />

Dr. Friederike Rothe<br />

Mitschrift von Marion Harpf<br />

Man unterscheidet 2 Konstrukte:<br />

KONSTRUKT 1. ART<br />

Bsp. Propädeutikumsabsolvent:<br />

= total operationalisiert!<br />

KONSTRUKT 2. ART<br />

d.h. aufgrund von Bedeutungsüberschuß kann man nicht vollständig auf Protokollsätze zurückführen! – ich<br />

schließe von einem Verhalten auf „immer“!<br />

Bsp. Angst vor körperlicher Verletzung:<br />

Es gibt eine unendliche Zahl von Möglichkeiten und Situationen wo/wie diese Angst auftritt – man würde mit<br />

dem Aufzählen nicht fertig werden... (= Bedeutungsüberschuß!) [vgl. repräsentative Stichprobe: man kann niemals die<br />

ganze Bevölkerung festhalten]<br />

⇒ ich kann die Angst vor körperlicher Verletzung also nicht vollständig operationalisieren ⇒ also schließe<br />

ich von einer Situation auf weiteres Verhalten in ähnlichen Situationen (wir wählen einige Situationen aus,<br />

so daß wir glauben, z.B. das Spektrum „Ehrlichkeit“ erreicht zu haben)<br />

[Die meisten Konstrukte der differentiellen Psychologie [= unser Bereich in der VO!] sind 2. Art!!!]<br />

Differentielle Psychologie<br />

Allgemeine Psychologie<br />

beide sind Bereiche der Psychologie<br />

- interessiert sich für Abweichung von der - betrachtet den Menschen als Gattungs-<br />

Norm! Sucht nach Gesetzmäßigkeiten<br />

wesen (will Dinge finden, die für ALLE<br />

für Abweichungen von dieser Norm!<br />

Menschen gleichermaßen gelten!)<br />

(z.B. durch soziale Schicht, Milieu...)<br />

z.B. Wahrnehmungsgesetze, Erinnerung/<br />

Gedächtnis...<br />

„Was gilt für uns alle normalerweise?“<br />

z.B. Abnahme der Aufmerksamkeit im<br />

Streß<br />

Die Abweichungen von der Norm sind hier<br />

nicht so interessant! – schafft den „abstrakten“<br />

Durchschnittsmenschen!<br />

Bsp. Kinder alkoholkranker Mütter:<br />

- erforscht, in wie fern diese Kinder vom - erforscht, wie sich die Gehirnleistung im<br />

Durchschnitt abweichen und in welchem<br />

Allgemeinen entwickelt<br />

Zeitraum sie kompensieren können<br />

z.B. „der Bayer“ = ein Normwert, ein Mittelwert, eine Abstraktion (er läuft nicht irgendwo herum...)<br />

⇓ ⇓ ⇓ ⇓ ⇓ ⇓<br />

IntERindividuelle Differenzen = Unterschied zwischen den Individuen (z.B. alle erhalten bei einem Test<br />

dasselbe Testmaterial)<br />

IntRAindividuelle Differenzen = Differenzen, die ein Mensch zu verschiedenen Zeitpunkten oder in<br />

verschiedenen Situationen zeigt (z.B. morgens/abends)<br />

Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder SS2002 Seite 13


Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder VO SS 2002<br />

Dr. Friederike Rothe<br />

Mitschrift von Marion Harpf<br />

Was ist in diesem Fall (Konstrukt) PERSÖNLICHKEIT?<br />

à = Superkonstrukt!<br />

Persönlichkeit<br />

Intelligenz<br />

Angst soziale ... ...<br />

Beziehungen<br />

= Teilkonstrukte 1. Dimension<br />

= weitere Dimensionen<br />

... ... ... ... ... ...<br />

- Persönlichkeit steht an der Spitze der Begriffspyramide (= gedankliche Abstraktion, nicht eigene<br />

Wesenseinheiten – Konstrukte kann ich nämlich NICHT anfassen!!!<br />

Vgl.:<br />

Substanz<br />

Konstrukte<br />

- nicht angreifbar - nicht angreifbar<br />

- für sich existierend! - existieren nicht! (sind gedanklich!)<br />

Theorien zum Begriff PERSÖNLICHKEIT:<br />

Theo Hermann (70er Jahre)<br />

- Persönlichkeit = ein bei jedem Menschen einzigartiges, relativ überdauerndes und stabiles<br />

Verhaltenskorrelat! [= eine oft noch gebrauchte Definition]<br />

W. Dilthey (ca. 1900)<br />

- unterschied naturwissenschaftlich erklärende Psychologie [entdecken von Kausualzusammenhängen] und<br />

beschreibend zergliedernde Psychologie [verstehen von Sinnzusammenhängen]!<br />

(letztere sollte der ersteren immer vorausgehen)<br />

E. Spranger<br />

- sprach dann von der geisteswissenschaftlichen Psychologie<br />

à gleicher Ausgangspunkt, nämlich das Phänomen<br />

Empirische Psychologie<br />

Geisteswissenschaftliche Psychologie<br />

- versucht Kausalzusammenhänge - will in Ganzheit verstehen<br />

aufzudecken<br />

- kann Daten vorweisen (die anderen<br />

können das nicht; z.B. naturwissenschaftliche<br />

Psychologie)<br />

Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder SS2002 Seite 14


Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder VO SS 2002<br />

Dr. Friederike Rothe<br />

Mitschrift von Marion Harpf<br />

Gegensatzpaar:<br />

Nomothetisch<br />

Idiographisch<br />

- Nomo = das Gesetz - Idio = das Selbst<br />

Nomothetische Persönlichkeitstheorie<br />

Idiographische Persönlichkeitstheorie<br />

- Beschreibungen erfassen - sieht Handlung von Menschen als einmalig,<br />

- wenn wir messen kommt es zu einem deshalb nicht empirisch überprüfbar – übermitteln im<br />

individuellen Ergebnis<br />

günstigsten Fall eine Ermittlung vom persönlichen<br />

Schicksal (z.B. Hitler: Einzelphänomen in speziellem<br />

Kontext)<br />

also: 2 Gegensätze:<br />

- einzelne Momente werden analysiert<br />

- erfaßt konkreten Menschen in seiner Ganzheit<br />

à die naturwissenschaftliche Persönlichkeitstheorie ist nomothetisch! (= Gesetze suchend; das Individuum<br />

interessiert nur, als es sich diesen Gesetzen unterordnen läßt!<br />

(Psychologie: „Der Mensch kann durch allgemeine Gesetze nicht erfaßt werden!“)<br />

Frage: „Wie kann man das ‚ES‘ operationalisieren?“<br />

à Empirische Psychologie:<br />

Die Schwierigkeit für empirische Psychologie liegt dann vor, wenn ich etwas nicht operationalisieren kann –<br />

dann existiert es für die empirische Psychologie nicht! ⇒ das „es“ existiert nicht!<br />

à Naturwissenschaftliche Psychologie:<br />

Sieht hier zu Recht die Gefahr, daß aus dem „Es“ eine Substanz wird! „Für uns ist der Mensch auch was<br />

einmaliges! Werte, die wir erfassen, sind einmalig!“<br />

„einmalig“: heißt nicht, daß wir uns total voneinander unterscheiden!<br />

♠ Mit welcher Methode erfasse ich den Menschen adäquater? Wie kommen wir zu unseren persönlichen<br />

Theorien?<br />

Schwierig: Wie weiß ich, welche Methode die richtige für meinen Gegenstand ist, wenn ich meinen Gegenstand<br />

noch gar nicht kenne???<br />

Das Problem der THEORIEGLOBALITÄT<br />

à Warum gibt es so viele psychotherapeutische Theorien und wie wähle ich aus?<br />

WAS IST THEORIE?<br />

- Theorien brauchen wir, um unsere Welt zu erklären und besser zu verstehen<br />

- In der Wissenschaft:<br />

Es geht um die Gesamtheit von Erkenntnissen, die sich auf 1 Objekt (Persönlichkeit) bezieht und die<br />

untereinander in Begründungszusammenhang stehen (= Theorie)<br />

⇓ ⇓ ⇓<br />

d.h. einzelne Erkenntnisse werden widerspruchsfrei miteinander in Beziehung gebracht<br />

- wir alle haben irgendwie unsere Alltagstheorien; diese Alltagstheorien hat auch jeder Wissenschaftler!<br />

Diese unsere Alltagstheorien (Erfahrungswerte) sind nicht überprüft und sie sind auch widersprüchlich! Wir<br />

haben eine Unmenge von Theorien im Kopf, das macht uns den Alltag leichter (vgl. bei fremden Menschen:<br />

„Der erste Eindruck zählt!“) Diese Minitheorien leiten unser Verhalten und Handeln.<br />

Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder SS2002 Seite 15


Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder VO SS 2002<br />

Dr. Friederike Rothe<br />

Mitschrift von Marion Harpf<br />

z.B. meine Theorie, wie ich mit kleinen Kindern umzugehen habe: Ich darf ein kleines Kind nicht schlagen!<br />

...und wenn das Kind zum 10. Mal den Bogen überspannt, rutscht mir doch die Hand mal aus... (=<br />

widersprüchlich!)<br />

- Intuition: kann die empirische Psychologie nicht fassen, weil es was dubioses ist!<br />

THEORIE<br />

= FAKTEN miteinander in Beziehung setzen!<br />

= Gesamtheit von Erkenntnissen in Zusammenhang bringen, aber ohne<br />

Widerspruch!<br />

Bsp. Mißbrauch von Kindern durch Geistliche (gab es immer schon, erst jetzt aktuell...)<br />

THEORIE braucht: • Logik / Gültigkeit<br />

• Widerspruchsfreiheit<br />

• Brauchbarkeit<br />

• Expliziertheit (= eindeutige Terminologie/Begrifflichkeit; z.B. Definition von Ich-Selbst-Kern)<br />

WISSENSCHAFTSTHEORIE:<br />

à Wie komme ich zu einer gesicherten Erkenntnis?<br />

- man versuchte zu überlegen, wie man dazu kommt, daß eine Theorie richtig verläuft (⇒ eine Theorie über<br />

Wissenschaft)<br />

Schlagworte:<br />

Empiristen des 17. Jhr.<br />

- „Was ist, sehe ich!“<br />

- Carl Copper: „Alle Schwäne sind weiß!“ (Empiristen: „Ich sehe, also ist es so!“)<br />

Logische Positivisten (19. Jhr.)<br />

- „Ich kann vermuten, daß alle Schwäne weiß sind, aber ich überprüfe experimentell immer wieder!“<br />

(Haben eine Theorie verifiziert/bestätigt)<br />

Kritische Rationalisten<br />

- Sir Carl Popper: „Das müssen wir uns genauer ansehen wegen dem Induktionsproblem!“ d.h. eine Aussage<br />

wie „Alle Schwäne sind weiß!“ ist gar nicht zulässig, weil ich niemals alle Schwäne gesehen haben kann!!!<br />

(vgl. ich kann niemals alle Ängste aufzählen!) – hier schließe ich nämlich auf etwas, das ich nicht<br />

überprüfen kann!!! (= das Induktionsproblem: ich schließe von einer Zahl, die ich beobachtet habe, auf eine<br />

unbegrenzte Zahl! Auch in der Psychologie habe ich immer nur Stichproben [es geht hier um die Konstrukte 2.<br />

Art]).<br />

Popper: „Es macht wegen Induktionsprobleme keinen Sinn, Theorien bestätigen zu wollen! Wir sehen also<br />

zu, ob man sie falsifizieren/widerlegen kann!“; man kann sagen: „Die Theorie hat sich vorläufig bewährt!“<br />

(solange man keinen andersfarbigen Schwan gesehen hat!)<br />

Theorien können wir empirisch nicht verifizieren! Theorien bleiben hypothetisch, können NIE endgültig<br />

richtig sein!<br />

à Welche Theorie erklärt mir Verhalten und Erleben des Menschen besser als andere?<br />

(es ist naiv zu glauben, daß es EINE Theorie gäbe, die richtig ist!)<br />

[Zusammenfassung:]<br />

- Konstrukt = gedankliche Abstraktion, nicht eigene Wesenheit<br />

- Geisteswissenschaft Naturwissenschaft<br />

• ideographisch • nomothetisch<br />

• Sinnzusammenhänge verstehen • Kausalzusammenhänge/Erklärung<br />

• Einzelne Momente • Erfaßt Mensch als Ganzheit<br />

Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder SS2002 Seite 16


Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder VO SS 2002<br />

Dr. Friederike Rothe<br />

Mitschrift von Marion Harpf<br />

- Begriff der „Einmaligkeit“:<br />

die empirische Psychologie: leugnet die Einzigartigkeit des Individuums nicht – das heißt nicht, daß wir uns<br />

total voneinander unterscheiden!<br />

Problem der Theorienpluralität<br />

à es gibt 300-600 verschiedene therapeutische Richtungen!<br />

Wichtig bei Theorienbildung sind:<br />

à eindeutige Terminologie (vgl. Selbst – Ich usw.): Was ist kompatibel, was widerspruchsfrei, was nicht?<br />

à Widerspruchsfreiheit (zumindest in abendländischen Kulturen) dringend notwendig!<br />

à Brauchbarkeit, Gültigkeit<br />

Wissenschaft = ein Tun, wo es um eine Gesamtheit von Erkenntnissen geht, die sich auf den gleichen<br />

Gegenstand beziehen und untereinander in Verbindung gebracht werden (Einzelerkenntnisse in<br />

Verbindung/Beziehung setzen) ⇒ ein Mehr an Erkenntnis gewinnen<br />

Wissenschaftstheorien: Wie bilde ich eine Theorie? Wie komme ich zu Einzelerkenntnissen?<br />

[vgl. Popper: „Alle Schwäne sind weiß!“]<br />

• naiver Empirismus: „Was ich sehe, das ist so!“<br />

• logischer Positivismus: „Eine Theorie ist erst dann wahr, wenn sie mehrmals experimentell bewiesen wurde!“<br />

• kritische Rationalisten: Induktionsproblem: „Ich kann niemals alles untersuchen, sondern nur eine repräsentative<br />

Untersuchung machen, d.h. einen Teil untersuchen! Also versuch ich gar nicht mehr zu verifizieren/beweisen, sondern<br />

ich versuche evtl. nur zu falsifizieren! Die Theorien bleiben also hypothetisch, ich kann sie empirisch nicht verifizieren,<br />

sondern nur sagen: ‚Die Theorie hat sich [bis jetzt] bewährt!“<br />

Wir haben alle unsere eigenen Theorien. Vgl. Erfurt: wir haben keine Theorien für das, was da passiert ist<br />

(Amoklauf): Das macht uns nervös!<br />

In der Therapie:<br />

Man soll Klienten öfters fragen: „Wie erklären Sie sich ihre Handlungsweise?“ Dann wird er versuchen Theorien<br />

aufzustellen: „Immer wenn unter Zeitdruck gerate, dann kommen mir diese Gedanken. Immer wenn...“<br />

⇒ er wird nach einer Regelmäßigkeit suchen, nach seiner subjektiven Krankheitstheorie! Diese ist wichtig und wir<br />

müssen sie in Erfahrung bringen, da der Klient uns hier was erklären will, das wir sonst nicht begreifen!<br />

WALTER HERZOG: „Modell und Theorie in der Psychologie“ (1984) [= Buch; Grundlage dieser VO!!]<br />

à Was machen wir mit dieser Theorienvielfalt, damit wir sie auch wissenschaftlich haben?<br />

Wir müssen ein SUBJEKTIVES MOMENT annehmen als sog. Jumping-Point!<br />

Bsp. Schlüssel: Wir alle verwenden jeden Tag Schlüssel auf so selbstverständliche Art und Weise, daß wir uns gar nicht<br />

bewußt sind, wie genau wir ihn verwenden! Wenn uns jemand fragt: „Ja, wie genau hast du ihn gehalten, umgedreht,<br />

hingelegt...“, dann geraten wir in Verlegenheit! Wenn wir unsere Aufmerksamkeit auf die allerselbstverständlichen Dinge in<br />

unserem Leben richten, dann haben wir keine Ahnung! Das trifft auch auf unser Denken über den Menschen zu, denn nur<br />

ab und zu halten wir mal an bzw. inne und richten unsere Aufmerksamkeit auf den Denkprozeß wie wir den Menschen<br />

eigentlich sehen!“<br />

SUBJEKTIVES MOMENT ⇒ viele Theorien, Schulenbildung<br />

Bsp. Denken wir uns, wir befinden uns in einem Raum, in dem irgendwo eine Säule (= Gegenstand) steht. Frage: „Wie<br />

komme ich am besten zu der Säule? Gehen Sie auf die Säule zu!“ Welches ist der richtige Weg? ⇒ Den richtigen Weg gibt<br />

es nicht, es gibt nur einen besseren Weg! Es kommt auch darauf an, wo ich im Raum gerade stehe! Man kann die Säule auf<br />

verschiedene Art und Weise erreichen (von links, rechts, Mitte, quer, oben, durch ein Loch von unten nach oben usw.)!<br />

Säule<br />

Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder SS2002 Seite 17


Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder VO SS 2002<br />

Dr. Friederike Rothe<br />

Mitschrift von Marion Harpf<br />

⇒ so ist es auch im GEISTIGEN!!! Wir müssen auch geistig von irgend einer Seite aus auf den Gegenstand<br />

(= Mensch) zugehen!<br />

à Was ist der beste Punkt, um in die Mitte zu gelangen?<br />

- es gibt nicht den besten Punkt, aber den besseren!<br />

- man kann versuchen zu argumentieren(= Gründe anzugeben! Dies müssen plausibel sein!): „Warum?!“<br />

Das subjektive Moment ist also nicht völlig willkürlich, denn wir können schon fragen: „Überzeugen mich<br />

denn die Gründe???“<br />

Wir müssen uns also geistig irgendwo hinstellen und uns auf den Gegenstand zu bewegen. Wir müssen uns<br />

den Ausgangsort unter Einbetracht von plausiblen Gründen aussuchen! (den Vorgang reflektieren ist das<br />

einzige, was wir tun können...)<br />

à Wie komme ich zu einem plausiblen subjektiven Moment?<br />

Es gibt viele verschiedene Ausgangspunkte:<br />

z.B. „Der Mensch ist ein Triebbündel, das sich langsam kultiviert!“ [es gibt 800 und mehr Triebe!]<br />

z.B. „Der Mensch ist ein Organismus, der das Ziel in sich selbst hat!“ (= entelechial; er geht die Richtung, die ihm gut tut,<br />

wenn man ihn läßt!; vgl. Aristoteles!)<br />

z.B. „Durchexerzieren und belohnen! Dann macht er die Handlungen mit der Zeit automatisch!“ (= VT; vgl.<br />

Aversionstherapie [= sehr umstritten!])<br />

- VERGLEICH der Theorien: Man kann die Theorien miteinander vergleichen, doch man wird schon bald<br />

das Problem dabei erkennen, nämlich: Die Theorien verwenden völlig verschiedene Terminologien! [vgl. „ich“,<br />

„Selbst“, „Es“; S. Freud z.B. verwendete den Begriff „Selbst“ überhaupt nicht! Untersucht man verschiedene<br />

Therapierichtungen genau, erkennt man bald wie widersprüchlich sie oft sind! Auch die Terminologie!]<br />

In den 70er Jahren wurde es zum Trend, Freud – Jung – Rogers miteinander zu vergleichen! Aber man kam<br />

auf keinen grünen Zweig!<br />

- EKLEKTIZISMUS = „Ich wähle aus was mir persönlich zusagt!“ [... und dann wird das schon richtig sein... –<br />

so kommen wir wissenschaftlich aber auch nicht weiter!!! ] [vgl. Hermeneutik: die Kunst des Interpretierens, der Auslegung]<br />

+ VERGLEICH der Therapieziele: Wie soll der Mensch nach der Therapie sein?<br />

Es gibt verschiedene Ansätze, wie der Klient nachher sein soll:<br />

z.B. Freud: „Er soll arbeits- und liebesfähig sein!“ [vgl. wenn man nicht arbeiten kann wird man sehr oft depressiv-<br />

Tätig sein gehört zum Menschen dazu]<br />

z.B. „Sein wahres Selbst [was immer das auch sei...] entfalten!“<br />

z.B. „Im Einklang mit sich sein!“<br />

z.B. „Krankheit = Kommunikationseinschränkung. Kommunizieren können, sich mitteilen.“<br />

die Annahmen si eht man also in den ZIELEN!!!<br />

Annahmen<br />

Theorienpluralität<br />

= Menschenbilder/Menschenmodelle = was man meint, das der Mensch ist!<br />

= Pluralität von Menschenbildern!<br />

- es gibt also viele Theorien, weil es viele Menschenbilder gibt!<br />

Jede psychologische Theorie baut auf einem<br />

anthropologischem Vorverständnis/Voraussetzung/Prämisse auf<br />

( = auf einem Menschenbild)!<br />

z.B. S. Freud ging vom Maschinenmodell aus, von einer Dampfmaschine: es herrscht ein Druck vor, der sich<br />

aufstaut und wenn er keine Möglichkeit zur „Abfuhr“ hat, dann explodiert die Maschine (//Mensch und seine<br />

Triebe)<br />

à Ohne der Vorstellung, wie der Mensch ist, können wir auch nicht die Entscheidung „gesund/krank“ treffen!<br />

Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder SS2002 Seite 18


Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder VO SS 2002<br />

Dr. Friederike Rothe<br />

Mitschrift von Marion Harpf<br />

à In jedem Menschenbild steckt parallel auch eine WELTANSCHAUUNG!!! [das ist aber normalerweise nicht so<br />

formuliert! Vgl.: „Ist das mein einziges Leben? Oder gibt es da noch was nach dem Tod?“ = Weltanschauung...]<br />

Anthropologische Prämissen + Theorie: Wie sind die beiden miteinander verknüpft?<br />

[vgl. W. Herzog, S. 84-97: Reflexion über den Modellbegriff]<br />

à Modell: ist ein Hilfsmittel, um etwas zu erkennen bzw. um etwas verstehen zu können! Erkenntnis geschieht<br />

durch Modelle!<br />

Bsp. das Atommodell: hat eine repräsentierende [= abbildende] und selegierende [= auswählen/selektieren]<br />

Funktion<br />

MERKE: Modelle unterscheiden sich vom Original, aber sie haben auch etwas gemeinsam! Modelle dienen zur<br />

Vereinfachung der Realität, weil sie ein Überblick sind! Sie sind also simplifiziert, vereinfacht und werden der<br />

Realität nicht gerecht! Immer im Hinblick auf das Ziel ist so ein Modell vereinfachend/simplifizierend! Sie sind<br />

kein genaues Abbild der Realität!!!<br />

Bsp. Auf der Straße fragt mich ein Engländer nach dem Weg zur Alten Uni. Ich nehme einen Zettel zur Hilfe (mein Englisch<br />

ist schlecht...J) und skizziere ihm den Weg: dabei werde ich nur die wesentlichen Dinge festhalten (Ampeln, Kreuzungen),<br />

nicht aber das Unwesentliche (wie viele Bäume dem Weg entlang stehen usw.)...<br />

Ampel<br />

Alter Kastanienbaum<br />

Kirche<br />

Alte<br />

Uni<br />

Wir<br />

Bsp. Karikaturen (Politiker...)<br />

Zusammenfassung: Theorienvielfalt: Wie kann man angemessen umgehen und woher kommt diese<br />

Vielfalt überhaupt?<br />

Ich muß was vom Gegenstand wissen, um die adäquate Methode zu findenà Zirkel, wir drehen uns im Kreis<br />

und um da heraus zu kommen, müssen wir ein subjektives Moment akzeptieren! Ich muß mich also geistig<br />

irgendwo hinstellen (Triebe? Reize? Entelechial? ...es gibt viele Möglichkeiten...) und dabei darf ich das Problem der<br />

Terminologie nicht vergessen („Selbst“ ≠ „Selbst“)! Vgl. durch TerapieZIELE: hierin drücken sich Annahmen<br />

aus, die als grundlegend gesehen werden.<br />

Theorienpluralität = Pluralität von Menschenbildern/Menschenmodellen) – Theorien sind ohne Annahme<br />

vom Wesen des Menschen NICHT möglich!!!<br />

Psychologische Theorien unterscheiden sich in der Art der Menschenmodelle, die ihnen zugrunde liegen (d.h.<br />

sie unterscheiden sich also in den anthropologischen Annahmen!)<br />

Alles andere, auch die therapeutischen Vorgehensweisen, ist am Ende die Konsequenz aus dem<br />

Menschenmodell! Als Therapeut verfolge ich ein ZIEL!!! (Modell – Therapie – therapeutisches Vorgehen –<br />

therapeutisches Ziel ... hängen eng zusammen! Allem liegt auch ein Weltbild zugrunde, vgl. Sinnfrage, Tod usw.)<br />

Es gibt keine Theorie ohne solche PRÄMISSEN/GRUNDANNAHMEN!<br />

Verbindung MODELL – THEORIE<br />

Wenn wir versuchen, was zu verstehen, machen wir uns eine Vorstellung davon. Modelle = Hilfsmittel, um zu<br />

erkennen, verstehen!<br />

Bedeutungen/Funktionen der Modelle:<br />

[die verschiedenen Funktionen treten meistens gemeinsam auf!]<br />

Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder SS2002 Seite 19


Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder VO SS 2002<br />

Dr. Friederike Rothe<br />

Mitschrift von Marion Harpf<br />

1. repräsentierende und selektierende Funktion<br />

(um komplexe Sachverhalte erfaßbar zu machen; vgl. Wegbeschreibung zur alten Uni)<br />

à bildet Realität selektiv (d.h. in Auswahl) ab (≠ Original!!!; Modell und Original müssen etwas gemeinsam,<br />

aber auch Unterschiede haben!)<br />

à Vereinfachung der Realität<br />

ZIEL = Nützlichkeit (ich verspreche mir einen Nutzen davon; Ich kann niemals einem Modell vorwerfen, daß es<br />

vereinfacht ist! ABER: Ich darf auch nicht vergessen, daß es NICHT die Realität ist!!!<br />

2. Heuristische Funktion<br />

(d.h. ich probiere was aus!)<br />

à bei neuen Erfahrungen suchen wir nach Modellen, um Erfahrungen zu verstehen (<br />

• vgl. Wirkung von LSD in den 70er Jahren: „...als ob ein Komet auf mich zufliegen würde!“ Ich nehme zur<br />

Beschreibung Bilder her, die von woanders kommen!<br />

• vgl. Verliebt sein: wenn man begreiflich machen will, was die geliebte Person für einen ist...<br />

• vgl. wenn wir versuchen, etwas das wir schon kennen, in einem neuen Licht zu sehen; z.B. der Wechsel<br />

zwischen heliozentrischem ⇔ geozentrischem Weltbild<br />

3. Illustrierende Funktion (= Veranschaulichung)<br />

• vgl. Architekten, die kleine Modelle für die Kunden zum Anschauen, Antasten bauen<br />

• vgl. Wegbeschreibung: eine Mischung aus abstrakten und konkreten Modellen (ich verwende auch abstrakte<br />

Symbole wie z.B. „P“ für Parkplatz, „X“ für Burgen usw.)<br />

Konkret : ähnelt Wirklichkeit (Architekt)<br />

Abstrakt : Symbole, Formen repräsentieren die Wirklichkeit<br />

à immaterielle/abstrakte Modelle haben keine sinnliche Verbindung mit dem, was sie darstellen<br />

• z.B. das Dreieck im einem Auge in der Mitte als Symbol für die Trinität Gottes; das soll nicht heißen, daß<br />

Gott wie ein Dreieck aussieht und 1 Auge hat!<br />

à materielle Modelle für psychologische Technik:<br />

• z.B. der Regelkreis der Kybernetik (Heizkörper mit Temperaturangabe, Regler ‚Soll - Ist Wert‘!): die<br />

systemische Therapie hat dieses Modell verwendet, um die Dynamik innerhalb einer Familie zu<br />

veranschaulichen<br />

à man versucht, das Prozeßhafte eines Vorganges zu veranschaulichen (vgl. S. Freud: Dampfmaschine ⇒<br />

Begriff der ‚Triebabfuhr‘)<br />

[vgl. Buch von Walter Herzog!!!]<br />

= Modell in der Funktion der Analogie bzw. der Metapher!!!<br />

ANALOGIE:<br />

= daß sich 2 Verhältnisse entsprechen<br />

• z.B. „Der Mensch ist des Menschen Wolf!“ d.h. wenn es geht, fallen wir übereinander her à der Mensch und<br />

der Wolf werden miteinander in Beziehung gebracht, wir sehen den Menschen in Wolfsperspektive (bezogen<br />

auf die psychologische Verfassung, nicht auf das Äußere)! Wir haben also:<br />

fi negative Analogie: die beiden Bereiche haben nichts gemeinsam (Äußeres)<br />

fi positive Analogie: die psychische Aggressivität ähnelt dem Verhalten des Menschen (= positive Analogie<br />

zwischen Mensch und Wolf: d.h. die Bereiche haben was gemeinsam)<br />

fi neutrale Analogie: wir wissen nicht, ob es Gemeinsamkeiten zwischen den 2 Bedeutungsbildern (Mensch<br />

und Wolf) gibt oder nicht!<br />

(= wir wissen nicht, wie weit oder nicht die positive Analogie reicht)<br />

METAPHER:<br />

= eine Analogie, bei der der neutrale Aspekt dominiert! (aber ein Stück positive Analogie muß gegeben sein)<br />

= schafft Gemeinsamkeiten zwischen den 2 Bedeutungsfeldern<br />

Eine Metapher macht nur dann Sinn, wenn es in irgendeinem Sinn auch eine positive Analogie gibt!<br />

• z.B. positive Analogie zwischen Regelkreis und Familiendynamik<br />

• z.B. Mensch – Maschine (wir müssen die positive Analogie finden! à wir machen viel automatisch, wie eine<br />

Maschine! z.B. essen)<br />

Eine Metapher, wo man die Analogie nicht erkennen kann ist eine schlechte/mißglückte Metapher<br />

• z.B. amputiertes Bein (Moby Dick) – roter Faden (= Bild ist danebengegangen)<br />

Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder SS2002 Seite 20


Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder VO SS 2002<br />

Dr. Friederike Rothe<br />

Mitschrift von Marion Harpf<br />

Psychologische Modelle haben in diesem Sinn nach W. Herzog die Funktion/Bedeutung einer<br />

METAPHER!!!<br />

⇓ ⇓<br />

wir haben eine negative, pos itive & neutrale Analogie, wobei die neutrale Analogie überwiegt!!!<br />

à Wegbeschreibung/Skizze: = selektiv; wir wissen genau, was vereinfacht/verkürzt/weggelassen usw. ist<br />

≠ bei psychologischen/psychotherapeutischen Modellen!!! Das Wesen der psychischen Wirklichkeit ist uns nicht<br />

bekannt bzw. der psychologische Gegenstand ist uns aus alltäglichen Erfahrungen zwar bekannt, aber nicht<br />

erkannt (solange ich das nicht weiß, weiß ich nicht, ob das paßt, ob die Modelle die psychologische<br />

Funktionsweise wiedergeben! Deshalb nennt sie Walter Herzog METAPHERN!)<br />

⇒ wenn wir uns eines Modells bedienen, dann bekommt dieses Modell eine KONSTITUIERENDE (=<br />

schaffende, grundlegend bildende) FUNKTION (ich muß mich aber eines Modells bedienen!!!). Wir können<br />

nicht sagen, ob das Moment der Determiniertheit, Ganzheitlichkeit usw. dem Menschen angemessen ist!<br />

Solche Modelle sind also nicht nur zur Veranschaulichung/Illustrierung da, sondern konstruieren (= schaffen)<br />

den Gegenstand!!! (ich tue so, als ob mein Gegenstand so wie dieses Modell geschaffen wäre!)<br />

Auswahl eines Modells = die unvermeidbare Schwachstelle unseres Denkens über den Menschen<br />

(die eigene Lebenserfahrung spielt bei der Auswahl des Modells eine Rolle)<br />

à Wir müssen den Menschen mit anderen Sachen in Verbindung setzen, um ihn verstehbar zu machen. (Er ist<br />

„als ob er eine Maschine sei...“; „als ob er...“ usw.)<br />

z.B. Amoklauf in Erfurt: Wir suchen nach Modellen/Erklärungen, um zu verstehen, wie so etwas passieren kann!<br />

(oft wird die Metapher eines Staudammes als Versuch verwendet, um den psychischen Vorgang bildlich zu<br />

machen)<br />

z.B. Computermetapher, Organismusmodell [= das Modell der Gesprächstherapie]<br />

Das Modell (= Metapher) hat konstituierende Funktion.<br />

[vgl. Nazis: dt. Volkskörper – Metastasen (Juden)]<br />

Wir konstituieren mittels Metapher unseren psychologischen Gegenstand. Wir wissen noch nicht, WIE unser<br />

Gegenstand funktioniert – deshalb brauchen wir eine Metapher, um unseren Gegenstand (= das Psychische) zu<br />

erkennen!<br />

Im Alltag erklären wir alle uns ständig Vorgänge/Verhaltensweisen usw. („Wenn man depressiv ist, dann geht<br />

halt nichts weiter...“ usw. – ‚volksvulgär‘; in diesen Aussagen kann man das Modell erkennen). Was wir erleben,<br />

erklären wir uns aufgrund der Modelle, die wir im Kopf haben. Bestimmte Modelle sind nicht miteinander<br />

kompatibel! (wir nehmen uns als Modell auch etwas, das in Realität existiert).<br />

Wenn die Auswahl des Modells eine subjektive Perspektive hat, heißt die Antwort, daß wir eine endgültige<br />

Aussage nicht bekommen. Alle Metaphern haben ihre Grenze: EINE ENDGÜLTIGE AUSSAGE WIRD ES<br />

NICHT GEBEN!!!<br />

Modelle der Psychologie = metaphorisches Modell ⇒ schaffen eine psychische Wirklichkeit (wir tun so, als<br />

sei der Mensch so geschaffen: wie eine Maschine, ein Organismus usw.)<br />

Diese Metaphern schaffen uns den Gegenstand!!! Modelle werden zu notwendigen Bestandteilen<br />

unseres Erkennens! Wir können den Menschen nicht ohne Modell denken!<br />

Vgl. Skizze Wegbeschreibung: ich wollte was veranschaulichen (≠ etwas konstituieren, schaffen: ich habe den<br />

Weg zur Uni nicht geschaffen, nur veranschaulicht!)<br />

Es gibt auch im Rahmen der Modelle Entwicklungen:<br />

z.B. verglich S. Freud den Menschen mit einer Dampfmaschine, heute, nach technischem Fortschritt, vergleicht<br />

man den Menschen mit einem Computer. Hier spricht man nicht von einem Modellwechsel, weil immer noch die<br />

Metapher der Maschine gilt!<br />

Mit der Metapher wird etwas geschaffen,! Ist die Metapher mißglückt, so hat das Folgen auf die Theorie, auf der<br />

sie basiert!<br />

Psychologische Modelle können wir empirisch nicht beweisen, d.h. wir können nicht sagen, ob sie wahr<br />

oder falsch sind. Wir können höchstens sagen, ob das Modell für uns nützlich oder nutzlos ist! Auch<br />

Daten können nicht das Modell bestätigen! Die Folgerichtigkeit kann ich im Rahmen meines Denkens<br />

überprüfen!<br />

Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder SS2002 Seite 21


Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder VO SS 2002<br />

Dr. Friederike Rothe<br />

Mitschrift von Marion Harpf<br />

Das Modell hilft uns beim Erkennen, aber zugleich sind wir auch die Gefangenen des Modells. Hypothesen,<br />

aber ich kann sie nicht überprüfen!<br />

Auch von der Theorie kann ich nur sagen: „Sie hat sich bewährt!“<br />

⇒ Wir haben einen unsicheren Anfang, nämlich die Wahl des Modells.<br />

Psychologische Modelle können wir nicht belegen/beweisen, wir können nur fragen: „Nützen sie uns?“<br />

Modell - Theorie - Daten<br />

⇓<br />

haben wir gewonnen, weil wir von Theorie ausgegangen sind<br />

⇒ ZIRKEL im Gedankengang (ich beweise was, was ich zuvor schon vorausgesetzt hab, das ist aber kein<br />

Beweis!) ⇒ einzige Möglichkeit ist also: wir müssen entscheiden, was für UNS nützlicher ist (Mit welchem<br />

Modell verstehe ich mehr? Wo finde ich Antworten auf meine Fragen?) ⇒ gewisse Grundannahmen machen<br />

ein Modell aus<br />

GEGENSÄTZLICHE GRUNDANNAHMEN (nach Schneewind Klaus, 1992; S. 86-87)<br />

Beispiele:<br />

Freiheit versus Determiniertheit<br />

à Ist der Mensch frei oder festgelegt? (Humanistische Psychologie ⇔ Behaviorismus)<br />

Rationalität versus Irrationalität<br />

à Plant der Mensch sein Handeln ganz bewußt oder ist er ein Spielball unbewußter Kräfte? (vgl. Psychoanalyse; man kann<br />

die beiden Annahmen nicht problemlos miteinander verbinden)<br />

Ganzheitlichkeit versus Elementarismus<br />

Konstitutionalismus versus Environmentalismus<br />

à environment = Umwelt; Auseinandersetzung: Veranlagung ⇔ Umwelt (vgl. Körpertypologie Gretschma: „Wir lernen unser<br />

Verhalten und können es daher auch wieder umlernen)<br />

Subjektivität versus Objektivität<br />

à Sind subjektive zulässige Daten oder sind zulässige Daten nur von außen objektiv beobachtbare? („objektiv<br />

beobachtbar“: Vorteil der VT, denn sie kann Veränderungen objektiv feststellen!; „subjektiv“: Humanistische<br />

Psychologie/Selbsterfahrung – kann man kaum wissenschaftlich festlegen)<br />

Proaktivität versus Reaktivität<br />

↓<br />

↓<br />

Mensch ist selbst aktiv/selbständig<br />

mein Verhalten ist nur Folge von äußeren<br />

oder inneren Bedingungen (ich reagiere)<br />

Homöostase versus Heterostase<br />

↓<br />

↓<br />

Wiederherstellung oder Aufrechterhaltung eines<br />

Veränderung von Sollwerten: wir verändern<br />

Gleichgewichts und Schwankungen kompensieren<br />

uns! Es findet eine Entwicklung statt, wo wir<br />

Vgl. „Steh- auf- Männchen“ (Männchen bleibt gleich)<br />

durch Veränderung immer wieder ins<br />

Gleichgewicht kommen!<br />

Erkennbarkeit versus Unerkennbarkeit<br />

à Ist der Mensch erkennbar oder ist er als Ganzes unerkennbar? (vgl. Watson und Skinner, die beiden extremen ‚Vorläufer‘<br />

der VT: „Der Mensch ist total erkennbar!“)<br />

Historizität versus Ahistorizität<br />

à Psychoanalyse (Historizität) ⇔ VT (Ahistorizität; ich lasse die Geschichte hinter mir und lerne neu!)<br />

à Ist mein Verhalten jetzt Folge von dem was ich mal traumatisierend erlebt habe oder reagieren wir immer nur auf die<br />

jetztige Situation (ohne Geschichte)?<br />

Sozialität versus Assozialität<br />

à Inwiefern hat der andere Einfluß auf Verhalten?<br />

Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder SS2002 Seite 22


Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder VO SS 2002<br />

Dr. Friederike Rothe<br />

Mitschrift von Marion Harpf<br />

[Mechanistisches Modell: das Verhalten ist voll erklärbar, vorhersagbar, wenn man die Bedingungen kennt]<br />

[Organismus-Modell: der Mensch reagiert nicht automatenhaft, er ist selbständig und zur bedeutungsvollen Erfahrungswelt organisiert]<br />

[Marxismus: dialektisches Menschenmodell vom idealen Menschen]<br />

DAS MASCHINENMODELL (vgl. W. Herzog, S. 97ff)<br />

- dieses Modell ist sehr verbreitet; die einflußreichste Modelltradition in der Psychologie ist die Maschine – sie<br />

hat immer wieder hergehalten (vgl.: der technische Wandel hat immer wieder neue Maschinen<br />

hervorgebracht...); seit Beginn der Neuzeit (Isaak Newton)<br />

- verwendet die Metapher „Maschine“:<br />

Mensch - Maschine (à gehört zu unserer Erfahrungswelt)<br />

eine Verbindung wird hergestellt – es muß eine minimale positive Analogie<br />

gegeben sein: „Wo gibt es auf Anhieb Verbindungen zwischen Mensch und Maschine?“ „Was macht das<br />

Bedeutungsfeld Maschine aus?“<br />

- es gibt viele verschiedene Maschinen (Uhrwerk, Dampfmaschine, PC usw.) à je nach Maschine ändert<br />

sich das Bild vom Menschen, aber die Grundidee bleibt immer dieselbe<br />

- in der westlichen Kultur ist das Maschinenmodell stark verankert (dem ist nicht so in anderen Kulturen; die<br />

aristotelische Logik ist die Grundart/- weise wie wir denken! [= abendländisch] Die Maschine ist die<br />

anschauliche Verkörperung der Axiome der aristotelischen Logik: sie garantiert Widerspruchsfreiheit,<br />

fehlerloses Funktionieren - Widerspruchsfreiheit wird hier fehlerfreien Funktionen gleichgesetzt)<br />

z.B. alte Nähmaschine:<br />

Sie besteht aus einzelnen Teilen (Fußbrett, Rad an der Seite usw.) und jedes Teil hat einen Namen! Diese Teile<br />

sind in einer bestimmten Weise zusammengefügt. Bewegt sich die Maschine, sind die einzelnen Teile<br />

untereinander in Bewegung! Von dieser Bewegung machen wir Gebrauch (= nähen!)<br />

Wir haben also eine Ansammlung von einzelnen voneinander unabhängigen Elementen, diese werden addiert!<br />

Jedes Stück können wir anfassen à eine Kraft von außen setzt die Zusammensetzung in Bewegung und die<br />

Bewegung heißt Veränderung! Wir kennen die Maschine in- und auswendig, wir kennen die gesamte Maschine<br />

und ihre Funktionen! Begriff der „Machbarkeit“: in diesem Modell kann ich machen!!! Ich kann voraussagen,<br />

wie die Maschine funktioniert!<br />

In der Maschine selbst gibt es nichts, also keine zentrale Instanz in der Maschine! Sie ist also passiv und<br />

bewegt sich nur auf äußere Antriebe (Fuß auf Pedal drücken) hin, ansonsten nicht!<br />

Es ist ein atomisches Modell, aus Einzelteilen zusammengestellt, die additiv aneinandergefügt werden durch die<br />

Kräfte von außen! Der Zweck wird von außen vorgegeben!<br />

• Das Ganze ist determiniert: Bei einer gesunden Maschine weiß ich was passiert, wenn ich auf den Knopf<br />

drücke!<br />

• Ihr Konstruktionsprinzip ist erkennbar ⇒ exakte Voraussagbarkeit ist möglich!<br />

• klare Subjekt – Objekttrennung: die ungewollte gegenseitige Beeinflussung von Mensch und Maschine kann<br />

nicht vorausgehen! Die Maschine ist ein völlig passives Gebilde und kommt erst durch einen Anstoß von außen<br />

in Bewegung<br />

⇒ FOLGEN für Psychologie:<br />

♣ Reaktivität<br />

♦ Passivität<br />

= der Mensch wird von äußeren Kräften gesteuert; eine äußerliche Kraft kann auch ein innerkörperliches<br />

Geschehen sein, da ich keinen Einfluß habe! (vgl. Triebtheorie; vgl. wenn man sich übergeben muß, kann man<br />

dies nicht mehr steuern...) à also ist es auch dann eine äußere Kraft, wenn sie von Innen kommt!<br />

- Stimulus - Response Theorien (Behaviorismus): Stimuli von innen und Reize von außen, die das Verhalten<br />

bestimmen<br />

- = eine Vorstellung des Menschen ohne Ziele und Zwecke, weil es keine zentrale Instanz gibt!<br />

- Der Mensch ist von seiner Umgebung gemacht, also ist er abhängig und muß GEMACHT werden (vgl. VT:<br />

die Machbarkeit des Menschen)<br />

- Auch die Natur kann den Menschen machen (genetische Determination), sowie die Umwelt (vgl. Milieu –<br />

Aspekt: „... woher der kommt... da kann nichts werden aus dem!“)<br />

- Reize, Reaktionen, Empfindungen, die in einer gesetzmäßigen Verbindung zueinander stehen (vgl.<br />

Assoziation Psychoanalyse à man nimmt an, daß Assoziationen nicht zufällig in einer Reihenfolge<br />

Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder SS2002 Seite 23


Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder VO SS 2002<br />

Dr. Friederike Rothe<br />

Mitschrift von Marion Harpf<br />

kommen, sondern daß alles eine Bedeutung hat (auch Träume) – die Frage nach der Sinnhaftigkeit solcher<br />

Verbindungen wird hier allerdings nicht gestellt<br />

- BEACHTE: jedes Modell hat seine GRENZEN! Bei diesem Modell stoßen wir an die Grenzen, wenn wir an<br />

das DENKEN kommen, denn das Denken wird hier als PRIMITIV gesehen!<br />

- Im Prinzip bleibt die Maschine gleich, egal, wie lange sie funktioniert hat! à Etwas Neues ist hier NICHT<br />

möglich, denn die Elemente bleiben immer die gleichen! (d.h. die Bestandteile der Psyche bleiben immer<br />

die gleichen)<br />

- Es gibt rein QUANTITATIVE VERÄNDERUNGEN, aber keine qualitativen/neuen Veränderungen!<br />

- Es gibt KEINE Entwicklung, denn Entwicklung setzt ein Ziel voraus und das gibt es hier nicht: das Selbst<br />

des Maschinenmodells hat KEIN ZIEL! Veränderungen sind lediglich Neukombinationen. (kein Werden,<br />

kein Wachsen, keine Geschichtlichkeit...) [Wenn es keine Entwicklung gibt, wer denkt dann?]<br />

- Determiniertheit: ich kenne all ihre Elemente und deren Zusammenwirken ⇒ ich kann etwas machen!!!<br />

Worin liegt die positive Analogie zwischen Mensch und Maschine?<br />

Bsp. verläßliche Maschinen: sie funktionieren wie ein Uhrwerk (vgl. „Nach Karl kann man seine Uhr richten...“),<br />

das ist erwünscht à man kommt auf das Modell Maschine!<br />

Automatisierte Handlungen ersparen uns Zeit und Kraft. Wer dazu nicht in der Lage ist, von dem sagen wir, er<br />

ist krank (= Verlust der natürlichen Selbstverständlichkeit; nicht mehr Herr seines Verhaltens sein z.B.<br />

Zwangskranke, Schizophrene) – doch der Mensch erscheint uns auch hier wie eine Maschine, wir bedauern<br />

ihn, denn er kann sein Handeln nicht steuern!<br />

z.B. Sexualstraftäter: sie wissen, was sie tun, aber sie können nicht anders und tun es immer wieder<br />

(Wiederholungstäter) à sie handeln wie eine Maschine und sind im Tun nicht mehr zu bremsen.<br />

Wenn sich die Maschine verselbständigt (Zwang, Straftäter), dann lehnen wir die Maschine ab, wir haben<br />

Angst. Dies ist vom Ziel her nicht vernünftig und daher unerwünscht!!!<br />

z.B. Soldaten: sie führen aus, was von außen vorgegeben wird<br />

z.B. Sekten: Maschinengehorsam wird in Sekten verlangt<br />

z.B. Jesuiten: Kadavergehorsam (= ohne eigenen Willen gehorchen)<br />

Kulturgeschichtlich wurde die Ambivalenz oft dargestellt. Unsere Bewertungen gegenüber<br />

maschinenmäßigem Verhalten sind ambivalent, wie z.B. bei:<br />

z.B. Frankenstein (Romanfigur im 17./18. Jhr): seelenloser Mensch, der Angst gemacht hat<br />

z.B. Golem (jüdische Literatur): stummer, künstlicher Mensch aus Lehm, der von den Rabbis gebaut wurde und<br />

von den Rabbis ein- und ausgestellt werden konnte; macht Angst<br />

z.B. Terminator (Arnold Schwarzenegger): Idealfigur jedes Soldaten<br />

z.B. Roboter: ist die ideale Maschine, da er rein vernünftig agiert – er erschreckt uns eigentlich<br />

z.B. Bladerunner – Film<br />

⇒ Unheil kommt, wenn die Maschine außer Kontrolle gerät, d.h. wenn sie menschlich wird und selbst<br />

entscheidet! Das Happy End liegt in der Zerstörung der menschlich gewordenen Maschine!<br />

vgl. Gentechnik: der Mensch maßt sich an, den Menschen zu schaffen! ⇒ ANGST! (dies ist eine alte Angst,<br />

nämlich die Angst, daß der Mensch wie eine Maschine wird und dann außer Kontrolle gerät und unmenschlich<br />

wird! Wenn der Mensch sich Schöpferfunktionen aneignet, gibt es massive Gegenreaktionen)<br />

[Zusammenfassung:]<br />

à Anthropologische Grundannahmen nach Schneewind:<br />

Freiheit versus Determiniertheit<br />

d.h. es gibt Modelle, die von Freiheit ausgehen und solche, die von Determiniertheit ausgehen. Freiheit schließt Determiniertheit aus. Falls 1<br />

Modell beide sind ⇒ Widerspruch!<br />

Rationalität versus Irrationalität<br />

Bewußt<br />

Spielball unbewußter Kräfte<br />

Kelly G.<br />

Psychoanalyse<br />

Persönliche Konstrukte<br />

Mensch = Wissenschaftler<br />

Ganzheitlichkeit versus Elementarismus<br />

Gesamtheit aller Gestalttherapien<br />

wesentlich in Einzelteile zerlegbar; empirische Persönlichkeitstheorien<br />

Konstitutionalismus versus Environismus<br />

Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder SS2002 Seite 24


Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder VO SS 2002<br />

Dr. Friederike Rothe<br />

Mitschrift von Marion Harpf<br />

Ererbt/genetisch<br />

Milieueinflüsse/Umwelt<br />

Kretschmer<br />

Lerntheorie<br />

Subjektivität versus Objektivität<br />

Ob subjektive Erlebnisse und<br />

ausschließlich von außen beobachtbare Daten unter Ausschluß<br />

Erfahrungen zulässige Daten für<br />

neutralistischer Aussagen<br />

Theorien sind<br />

Produktivität versus Reaktivität<br />

Aktiv, selbständig<br />

Verhalten ist Folge von äußeren oder inneren Bedingungen<br />

Aus sich heraus<br />

Mechanistische Modelle<br />

Organismusmodelle<br />

Behaviorismus, Verhaltenstherapie<br />

Rogers Gesprächspsychotherapie<br />

Psychoanalyse<br />

Homöostase versus Heterostase<br />

Aufrechterhaltung und<br />

Veränderung von Sollwerten im Sinne einer entwicklungsbedingten<br />

Wiederherstellung eines<br />

Sollwertanpassung<br />

Gleichgewichtszustandes<br />

Rogers<br />

Sollwert<br />

Erkennbarkeit versus Unerkennbarkeit<br />

Durch Wissen total<br />

Menschsein ist nie ganz erklärbar<br />

Erklärbar<br />

Rogers<br />

Mechan. Modelle<br />

Anthropologische Grundannahmen beeinflussen Modelle! Anthropologische Modelle beinhalten solche<br />

Grundannahmen in verschiedenster Weise:<br />

à im Organismus Modell: unterstellen als zentrales Axiom, daß der Mensch grundsätzlich aktiv ist, d.h. nicht<br />

automatenhaft auf äußere oder innere Reize reagiert<br />

à im mechanischen Modell: Verhalten ist vollständig vorhersehbar, falls man die verhaltensauslösenden<br />

Bedingungen kennt<br />

z.B. alte Nähmaschine: Bewegung = Veränderung (durch Kraft von außen)<br />

- wir kennen die ganze Maschine völlig und das was wir so gut kennen, können wir auch machen<br />

- Atomismus: Einzelteile, voneinander unabhängig; der Mensch läßt sich jederzeit in Teile zerlegen ⇒ exakte<br />

Voraussage ist möglich<br />

- Klare Subjekt- Objekttrennung: eine ungewollte Beeinflussung von Mensch – Maschine kann nicht<br />

stattfinden<br />

- Der Mensch hat keine eigenen Ziele/Zwecke<br />

- Die Teile bleiben gleich, es ist nur eine Rekombination der Teile möglich<br />

- Es gibt Verhaltensweisen in unserem Alltag, die maschinenähnlich sind = automatisierte Verhaltensweisen,<br />

die nötig sind, um Kraft und Zeit zu sparen<br />

Vgl.: Zwangskranke: sie sind an innere/äußere Kräfte ausgeliefert, können das Verhalten nicht mehr selbst bestimmen<br />

(auch die Maschine kann das Verhalten nicht selbst bestimmen)<br />

- Militär, Sekten ( weltanschaulich orientierte Organisationen), Frankenstein, Golem, Terminator = menschenähnliche<br />

Gestalten, die übermenschlich reagieren; Figuren, die plötzlich selbst entscheiden, was sie tun wollen.<br />

Happy End liegt in der Zerstörung dieser jetzt menschlich gewordenen Maschine<br />

⇒ der Mensch maßt sich Schöpferfunktion an<br />

- Vgl. maschinenähnliche Reaktionen, die wir alle vom Alltag her kennen:<br />

A: „Die Politik brauchst Du bei Hermann nicht erwähnen, denn dann reagiert er bestimmt aggressiv!“ [je<br />

besser wir jemanden kennen, desto besser können wir ihn vorhersagen; Worte, Gestik, Mimik: Verhalten ist vorhersehbar]<br />

- Destruktiv: Verhaltensmuster, die wie ein Reisverschluß ineinandergreifen! Das erleben wir oft bei Paaren:<br />

Es fällt ein Stichwort und der andere reagiert und keiner kann aufhören damit! Hierzu bildete der Schweizer<br />

J. Wimmi den „Kollussionsbegriff“ (= Zusammenspiel); z.B. ein schizoider Mensch sucht sich zielsicher<br />

einen depressiven Menschen, auf den er sich auslassen kann<br />

- Das Maschinenmodell gibt es seit der Neuzeit in unserer Kultur, Gott verliert an Vorherrschaft:<br />

Vgl. Descartes: res extensa – res cogitans<br />

⇓<br />

reagiert wie eine Maschine<br />

Vgl. Leibniz: die gesamte Wirklichkeit unterliegt den Gesetzen der Mechanik<br />

Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder SS2002 Seite 25


Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder VO SS 2002<br />

Dr. Friederike Rothe<br />

Mitschrift von Marion Harpf<br />

Vgl. Lammetrie (18. Jhr.): „L’homme machine“: zum 1. Mal erscheint die Metapher „Maschine“ für den<br />

Menschen!<br />

(?) Vgl. Renaissance: Neuerlebung des Menschen als Naturereignis ≅ Mensch als mechanistisches<br />

Geschöpf<br />

Vgl. Ende 40er: Kommunikationstheorie nach Shannon und Weaver: bis heute ist dieses (banale?) „Sender<br />

⇒ Empfänger – Modell“ geblieben!<br />

Vgl. dann: Computermodell: ist völlig vom Programm abhängig, d.h. von außen gesteuert! „Probleme mit<br />

der Festplatte... „ (= Probleme mit der Erinnerung);<br />

das Problem hier bzw. die Grenzen: Was ist das Subjekt? Das Ich? Wer ist es, der wahrnimmt? Es gibt<br />

keine Entwicklung – Wer denkt dann? Wie soll man sich einen Denkprozeß vorstellen, ohne jemanden der<br />

einen Denkprozeß hat? Die zentrale Instanz fehlt!!! Wer ist das Ich/die zentrale Instanz??? Wer macht das<br />

Ich aus?<br />

Wie bestimmt das MODELL eine THEORIE???<br />

Vgl. Empirische Persönlichkeitstheorien: (es gibt verschiedene Persönlichkeitstheorien, so wie es verschiedene<br />

Maschinen gibt)<br />

Faktorenanalytische Persönlichkeitstheorien sind mathematische/statistische Verfahren, um Verhaltensweisen<br />

zu analysieren bzw. um sämtliche Verhaltensbereiche zu strukturieren. [s. Schneewind, S. 210, Faktorenanalyse]<br />

Theorien sind Verfahren, um Verhaltensweisen zu analysieren, die für jedes beliebige Individuum gültig<br />

sind. Hier auch Strukturmodell der Persönlichkeit. R. B. Cattell, Eysenck, Guilford zeigen, wie differenziert ein<br />

Modell sein kann.<br />

Die empirische Persönlichkeitspsychologie geht davon aus, daß der Gegenstand (= das Erleben und das<br />

Verhalten des Menschen) Gesetzmäßigkeiten unterliegt, und man kann ihn in Zahlen ausdrücken. Ich kann<br />

aber nur konkretes Verhalten messen und muß so das hypothetische Konstrukt (auch Faktor genannt)<br />

operationalisieren.<br />

Häufig wird der empirischen Psychologie vorgeworfen, sie habe ein primitives Bild vom Menschen, was<br />

aber oft nicht stimmt.<br />

Man versucht, die Grunddimensionen des Verhaltens zu erinnern. Verschiedene Konstrukte (s. Superkonstrukt-<br />

Pyramide oben)! Hier wird gefragt, ob alle Konstrukte gleich bedeutsam sind...<br />

fi Raymond B. CATTELL<br />

Cattell vertritt das faktorenanalytische Persönlichkeitsmodell; d.h. wir alle reagieren unterschiedlich auf ein<br />

und dieselbe Situation. z.B. Flugzeugabsturz mit Überlebenden: manche sind ein Leben lang traumatisiert, für andere hat es<br />

keine Folgen.<br />

Nach ihm ist „Persönlichkeit“ das Verhalten eines Menschen in einer bestimmten Situation.<br />

Versucht, das gesamte menschliche Verhalten auf überschaubare Organismusvariablen zurückzuführen ⇒<br />

das menschliche Verhalten ist durch mehrere Faktoren bestimmt!!!<br />

z.B. eine schlechte Note kann nicht nur auf Unintelligenz zurückzuführen sein, sondern da können auch<br />

Liebeskummer, Verliebtheit, Konzentrationsschwäche, Depressionen usw. eine Rolle spielen. Die Situation<br />

und die Verfassung eines Menschen spielen also auch eine Rolle.<br />

Cattell wollte eine möglichst genaue Vorhersage von Verhaltensweisen von Menschen in verschiedenen<br />

Situationen [= neu!!!]!<br />

Persönlichkeit = Verhalten eines<br />

Menschen in einer bestimmten<br />

Situation<br />

Strukturale Aspekte:<br />

= Eigenschaftsdimensionen (traits);<br />

die dem Verhalten zugrunde liegenden<br />

Eigenschaften und Zustände<br />

Prozessuale Aspekte:<br />

= Mechanismen der Veränderung des<br />

Verhaltens im zeitlichen Ablauf<br />

⇓ ⇓ ⇓<br />

Motive Temperamente Fähigkeiten<br />

Warum? Wie? Womit? =drei Hauptbereiche des Verhaltens (= die Persönlichkeitssphäre)<br />

Welches sind die grundlegenden Faktoren jedes<br />

dieser 3 Bereiche? Dazu bediente er sich 3er<br />

Datenquellen:<br />

Datenquellen:<br />

• L- Daten: objektive Daten des Lebens, z.B. Kinderkrankheiten usw. (auch durch Verwandte...)<br />

• Q- Daten: subjektive Daten: Selbsteinschätzung der Person über Fragebogen; subjektiv<br />

• T- Daten: Test- Daten; Informationen über Verhalten in standardisierten Situationen gesammelt<br />

Persönlichkeitstheorien<br />

Situation<br />

und Menschenbilder<br />

= Organismusvariablen (=<br />

SS2002<br />

Eigenschaften, das was von der Person selbst kommt)<br />

Seite 26<br />

und Reizvariablen (= fokaler Reiz und Hintergrundreiz)


Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder VO SS 2002<br />

Dr. Friederike Rothe<br />

Mitschrift von Marion Harpf<br />

Cattell führt auf Wesenszüge zurück. Zusammenspiel auf je eigene Weise, d.h. menschliches Verhalten ist<br />

nicht durch 1 Faktor determiniert, sondern durch mehrere. Cattell will möglichst genaue Vorhersagen der<br />

Verhaltensweise von Personen in unterschiedlichen Situationen. Das braucht Informationen über Personen<br />

und Situationen.<br />

Temperamentstruktur [Eigenschaften] von Cattell:<br />

Die Temperamentstruktur war für Cattell wichtig und er hat sich v.a. auf Lebensdaten gestützt. Er ging so<br />

vor: „Ich kann mich auf die Sprache stützen, da das Verhalten dort ausgedrückt wird!“<br />

Cattell hat also 4.500 Eigenschaftswörter von Allport auf 171 Eigenschaftswörter und diese auf 12 Primärfaktoren<br />

reduziert! Der 16 PF- Fragebogen (= Selbsteinschätzungsfragebogen zur Messung von Berufserfolg von klinischen<br />

Psychologen) beinhaltet all das und 8 Sekundärfaktoren.<br />

Cattell bezieht alles nur auf die Erforschung im Bereich Temperament (zum Restlichen kam er nicht mehr).<br />

à Wie kann überhaupt eine Veränderung dieser Eigenschaften erfolgen und wodurch?<br />

Wir haben also 1 Person und 1 bestimmte Situation (personeninterne Eigenschaften, die Situation/Umwelt<br />

{= fokale Reize; = diese Reize lassen uns in einer bestimmten Weise verhalten}<br />

Strukturaler Aspekt: In welchem Ausmaß kommt eine Grunddimension, z. B. Streß, Angst, in besonderer<br />

Situation zur Ausprägung?<br />

Prozessualer Aspekt: Wie verändern sich Verhaltensweisen? Es ist eine Veränderung möglich, wenn<br />

Eigenschaften sich durch Lernprozesse ändern (z.B. Choleriker; Psychotherapie). Aber Eigenschaften<br />

können auch Folgen von personeninternen/ -externen Ereignissen sein (z.B. Depression, Todesfall usw.)<br />

Umwelt: fokale Reize („Fokus“; = im Bild) kommen aus der Umwelt, d.h. Reize werden ausgelöst (diese sind<br />

aber auch nicht unabhängig von Reiz und Raum; anderer Kontext, andere Reaktion von uns usw.)<br />

Fokale Reize und Hintergrundreize:<br />

personeninterne Eigenschaften erhalten eine situationsbedingte Gewichtung (vgl. Schneewind)<br />

z.B. Ein Schulbub A tritt einen Schulbub B (= lokaler Reiz). Die Reaktion vom Schulbub B wird davon abhängen, ob ein<br />

Lehrer in der Nähe ist oder nicht (=Hintergrundreiz)! Dieser Hintergrundreiz und meine Befindlichkeit bestimmen, w i e<br />

man reagiert!<br />

z.B. Ich mag Hunde nicht und ein Schäferhund kommt auf mich zu. Situation a.) Hund ist mit Herrchen; Situation b.)<br />

Hund ist alleine! Hier ist der Reiz der gleiche, der Hintergrundreiz ist ein anderer! Der Hintergrundreiz modifiziert mein<br />

Verhalten. (= personeninterne Eigens chaften enthalten also eine situationsbedingte Gewichtung)<br />

ZIEL von Cattell:<br />

Cattell wollte das gesamte menschliche Verhalten auf eine begrenzte Anzahl von Wesenszügen<br />

begründen.<br />

Er wollte unsere gesamte inter- und intraviduelle Verhaltenssituation als Reaktion von Reiz- und<br />

Organismusvariablen aufklären können und zwar mittels einer „Spezifikationsgleichung“ (er versuchte das<br />

Verhalten einer bestimmten Person in einer bestimmten Situation vorauszusagen)<br />

Er wollte sämtliche Faktoren erforschen, alle Elemente des Ganzen kennzeichnen können (nicht gelungen)!<br />

Ergebnis: Addition von Einzelfaktoren (Persönlichkeit = Verhalten in einer bestimmten Zeit/Raum)! [vgl. Maschine!]<br />

Cattell wollte eine fundierte Verhaltensanalyse machen, in Betrachtung von alledem. Er hat durchaus<br />

differenziert gedacht (s. Reiz- und Organismusvariablen, wie Fähigkeit, Motive und Temperament). ⇒ Er machte eine<br />

„Spezifikationsgleichung“. Cattell blieb jedoch unvollendet.<br />

Hier steckt die Maschinenmetapher dahinter!!!<br />

Cattell: „Kennt man die Situation, ist das Verhalten einer Person vorhersehbar, wenn man die<br />

verschiedenen Ausprägungen und die Gewichtung der Persönlichkeitszüge kennt.“<br />

Offen bleibt: Sind schon alle Grunddimensionen entdeckt???<br />

Zu bedenken gilt, daß Verhaltensvorhersagen sehr brisant sind!!! (vgl. Rückfall eines Sexualverbrechers vorhersagen<br />

usw....)<br />

Cattell liegt die Annahme des Menschen als Maschine zugrunde! Er wollte sämtliche Faktoren erforschen<br />

(Mensch = Maschine).<br />

Verhalten = Organismus in einer bestimmten Situation in bestimmten Kontext und es ist durchschaubar.<br />

Der Mensch ist determiniert und passiv.<br />

Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder SS2002 Seite 27


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Mitschrift von Marion Harpf<br />

à Wo also liegt hier die Verbindung zum Maschinenmodell?<br />

♣ Persönlichkeit = Verhalten in einer bestimmten Situation, d.h. Reize von außen und genetische<br />

Konstellation des Organismus ⇒ spezifisches Verhalten Passivität, Determinismus<br />

♦ Persönlichkeit ist völlig durchschaubar und Voraussage des Verhaltens ist möglich<br />

(hier kann man nicht sagen, daß es Momente gibt, wo das Verhalten des Menschen nicht voraussagbar ist<br />

– das ist mit diesem Modell nicht vereinbar!); Verhalten in einer bestimmten Situation- kein Verhalten bleibt<br />

unerkannt, wir kennen alles ⇒ Voraussage des Verhaltens ist möglich, es wird von inneren und äußeren<br />

Reizen bestimmt ⇒ Passivität und Addition<br />

[Die empirische Psychologie betreibt eine unendliche Detailforschung und bietet kein Gesamtbild, was aber als Ziel<br />

vorgegeben wird! Das ist auch heute noch so.]<br />

Die Verhaltenstherapie (orientiert sich auch am Maschinenmodell)<br />

- es gibt eine Vielfalt von therapeutischen Methoden<br />

- eine Methode ist zwangsläufig verbunden mit der Frage: „Was ist denn das ZIEL?“ (// zum Ziel des<br />

Maschinenmodells)<br />

- gemeinsamer Ursprung: Lerntheorie (verlernen und neu lernen)<br />

- jedes Verhalten (auch gestörtes) wurde erlernt und dieses läuft nach ganz bestimmten (lerntheoretischen)<br />

Gesetzmäßigkeiten ab – gewünschtes Verhalten kann man lernen (vgl. Margraf/Yeats)<br />

- Stimuli (Reiz) → Reaktion (= SR- Schema)<br />

- Die VT basiert auf der empirischen Psychologie (diese hat das Maschinenmodell im Hintergrund)<br />

- Die VT umfaßt störungsunspezifische oder -spezifische Therapieverfahren (z.B. Zwang: man möchte step<br />

by step eine systematische Besserung der zu behandelnden Problematik erreichen und zwar auf Basis von<br />

psychologischem Änderungswissen)<br />

- Konkrete Ziele werden gemeinsam (Klient und Therapeut) verfolgt und operationalisiert; z.B. „Ich möchte<br />

mehr Selbstbewußtsein!“ – auf verschiedenen Ebenen des Handelns und Erlebens; sehr genaues<br />

Besprechen mit dem Klienten, wie das neue Verhalten aussehen soll usw.<br />

- Maßnahmen verfolgen also konkrete und operationalisierte Ziele auf den unterschiedlichen Ebenen des<br />

Verhaltens und Erlebens (z.B. „Was genau verstehen Sie unter ‚schüchtern‘?“ ‚schüchtern‘ bedeutet<br />

nämlich für jeden etwas anderes)<br />

- Die VT setzt an prädisponierenden, aufrechterhaltenden und auslösenden Reizen an!<br />

Maschinenmodell:<br />

- beruht auf der empirischen Psychologie (sie beruft sich auf das Erleben und Verhalten des Menschen) –<br />

das Erleben und Verhalten können wir erfassen (Prädisposition, wann/wo wird das Verhalten ausgelöst und<br />

aufrechterhalten?)<br />

- psychisches Verhalten kann empirisch untersucht werden<br />

- gestörtes Verhalten wird auf prädisponierende, aufrechterhaltende und auslösende Bedingungen hin<br />

analysiert<br />

- Problemverhalten wird gemeinsam identifiziert, dann dem Klienten erklärt und schließlich das Ziel festgelegt<br />

- Gemeinsam wird auch das Ziel der Behandlung festgelegt – das gestörte Verhalten des Klienten wird also<br />

in Einzelkomponenten zerlegt und eine Methode in Hinsicht aufs Ziel wird festgelegt<br />

es wird nach Gesetzmäßigkeit gesucht, nach der ein bestimmtes (gestörtes) Verhalten abläuft<br />

(„Wann tritt das denn auf? Was, wo war vorher/nachher? Welche Gefühle/Kognitionen laufen da ab?“)<br />

- Theoretische Konstrukte werden operationalisiert (z.B. Angst), d.h. in Elemente zerlegt und auslösende<br />

Reize werden untersucht; keine theoretischen Begriffe dürfen als Ziel genannt werden (nicht schüchtern,<br />

sondern konkret: wie ist es genau?)<br />

Therapieverlauf:<br />

1. Differenzierte Abklärung der auslösenden Bedingungen und der Konsequenzen des in Frage gestellten<br />

Verhaltens<br />

2. Erstellung von Hypothesen über auslösende Bedingungen und die Aufrechterhaltung<br />

3. Therapieplan<br />

4. Kontrollen<br />

Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder SS2002 Seite 28


Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder VO SS 2002<br />

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Mitschrift von Marion Harpf<br />

(viel Mitarbeit vom Patienten ist notwendig)<br />

Interventionsformen der VT:<br />

1. systematische Desensibilisierung basiert auf dem Prinzip des reziproken Determinismus (z.B. Angst<br />

erzeugende Situation u n d Entspannung; z. B. Agoraphobie à Entspannung auf einem großen Platz, wodurch ein<br />

Widerspruch produziert wird und die Angst sich dadurch nicht so stark aufrec hterhalten kann)<br />

2. unerwünschtes Verhalten wird mit aversiven Methoden bekämpft (z.B. Essen und Tabletten; Erbrechen bei<br />

Alkoholentzug) – Aversionstherapie- sie führte zum schlechten Ruf der VT<br />

3. unerwünschtes Verhalten wird mit operanten Methoden (= Verstärkungsmethoden) bekämpft (z.B.<br />

Supermarkt – Kassa: nicht nachgeben)<br />

[Literatur: Jürgen Margraf: Lehrbuch der Verhaltenstherapie, 1. Kap./ P. Wyss: Die tiefenpsychologischen Schulen von Anfang an/<br />

Schneewind]<br />

z.B. Bulimie:<br />

Situation: Mädchen sitzt vor TV, Liebesszene im Film ⇒ fühlt sich einsam; Kognitionen: „Warum bin nur ich<br />

immer so alleine?“ ⇒ geht zum Kühlschrank und stopft sich voll – Freßanfall! Am nächsten Tag und immer<br />

wieder kauft sie Säcke voll von Essen ein, wohl wissend, wo das enden wird... Die Vernunft ist in diesem Fall<br />

„ohnmächtig“.<br />

Kommt eine Klientin zum Therapeuten und sagt „Ich hab Bulimie!“, so ist genau abzuklären, was die Klientin<br />

unter „Bulimie“ versteht! Der Therapeut muß den Begriff operationalisieren, wodurch die Klientin auch<br />

gezwungen ist, ihr Verhalten ganz genau anzuschauen! D.h. ihr Verhalten wird in Elemente zerlegt, man<br />

versucht, Auslöser herauszufinden, Umweltreize usw.<br />

Hier geht man davon aus, daß solche Regelhaftigkeit erlernt wurde. z.B. im Elternhaus, wenn das Kind immer<br />

mit Essen beruhigt wurde oder generell Probleme mit Essen ‚gelöst‘ wurden.<br />

1. äthiologische Faktoren:<br />

• genetische<br />

• somatische durch bestimmte Prädispositionen ist die Gefahr größer,<br />

• psychische in den Teufelskreis hineinzugeraten<br />

• soziale<br />

2. Auslösende Bedingungen:<br />

• Belastungen<br />

• Erfahrungen<br />

• Ereignisse<br />

3. Aufrechterhaltende Bedingungen:<br />

à Was führt dazu??? (Umwelt, Bedingungen usw.)<br />

Die VT geht davon aus, dass bei Punkt 3. Am ehestens angesetzt werden kann und hier am ehesten etwas<br />

geändert werden kann. Auf Punkt 1. + 2. Haben wir keinen Einfluß! Im Laufe der Therapie überprüft man immer<br />

wieder, ob es gut verläuft oder nicht. Ein Therapieplan wird aufgestellt. (F. Rothe: „Die VT ist nicht nur absurd!“)<br />

Es geht immer um anthropologische Grundannahmen. Hier finden wir:<br />

Anthropologische Grundannahmen des Maschinenmodells:<br />

Determinismus<br />

Elementarismus<br />

Reaktivität<br />

Erkennbarkeit<br />

Passivität<br />

Objektivität<br />

Warum provozieren Theorien am Maschinenmodell immer wieder Widerstand?<br />

Das Maschinenmodell wird auch als „kränkend“ empfunden, weil es uns nicht frei und jederzeit vernünftig<br />

darstellt. (z.B. Essen: wir machen uns Regeln wie „Um 22 Uhr esse ich nichts mehr“, „Ich esse keine<br />

Schokolade mehr“ usw. à ich behandle mich also selbst wie eine Maschine- Zielvorgabe!!!)<br />

Wir rationalisieren unerwünschtes Verhalten, belohnen uns nach Zielrichtung. Die Verhaltenstheorie hat die<br />

besten Voraussetzungen für die Krankenkassa.<br />

S. Freuds Psychoanalyse ist ebenfalls am Maschinenmodell orientiert- Psychoanalyse: Libido = Energie.<br />

Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder SS2002 Seite 29


Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder VO SS 2002<br />

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Mitschrift von Marion Harpf<br />

F A Z I T: Wir haben ganz klar maschinelle Anteile an uns!!!<br />

DAS ORGANISMUSMODELL (vgl. Herzog, S. 163-168)<br />

Organismus =<br />

lebend<br />

dynamisch<br />

werdend<br />

vergehend<br />

ein Kreislauf (steht nie still...)<br />

Prozeß mit einer ganz eigenen Dynamik<br />

Jeder Teil ist nur als Teil bedeutsam, nicht für sich alleine<br />

- Vergleich der Psyche des Menschen mit einem Organismus<br />

- z.B. Sonnenblumenkerne brauchen Erde, Sonne, Dünger, Temperatur zum Wachsen<br />

- die Sonnenblume besteht aus Wurzel, Blätter, Stängel, Blüten (wie eine Maschine)<br />

- ohne Blätter funktioniert die Pflanze nicht (wie Maschine, wenn Ersatzteile fehlen)- Unterschied:<br />

es ist ein entscheidender Unterschied, ob eine Pflanze lebt oder tot ist! (vgl. die Leiche eines geliebten<br />

Menschen erscheint uns plötzlich so anders als der Mensch, als er noch lebendig war)<br />

- Organismus sein = lebendig sein; LEBEN aber heißt = Veränderung (werden, Entwicklung, Vergehen)<br />

- Der Organismus ist immer in Bewegung, lebt immer (die Maschine steht, sie wächst nicht und wird nicht<br />

plötzlich ein Flugzeug – keine Entwicklung; aus einem Sonnenblumenkern kann aber eine Sonnenblume<br />

werden); Stillstand = Tod/Ende<br />

- Hier passiert eine völlige Veränderung/Entwicklung!!!<br />

- [Eine Maschine wird durch äußere Kräfte in Bewegung gesetzt] – Pflanze??? à fehlt der Pflanze etwas,<br />

erlangt sie keine optimale Gestalt oder keine Entwicklung!!! Im Organismus gibt es eine Kraft, die diese mit<br />

Hilfe einer äußeren Kraft realisieren will<br />

- Die Elemente sind nur z.T. austauschbar; eine Pflanze entwickelt sich auch in künstlichen Substraten (vgl.<br />

Niederlande – Tomaten, die in Watte gehüllt werden, damit sie reifen) – es würde nichts passieren, wenn<br />

die Gestalt der Sonnenblume nicht in diesem Kern genetisch verankert wäre!!! Aber die entsprechenden<br />

äußeren Bedingungen müssen gegeben sein.<br />

- Die Maschine hat KEIN Leben, der Organismus JA! (Maschine: Teile müssen zusammenarbeiten, damit<br />

etwas herauskommt und nicht ist wie eine Maschine- es entsteht etwas, das nichts mit einer Maschine zu<br />

tun hat; die Pflanze aber produziert nur sich selbst, will nur sich selbst erhalten)<br />

- Der Organismus will v.a. leben und sich hin zu seiner optimalen Gestalt entwickeln, allerdings schafft er das<br />

nicht aus sich heraus allein (er braucht die Umweltbedingungen dazu!) = Prozeß, ein lebendiges,<br />

dynamisches etwas, das erst mit dem Tod endet à der Organismus hat Prozeßstruktur! (Teile sind nur als<br />

Momente eines Organismus bedeutsam: ein Blatt für sich alleine hat keine Bedeutung, ist ein „Leichenteil“)<br />

à Organismus = wenn wir die Gesamtheit dies er Teile in einer lebendigen, dynamischen Gesamtheit<br />

meinen<br />

- Antropomorphe Beschreibung: Pflanze will leben wie genetisch angelegt. Sonnenblume wird keine Nelke.<br />

Äußere Umstände müssen passen für die optimale Entwicklung<br />

→ vgl. „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile!“ = Nonsens- Satz!!! (oft von Gestalttherapeuten zitiert...)<br />

...ist ein logischer Widerspruch!!! Ein Ganzes kann nicht zugleich die Summe seiner Teile sein! Die Gesamtsumme dieser Teile bleibt das<br />

Ganze! Es geht hier um 2 verschiedene Bedeutungen des „Ganzen“ (mathematische und nicht- mathematische Bedeutung)! Das Ganze ist<br />

in unterschiedlichem Sinne gemeint. Ich muß mit „dem Ganzen“ was meinen, das nicht die Summe seiner Teile ist. Ich muß mich also<br />

entscheiden, welche Definition vom „Ganzen“ ich verwende.<br />

Was heißt Organismus- Sein? (s. Herzog)<br />

= biologisches Modell, das im Austausch mit seiner Umwelt steht; das Organismusmodell versteht den<br />

Menschen als System (vgl. Maschine: abgeschlossene Einheiten)<br />

Aristoteles: Seele = antelechiales Prinzip, hat das Ziel in sich selbst! Sinngemäß ist das hier das, was wir beim<br />

Organismusmodell hören!!!<br />

Erst mit Darwin erkannte man, daß die Umwelt einen massiven Einfluß auf den Organismus auslöst!<br />

Beginn der Neuzeit: Leibniz – Monaden: in sich ges chlossene Einheiten, Elemente, die von außen nicht beeinflußbar sind!<br />

Alles ist Veränderung unterworfen, aber das geschieht von Innen heraus!<br />

[Maschine trennt zwischen starren Elementen, die von außen bewegt werden! Das ist beim Organismusmodell nicht<br />

dieselbe Struktur]<br />

Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder SS2002 Seite 30


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Dr. Friederike Rothe<br />

Mitschrift von Marion Harpf<br />

Der Organismus lebt immer schon, ist immer schon Prozeß! Struktur und Organisation fallen hier zusammen.<br />

Hier gibt es keine Struktur unabhängig von Funktionen (Maschine: Teile stehen auch still). Die Einzelteile<br />

existieren immer schon in einer gemeinsamen Dynamik.<br />

Ein Organismus hat das ZIEL in SICH! Welches Ziel hat ein solcher Prozeß? Es geht darum, diese<br />

organistische Struktur zu erhalten. Dazu braucht es eine permanente Anpassung (Adaptation) an die Umwelt!<br />

Wer sich nicht anpassen kann, wird auf Dauer nicht überleben! (s. Klima!)<br />

Der Erfolg dieser Anpassung zeigt sich in Form eines (Fließ-) Gleichgewichts zwischen Organismus und<br />

Umwelt (ständige Adaptation, wir passen uns ständig an). Das Gleichgewicht verändert sich dauernd!<br />

LEBEN = VERÄNDERUNG<br />

(vgl. Zwangskranker, der sich nicht anpassen kann. Muß sich ständig vergewissern, daß die Dinge noch so sind<br />

wie sie soeben noch waren! Hier hört die subjektive Zeit sozusagen auf!)<br />

Wir finden im Organismus Strukturen vor, die eigentlich Regulierungsprozesse sind! „Strukturen“ ist hier nichts<br />

Statisches! Herzog erwähnt das teleologische Moment (= Ausgerichtetheit auf ein Ziel; Teleologie = Lehre von<br />

der Zielgerichtetheit). Das innere Ziel des Organismus wird nur in der Anpassung an die Umwelt realisiert.<br />

(Maschine: kein Entwicklungsmoment gegeben! Sie funktioniert oder funktioniert nicht! Sie produziert nur<br />

Quantitativ). Der Organismus muß zuerst mal den optimalen Zustand des Funktionierens erreichen (vgl. ein<br />

Säugling hat Blähungen usw., er muß sich erst auf die Nahrung um-, einstellen).<br />

Ausgangs<br />

zustand<br />

Zielrichtung auf<br />

Aus unendlichem Prozeß (Fortpflanzung)<br />

Endzustand<br />

Sowohl das teleologische, als auch das qualitative Moment sind grundlegend für das Organismusmodell.<br />

Die Struktur verändert sich (= EMERGENZ; es entsteht was ganz neues!; qualitativer Wandel impliziert<br />

Diskontinuität)<br />

(die einzige Veränderung bei der Maschine ist ein Mehr oder ein Weniger! Jedes dieser Momente folgt auch<br />

dem anderen!)<br />

Beim Organismusmodell ist Entwicklung nicht von außen iniziiert, Veränderung gehört zum Organismus!<br />

Entwicklung ist nicht allein die Folge der Erfahrung, sondern hat von Anfang an Struktur, die den Austausch mit<br />

der Umwelt regelt! Der Organismus entscheidet, was er mit einem Reiz macht (allerdings ist er orientiert am Ziel<br />

der Adaptation)! Es geht um ein ASSIMILATIONSMUSTER! Was ein Reiz für den Organismus bedeutet,<br />

entscheidet der Organismus selbst! D.h., Konstruktivität wird vorausgesetzt! Assimilation ist also auch wichtig,<br />

Entwicklung geschieht stufenweise!<br />

Kranke Organismen (oder solche mit kürzeren Lebenswegen): z.B. deformierte Wurzeln, die so wachsen, damit<br />

sie Wasser und Licht bekommen; z.B. Windbuchen im Schwarzwald: wachsen schräg ( wind→ //), da sie sonst<br />

aufgrund des Windes abbrechen würden) Der Organismus nimmt nur so viel Wind und Wasser wie er braucht!<br />

(im Gegensatz zu uns Menschen...)<br />

Anthropologische Grundannahmen des Organismusmodells:<br />

Ganzheitlichkeit<br />

Subjektivität<br />

Produktivität<br />

Heterostase<br />

Unerkennbarkeit<br />

Freiheit (Rothe: „?!“)<br />

Das Organismusmodell in psychotherapeutischer Konzeption:<br />

Die Gesprächspsychotherapie<br />

(= die 3. Kraft neben der VT und der Psychoanalyse)<br />

- Begründer: Carl Rogers (20. Jhr.)<br />

- War ein begnadeter Therapeut, weniger begnadet in Sachen Theorienbildung<br />

- Die Theorie zur Gesprächstherapie hat sich weit über Rogers hinausentwickelt<br />

Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder SS2002 Seite 31


Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder VO SS 2002<br />

Dr. Friederike Rothe<br />

Mitschrift von Marion Harpf<br />

• Aktualisierungstendenz (//Organismus)<br />

Vgl. Finke/Jobst entwickelten Rogers weiter – Empathie und Interaktion – Methodik und Praxis der GT<br />

Aktualisierungstendenz = eine Art Lebenskraft, die auf die Weiterentwicklung und Ausdifferenzierung zielt;<br />

Scheitert sie ⇒ Konflikt/Inkongruenz; von Natur aus gibt es k e i n e Fehlentwicklung, nur milieubedingt! Diese<br />

Grundhaltung hat eine sehr positive Auswirkung auf Patienten!<br />

• Innewohnende Tendenz des Menschen zur Entwicklung all seiner Möglichkeiten so, daß sie dem erhalt und<br />

der Förderung des Organismus dienen! Entwicklung hin zur AUTONOMIE! Wille zur Erhaltung und zur<br />

Entfaltung<br />

Therapieziele: Selbsterhaltung, Selbstentfaltung, Selbstkongruenz und Beziehungsfähigkeit (diese Aspekte<br />

gehören somit zum Wesen des Menschen!), die in Autonomie mündet! [nicht operationalisierbare Begriffe!]<br />

(Struktur und Funktion kommen im Organismusmodell immer zusammen vor! Organismus will sich erhalten und<br />

entfalten); [vgl. L‘élan vitale]<br />

Nicht nur eingerichteter Antrieb, sondern zielgerichtete Kraft; Ziel der Selbstentfaltung, nicht der Vernichtung<br />

und der Selbstzerstörung. Das Organismusmodell sagt, daß jeder Organismus leben will! Selbstmord ist<br />

demnach widernatürlich!<br />

Grenze des Organismusmodells: die menschliche Freiheit ist nicht integriert!<br />

⇒ intrapsychische Spannungen/Konflikte: sind entstanden durch Beziehungskonflikte in der Kindheit und<br />

werden in Beziehungen im Erwachsenenalter aktualisiert! Die beiden Grundelemente sind Beziehungsstörung<br />

und Inkongruenz:<br />

à mangelnde Unbedingtheit der Wertschätzung<br />

à mangelnde Empathie und mangelnde Kongruenz der ELTERN<br />

⇒ das Kind entwickelt ein defizitäres Selbstbild ⇒ Inkongruenz, Blockade der Aktualisierungstendenz,<br />

Blockade der ureigensten Kraft!<br />

⇒ Unvereinbarkeit zwischen Selbstbild und organismischen Bild ⇒ wesentliche Aspekte des Erlebens werden<br />

ausgeschlossen, um das Selbstbild aufrechtzuerhalten (d.h. die Wahrnehmung wird eingeschränkt und<br />

ausgeschaltet) ⇒ das wird zur Gewohnheit – die kranke Person lebt in Status einer Verschlossenheit gegen<br />

sich selbst (vgl. Verschlossenheit gegenüber den eigenen Körper! z.B. Frau, die den eigenen Zyklus nicht<br />

kennt; z.B. Frau, die großen Knoten in der Brust nicht bemerkt)<br />

Der Leidensdruck entsteht dann, wenn diese Inkongruenz nicht mehr verleugnet werden kann!<br />

Inkongruenz = Widersprüchlichkeit zwischen dem org. Erleben und Erfahren einerseits und dem Selbstkonzept<br />

(Normen, Rollenzuschreibung) andererseits. Privates Selbst ⇔ öffentliches Rollenselbst. Folge: intrapsychische<br />

Spannungen. Reaktion: Wahrnehmungsverweigerung!<br />

Jeder Organismus hat das Bedürfnis nach Geschlossenheit des Selbstkonzepts und nach interner Konsistenz!<br />

Defizitäre Umwelt stört den Dialog mit sich selbst und die positiven menschlichen Beziehungen. Das Symptom<br />

soll weiterhin den Schutz des Selbstkonzepts garantieren.<br />

Die Grundideen des Organismus sind schon ziemlich früh entstanden: vgl. Aristoteles und Leibniz (Monaden).<br />

Schon sehr früh wurde der Mensch als aktive, organisierte Ganzheit, als ein System/Prozeß gesehen.<br />

Veränderung gehört zum Verständnis dieses Modells. Der Organismus hat ein i n n e r e s Ziel, das durch<br />

Adaption und Assimilation realisiert wird: der Organismus selbst bestimmt, welchen Einfluß die Umwelt hat!<br />

Vgl. Ein Kind in bäuerlichem Milieu mit einer künstlerischen Ader: Wie kann sich dieses Potential in dieser Umgebung<br />

überhaupt entwickeln...?<br />

Aktualisierungstendenz: zielgerichtete innere Kraft/Lebenskraft, mit der der Organismus seine Autonomie<br />

erreichen will! Verliert die Aktualisierungstendenz seine Kraft bzw. erstarrt sie, liegt eine Störung vor:<br />

• bei mangelnder Kongruenz und Wertschätzung und Empathie der Eltern<br />

• ⇒ um das Selbstbild aufrecht erhalten zu können verschließt sich das Kind gegen sich selbst – das<br />

organismische Erleben wird also aus der Vorstellung verdrängt<br />

z.B. in einer Partnerschaft: die Verschlossenheit wird geöffnet, die Aktualisierungstendenz wird aktiviert ⇒ Gefühl der<br />

Bedrohung!<br />

Bei inadäquaten Umweltbedingungen kann der Organismus nicht der werden, der er eigentlich ist! „Werde, der<br />

Du bist!“<br />

Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder SS2002 Seite 32


Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder VO SS 2002<br />

Dr. Friederike Rothe<br />

Mitschrift von Marion Harpf<br />

Therapiekonzept der GT:<br />

• bedingungsloses Akzeptieren<br />

• einfühlendes Verstehen (Empathie) = die 3 Therapieprinzipien der GT<br />

• Kongruenz/Echtheit<br />

Diese 3 Prinzipien prägen das Beziehungsangebot des Therapeuten an den Klienten! Es ist die Bereitschaft zur<br />

engagierten Teilnahme! Bedingungsfrei akzeptieren (...gelingt das überhaupt???) Der Patient muß wahrnehmen, daß<br />

der Therapeut versteht! Der Klient muß offen und frei von Fassaden sein, offen und selbstkongruent<br />

wirken/sein! Der Therapeut muß glaubhaft sein, der Therapeut muß das adäquate Umfeld gestalten, wo er<br />

bestimmte Entwicklungen nachholen kann.<br />

Alltagsrelevanz: Wo finden wir die positive Analogie zum Organismusmodell in unserem Leben?<br />

⇒ vgl. unsere Sprache:<br />

- Bild der Jahreszeiten: „In der Blüte seines Lebens...“<br />

- Kindergarten (dort können Kinder behütet wachsen... Bild des gepflegten, kultivierten Gartens;<br />

Kulturlandschaft)<br />

- „Er hat dort nie Wurzeln geschlagen...“<br />

- „... neuer Geschäftszweig“<br />

- „... er lebt in seinen Enkeln fort...“<br />

- „... ist frühreif“<br />

- „... aus der Art geschlagen...“<br />

- vgl. Baumtest (psychol.): man läßt jemanden einen Baum zeichnen – dieser wird dann in der Gestalt als uns<br />

ähnlich empfunden (mit Blätter, ohne Blüten usw.)<br />

- unsere Beziehungen/Fähigkeiten entwickeln sich<br />

Der Organismusgedanke ist in unserer Sprache sehr stark verbreitet – starke Analogie zwischen Organismus<br />

und Psyche!<br />

- vgl. Esotherik: Begriff des „Eins- Werdens“ (dieser Begriff kommt in der seriösen Therapie nicht mehr so vor. Das<br />

Bedürfnis, mit sich selbst und der Welt in Frieden zu leben, hat jeder! Bestimmte Einheitsmomente kennen wir auch aus<br />

unserer Erfahrung! z.B. nach einem guten Essen mit Wein und super Gesellschaft... Gefühl, daß die Zeit still stehen<br />

könnte...)<br />

- vgl. Walt Disney: „Bambi“ – Natur du wir sind eins, es wird ein himmlischer Friede der Natur inszeniert (...<br />

und das gefällt uns...)<br />

- vgl. Alkohol und Drogen - ihr „Sinn“ ist es, solche Momente zu erreichen ⇒ Entspannung<br />

- vgl. Religionen: ebenfalls Gefühl des Eins- Seins<br />

(Freud sprach von einem ozeanischen Narzismus)<br />

⇒ Diese Zustände sind gekennzeichnet von der Abwesenheit eines Bewußtseins im Sinne eines<br />

reflektierenden Denkens. Den Einheitsmoment erleben wir dann, wenn wir n i c h t reflektieren!!! Das<br />

Bewußtsein trennt in uns und mit uns und der Umwelt. Organismen denken nicht, sind einfach!<br />

Urtraum des Menschen, nach dem verlorenen Paradies, nach dem wir immer wieder suchen... Jeder von uns<br />

kann sich an solche Momente erinnern, aber davon zu erzählen, dazu reicht die Sprache nicht! Das<br />

Bewußtsein/das Denken reißt diese Sprache auf!<br />

Vgl. Dorfidylle/-gemeinschaft = Fiktion! Es kann nämlich die Hölle sein, dort zu leben (vgl. früher: ledige Kinder).<br />

Vgl. Naturvölker: die Vorstellung, es gäbe da was, das den Umgang mit den Menschen reguliert, ist fiktiv! Es<br />

gibt keine Völker, die von Natur aus reguliert leben (1X Cola, immer Cola...)<br />

[Jedes Modell hat weltanschauliche Implikationen!!!]<br />

Weltanschauung – Menschenmodell – Therapiemethode hängen eng zusammen!!!<br />

(à sagt viel aus über das „Soll“ des Menschen – Ziel, wie Mensch sein soll!) Hier wird nicht mehr gefragt, wie<br />

der Mensch funktioniert, sondern wie er zu der Welt steht!<br />

Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder SS2002 Seite 33


Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder VO SS 2002<br />

Dr. Friederike Rothe<br />

Mitschrift von Marion Harpf<br />

[Beispiel für Weltanschauung:]<br />

C. ROGERS [Artikel 1984; seine Weltanschauung:]<br />

In jedem Organismus gibt es die aktualisierenden Tendenzen (nicht nur im Menschen), allerdings kann diese<br />

auch verfälscht werden! Rogers stellt diese Aktualisierungstendenz in großen Zusammenhang, er spricht von<br />

einer formativen Tendenz, die im gesamten Universum wirksam ist – ist gerichtet auf ein Ziel hin! Je stärker<br />

das Bewußtsein eines Menschen ist, um so mehr wird sie in eine Richtung treiben, die in Einklang mit der<br />

Evolution steht. Im gesamten Universum ist ein entelechiales Prinzip wirksam, eine formative Tendenz! Alles ist<br />

auf ein gemeinsames Ziel hin ausgerichtet.<br />

Die Vorstellung, alles ist auf 1 Ziel gerichtet herrscht vor – sagt, daß der Mensch alle Freiheit hat zu wählen,<br />

aber tatsächlich wählt er das Positive und Konstruktive (was sagt uns das bzgl. Freiheit???)<br />

Der Mensch ist schlußendlich Teil eines einzigen großen Organismus...<br />

⇒ es gibt eine mächtige kreative Tendenz! Die schafft das Universum – entwickelt sich durch den<br />

Evolutionsstrom. Das alles ist nicht zufällig! Diese formative Tendenz zeigt sich in der aktualisierenden Tendenz<br />

im Menschen („Werde der Du bist!“). Verfälscht wird diese Tendenz durch ein schlechtes Milieu. Der Mensch ist<br />

frei zu wählen, wählt aber konstruktive und positive Werte!<br />

(F. Rothe: „Das ist ein Widerspruch in sich! Was ist dann Freiheit, wenn nicht alles frei zu wählen ist?!“)<br />

Gedanke vom Volk als Organismus: der einzelne hat dann keine Bedeutung für sich, sondern ist Teil des<br />

Ganzen! à die genetisch Besten sollen sich möglichst vielfach vermehren (s. Arier)! PLATON sprach schon<br />

davon, weiters Thomas Campanella (16. Jhr.)... Nicht die Nazis waren die ersten!<br />

⇒ Die Erhaltung und Entfaltung des einzelnen spielt eigentlich keine Rolle! Wie soll man da psychisch Kranke<br />

fördern???<br />

⇒ Der Organismus interessiert sich nicht für das Wohlergehen der Umwelt, sondern für sich selbst! Wie will ich<br />

in so einem Modell die Notwendigkeit von Beziehungen begründen?⇒ Hier sind wir am ENDE dieses Modells!!!<br />

Es muß eine (zwischenmenschliche) Beziehung geben, die Wechselseitigkeit hat hier aber keinen Platz! Die<br />

Bedeutsamkeit des anderen reduziert sich hier auf Umwelt- Sein! Beim Organismusmodell finden wir nichts,<br />

womit wir die Bedeutsamkeit des Sozialen veranschaulichen können!<br />

Freiheit??? Mit Würde des Menschen kann man im Organismusmodell nicht argumentieren!<br />

MERKE: KEINE THEORIE OHNE MODELL!!!!!!!<br />

Weitere Modelle:<br />

• Systemisches Modell<br />

• Handlungsmodell<br />

• Dialektisches Modell (s. Kommunismus)<br />

Dialogphilosophie: M. Buber, Rosenzweig;<br />

Existenzphilosophie: Husserl, Sartre;<br />

Daseinsanalyse: Dieter Wyss<br />

Persönlichkeitstheorien und Menschenbilder SS2002 Seite 34

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