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Carl Orff Carmina Burana - Städtischer Musikverein Gütersloh eV

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<strong>Carl</strong> <strong>Orff</strong><br />

<strong>Carmina</strong> <strong>Burana</strong><br />

15. Mai 2004<br />

Stadthalle <strong>Gütersloh</strong>


<strong>Carl</strong> <strong>Orff</strong><br />

<strong>Carmina</strong> <strong>Burana</strong><br />

Cantiones profanae<br />

cantoribus et choris cantandae<br />

comitantibus instrumentis<br />

atque imaginibus magicis<br />

Weltliche Gesänge<br />

für Soli und Chor<br />

mit Begleitung von Instrumenten<br />

und mit Bildern<br />

Melanie Kreuter, Sopran<br />

Martin Christian Vogel, Tenor<br />

Markus Krause, Bariton<br />

Choralsingschule <strong>Gütersloh</strong><br />

Einstudierung Sigmund Bothmann<br />

Chor des Städtischen <strong>Musikverein</strong>s<br />

Nordwestdeutsche Philharmonie<br />

Herford<br />

Gesamtleitung:<br />

Karl-Heinz Bloemeke<br />

Am morgigen Sonntag, dem 16. Mai 2004, ist der Städtische <strong>Musikverein</strong> mit dem<br />

heutigen Programm Gast zur Eröffnung der 50. Corveyer Musikwochen in der Abteikirche<br />

Schloss Corvey (17.00 Uhr)<br />

Interessenten können uns auch im Internet besuchen, um sich über die nächsten<br />

Konzerte zu informieren: www.gt-musikverein.de


DIE SOLISTEN<br />

DIE SOLISTEN<br />

Melanie Kreuter<br />

Die in Braunschweig geborene Sopranistin<br />

studierte von 1983–1988 an der<br />

Hochschule für Musik und Theater bei<br />

Prof. Charlotte Lehmann und vervollständigte<br />

ihre Ausbildung bei Kammersängerin<br />

Ileana Cotrubas. Sie gewann<br />

beim Bundeswettbewerb des<br />

VdmK 1988 Preise in den Sparten<br />

Konzert und Oper und erhielt einen -<br />

Gastvertrag als Ännchen in Webers<br />

»Freischütz« an der Komischen Oper<br />

Berlin. 1989 wurde sie festes Ensemblemitglied<br />

der Staatsoper Stuttgart, wo<br />

sie die »Zerlina« und »Susanna« spielte.<br />

Von 1991 bis 1995 gehörte sie dem<br />

Dortmunder Opernhaus an (»Pamina«<br />

in der Zauberflöte und »Sophie« im<br />

Rosenkavalier). 1996/97 war sie am<br />

Luzerner Opernhaus in Mozarts »La<br />

finta giardiniera«, in Offenbachs »Les<br />

Contes d’Hoffmann« und in Mozarts<br />

»Cosi fan tutte« zu hören. Es folgten Engagements<br />

in Darmstadt und Bielefeld,<br />

wo sie u.a. die Agathe im »Freischütz«,<br />

die Donna Elvira in »Don Giovanni«<br />

und die Königin der Nacht in der<br />

»Zauberflöte« sang. Bereits während<br />

ihres Studiums erarbeitete sie sich ein<br />

umfangreiches Konzertrepertoire, mit<br />

dem sie im europäischen Ausland und<br />

Südamerika auftrat.<br />

Martin Christian Vogel<br />

Der gebürtige Chemnitzer war »Thomaner«<br />

in Leipzig, wo er an der Karl-<br />

Marx-Universität ein abgeschlossenes<br />

Theologiestudium absolvierte, bevor er<br />

an der dortigen Musikhochschule eine<br />

Gesangsausbildung aufnahm. Von<br />

1978–1981 war er Stimmbildner des<br />

Thomanerchors und hatte seit 1979 bis<br />

zur Wende ein Engagement als Tenorbuffo<br />

und lyrischer Tenor am Opernhaus.<br />

Er debütierte als David in den<br />

»Meistersingern«, sang Rollen in verschiedenen<br />

Mozartopern und war als<br />

Fenton in Nicolais »Lustigen Weibern«<br />

und als Georg in Lortzings »Waffenschmied«<br />

zu hören. 1989 übersiedelte<br />

er nach West-Berlin, um an der dortigen<br />

Deutschen Oper einem Engagement<br />

nachzukommen. Seit 1991 ist er<br />

Professor für Gesang an der Hochschule<br />

für Musik in Detmold, der er seit<br />

2001 als Rektor vorsteht. Neben seiner<br />

Lehrtätigkeit ist er Vorsitzender des Vereins<br />

»Initiative Detmolder Sommertheater<br />

e.V.« und war von 2000–2003<br />

Präsident des Bundesverbandes Deutscher<br />

Gesangspädagogen.<br />

Neben Gastspielen und Konzerten in<br />

vielen Ländern wirkt er als Dozent bei<br />

Fortbildungsveranstaltungen und Meisterkursen.<br />

Markus Krause<br />

Der aus Marl stammende Bass-Bariton<br />

entdeckte während seines Studiums als<br />

Schulmusiker an der Detmolder Musikhochschule<br />

seine eigentliche Bestimmung,<br />

den Gesang. So schloss er seine<br />

Studien nicht nur in den Fächern<br />

Schulmusik und Musikpädagogik erfolgreich<br />

ab, sondern auch mit Auszeichnung<br />

sein Gesangsstudium. Studien<br />

und Meisterkurse u. a. bei der<br />

amerikanischen Sopranistin Melinda<br />

Liebermann, dem Bariton Thomas<br />

Hampson und der Altistin Petra<br />

Schulze vervollständigten seine Ausbildung.<br />

Als Teilnehmer an vielen<br />

Wettbewerben war er erfolgreich und<br />

debütierte als Leporello in Mozarts<br />

»Don Giovanni« bei den Hersfelder<br />

Festspielen 1991. Neben Gastauftritten<br />

an mehreren Bühnen nahm er<br />

auch an zahlreichen Rundfunkproduktionen<br />

und Live-Übertragungen<br />

mehrerer Sender teil. Als Konzert- und<br />

Oratoriensänger war er auch schon<br />

mehrfach Solist bei Konzerten des <strong>Gütersloh</strong>er<br />

StMV. Seit 2002 hat er einen<br />

Lehrauftrag für Gesang an der Hochschule<br />

für Künste Bremen. Sein Anliegen<br />

als Sänger ist es, seinem Publikum<br />

in dieser oft »verkopften« Zeit mit<br />

seiner wohlklingenden, runden Baritonstimme<br />

Lebensfreude zu spenden.<br />

Freunde des Städtischen <strong>Musikverein</strong>s e.V.<br />

ulturpflege geht jedermann an, denn die Auseinandersetzung mit<br />

Literatur, Theater und Musik macht die Menschen kritikfähig und<br />

fördert den humanen Konsens einer Gesellschaft. Zu den Vereinigungen,<br />

die in diesem Sinne einen wichtigen Beitrag leisten, gehört der<br />

Städtische <strong>Musikverein</strong> <strong>Gütersloh</strong>. Damit auch in Zukunft seine Aufführungen<br />

von Werken der musikalischen Weltliteratur gewährleistet<br />

sind und auch sein Fortbestand gesichert bleibt, werden neben den Zuwendungen<br />

der öffentlichen Hand und den Spenden von Wirtschaftsunternehmen<br />

auch von Privatpersonen regelmäßige Geldzuwendungen<br />

benötigt, die der Förderkreis »Freunde des Städtischen<br />

<strong>Musikverein</strong>s« beschafft. Beitrittserklärungen sind in der Geschäftsstelle<br />

des Fördervereins, <strong>Gütersloh</strong> 33332 Elisabethstr. 5, wie auch bei<br />

den Chormitgliedern erhältlich. Eine Mitgliedschaft kostet jährlich nur<br />

15 1 (Einzelpersonen) und 25 1 (Ehepaare). Darüber hinaus werden<br />

Spenden erbeten. Diese können steuerlich abgesetzt werden. Unser<br />

Spendenkonto: 52879 bei der Sparkasse <strong>Gütersloh</strong> (BLZ 478 500 65)<br />

4<br />

5


CARL ORFF<br />

FORTUNA IMPERATRIX MUNDI<br />

Fortuna, Herrscherin der Welt<br />

1 O Fortuna x) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chor<br />

O Fortuna<br />

2 Fortune Plango vulnera . . . . . . . . . . . . . . . . Chor<br />

Die Wunden, die Fortuna schlug<br />

I<br />

PRIMO VERE<br />

Im Frühling<br />

3 Veris leta facies . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chor<br />

Frühlings heiteres Gesicht<br />

4 Omnia sol temperat . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bariton-Solo<br />

Alles macht’ die Sonne mild<br />

5 Ecce gratum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chor<br />

Sieh! Der holde und ersehnte<br />

Frühling<br />

UF DEM ANGER<br />

Auf dem Anger<br />

6 Tanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Orchester und Chor<br />

7 Floret silva . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chor<br />

Es grünt der Wald<br />

8 Chramer, gip die varwe mir . . . . . . . . . . . . Chor<br />

Kramer, gib die Farbe mir<br />

9 Reie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Orchester<br />

Reigen<br />

Swaz hie gat umbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chor<br />

Was hier im Reigen geht<br />

Chume, chume geselle min . . . . . . . . . . . . . Chor<br />

Komme, komme, Geselle mein<br />

Swaz hie gat umbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chor<br />

Was hier im Reigen geht<br />

10 Were diu werlt alle min . . . . . . . . . . . . . . . Chor<br />

Wäre auch die Welt ganz mein<br />

II<br />

IN TABERNA<br />

In der Schenke<br />

11 Estuans interius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bariton-Solo<br />

Glühend in mir<br />

CARMINA BURANA<br />

12 Olim lacus coIueram . . . . . . . . . . . . . Tenor-Solo und Männerchor<br />

Einst schwamm ich auf den Seen<br />

umher<br />

13 Ego sum abbas . . . . . . . . . . . . . . . . . Bariton-Solo und Männerchor<br />

Ich bin der Abt<br />

14 In taberna quando sumus . . . . . . . . . . Männerchor<br />

Wenn wir sitzen in der Schenke<br />

III<br />

COUR D'AMOUR<br />

Liebeshof<br />

15 Amor volat undique . . . . . . . . . . . . . . Sopran-Solo und Kinderchor<br />

Amor fliegt allüberall<br />

16 Dies, nox et omnia . . . . . . . . . . . . . . Bariton-Solo<br />

Tag, Nacht und alles<br />

17 Stetit puella . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sopran-Solo<br />

Stand da ein Mägdlein<br />

18 Circa mea pectora . . . . . . . . . . . . . . Bariton-Solo und Chor<br />

In meinem Herzen<br />

19 Si puer com puellula . . . . . . . . . . . . . Männerchor<br />

Wenn Knabe und Mägdelein<br />

20 Veni, veni, venias . . . . . . . . . . . . . . . . Chor<br />

Komm, Komm, komme!<br />

21 In trutina . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sopran-Solo<br />

Auf des Herzens unentschiedener<br />

Waage<br />

22 Tempus est iocundum . . . . . . . . . . . . . Sopran- und Bariton,Solo,<br />

Lieblich ist die Zeit . . . . . . . . . . . . . Chor und Kinderchor<br />

23 Dulcissime! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sopran-Solo<br />

Du Süßester!<br />

BLANZIFLOR EI HELENA<br />

Blanziflor und Heiena<br />

24 Ave formosissima . . . . . . . . . . . . . . . Chor<br />

Heil dir, schönste, köstliche Perle<br />

FORTUNA IMPERATRIX MUNDI<br />

Fortuna, Herrscherin der Welt<br />

25 O Fortuna . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chor<br />

O Fortuna<br />

x) Text s. Seite 8: Die Textmenge der »<strong>Carmina</strong> <strong>Burana</strong>« würde ein komplettes<br />

Textheft erforderlich machen. Deshalb werden außer dem vollständigen Text des<br />

Fortuna-Chores, der als Eingangs- und Schlußstück fungiert, anschließend nur<br />

kurze Inhaltsangaben der Scholarengedichte, der Liebeslyrik, der Saufkantaten<br />

und Satiren gegeben.<br />

6<br />

7


FORTUNA IMPERATRIX MUNDI<br />

DER INHALT<br />

O Fortuna,<br />

velut Iuna<br />

statu variabiIis,<br />

semper crescis<br />

aut decrescis;<br />

vita detestabilis<br />

nunc obdurat<br />

et tunc curat<br />

ludo mentis aciem,<br />

egestatem<br />

potestatem<br />

dissolvit ut glaciem.<br />

Sors immanis<br />

et inanis,<br />

rota tu volubilis,<br />

status malus,<br />

vana salus<br />

semper dissolubilis,<br />

obumbrata<br />

et velata<br />

michi quoque niteris;<br />

nunc per ludum<br />

dorsum nudum<br />

fero tui sceleris.<br />

Sors salutis<br />

et virtutis<br />

michi nunc contraria,<br />

est affectus<br />

et defectus<br />

semper in angaria.<br />

Hac in hora<br />

sine mora<br />

corde pulsum tangite;<br />

quod per sortem<br />

sternit fortem,<br />

mecum omnes plangite!<br />

Autograph von <strong>Carl</strong> <strong>Orff</strong><br />

O Fortuna,<br />

Wie der Mond<br />

So veränderlich,<br />

Wächst du immer<br />

Oder schwindest! –<br />

Schmählich Leben!<br />

Erst misshandelt,<br />

Dann verwöhnt es<br />

Spielerisch den wachen Sinn.<br />

Dürftigkeit<br />

Großmächtigkeit<br />

Sie vergehn vor ihm wie Eis.<br />

Schicksal,<br />

Ungeschlacht und eitel!<br />

Rad, du rollendes!<br />

Schlimm dein Wesen,<br />

Dein Glück nichtig,<br />

Immer im Zergehn!<br />

Überschattet<br />

Und verschleiert<br />

Kommst du nun auch über mich.<br />

Um des Spieles<br />

Deiner Bosheit<br />

Trag ich jetzt den Buckel bloß.<br />

Los des Heiles<br />

Und der Tugend<br />

Sind jetzt gegen mich.<br />

Willenskraft<br />

Und Schwachheit liegen<br />

Immer in der Fron.<br />

Drum zur Stunde<br />

Ohne Säumen<br />

Rührt die Saiten! –<br />

Wie den Wackeren<br />

Das Schicksal<br />

Hinstreckt: alle klagt mit mir!<br />

Das dem »O Fortuna« folgende Chorlied<br />

entrüstet sich über die widerspenstige<br />

Fortuna, die dem glücklichen und<br />

gesegneten Menschen arge Wunden<br />

schlug, weil sie den, der mit dem bunten<br />

Blumenkranz des Erfolgs gekrönt<br />

war, von ihrem Herrscherstuhl hinab<br />

stürzte. Fortunas Rad dreht sich immer<br />

weiter: Einer versinkt, während der<br />

nächste hinaufgetragen wird. Selbst<br />

der König, der den höchsten Gipfel erreicht<br />

hat, muss sich vor dem Untergang<br />

hüten: »Denn unter dem Rad lesen<br />

wir: Königin Hekuba« (wurde<br />

Sklavin).<br />

I. PRIMO VERE<br />

Im Frühling<br />

Die Lieder 3–5 besingen die Freuden<br />

und Schönheiten des Frühlings, der<br />

nach des Winters Strenge seine Herrschaft<br />

angetreten hat. Der liebliche<br />

Gesang der Nachtigall und der anderen<br />

Vögel in den Wäldern, die bunten<br />

Blumen auf den Wiesen, deren Duft im<br />

zarten Winde verweht, der milde<br />

Schein der belebenden Sonne, der<br />

Reigen der Mädchen, all das führt zu<br />

neuer Lebensfreude. Ist es da zu verwundern,<br />

daß die Menschen in dieser<br />

heiteren Welt ihre Trauer vergessen<br />

und sich liebend einander zuwenden?<br />

UF DEM ANGER<br />

Auf dem Anger<br />

Dem Tanz (Nr. 6) folgen »Mädchenlieder«,<br />

die beim Tanz auf dem Dorfanger<br />

gesungen wurden. Sie berichten<br />

von der Sehnsucht nach dem<br />

geliebten Freund, von den kleinen Listen<br />

und Neckereien, die die Mädchen<br />

anwenden, um die jungen Männer zur<br />

Liebe zu verleiten, und von den Freuden<br />

des Herzens und der edlen Gesinnung,<br />

die durch die wahre Liebe bewirkt<br />

wird.<br />

Lied 10 dagegen ist die zärtliche Liebesbeteuerung<br />

eines Mannes, der<br />

eher auf die Reichtümer der ganzen<br />

Welt als auf seine Liebste verzichten<br />

möchte, wobei deren Bezeichnung als<br />

»Konigin von England« humoristisch<br />

als Verhüllung und Kompliment zugleich<br />

an die Stelle des richtigen Namens<br />

getreten ist.<br />

II.IN TABERNA<br />

In der Schenke<br />

Die Lieder 11–14 sind Zeugen überschäumender<br />

Lebensfreude und jugendlichen<br />

Übermuts, in denen die<br />

fahrenden Schüler in der Schenke über<br />

die allzu ernsthaften Bürger, deren<br />

ängstliche und feige Seelen, ihre enge<br />

Moral und ihren Geiz scherzen und<br />

spotten. Darum preisen sie das freie,<br />

ungebundene Leben, das im Lied 11<br />

mit einem dahinströmenden Fluß, einem<br />

frei treibenden Boot und schweifenden<br />

Vögeln verglichen wird. Selbst<br />

dass man sie für töricht und lasterhaft<br />

hält, schreckt diese jungen Burschen<br />

nicht zurück, der Göttin Venus zu dienen<br />

und auf der breiten Straße des lustigen<br />

Lebens weiterzuwandern.<br />

Lied Nr.12 berichtet von dem Schwan,<br />

den nach einem schönen Leben auf<br />

dem See das Schicksal ereilte, gebraten<br />

– aber leider so arg und schwarz<br />

verbrannt – auf der Schüssel zu liegen,<br />

um verzehrt zu werden.<br />

Im folgenden »Abt von Cucanien«<br />

(= mittelalterliches Schlaraffenland),<br />

Nr.13, fühlt sich dieser als Anführer<br />

der fröhlichen Zecher und Würfelspieler<br />

der vergnügten Gesellen, die<br />

auch gern einmal einen andern<br />

überlisten und ein wenig ausbeuten.<br />

Lied 14 endlich schildert das lustige,<br />

wenn auch liederliche Leben in der<br />

Schenke bei Trunk und Spiel. Die fröhliche<br />

Runde der Zecher findet immer<br />

wieder eine neue Gelegenheit und einen<br />

anderen Grund, die Becher zu füllen<br />

und auf die ganze Welt, das Lieben<br />

und das Leben, alle nah- und<br />

fernstehenden Mitmenschen anzustoßen<br />

und zu trinken. Auch die Entrüstung<br />

der ehrsamen Leute kann ihre<br />

Heiterkeit nicht stören.<br />

8<br />

9


III. COUR D’AMOUR<br />

Liebeshof<br />

Der Liebeshof ist eine Zusammenstellung<br />

von Liebesliedern, die, wenn sie<br />

auch wiederum in lateinischer Sprache<br />

gedichtet wurden, uns in ihrem Inhalt<br />

und ihrer Bilderwelt stark an die Liebeslyrik<br />

des Rittertums und der volkstümlichen<br />

Lieder des Mittelalters erinnern;<br />

denn auch hier ist von der Sehnsucht<br />

nach dem geliebten Menschen die Rede,<br />

von der Freude des liebenden Herzens,<br />

aber auch von dem Schmerz des<br />

Verschmähten. Jubel und Klage um der<br />

Liebe willen kommen zum Ausdruck.<br />

Die Schönheit des geliebten Mädchens<br />

wird gepriesen, ihr schönes Antlitz<br />

(das aber weinen macht, da ihr<br />

»Herz von Eis« ist), die Augen, die wie<br />

Sonnenstrahlen leuchten, wie Blitze<br />

glänzen, die Flechten ihres Haares<br />

und ihre herrliche Gestalt werden bewundert.<br />

Die liebende Frau dagegen<br />

ist (Lied 21) bereit, unter das süße Joch<br />

der Liebe zu treten. Sie verströmt, als<br />

stolz und demütig Begehrende zugleich,<br />

ihr Gefühl in der lyrischen Strophe:<br />

Du liebster Mann! Dir ergeb ich<br />

mich ganz (23).<br />

Der Chor läßt diese tiefste Empfindung<br />

des liebenden Herzens ausklingen in<br />

»Ave formosissima«, wo die Geliebte –<br />

als schönste, köstliche Perle, als Zierde<br />

der Frauen, als Leuchte und Rose der<br />

Welt auf eine Ebene mit »Blanziflor«<br />

(= Blancheflor, eine im Mittelalter bekannte<br />

byzantinische Sagengestalt)<br />

und mit Helena, der schönsten Frau<br />

der Antike, erhoben wird. Nr.25 »Fortuna<br />

imperatrix mundi (Fortuna, Herrscherin<br />

der Welt)« ist die Wiederholung<br />

des Eingangschores.<br />

***<br />

In Taberna, der Schenke, sind die Zechbrüder um den runden Tisch versammelt. Der trunkene<br />

Abt aus Cucanien trägt sein Lied vor, das in den heidnischen Wafna-Ruf ausklingt, den<br />

seine Kumpane grölend beantworten.<br />

Bayerische Staatsoper, München 1955<br />

Bühnenbild: Helmut Jürgens<br />

<strong>Carl</strong> <strong>Orff</strong>s populärstes Werk – ein Welterfolg<br />

<strong>Carmina</strong> <strong>Burana</strong><br />

Ist es die archaisierende Klangform, die der altertümlichen Textgestalt der Klosterhandschrift<br />

aus Benediktbeuren zu entsprechen scheint und von Menschen in aller Welt<br />

als musikalische Urkraft empfunden wird, die die »<strong>Carmina</strong>« bis auf den heutigen Tag<br />

zum meistaufgeführten Werk des modernen deutschen Musiktheaters werden ließ?<br />

S<br />

ie hat es gut mit mir gemeint,<br />

preist <strong>Orff</strong> Fortuna, die Göttin der<br />

Welt, als sie mir einen Würzburger<br />

Antiquariatskatalog in die Hände<br />

spielte, in dem ich einen Titel fand, der<br />

mich mit magischer Gewalt anzog:<br />

<strong>Carmina</strong> <strong>Burana</strong>, lateinische und deutsche<br />

Lieder und Gedichte aus einer<br />

Handschrift des XIII. Jahrhunderts aus<br />

Benediktbeuern. Das Buch, das <strong>Orff</strong> an<br />

jenem denkwürdigen Gründonnerstag<br />

1934 in Händen hielt, gehörte der<br />

schon 1904 erschienenen vierten Auflage<br />

der »<strong>Carmina</strong> <strong>Burana</strong>« an, die der<br />

einstige Bibliothekar der Königlichen<br />

Hof- und Zentralbibliothek zu München,<br />

Johann Andreas Schmeller,1847erstmals<br />

herausgegeben hatte.<br />

Beim Aufschlagen fand ich gleich auf<br />

der ersten Seite die längst berühmt<br />

gewordene Abbildung der Fortuna mit<br />

dem Rad. Darunter die Zeilen: O Fortuna<br />

velut luna statu variabilis. Bild und<br />

Wort überfielen mich. Noch am gleichen<br />

Tag skizzierte <strong>Orff</strong> den ersten Chor<br />

»O Fortuna«, wie auch gleich der zweite<br />

Chor »Fortune plango vulnera« entstand,<br />

und am Ostermorgen war »Ecce<br />

gratum« zu Papier gebracht. Schmeller<br />

war es auch, der der mittelalterlichen<br />

Handschriftensammlung ihren zugkräftigen<br />

Namen gegeben hatte, ein illustrierter<br />

Codex, bis an den Rand der Derbheit<br />

gehende Lyrik enthaltend, dessen<br />

Texte von überströmender Lebens- und<br />

Sinneslust zeugen. Diese Handschrift<br />

war im Zuge der Säkularisation, die<br />

1803 die Aufhebung der landständigen<br />

Klöster Altbayerns bewirkte und damit<br />

den Schlussstrich unter eine althergebrachte<br />

Gesellschaftsordnung setzte, in<br />

die Bayerische Staatsbibliothek gelangt.<br />

Mit mehr als 200 Liedern ist dieser illustrierte<br />

Codex die größte Sammlung<br />

mittelalterlicher Lyrik des I3. Jahrhunderts.<br />

»Es enthält ein buntes Gemisch von Liedern<br />

und Gedichten, verschieden nach<br />

Art und Form, Sprache, Inhalt wie dichterischem<br />

Wert. Neben kunstreichen<br />

Gebilden, formalen virtuosen Stücken,<br />

wie der damalige Zeitgeschmack sie<br />

schätzte, stehen unbeholfene Reimereien.<br />

Neben gelehrter Versifikation, die<br />

mit längst vorgeprägten Worten, Wendungen<br />

und Motiven hantiert und sich in<br />

mancherlei mythologischer Verbrämung<br />

gefällt, überraschend Verse von unbewußter<br />

Frische, dazu Stücke voll<br />

Temperament und kräftig individuellem<br />

Ausdruck. Manches ist im antiken Hexameter<br />

gehalten. Doch herrscht die mannigfach<br />

gebaute Reimstrophe vor, die<br />

aus der kirchlichen Dichtung in die weltliche<br />

übergegangen war. Die Sprache<br />

ist ganz überwiegend das von der Antike<br />

her fortentwickelte Mittellatein, das<br />

auch dem kleinsten Kleriker und Scholaren<br />

damals noch frisch vom Munde<br />

ging. Doch fehlte es auch nicht an Liedern<br />

im heimischen Mittelhochdeutsch<br />

sowie an welschen Einsprengseln. Latein<br />

und Deutsch, Latein und Französisch<br />

10 11


vereinigen sich anmutig im selben Lied.«<br />

(Wolfgang Schadewaldt)<br />

Die Sammlung gliedert sich in vier Teile:<br />

moralisch-satirische Dichtungen, Naturund<br />

Liebeslieder, Trink- und Spiellieder,<br />

geistliche Spiele. Die Natur- und Liebeslieder<br />

sind vorwiegend von Scholaren,<br />

herumziehenden und oft im Leben<br />

gescheiterten Studenten erfunden; die<br />

Trink- Spiellieder sind Dichtungen der<br />

Vaganten, Kleriker ohne feste Anstellung.<br />

Die Melodien sind nicht in unserer<br />

heutigen Notenschrift aufgezeichnet,<br />

sondern in sogenannten Neumen, Hilfszeichen<br />

aus Punkten und Strichen. <strong>Orff</strong><br />

wollte aber keine Studien über deren<br />

mögliche Erschließung betreiben. Was<br />

ihn »bewegte, war ausschließlich der<br />

mitreißende Rhythmus, die Bildhaftigkeit<br />

dieser Dichtungen und nicht zuletzt die<br />

vokalreiche Musikalität und einzigartige<br />

Knappheit der lateinischen Sprache.«<br />

Bei der Auswahl war <strong>Orff</strong> der junge,<br />

musikbegeisterte Bamberger Staatsarchivrat<br />

und leidenschaftliche Lateiner<br />

Michel Hofmann behilflich. »Es begann<br />

ein Suchen und Sichten, ein Finden und<br />

Verwerfen, bis sich einzelne Teile aus<br />

der Fülle immer mehr abzeichneten.«<br />

Die Melodien sind <strong>Carl</strong> <strong>Orff</strong>s eigene<br />

Erfindung; durch seine Musik hat er die<br />

Gedichte wieder zum Leben erweckt.<br />

Des kompositorischen Aufbaus wegen<br />

fügte er sie als Stimmungsstücke ohne<br />

Handlungsablauf in bestimmter und sinnvoller<br />

Reihenfolge zu einer Kantate;<br />

damit ist das Werk ein geschlossenes<br />

Ganzes geworden: es ist gleichsam<br />

eine Folge von Bildern und fordert mit<br />

den von <strong>Carl</strong> <strong>Orff</strong> erfundenen und eingefügten<br />

Tönen die szenische Gestaltung,<br />

die Bühne. Dafür ist der Untertitel<br />

»Cantiones profanae cantoribus et<br />

choris cantandae comitantibus instrumentis<br />

atque imaginibus magicis« die<br />

beste Quelle, um die Intentionen <strong>Orff</strong>s<br />

für eine szenische Umsetzung, eine<br />

choreographisch-mimische Gestaltung<br />

zu erkennen. <strong>Orff</strong> selbst hat den ein wenig<br />

abstrakten Begriff nicht näher erläutert.<br />

Außer den einzelnen Überschriften<br />

und den Texten gibt es in der Partitur keinerlei<br />

Angaben für szenische Lösungen.<br />

»Ich selber hatte verschiedene Vorstellungen,<br />

wollte (aber) keine bindenden Hinweise<br />

geben, sondern mit verschiedenen<br />

Aufführungsstilen, je nach Gegebenheit<br />

experimentieren.«<br />

Solisten, Chöre und Orchester mit ihrem<br />

vielfarbigen Klang sind die Mittel,<br />

mit denen <strong>Carl</strong> <strong>Orff</strong> dieses aufrüttelnde<br />

und revolutionäre, epochemachende<br />

und geniale Werk aufbaute und komponierte.<br />

Das Werk lebt vor allem vom<br />

Rhythmus, wird von ihm getrieben und<br />

entspannt sich in ihm; das große traditionelle<br />

Sinfonieorchester wird um<br />

zusätzliche Schlaginstrumente – außer<br />

Pauken und Trommeln um Glockenspiele,<br />

Xylophon, Cymbeln, Castagnetten,<br />

Schellen, Schnarre, Triangel, Becken,<br />

Röhrenglocken, Tamtam, Gongs, Celesta<br />

und zwei Klaviere erweitert – ein<br />

Schlagwerk für fünf Spieler. 1956 entstand<br />

wohl nicht zuletzt wegen der<br />

Beliebtheit und großen Verbreitung des<br />

Werkes die Fassung mit Begleitung von<br />

zwei Klavieren, Pauken und Schlagwerk,<br />

um sie auch dort aufführen zu können,<br />

wo kein großes Sinfonieorchester<br />

zur Verfügung steht.<br />

<strong>Orff</strong> hatte die Lieder der Handschrift in<br />

drei Teile geordnet:<br />

I. Primo Vere. Uf dem Anger<br />

II. In Taberna<br />

III. Cour d’amours mit Blanziflor<br />

und Helena<br />

Wie schon die alte Handschrift, stellt<br />

<strong>Carl</strong> <strong>Orff</strong> die Anrufung der »Fortuna<br />

Imperatrix Mundi«, der Glücks- und<br />

Schicksalsgöttin als Herrscherin der<br />

Welt, an den Anfang. Er schafft mit<br />

der Wiederholung dieses Beginns am<br />

Das Rad der Fortuna<br />

Aus der Handschrift <strong>Carmina</strong> <strong>Burana</strong><br />

12<br />

13


Ende des ganzen Werks zwei monumentale<br />

Eckpfeiler, zwischen die die<br />

drei Teile gleichsam eingebettet und<br />

eingefügt sind; damit hat er einen Bau<br />

von klarer, großzügiger musikalischer<br />

und theatralischer Architektur errichtet.<br />

Dem großen Einleitungschor – häufig<br />

unisono – Fortuna Imperatrix Mundi<br />

(Fortuna, Herrscherin der Welt, deine<br />

Launen wechseln wie des Mondes<br />

Bild) folgt ein Strophengesang, in dem<br />

das symbolische Bild des sich ständig<br />

drehenden Schicksalsrades weiter<br />

ausgesponnen wird. Ein Männerchor<br />

beklagt hierauf die Wunden, die das<br />

Schicksal uns schlägt. Die Loblieder<br />

auf den Frühling (Nr. 3–5) sind eingängige<br />

Melodien, liedhaft, schlicht<br />

geformt, beherrschen abwechselnd<br />

mit anderen, die wie frühchristlichgregorianische<br />

Gesänge anmuten,<br />

das Werk. Es gibt keine Modulationen,<br />

alles ist einfach und zwingend<br />

logisch. Die wichtigsten Klangfarben<br />

und -nuancen liefert das Orchester, in<br />

dem das Schlagwerk stark und äußerst<br />

differenziert verwendet ist.<br />

Der Frühlingsszene Primo vere folgt<br />

der Dorfplatz, Uf dem Anger, Szenen<br />

voll Spielfreude und Lebenslust. Aus<br />

scharfer Kontrastierung lebt der<br />

Wechseltakttanz (Nr. 6), mit dem<br />

Mittelteil für Flöte und Pauke an bayerische<br />

Tänze mit »Aufspieler« erinnernd.<br />

In den Tanzszenen bestimmt<br />

naturgemäß das Gestische den vokalen<br />

Duktus. So sind Zerbrechen und<br />

Wiederholung des Wortes (Nr. 7)<br />

»Floret Silva…equitavit, -tavit -tavit –<br />

hinc, hinc hinc«, die die reitende Bewegung<br />

nachahmen, oder das<br />

Atemlose (floribus 3/4 + 2/4) ebenso<br />

bildhaft wie das folgende »eia,<br />

quis me amabit?« (Eia, wer wird mich<br />

lieben?), das mit dem »Hornklang« als<br />

Symbol der Ferne Atmosphäre<br />

empfinden lässt. Das Lied der Mädchen<br />

(Nr. 8) »Chramer, gip die Varwe<br />

mir, die min Wengel röte« ist ein Gesang<br />

voll zarter Koketterie, der in liebliche<br />

Terzenketten ausklingt. Die bäuerliche<br />

Frühlingsfeier wird mit einem<br />

Schreittanz (Nr. 9) fortgesetzt, dem<br />

ein Chor lärmender Fröhlichkeit<br />

»Swaz hie gat umbe«, das Liebeslied<br />

»Chume, chum, geselle min« und<br />

schließlich ein turbulenter Tanz »Were<br />

diu werlt alle min« (Wäre die Welt<br />

ganz mein) folgen, der mit dem wilden<br />

Schrei »Hei!« den ersten Teil der<br />

<strong>Carmina</strong> <strong>Burana</strong> beschließt.<br />

Der zweite Teil In Taberna beginnt mit<br />

dem Bariton-Solo »Estuans interius«<br />

(Nr. 11), einem wilden Gesang von<br />

der Vergänglichkeit und Nichtigkeit<br />

des Lebens, der Vagantenbeichte des<br />

Archipoeta, des unbekannten deutschen<br />

Dichters, die schon im Mittelalter<br />

außerordentlich beliebt war.<br />

Der Dichter, Schützling von Reinald<br />

von Dassel, dem Kanzler des Kaisers<br />

Barbarossa und Erzbischof von Köln,<br />

bekennt sich darin zur pravitas, der<br />

»verkehrten Welt«:<br />

Via lata gradior<br />

Die breite Straße fahr<br />

ich nach der Art der Jugend,<br />

geselle mich zum Laster,<br />

frage nicht nach Tugend.<br />

Nach Sinneslust dürstend<br />

mehr als nach dem Heil,<br />

will ich, an der Seele tot,<br />

gütlich tun dem Leib!<br />

Geistvolle Hyperbel, scherzhafte<br />

Übertreibung und Selbstironie waren<br />

dem Dichter gefügig, auch <strong>Orff</strong> kennt<br />

und handhabt diese Kunstgriffe, spielt<br />

mit der Maske.<br />

Dem Solo des gebratenen Schwans<br />

(Nr. 18) »Olim lacus colueram«<br />

(Einst schwamm ich auf den Seen<br />

umher…jetzt liege ich auf der Schüssel<br />

und kann nicht mehr fliegen, sehe<br />

bleckende Zähne um mich her), das<br />

»lamentoso, sempre ironico« vorzutragen<br />

ist, folgt unvermittelt »Ego sum<br />

abbas Cucaniensis« (Nr. 13) (Ich bin<br />

der Abt von Cucanien), der zunächst<br />

als Zecher allein (Bariton-Solo) sich<br />

brüstet, mehr für seinen Leib denn für<br />

seine Seele getan zu haben. Betrunken<br />

psalmodierend, von scharfen<br />

»Wafna«-Rufen kontrastreich unterbrochen.<br />

»In taberna quando sumus«<br />

(Nr. 14) (Wenn wir sitzen in der<br />

Schenke, fragen wir nicht nach dem<br />

Grabe) ist eine große Saufmette, ein<br />

drastisch ekstatisches Finale, gesungen<br />

vom Männerchor, eine Apotheose<br />

der Maßlosigkeit. In der rhythmisch<br />

getriebenen Musik findet das<br />

Hastendüberstürzte und Orgiastische<br />

eine selten plastische Formulierung.<br />

Ganz anders ist der dritte Teil geartet.<br />

Preziös, lieblich und kokett kommt eine<br />

raffinierte Welt zum Erklingen, und so<br />

ist er nicht ohne Grund französisch<br />

überschrieben: Cour d’amours. Im ersten<br />

Teil gibt sich »Amor volat undique«<br />

(Nr. 15) (Amor fliegt allüberall)<br />

morgendlich-frisch und rein gegenüber<br />

dem sinnlich-koketten Mittelstück.<br />

Chiffren für Verständnis und Interpretation<br />

sind die feinste Nuancen fordernden<br />

Hinweise wie »con estrema<br />

civetteria fingendo innocenca« (mit extremer<br />

Koketterie Unschuld heuchelnd)<br />

und zahlreiche Tempo- und Vortragsbezeichnungen,<br />

die hier und an vielen<br />

anderen Stellen der <strong>Carmina</strong> <strong>Orff</strong><br />

als einen Musiker ausweisen, der mit<br />

seiner Klangsprache den komplexen<br />

Charakter der Liedersammlung so<br />

interpretiert, dass der Eindruck entsteht,<br />

als sei diese Klangform der altertümlichen<br />

Textgestalt original auf den<br />

Leib gepaßt und zugleich zeitlos.<br />

Günter Waegner unter Verwendung eines<br />

Begleittextes zu einer Schallplatteneinspielung<br />

(DGG) von Texten und Gedanken<br />

von Lilo Gensdorf »<strong>Orff</strong>«,<br />

K.H. Ruppel »<strong>Carl</strong> <strong>Orff</strong>« und Andreas Liess<br />

»<strong>Carl</strong> <strong>Orff</strong> – Idee und Werk«.<br />

VORANZEIGE<br />

Sonntag, 21. November 2004<br />

Gedenkkonzert zum 100. Geburtstag unseres<br />

Ehrenvorsitzenden Kurt Christian Zinkann<br />

FR. POULENC – STABAT MATER<br />

G. FAURÉ – REQUIEM<br />

Stadthalle <strong>Gütersloh</strong><br />

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